5. Kapitel
Meridea kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Obwohl sie schon einige Wochen hier in den neuen Räumen lebte, konnte sie immer wieder etwas Neues entdecken.
Egal, was Otek zu ihr gesagt hat, sie hatte nicht mit so einem Luxus gerechnet. Und sie fand auch, sie hätte es nicht verdient.
Es war nicht nur ein Raum, den sie bewohnen sollte, es waren insgesamt fünf Räume, davon ein eigenen Küchenbereich, ein Wohnbereich und der Rest waren Schlafzimmer. Sie hatte keine Ahnung, wozu sie so viele Räume brauchte. Salea würde sie zwar immer noch betreuen, aber sie schlief immer bei ihrem Mann in einem anderen Teil des Palastes und würde auch nicht zu ihr ziehen.
Neugierig lief sie immer wieder durch alle Räume und blieb schließlich in einem Raum stehen, der wie für sie geschaffen war. Er war nicht sonderlich groß, aber er hatte ein Fenster, das in den Garten zeigte. Außerdem war dort eine Tür und sie konnte sich jederzeit in den Garten zurückziehen.
Meridea brauchte keinen Luxus. Sie verzichtete gerne auf wertvolle Vorhänge oder Malereien aus purem Gold an den Wänden.
In diesem Raum konnte sie sich wohlfühlen. Sie hatte sich endlich entschieden. Hier würde sie ihr eigenes Reich einrichten.
Seufzend lief sie durch den Raum.
Salea hatte sie schon verlassen und das Essen würde sie erst in einer Stunde von einem persönlichen Diener des Königs serviert bekommen.
Sie öffnete die Tür und schritt in den Garten hinaus.
Er war groß, beinahe noch größer als der beim Harem. Natürlich war auch dieser Garten durch eine Hecke eingezäunt. Dennoch war alles großzügiger bemessen. Sie betrachtete das Nebengebäude, das bewohnt zu sein schien. Die Bewohner hatten auch einen Zugang zum Garten, aber auch hier war es durch hohe Hecken getrennt worden.
In der Mitte des Gartens war ein Brunnen, der in einer Art Pavillon aus Marmor stand.
In dem Pavillon waren Bänke aufgebaut, die mit Sitzkissen ausgepolstert worden waren.
Obwohl sie erst kurze Zeit hier war, hatte schon jemand eine Schale mit frischem Obst auf einem kleinen Beistelltisch hingestellt. Außerdem lagen noch diverse Bücher auf dem Sitzkissen verteilt.
Meridea konnte nicht widerstehen. Sie setzte sich auf eines der Kissen und nahm ein Buch zur Hand. Es war ein Lehrbuch über die verschiedenen Königreiche. Die Südhalbkugel war in vier Reiche eingeteilt. Das größte dieser Reiche war Solimar, in dem sie auch nun lebte. Die anderen Reiche waren Tarkur, Adluf und Draob. Die Könige neideten sich offenbar und es wurde oft um Gebiet gekämpft. Die größten Gegner waren tatsächlich Otek und ein jüngerer König mit dem Namen Korath. Sein Reich Tarkur grenzte direkt an Solimar und die Grenzgebiete kamen wohl oft in den Genuss, einen anderen König zu haben.
Die Nordhalbkugel war nur in drei Reiche unterteilt und die Könige dort waren Brüder, die sich kaum neideten. Mehr konnte sie aber nicht erfahren, da es wirklich kaum Aufzeichnungen über den Norden gab. Die Bevölkerung des Nordens wurde als primitiv bezeichnet und auch die Könige schienen nicht mit großer Intelligenz gesegnet zu sein. Zumindest hatte man den Eindruck, wenn man dem Buch glauben konnte, das allerdings von einem Südler verfasst worden war.
Es gab drei Sonnen, die aber die meiste Zeit des Tages auf die Südhalbkugel schien. Deswegen hatten sie auch so viele Stunden die Helligkeit, wogegen der Norden eher dunkel war und Kälte den Tag beherrschte.
