11. Kapitel
"Alles klar bei dir, Al?", fragte Lea. Alekto blickte von ihrem Pergament auf und stellte die Feder in das Tintenfass. Sie hatten beschlossen, ihre Freistunden am Morgen für die Hausaufgaben zu verwenden und saßen nun in der Bibliothek. Das Wetter hat sich seit gestern Abend an Halloween nicht mehr verändert. Immer weiter prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben der Bibliothek, die von Laternen beleuchtet war.
"Ja, wieso?"
Lea und Helen wechselten einen Blick. "Als ich nach Tinte gefragt habe, hast du mir das leere Glas gegeben und Helen musste dir dreimal dieselbe Frage stellen, bis du zugehört hast. Ist irgendwas vorgefallen?"
"Du scheinst heute noch abwesender zu sein, als sonst", fügte Helen hinzu.
Alekto sah ihre beiden Freundinnen an. "Mir geht's gut! Hatte nur nicht viel Schlaf."
"Wo bist du eigentlich hin verschwunden? Du warst auf einmal nicht mehr auf der Party." Lea schnaubte hörbar auf, als Helen die Party erwähnte und diese rollte als Antwort nur mit den Augen.
"Ich hatte einfach keine Lust mehr und du schienst gut alleine zurechtzukommen", antwortete sie gereizt, bevor sie ihr Buch zuklappte und sich erhob, um es zurückzubringen.
Da es Vormittag war, war die Bibliothek fast leer und Alekto traf niemand, während sie die Regale ablief. Die Laternen tauchten die hölzernen Regale in einen warmen Gelbton, während man vor den Fenstern den scharfen Wind um die Türme und Gebäude Hogwarts pfeifen hören konnte.
Alekto drückte ihr Buch zurück auf seinen Platz und warf einen Blick auf die Verbotene Abteilung. Der Zugang war durch ein schwarzes Gitter versperrt und dahinter war es dunkel. Zutritt bekam man nur durch die Erlaubnis einer Lehrperson, aber es musste möglich sein, irgendwie da hereinzukommen. Alekto wusste, dass sich Bücher über schwarze Magie da befanden und Morwenna hatte ihr genau gesagt, welches sie brauchte.
Der Rest des Tages verging schnell, was möglicherweise auch daran lag, dass Alekto vor allem ihren Gedanken nachhing. In Zauberkunst hörte sie Professor Flitwick kaum zu, während der kleine Zauberer ihnen den Spruch erklärte. Ob Flitwick erfreut sein wird, wenn sie plötzlich die Sprüche ohne Probleme konnte? Würde er in die Hände klatschen und Slytherin zehn Punkte geben? Würden auch die anderen Lehrer aufhören so tiefe Erwartungen an sie zu haben? Würden die Schüler aufhören mit den Augen zu rollen, wenn sie mit ihr in eine Gruppe eingeteilt wurden?
Die Gedanken kreisten noch in ihrem Kopf, als sie nachts im Bett lag. Die Hände hatte sie über dem Bauch gefaltet, während sie an die Decke ihres Himmelbetts starrte. Sie könnte Black so übel verfluchen, dass er sich ihr gar nicht mehr über den Weg getraut und seine Freunde gleich mit. Die Leute würden aufhören, sie als Squib zu bezeichnen und die UTZ würden nicht mehr dieses flaue Gefühl in ihrem Magen hervorrufen. Die Zukunft würde ihr offen stehen, welchen Beruf auch immer sie haben wollte.
Sie malte sich weiter Dinge aus, bis ihre Uhr halb drei zeigte. Dann schlug sie die Decke zurück und schob die Vorhänge auseinander. Der Raum war in den Mantel der Nacht gehüllt und nur den regelmäßigen Atem ihrer Freundinnen und das sanfte Plätschern des Sees waren zu hören.
Das Bett quietschte leise, als Alekto ihr Gewicht davon herunterrollte und in ihren Morgenmantel schlüpfte. Sie knotete die Bändel zusammen und steckte ihren Zauberstab ein. Sie würde ihn heute nur als Lichtquelle brauchen. Auch steckte sie das Taschenmesser ihres Bruders ein.
Der Gemeinschaftsraum lag verlassen da. Die in der Dunkelheit orange glühende Glut ließ die Möbel lange Schatten werfen und Alekto erschrak kurz, als ihr eigener Schatten sich auf der Wand bewegte. Der Gemeinschaftsraum war warm gewesen, aber als sie heraustrat, spürte sie die Kälte, die in einem Schloss im November herrschte.
Das blaue Licht an der Spitze des Zauberstabes leuchtete ihr den Weg durch das schlafende Hogwarts, bis sie in die Bibliothek trat.
In die Verbotene Abteilung kam sie erstaunlicherweise ohne Probleme. Ein einfaches Alohomora reichte aus und die Tür quietschte nicht einmal als sie ihre Finger um die schwarzen Gitterstäbe wickelte und sie aufdrückte.
Sie machte einen Schritt hinein und blieb stehen. Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit, doch nichts war zu hören. Das ganze Schloss schien tief zu schlafen. Konnte es so einfach sein?
Das blaue Licht erhellte die lederigen Buchrücken. Bei manchen Titeln war die Farbe schon abgeblättert, andere so abgegriffen, das man sie nicht mehr lesen konnte und einige waren in Schriften, die Alekto nicht erkannte. Aber hin und wieder stieß sie auf ein Buch, das wirkte, als wäre es erst am Morgen in einem Buchladen gekauft worden, zwischen den ganzen alten Büchern wirkten sie am unheimlichsten.
