01.
Als Izumi die Augen aufschlägt befindet sie sich nicht mehr in der Enge den kleinen Bottich.
Ein Jubeln, was durchs Wasser erklingt, entfährt ihren menschlichen Teil. Sie ist endlich wieder im Meer.
Die kleinen Fische, die an ihr vorbeiziehen, lassen ihr kleines Herz hüpfen. Vor Freude dreht sie eine kleine Pirouette im Wasser, um ihren Glück Ausdruck zu verleihen und knallt frontal gegen eine Glaswand. Grünes Blut läuft aus ihrer Nase und empört hebt sie ihre Hände zu Fäusten geballt um gegen die Wand undurchdringbaren zuhauen.
In ihrer Panik entging ihr, dass ein junger Mann sie beobachtet und dabei nicht einmal den Blick abwendet. Er war viel zu sehr gefangen in dem Anblick von dem Wesen, was sich vor ihm befand.
Sofort wurde ihm bewusst, dass sie nicht einfach nur eine unglaubliche Entdeckung ist, sondern auch das schönste was er jemals mit seinem Haselnuss braunen Augen erblicken darf.
Ein kleiner Kloß bildet sich in seinen Hals, als er Izumi betrachtet, bevor er näher ans Becken tritt.
Seine Augen ruhen die ganze Zeit auf Izumis vor Wut verzehrtes Gesicht.
Auch nach mehren Minuten hämmert, sie mit ihren Fäusten gegen das Sicherheitsglas, unermüdlich, auch wenn sich nicht der kleinste Riss zeigt.
Geduldig wartet er darauf, dass sie sich beruhigt, dabei sieht er wie Izumi langsam zum Meeresgrund gleitet und erschöpft im Sand liegen bleibt.
Auch jetzt kann er seinen Blick nicht von ihr wenden und geht noch einen Schritt näher, sodass er fast an der Glasscheibe klebt, um sie zu betrachten. Dabei kann er zum ersten Mal die feinen Gesichtszüge erkennen und es wundert ihn doch wie menschlich sie sind. Auch wenn man ihm die Bilder geschickt hat, die man von Probandin Null gemacht hat.
"Hab keine Angst."
Er versucht möglichst beruhigend in das kleine Mikrofon zu sprechen, was dafür sorgt, dass seine Stimme klar und deutlich im Wasser zu hören ist.
Seine Hände verkrampfen sich leicht, als er unterbewusst das Klemmbrett in ihnen fester an sich drückt. Erst als sie langsam den Kopf hebt, stößt er die Luft aus seiner Lunge, die er unbewusst angehalten hat.
Ihr Blick scheint ihn zu durchbohren und er legt ganz vorsichtig die rechte Hand auf das Glas.
"Es ist eine Scheibe. Wir... Ich muss dich irgendwie sehen können. Sie hält das Wasser in dir drinnen." Unmerklich zittert seine Stimme und er beobachtet gebannt, wie Izumi eine Hand ausstreckt und sie auf seine legt. Fast bildet er sich ein sie spüren zu können, doch er weiß, dass sie immer noch durch eine dicke Glasscheibe getrennt sind.
Ein zögerliches Lächeln legt sich auf seine Lippen und er beobachtet, wie Izumis Gesicht doch etwas von seiner Wut verlieren zu scheint.
"Ich bin Dr. Bender. Tut mir leid, solltest du mich nicht verstehen können."
Erbost zieht Izumi ruckartig ihre Hand von der Glasscheibe zurück. Ihr Englisch ist sehr gut, weil es ihr von klein auf beigebracht worden ist.
Sie alle müssen dort unten, in ihrer Heimat, die Sprache der Menschen lernen, um sie zu täuschen, wenn es nötig sein muss.
Trotz ihrer Wut lässt Izumi es sich nehmen, den fremden Mann vor ihr ausgiebig zu mustern. Sie bemerkt sofort, dass er unter seinen weißen Kittel extrem angespannt ist. Langsam gleitet ihr Blick seinen ganzen Körper ab. Seine gelockten braunen Haaren fallen unordentlich bis auf seine Schultern und wirken so, als ob er sie sich gerade noch mit Absicht verwuschelt hat.
Seine braunen Augen, weichen nicht ein einziges Mal von ihr ab, um auf das zu schauen, was er in seinen Händen hat.
Izumi wandte sich von dem jungen Wissenschaftler ab, der sie genauso faszinierte, wie sie ihn. Sie kannte viele schreckliche Geschichten von den Monstern, die sich selber als Menschen bezeichnen, doch zum ersten Mal kamen ihr Zweifel an den Geschichten.
Die Menschen, die sie einfangen haben, waren wie diese Monster, die regelmäßig ihre Alpträume als Kind heimgesucht haben.
Fast unwillkürlich strich Izumi, als sie langsam das riesige Becken abschwamm, mit den Händen an den künstlichen Felsen entlang.
Ein nur für Meermenschen erkennbares Entsetzten zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie erkannte, wie tot die Umgebung war, die sie jetzt umgab.
Während ihres langsamen gleiten durch das Wasser, wagt Dr. Bender kaum den Blick von ihrem strahlenden Fischschwanz zu nehmen. In dem gut ausgeleuchtet Aquarium, war es kaum vorstellbar, dass die Menschheit diese magischen Wesen einfach übersehen haben soll. Die lavendelfarbenden Schuppen scheinen jeden einzelnen Blick abfangen zu wollen. So als ob sie deutlich machen, dass einem nach diesem Anblick nichts mehr schön erscheinen wird.
Als Dr. Bender, Zack für seine Freunde, sich endlich von dem Anblick vor ihm losreißen kann und seine ersten Gedanken aufschreibt, kommt dabei nur raus wie Schön Izumi für ihn erscheint. Er benötigt einen dritten Anlauf, um endlich etwas sinnvolles auf das Blatt Papier vor ihm zu bekommen, was einen ersten Ansatz auf das Wesen vor ihm gibt.
Verstohlen blickt er immer wieder zu Izumi, doch sie hat sich noch immer von ihm abgewandt.
Er sieht kleine Luftblasen aufsteigen die aus ihrem Mund kommen, doch er weiß jetzt schon, dass jeden Laut den sie Unterwasser von sich gibt für die Forschung verloren sind.
Trotzdem konnte er den Blick nicht von ihr abwenden.
Er was gefesselt von dem Wesen vor sich. Von der Kreatur, die gar nicht existieren dürfte.
Als er sich endlich losreißen konnte, um seine ersten Ergebnisse in dem kleinen Notebook auf dem Tisch, der dafür viel zu groß erschien, notierte, merkte er nicht wie Izumi langsam auftauchte.
"Du bist ein Mensch."
Die klare weibliche Stimme, so wunderschön, dass sein Herz fast stehen blieb, ließ ihn von dem kleinen Notebook zurückzucken.
Mit offenem Mund start er die Meerjungfrau an, unfähig sich überhaupt zu rühren.
"Ich habe euch noch nie aus nächster Nähe gesehen."
Die Sachlichkeit in der Stimme von Izumi ließ ihn leicht erschaudern und auf seiner ganzen Haut eine Gänsehaut entstehen.
Zum ersten Mal in seinem, bisher so kurzen Leben, fühlte er sich wie das Versuchskaninchen.
Die beiden Lebewesen blickten sich gegenseitig in die Augen.
Wesen, die sich eigentlich nicht mehr auf dieser Erde hätten begegnen sollen.
"Du kannst sprechen?"
Innerlich verflucht Zack sich, dass aus seiner Feststellung eine Frage geworden ist.
Trotzdem freut er sich, dass Lachen von Izumi zum ersten Mal in seinen Ohren zu hören.
"Natürlich kann ich sprechen. Nur weil ich im Meer lebe, heißt es, nicht dass ich es nicht kann. Ihr könnt es doch auch und dabei seid ihr so unter entwickelt."
Das verächtlich Schnauben von Zack ignorierte Izumi gekonnt. Auch wenn ihre Stimme fest und selbstsicher klang, hatte die kleine Meerjungfrau noch nie so viel Angst in ihren Leben gehabt.
"Ihr zerstört alles nur. Kein Wunder, dass sich alle von euch abwenden. Irgendwann werdet ihr euch selbst zerstört haben und dann leben wir alle wieder in Frieden mit der Natur. Mit den Landbewohnern."
Im Kopf von Zack fängt es sofort an zu arbeiten. Er tritt einen Schritt unbewusst vor und stößt dabei gegen den Tisch, doch er bekommt es kaum mit.
"Ihr lebt versteckt? Also gibt es mehr als dich?"
Seine Worte sind nicht an Izumi gerichtet, sondern an den Wissenschaftler, der sich tief in ihn befindet.
Izumi blickt in neugierig dabei zu, als er wieder zum Notebook greift und in einer Geschwindigkeit in die Tasten haut, dass man kaum hören kann, wie er einzelne Tasten drückt.
Faszination liegt in ihren Blick und sie versucht sich alles einzuprägen, was sich vor ihren Augen abspielt. Auch wenn sie sich immer gewünscht hat, Menschen zu begegnen, hätte sie sich nie vorstellen können, dass sie so sind. Ein leichtes Lächeln legt sich auf die Lippen von Izumi als sie darüber nachdenkt, wie hübsch die Menschen doch waren.
Besonders der junge Mann vor ihr, wie er die Augenbrauen zusammenzog und wie ihm eine kleine brauen Haarsträhne ins Gesicht fiel.
Izumi ist zu fasziniert von dem, was sich vor ihren Augen abspielt. Der Mensch, unfähig seinen Namen auch nur in Gedanken zu formulieren, klebt förmlich an dem kleinen Gerät vor sich. Auf seinem Gesicht breitet sich immer wieder ein Strahlen aus, wenn ihm eine neue Erkenntnis zu den Meerwesen kommt.
Niemals hätte Izumi gedacht, dass solche grausamen Kreaturen, zu Gefühlen wie Freude fähig sind. Sie hat sich immer nur vorstellen können, wie diese nur Angst und Schrecken verbreiten. Doch hier ist sie eine Gefangene und hat sich noch nie so friedlich wie in diesem Augenblick gefühlt. Seine brauen Augen strahlen, auch wenn sie nicht direkt in ihre schauen.
Noch nie hat Izumi sich zu jemanden oder etwas hingezogen gefühlt, doch sie wollte jede kleinste Veränderung in sich aufnehmen.
Sobald die Besessenheit von Dr. Bender, Zack, abgeklungen ist, wendet er sich wieder Izumi zu.
„Ich möchte deinen Namen wissen?", seine Stimme ist schon fast vorsichtig, unsicher, ob sie sich überhaupt Namen geben.
Er beobachtet, wie sich die Augenbrauen von Izumi zusammenziehen und lächelt leicht in sich rein. Jede Bewegung, die er an ihr beobachten kann, ist wunderschön.
„Izumi."
Fast augenblicklich tritt er näher ans Glas und beobachtet, wie sie sich sinken lässt, um mit ihm auf einer Augenhöhe sein zu können.
„Brauchst du irgendwas?"
Durch das kleine Mikrofon kann Izumi ihn so gut verstehen, dass es fast so ist, als würde er vor ihr stehen. Trotzdem entscheidet sich die kleine Meerjungfrau nicht mehr mit ihm zu reden. Sie hat schon genug Schaden angerichtet, mit dem, was sie von ihrem Volk und von sich selber preisgegeben hat. Reaktionslos wendet, sie sich von ihm ab und gleitet über den künstlichen Meeresboden, um sich auf dem Boden zu einer Kugel zusammenzurollen.
„Ok. Ich bin immer da, wenn du doch etwas brauchst. Ich habe eine kleine Wohnung direkt in der Nähe. Ich komme jederzeit zurück zu dir, wenn du mich brauchst."
Er wartet eine halbe Ewigkeit, um eine Reaktion von ihr zu bekommen und wendet sich dann ab, um in seine leere Wohnung zurückzuziehen.
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