Allerdings gab es auch deswegen auf der Südhalbkugel eher Wüste und die Menschen waren eher dunkelhäutig.
Wieder war kaum etwas über den Norden zu lesen. Man vermutete, dass die Menschen dort in Höhlen hausten.
Meridea wunderte sich über die Ignoranz, die man hier dem Norden gegenüber zeigte. Sie konnte sich nicht vorstellen dass die Menschen vom Norden so primitiv waren, wie sie teilweise dargestellt wurden.
Wenn man den Schriften glauben konnte, war das Volk des Südens edel und von jedem Zweifel erhaben. Sie lachte leise über diese Arroganz, denn sie kannte die Wahrheit. Natürlich gab es auch kluge Menschen hier, die diesen Titel wirklich gerecht wurden, aber die meisten waren gewöhnlich mit den ganzen Fehlern und Schwächen, die ein Mensch eben hatte.
„Was amüsiert dich so?"
Meridea schreckte auf, als sie angesprochen wurde. Sie hatte niemand bemerkt und es stand auch niemand bei ihr. Dennoch musste sie lächeln. Auch wenn sie diese tiefe Stimme schon lange nicht mehr gehört hatte, kam sie ihr so vertraut vor, wie sonst nichts in ihrem Leben.
„Die Geschichte eures Landes, eure Hoheit!"
Er schnaubte leise.
„Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du mich Makuc nennst? Ich nenne dich ja auch nicht bei deinem jetzigen Titel!"
Sie riss die Augen auf.
„Ich habe einen Titel?"
Er lachte tief und leise.
„Oh ja. Ab heute darfst du dich Hüterin des Kissens nennen!"
Sie verzog das Gesicht.
„Was ist denn das für ein Titel?"
Wieder ein Lachen.
„Das ist eine nettere Umschreibung für Geliebte des Königs!"
Sie wunderte sich, dass Makuc darüber lachte.
„Du bist nicht böse darüber? Mir war es so, weil ich schon lange nichts mehr von dir gehört habe."
Sie sah, wie er in den Pavillon kam. Er sah großartig aus. Wieder trug er eher einfache Kleidung. Eine ärmellose lange Tunika und eine Stoffhose, die locker saß.
Wieder hatte er keinen Schmuck angelegt, doch sein Haar trug er etwas länger. Nun konnte man auch erkennen, dass er auch hellere Haare hatte, obwohl sie nicht so hell waren wie ihre eigenen.
Er setzte sich ihr gegenüber, immer noch ein Lächeln auf den Lippen.
Sie konnte sich an ihre erste Begegnung erinnern, als sein Vater verkündet hatte, dass sie in der Nacht in seinen Gemächern verbringen sollte.
Makucs Gesicht war böse gewesen und er hatte seine Wut nur schwer unterdrücken können. Doch nun schien er fröhlich und auch nicht im Geringsten eifersüchtig.
Er beugte sich etwas zu ihr vor, nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss auf den Handrücken.
Erschrocken zog sie die Hand zurück.
„Wir dürfen das nicht. Wenn uns die Männer deines Vaters erwischen..."
Er lachte und nahm wieder ihre Hand.
„Mein Vater weiß alles! Schon als er uns zwei sah, wusste er, dass wir zusammen gehören! Es ist sein ausdrücklicher Wunsch, dass ich dich beschütze und das werde ich auch! Hier im Garten sind wir sicher. Mein Vater hat es arrangiert. Ich muss mich bei dir allerdings entschuldigen, wenn du den Eindruck hattest, dass ich dich gemieden hätte. Es gab wieder Ärger mit den Wegelageren und ich musste mich darum kümmern! Aber nun sind wir ungestört."
Sie starrte auf das andere Gebäude und er folgte ihrem Blick.
„Das sind meine Räume. Niemand außer uns hat Zugang zu diesem Garten und er ist vor neugierigen Blicken sehr gut geschützt! Dennoch hast du Recht. Wir müssen aufpassen, auch wenn mein Vater es billigt. Es gibt andere, die falsches Wissen ausnutzen könnten."
Wieder hauchte er einen Kuss auf den Handrücken, wurde aber von einem Räuspern unterbrochen.
Meridea sah erschrocken auf, und zitterte, als sie den Boten des Königs erkannte. Dieser lächelte leicht, sah dann aber missbilligend zu Makucs Hand.
„Ich weiß dass es schwer ist, aber ihr solltet euch erst zurückhalten, Prinz. Es ist gefährlich! Wenn euer Bruder..."
Makuc nickte.
„Ich weiß, Kazak. Aber Sumek wird es nie erfahren! Er kommt nicht hier her. Es ist ihm zu primitiv hier! "
Der Bote schnaubte und verneigte sich dann vor Meridea.
„Es ist Zeit vergangen, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Erlaubt mir, mich euch vorzustellen. Mein Name ist Kazak. Ich bin Bote und Vertrauter des Königs. Außerdem bin ich ab heute, genau wie der Prinz, zu eurem Schutz abberufen geworden."
Meridea riss die Augen auf.
„Zu meinem Schutz?"
Kazak nickte.
„Ja. Euch mag es nicht bewusst sein, aber mit der besagten Nacht ist euer Status erheblich gestiegen. Ihr seid nun nicht mehr eine Dienerin der Dunkelheit!"
Sie schnaubte.
„Dafür gelte ich nun offiziell als Hure des Königs. Ich weiß nicht, ob das besser ist!"
Makuc lachte, was sie wieder verwunderte. Wieso nahm er das eher locker?
Kazak lächelte milde.
„Ihr seid keineswegs als Hure zu bezeichnen. Ihr werdet weiter ausgebildet. Allerdings kommen nun noch andere Sachen hinzu. Wie ich sehe, habt ihr euch schon mit der Geschichte und Geographie unseres Landes beschäftigt! Hinzu kommen noch politische Themen, aber auch Tischmanieren, Verwaltung eines Haushaltes und korrekte Manieren bei einem Staatsbesuch."
Nun war es Makuc, der Kazak erstaunt anblickte.
„Mein Vater hat nicht gesagt, dass er sie zur ersten Frau ausbilden lassen will. Hat er es sich anders überlegt?"
Kazak schüttelte den Kopf.
„Prinz Makuc. Versteht das nicht falsch. Er lässt die Dame Meridea nicht für sich ausbilden. Er lässt sie für euch ausbilden. Als Gemahlin!"
„Komm, Kindchen. Setzte dich zu mir! Nach was steht dir heute der Sinn? Wollen wir unsere Spielpartie von gestern beenden? Oder soll ich dir wieder etwas über das Land erzählen?"
Meridea lächelte den König an.
Es waren Wochen her, seit sie das erste Mal zu ihm gerufen worden war. Beinahe jeden Abend war sie nun bei ihm gewesen. Und es war wirklich so, als ob sich ein Vater mit seiner Tochter unterhalten würde. Sie spielten Spiele oder der König selbst übernahm ihren Unterricht, meist in politischen Vorgehen und den Folgen. Sie lernte sehr gerne von ihm, denn sie musste zugeben, dass er trotz seiner Arroganz gegenüber dem Volk ein guter Politiker war.
Doch heute war etwas anders.
Sie sah die dunklen Augenringe und seine gebückte Haltung, als ob er Schmerzen hätte. Sie machte sich Sorgen
„Ihr solltet euch niederlegen, eure Majestät. Ihr seht mit Verlaub, nicht sehr wohl aus.
Er lachte leise.
„Das stimmt, Kindchen! Mir geht es wirklich nicht sehr gut. Aber ich genieße unsere gemeinsamen Nächte."
Sie zeigte auf das Bett.
„Legt auch hin und wir können uns unterhalten, während ich eine Tunika nähe!"
Sie hob ihren Nähbeutel in die Höhe.
König Otek verzog das Gesicht.
„Ich würde das Nähen nur akzeptieren, wenn ich genau wüsste, diese Tunika ist für mich!"
Sie lachte, während er sich tatsächlich ins Bett legte. Er war wohl wirklich krank. Sie versuchte ihre Sorgen zu überspielen.
„Schrecklicher Mann! Woher wisst ihr denn, dass es nicht so ist?"
Er lächelte sie müde an.
„Auch wenn ich mich gerne selbst überschätze, so weiß ich, dass nur einer in eurer Nähe so einen breit gebauten Rücken hat. Und das bin nicht ich, meine Liebe!"
Sie lachte leise und hob die Tunika in die Höhe.
„Ja, ich möchte Makuc eine Freude machen. Ich habe einen Stoff gefunden, der leicht und doch reißfest ist. Außerdem hat er keinen unnötigen Schnickschnack. Er mag so etwas nicht!"
Otek drehte sich zu ihr auf die Seite und legte eine Hand unter seine Wange.
„Das ist wahr. Ich wundere mich immer wieder, wie sehr er sich von seinem Bruder unterscheidet." Er wirkte einen Moment nachdenklich, bevor er weiter sprach.
„Würdest du mir einen Gefallen gewähren?"
Sie nickte erstaunt, denn eigentlich bat der König nicht. Er befahl!
„Auf meinem Schreibtisch liegt ein Pergament, Tinte und Feder. Würdest du mir helfen, eine Ankündigung aufzusetzen?"
Wieder nickte sie.
Der König wusste schon seit geraumer Zeit, dass sie des Lesens und Schreibens mächtig war, dennoch kam es nie vor, dass sie ihm bei einer Ankündigung helfen sollte.
Sie holte die Kladde und setzte sich wieder neben das Bett.
Der König atmete tief ein.
„Ich möchte, dass du das Schreiben hier zweimal verfasst und eines davon bei dir behältst!"
Diese Bitte wunderte sie noch mehr, doch sie nickte.
„Selbstverständlich mein König. Ganz wie ihr befiehlt!"
Er lächelte matt.
Dann begann er zu diktieren und Meridea schrieb:
ANKÜNDIGUNG
Nach reiflicher Überlegung habe ich, König Otek, Herrscher von Solimar und Oberbefehlshaber aller Truppen beschlossen, dass ich die Erbfolge ändern werde!
Nicht Prinz Sumek, der von Geburt her eigentlich für den Titel des Thronerbes vorgesehen war, sondern Prinz Makuc soll der nächste Herrscher von Solimar werden, wenn ich diese Welt verlasse.
Meine Beobachtungen der letzten Jahre haben mir gezeigt, dass Makuc der weisere und besondere Herrscher werden wird.
Sumek wird als zweiter der Thronfolge bleiben, es sei denn, der zukünftige König hat das Glück eine Frau zu finden, die ihm Kinder schenkt. Dann wird die Thronfolge automatisch angepasst.
Meridea starrte auf das, was sie geschrieben hatte.
„Sumek wird nicht einverstanden sein, mein König."
Otek nickte ernst.
„Das weiß ich! Ich werde nicht mehr lange zu leben haben, wenn er es erfährt. Deswegen habe ich dich gebeten, ein zweites Schreiben zu erstellen. Ich möchte, dass du das bei dir behältst, denn ich traue dir und sonst niemanden. Nicht einmal Kazak traue ich in dem Fall. Ich möchte, dass Makuc den Thron besteigt. Sumek wird kein guter König. Er tyrannisiert jetzt schon seine Leute und er wird mit dem Volk nicht anders verfahren!"
Sie seufzte, weil sie wusste, dass der König Recht hatte.
„Aber noch habt ihr ein langes Leben vor euch und ihr werdet noch lange genug regieren!"
Er schüttelte den Kopf.
„Kindchen, ich merke schon, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmt. Ich werde immer schwächer! Ich weiß nicht, wer es ist, aber ich werde vergiftet!"
Sie sprang auf.
„Warum sagt ihr nichts? Ein Heiler..."
Er hob lächelnd die Hand.
„Ich habe den Heiler schon aufgesucht. Er hat mir bestätigt, was ich schon ahnte. Das Gift ist sehr wirkungsvoll und es hat seine Arbeit schon getan. Es wird noch Wochen dauern, aber ich werde sterben!"
Sie setzte sich wieder und nahm seine Hand in ihre.
„Was kann ich tun?"
Er schüttelte den Kopf.
„Um mich zu retten? Nichts! Aber ich möchte, dass du Makuc heiratest! Ich weiß, dass er dich liebt. Ich habe es vom ersten Augenblick an gesehen. Es werden Schwierigkeiten auf euch zukommen, aber wenn Makuc erst einmal König ist, kann er es durchsetzen! Deswegen habe ich so auf deine Ausbildung bestanden!"
Meridea schluckte hart.
Bisher hatten Makuc und sie nicht darüber gesprochen. Es war alles noch so frisch und neu. Und sie wusste auch nicht, ob Makuc sie als Gemahlin überhaupt in Erwägung zog. Selbst als Kazak sie informiert hatte, warum Otek auf die Ausbildung bestand, hatte Makuc nur gelächelt, aber nichts gesagt.
Sie waren auch immer vorsichtig und sahen sich immer noch selten.
Otek betrachtete sie, während sie nachdachte.
„Du bist dir unsicher?"
Erschrocken sah sie ihn an, dann nickte sie.
„Etwas! Ich weiß nicht, ob Makuc mich wirklich will!"
Er lachte laut auf und hustete dann. Blut kaum aus seinem Mund, dass er schnell mit einem kleinen Tuch abwischte.
„Er liebte dich schon, als er dich noch nicht einmal gesehen hatte. Ich weiß es, denn ich habe euch beobachtet. Du weißt, warum du immer noch als die Meine dargestellt wirst, obwohl ich dich eher als Tochter sehe. Ich muss dich schützen. Ich habe es so ernst genommen, dass ich nicht gesehen habe, dass auch ich das Opfer sein könnte. Nun ist es zu spät."
Sie seufzte leise.
„Aber ich hoffe, dass ihr euch irrt!"
Er lachte wieder.
„Das hoffe ich auch!"
Sumek starrte auf das Pergament, das auf dem Schreibtisch seines Vaters lag. Eigentlich wollte er gar nicht hier her kommen, doch sein Vater hatte in der letzten Zeit kaum mit ihm gesprochen und Sumek hatte geahnt, dass der Mann etwas vorhatte. Und nun sah er es schwarz auf weiß!
Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten.
Sein Bruder sollte König werden?
Verflucht!
Das war nicht gerecht!
Er war der Erstgeborene und zum König erzogen worden.
Was war Makuc schon? Ein einfacher Soldat! Mehr nicht!
„Vater!", brüllte er.
Er wusste nicht, wo sich der alte Mann aufhielt, aber er war bestimmt in der Nähe! In der letzten Zeit blieb er immer in seinen Räumen. Meistens durften nur seine Vertrauten und diese Hure zu ihm.
Sumek konnte sich schon denken, dass es Kazak gewesen war, der seinem Vater so einen Unsinn eingeredet hatte.
Kazak war der engste Vertraute seines Vaters. Auch wenn er immer nur als Bote fungierte, so war er weitaus mehr. Und Kazak hatte noch nie viel von ihm gehalten. Daraus hatte er nie ein Geheimnis gemacht!
Sein Vater kam nun in den Raum.
„Sumek!"
Wie immer sah sein Vater ernst aus. Aber was Sumek erschreckte, war seine fahle Gesichtsfarbe und sein schleppender Gang. Er wirkte krank.
Und Sumek kannte diese Symptome.
Er musste sich ein Lächeln zurückhalten. Er kannte das Gift, das so etwas verursachte und er wusste auch, wer es benutzte.
Sein Vater setzte sich schwerfällig in den Sessel.
„Was willst du hier? Ich habe gesagt, dass ich nur bestimmte Menschen sehen will!"
Sumek nickte.
„Das weiß ich! Aber ich bin dein Sohn und habe mir Sorgen um dich gemacht!"
Der König lachte, aber es war kein fröhliches Lachen.
„Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass dies gerade eine Lüge war."
Er sah das Pergament auf dem Schreibtisch und schaute Sumek nun von unten herauf streng an.
„Ich denke auch, dass ich nicht mit bekommen hätte, dass du überhaupt hier bist, wenn du nicht aus Wut über dieses Schriftstück gebrüllt hättest!"
Sumek zuckte mit den Schultern. Warum sollte er es länger verleugnen?
Er legte seine Hände auf die Tischplatte und atmete ein paarmal tief ein.
„Dieses Schreiben ist nicht dein Ernst! Oder, Vater?"
Der König hob arrogant seinen Kopf.
„Du hast mich mit eure Majestät oder eure Hoheit an zu sprechen! Und doch, es ist mein voller Ernst!"
Sumek hatte das Gefühl, seine ganze Welt würde in diesem Moment zusammen brechen.
„Aber ich bin dein Erstgeborener und wurde zum König erzogen!"
Otek lachte höhnisch.
„Und doch hast du nichts gelernt! Du bist wie ich in jungen Jahren! Und ich war ein schlechter König. Und man spürt leider immer noch den Einfluss deiner Mutter!"
Sumek wischte mit der Hand durch die Luft.
„Lasst Mutter aus dem Spiel, eure Hoheit! Ich habe mich ihr schon seit einiger Zeit entledigt!"
Otek lehnte sich zurück.
„Dann bist du schlauer, als ich vermutet habe! Trotzdem bleibt mein Entschluss. Morgen werde ich verkünden lassen, dass Makuc der nächste König nach meinem Tod wird."
Sumeks Knie gaben nun nach und er kniete auf den Boden.
„Was habe ich falsch gemacht? Wie kann ich eure Entscheidung noch rückgängig machen?"
Otek schüttelte den Kopf.
„Gar nicht! Ich bin mir auch sicher, dass du mein Leiden bemerkt hast. Ich habe keine Beweise dafür, aber ich traue dir und deiner Mutter zu, dass ihr meinen Tod beschleunigen wollt!"
Sumek schüttelte entsetzt den Kopf und stand vorsichtig auf.
Er hatte schon einige Leute auf dem Gewiesen, aber nie im Leben hätte er seinen Vater vergiftet. Er hatte immer gehofft, dass sein Vater irgendwann auf ihn zukommen würde. Aber nun sah er, dass dies nie der Fall sein würde.
Langsam kam er um den Schreibtisch herum.
„Weiß Makuc davon?"
Der König schüttelte den Kopf.
„Nein! Er wird es nicht annehmen wollen. Das ist auch ein Unterschied zwischen euch. Du lechzt gerade nach der Macht, die dir nicht zusteht. Und Makuc ist bescheiden genug, um an seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Dennoch bin ich überzeugt, dass er ein guter Herrscher werden wird und deswegen zwinge ich ihn dazu, das Amt anzunehmen!"
Sumek lachte bitter.
„Und ich nicht! Die ganzen Jahre waren also umsonst!"
Otek zuckte mit den Schultern.
„Wenn du Glück hast, wird dich Makuc als Berater behalten! Aber auch zu ihm warst du ein Tyrann. Es sollte mich wundern, wenn Makuc dich hier behalten will!"
Oh ja. Da war sich sogar Sumek sicher, dass er und seine Mutter die ersten waren, die Makuc aus dem Palast entfernen ließ. Zu oft hatte er seinen Bruder verraten und getäuscht, nur um besser als er da zu stehen. Und gebracht hatte es ihm nichts.
Er lachte wieder bitter auf.
„Makuc also! Nun, wenn es euer Wunsch ist, dann wird er wohl erfüllt werden. Wer wird es verkünden?"
Otek sah ihn misstrauisch an. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Sumek so schnell nachgab.
„Es weiß nur eine weitere Person über meine Pläne. Sonst noch niemand. Ich werde es morgen selbst verkünden!"
Sumek starrte seinen Vater ungläubig an.
Das konnte nicht sein Ernst sein! War Otek so dumm?
Konnte Sumek wirklich so viel Glück haben?
Er griff nach seinem Dolch, doch hielt sich noch zurück.
„Wer weiß es noch?"
Otek bemerkte jetzt doch seinen Fehler. Er kniff die Augen zusammen.
„Das wirst du nicht erfahren, Sumek!"
Der schloss kurz die Augen.
Sein Vater hatte eine Ahnung, was jetzt passieren würde. Auch wenn er sonst eher arrogant war, hatte er eine Weitsicht, die jeder bewunderte.
„Nicht einmal jetzt, Vater? Nicht einmal jetzt kannst du mich Sohn nennen?"
Otek lachte leise.
„Warum sollte ich? Ich weiß, dass du nicht mein eigen Fleisch und Blut bist. Deine Mutter hat mich herein gelegt, so wie sie dich herein gelegt hat!"
Sumek stieß seinen Atem aus.
„Auch deswegen, oder?"
Otek zuckte mit den Schultern.
„Es wäre mir egal gewesen, wenn du ein fähiger König geworden wärst. Aber das bist du nicht. Weißt du, deine Mutter ist an Hinterlist kaum zu übertreffen. Ich konnte es ihr nie nachweisen, aber ich bin mir sicher, dass sie Makucs Mutter auf dem Gewissen hat. Melasea war zwar eine Dienerin der Dunkelheit, aber sie hatte Verstand und Klasse, was deiner Mutter fehlt. Trotz ihrer Ausbildung hätte sie es nie auf den Thron geschafft!"
Das war Sumek klar.
„Melasea! Sie ähnelt deiner jetzigen Hure. Du hast dich immer zu den Huren hingezogen gefühlt und nicht zu den Frauen, die für dich vorbereitet wurden!"
Otek lachte.
„Auch in der Hinsicht habe ich dich getäuscht! Sie ist nicht meine Hure. Ich habe Meridea nicht angerührt! Sie ist noch Jungfrau! Das heißt also, dass sie nie die deine sein wird!"
Sumek lächelte seinen Vater mitleidig an.
„Auch das ist mir egal. Sie ist unwichtig! Wenn du sie nicht besteigen konntest, ist das dein Problem. Vielleicht kann ich es! Und ich werde es, sobald ich König bin! Du hast den Fehler gemacht und alle glauben lassen, dass sie deine Geliebte ist."
In Oteks Augen blitzte Empörung auf.
„Sie ist nicht die Deine!"
Blitzschnell rammte Sumek seinen Dolch in Oteks Leib.
Der König gab keinen Schmerzenslaut von sich. Auch nicht, als Sumek ein zweites Mal zu stach.
Sumek lachte heiser und beugte sich nach dem dritten Stich nahe an Oteks Ohr.
„Die Deine wird sie aber auch nicht mehr! Gehab dich Wohl, Vater! Ich wünsche dir eine gute Reise zu deinen Ahnen!"
Er stach ein viertes Mal zu und der König sackte in sich zusammen.
Sumek wischte in aller Ruhe das Messer an der Tunika seines Vaters ab, bevor er ihn wieder verschwinden ließ. Dann nahm er das Schriftstück und warf es ins Feuer!
Nun würde er König werden.
Es waren nur noch einige Leute mehr zu beseitigen.
Und er wusste, mit wem er anfing.
Er ging ruhig zur Tür und streckte seinen Kopf heraus. Seine Miene war nichtssagend.
„Der König wünscht meine Mutter zu sprechen. Sorgt dafür, dass sie so schnell wie möglich hier her kommt!"
Die Wache, die vor der Tür gestanden hatte, neigte den Kopf.
„Sofort, Prinz Sumek!"
Sumek sah dem Kerl hinterher und grinste.
„Ab morgen wirst du mich König nennen, du Mistkerl!", flüsterte er.
Dann drehte er sich wieder um und beseitigte alle verräterischen Spuren. Dann ging er.
Seine Mutter würde eine schöne Überraschung erleben, wenn sie hier her kam!
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