Sobald sie sich im Ordnungssystem orientiert hatte, hatte sie das gesuchte Buch schon bald gefunden. Es war ein dickes Buch, das in schwarzes Leder gefasst und an der Seite mit Schnallen verschlossen war. Die einst silbernen Lettern konnte man nicht mehr lesen, nur durch den Titel auf den Buchrücken konnte man es als 'Das Grimoire der Cyhyraeth' identifizieren.
Alekto strich mit der Hand über das Leder, das Buch wirkte alt und man konnte im schwachen Licht Flecken einer Flüssigkeit ausmachen, von der Alekto nicht wissen wollte, was es war. Sie erinnerte sich noch an die Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste, als sie die Cyhyraeth, auch Gwrach genannt, zusammen mit der Banshee durchgenommen hatten. Es waren Todesfeen, die durch ihre Schreie den Tod ankündigten. Die Cyhyraeth soll dreimal schreien, bevor der Tod eintrat. Morwenna hatte sie gewarnt, das Buch konnte sie nur drei Mal öffnen, bevor. . . sie schauderte. Sie hatte noch ein anderes Buch, das sie zuerst durchschauen wollte.
Das andere Buch war um einiges dünner, dafür auch etwas größer. Der Umschlag hatte überall runde Erhebungen bis auf die Mitte, wo mit schwarzer Tinte ein Kreis mit Runen gezeichnet war. Sie blätterte es durch, doch die schweren Pergamentseiten waren leer. Sie klappte es wieder zu, auch für dieses Buch hatte Morwenna ihr gesagt, wie sie an das Wissen kam.
Alekto presste die Lippen zusammen, als sie die Klinge gegen ihren Daumen drückte. Sie sammelte ihren Mut und riss das Messer ruckartig über die Haut. Ein brennender Schmerz flammte auf und sie presste ihren Finger schnell in den Kreis und zeichnete die Perthro Rune mit ihrem Blut. Das Rot des Blutes wurde immer dunkler, bis es schließlich dasselbe Schwarz hatte wie der Kreis darum und sie klappte das Buch wieder auf. Als wäre das Blut durch den Einband gesickert, fing von der Mitte der Seite aus sich schwarze Schlieren in das Pergament zu fressen, bis Wörter, Symbole und Zeichnungen immer deutlicher wurden.
Sie drückte ein Taschentuch gegen ihren Daumen und blätterte durch die Seiten. Manche zeigen kryptische Runen, die sie selbst mit Alte Runen nicht entziffern konnte, andere verschlungene Symbole und noch Zeichnungen, die den Effekt verschiedener Sprüche zeigte. Jedes Mal, wenn sie umblätterte, hatte sie das Gefühl, aus den Augenwinkeln Bewegungen auf den Seiten wahrzunehmen, aber wenn sie wieder zurückblätterte, hatte sich nichts verändert. Bei den Zeichnungen blätterte sie immer schnell weiter, eine zeigte eine Bildfolge eines aufgeschnittenen Armes, der sich immer mehr in eine monströse Klaue verwandelte. Eine andere zeigte einen toten Vogel, aus dessen Bauch eine seltsame Pflanze mit riesigen Dornen wuchs, schwarze Magie war nichts Schönes. Dabei war es ein Überbegriff für verbotene Zauber, weil sie zu grausam waren oder zu gefährlich, aber vor allem war es ungesicherte Magie, zerstörerisch und unberechenbar. Viele Leute starben bei der Ausübung von schwarzer Magie und viele hatten weitere Menschen absichtlich oder unabsichtlich mit sich in den Tod gezerrt. Magie war an die körperliche Energie gekoppelt, war man am Ende seiner physischen Kräfte, war man am Ende seiner magischen, aber schwarze Magie nahm darauf keine Rücksicht. Sie forderte, bis es nichts mehr zu fordern gab.
Ihre Augen überflogen die Zauber, ihre Wirkungen und den Preis, den man für die Ausübung zahlen musste. Schwarze Magie kam immer mit einem Preis. Aber sie suchte nicht nach einem Zauber, um anderen wehzutun, Gedanken zu kontrollieren oder sogar Wesen aus einer anderen Dimension zu beschwören, sie brauchte einen zum Verstärken ihrer Magie.
Sie schielte zum Grimoire der Cyhyraeth neben sich. Wenn sie es nur dreimal öffnen konnte, musste sie vorbereitet kommen. Morwenna konnte ihr nur bis zu einem gewissen Punkt helfen, sie wusste nicht, was Alekto für den Zauber brauchte. Aber durch das andere Buch bekam sie zumindest eine Idee. Blut? Wäre wahrscheinlich. Körperteile? Eine Fingerspitze wäre sie bereit zu geben, aber sonst nichts. Lebensjahre? Sie hoffte nicht. Ein Opfer musste immer gebracht werden, vermutlich etwas Persönliches, etwas, das ihr nahe am Herzen lag. . . was käme da infrage?
Das über die walisische Todesfee Cyhyraeth/Gwrach und der dreifachen Ankündigung des Todes habe ich mir nicht ausgedacht, das ist so (laut Wikipedia) in der walisischen Mythologie aber ich fand es interessant, das auf ein Grimoire zu übertragen. Das man es nur drei Mal öffnen kann, bevor man stirbt.
Das ist die Perthro Rune falls es jemand interessiert. Ich habe auf verschiedenen Websites gelesen, dass die Rune mit Schicksal, okkultem Wissen und Geheimnis verbunden wird, jedoch sind das neuzeitliche Interpretationen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro