4. Kapitel
Meridea wurde in einen Raum geführt, der von Kerzen erleuchtet war. Es gab keine Fenster, nur Nischen, die nach außen kleine Öffnungen hatten, um die Sonnen, die beinahe rund um die Uhr schienen, ab zu schirmen. Trotzdem war es nicht stickig in dem Raum und Meridea hätte gerne gewusst, warum das so war. Sie traute sich aber nicht zu bewegen. Jeder Schritt konnte falsch sein, das wusste sie!
Deswegen stand sie nun zitternd mitten im Raum und wartete auf den König.
Ängstlich schaute sie auf das große Bett, dass zu ihrer Rechten war. Seidenlaken und Kissen, kostbare Goldverzierungen und ein schwerer Baldachin zeigten, dass es das Bett eines Königs war. Pure Verschwendung in Merideas Augen. Schon alleine die Goldverzierungen, die nach Merideas Meinung echt waren, hätte eine Familie monatelang ernähren können.
Doch heute Nacht war es dafür bestimmt, es einen König bequem zu machen, während eine junge unerfahrene Frau ihn verwöhnen musste.
Meridea verzog das Gesicht, während sie das Bett weiter betrachtete.
Sollte sie sich schon darauf legen und warten?
Sie wusste es nicht!
Sie entschied sich dagegen und blieb lieber stehen.
Bald hörte sie Schritte, die auf sie zukamen und sie warf sich schnell auf die Knie und senkte den Kopf.
Die Schritte stoppten und sie hörte ein heiseres Lachen.
„Mädchen, du siehst aus, als ob du zur Schlachtbank geführt werden sollst! Erhebe dich und komm zu mir!"
Meridea schluckte hart.
Auch wenn der König lachte, so war sie wohl nicht gut genug für ihn. Zumindest hatte er gelacht! Das konnte nicht richtig sein. Vorsichtig hob sie den Kopf, dann stand sie auf und ging einige Schritte.
Der König hatte sich zu einem Sessel begeben und setzte sich schwer fällig hinein. Er bemerkte, wie sie sich ihm nur zögernd näherte.
Er winkte sie näher und zeigte auf die Sitzkissen, die um den Sessel verteilt waren.
„Nur keine Angst, Meridea. Ich bin alt und möchte dich nicht in mein Bett zerren. Du hast vielleicht schon davon gehört, dass es mit meiner Manneskraft nicht mehr allzu gut bestellt ist! Nur meine Vertrauten wissen davon!" Er lachte laut. "Ich habe schon seit Jahren keine Frau mehr glücklich machen können!"
Meridea setzte sich ihm gegenüber.
„Aber warum habt ihr mich herkommen lassen?"
Er lächelte sie an. Es sah unwirklich aus, denn er tat es wohl nicht oft. Es sah eher wie eine Grimasse aus.
„Nun, ich weiß nicht, was man dir alles über mich erzählt hat. Aber vielleicht hast du von Melasea gehört. Sie war Makucs Mutter und ich denke, sie war die einzige Frau, die ich gerne mochte. Kazak gehört zu meinen Vertrauten und er muss sich dabei etwas gedacht haben, dass er ausgerechnet dich kaufte. Denn du siehst ihr sehr ähnlich! Da er weiß, wie es um mich bestellt ist, wird er dich für meine Söhne gekauft haben."
Sie senkte den Kopf.
„Ich weiß nicht viel von euren Söhnen."
Otek schnalzte mit der Zunge.
„Mädchen! Ich habe Augen im Kopf. Und mein Gehör ist ausgezeichnet. Ich habe euch beide gehört...dich und Makuc! Schon an deinem ersten Abend im Harem. Es war wohl Zufall, dass ich auch baden wollte und dich und meinen Sohn gehört habe."
Sie starrte ihn entsetzt an.
„Ich versichere euch, eure Hoheit, er hat mich bis zum heutigen Tage nie gesehen! Er ist ein loyaler Sohn. Bitte bestraft ihn nicht, nur weil wir..."
Otek hob die Hand um ihren Redefluss zu stoppen.
„Meine liebe Kleine! Wenn ich Makuc hätte bestrafen wollen, hätte ich es gleich in der ersten Nacht tun müssen, als ihr euch im Bad unterhalten habt. Doch ich kenne meinen Sohn und ich weiß, dass er mich nicht hintergehen wird, auch wenn er mich nicht ausstehen kann! Ich war einfach nicht der Vater, den er verdient hätte!"
Sie riss wieder die Augen auf.
„Aber...warum dann dieses Theater?"
Otek grinste leicht.
„Ich habe euch beobachtet. Jede einzelne Minute, die ihr zusammen wart. Doch es ist nie etwas Unschickliches geschehen, was mich stolz auf Makuc macht. Sumek wäre da anders gewesen. Wenn er etwas will, dann holt er es sich. Ich weiß, dass sich mein Sohn in dich verliebt hat, obwohl er dich noch nie zu Gesicht bekam. Ich wollte nachhelfen und sprach mit der Sängerin Lasar. Sie gehört auch zu meinen Vertrauten und ich erklärte ihr alles. Sie schlug vor, dass sie am heutigen Tage plötzlich erkranken würde. Sie war es auch, die Lombo geraten hatte, dich als Ersatz zu nehmen. Lombo wäre allein nie auf die Idee gekommen, ein Mädchen singen zu lassen, dass noch nicht ausgebildet ist!"
Sie lehnte sich zurück.
„Aber warum habt ihr das getan?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Ich habe Makuc jahrelang ignoriert und trotzdem ist er mir von meinen Söhnen der Liebste. Ich wollte sehen, wie er reagiert, wenn er dich sieht. Und ich wollte deine Reaktion auf ihn sehen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Auch wenn ihr beide versucht habt, es zu vertuschen, konnte ich sehen, wie ihr euch immer wieder heimlich beobachtet habt."
Er zuckte mit den Schultern, aber man sah ihm an, dass es ihm nicht so egal war, wie er tat. Was er als nächstes sagte, bestätigte Merideas Vermutungen.
"Ich habe mich vorhin falsch ausgedrückt. Ich mochte seine Mutter nicht nur. Es war mehr, aber ich war zu arrogant um das zu begreifen. Auch das ich Makuc jahrelang ignorierte, war im Nachhinein betrachtet nicht gut. Er hat so viel mehr verdient, doch ich habe ihn von mir gestoßen. Die Gründe waren mir damals aber plausibel erschienen. Ich denke, deswegen habe ich großzügig über alles hinweg gesehen, obwohl ich hätte anders handeln müssen. Aber ich habe euch gesehen und wusste, dass es so richtig war. Allerdings habe ich eines nicht bedacht!"
Sie runzelte die Stirn.
„Und das wäre?"
Er seufzte.
„Genias Reaktion auf dich! Ich musste euch beide vor ihr und ihrem missratenen Sohn schützen. Deswegen habe ich dich zu mir rufen lassen. Sie wird sich jetzt zwar auf dich konzentrieren, aber ich kann dich schützen lassen. Ab morgen werde ich dich in einem anderen Teil des Palastes bringen lassen. Dort wirst du nicht nur von Salea, sondern auch von Kazak und einigen Vertrauten beschützt."
Er grinste sie wieder frech an und sie konnte auf einmal verstehen, was Makucs Mutter in ihm gesehen haben musste. Schließlich war sie bei ihm geblieben, obwohl es nicht leicht für sie war. Das hatte sie von Salea erfahren.
„Außerdem sind deine Gemächer in der Nähe von Makucs Räumen. Ich werde auch veranlassen, dass er dich beschützt!"
Ihr Mund öffnete sich.
„Aber, Herr..."
Er hob die Hand.
„Es ist mein Wille, mein Befehl und niemand wird euch in Verdacht haben. Sie werden Makuc wahrscheinlich sogar bedauern, weil er auf dich achten soll!"
Er atmete tief ein.
„Aber nun will ich mich mit dir einfach unterhalten. Schließlich musst du lange Zeit bei mir bleiben, damit wir den Anschein erwecken, dass ich sehr viel Spaß mit dir hatte!"
Sie hob drohend einen Finger, lachte aber dabei.
„Ihr seid ein schlimmer alter Mann!"
Nun lachte er lauthals.
„Das ist wahr!"
Meridea wurde erst in den frühen Morgenstunden wieder zum Harem gebracht.
Otek und sie hatten sich lange unterhalten und einige Brettspiele gespielt. Irgendwann hatte er sich über das Bett gebeugt und sich in die Hand geschnitten. Auf ihre Frage was das sollte, meinte er nur, dass es der Beweis wäre, dass er sie entjungfert hätte.
Trotz ihrer Skepsis musste sie zugeben, dass er wirklich an alles gedacht hatte. Er hatte einmal sogar ein unterdrücktes Stöhnen von sich gegeben, sich aber dann einen Finger vor die Lippen gehalten. Meridea hatte gelauscht und Schritte im Flur gehört. Diese Situation war ihr extrem peinlich, aber als sie sein zerknirschtes Gesicht sah, musste sie sich zusammen reißen, dass sie nicht los kicherte.
Die erste Sonne war schon aufgegangen und es wurde trotz den Nischen erstaunlich hell.
Sie hatte es nie verstanden, was es mit diesen Sonnen auf sich hatte. Schließlich kannte sie nur das Dorf, aus dem sie entführt worden war. Auch das hatte Otek verwundert, denn wenn man hier aufgewachsen war und sei es nur als Sklave, sollte man wenigstens Kleinigkeiten wissen. Und nach Oteks Ansicht war Meridea nicht so dumm, wie man es angenommen hatte. Er hatte viele Fragen über ihre Vergangenheit gestellt, doch sie konnte keine davon beantworten. Daraufhin war er sehr nachdenklich geworden.
Kurz bevor er seine persönlichen Sklaven rufen ließ, betrachtete er sie lange.
„Es ist seltsam, Mädchen, aber ich habe das Gefühl, dass mehr hinter deiner Geschichte steckt, als wir ahnen. Es wird mir eine Freude sein, wenn ich wenigstens einen Teil davon erfahren könnte."
Dann entließ er sie, ohne zu erwähnen, wie es nun weiter gehen würde.
Aber wenn sie ehrlich sein sollte, war sie viel zu müde, um überhaupt darüber nach zu denken. Der Sklave brachte sie zu der Tür des Harems, ohne eine Miene zu verziehen.
Er klopfte an und wartete, bis Lombo die Tür aufschloss.
Lombo nickte ihm zu und wartete.
„Eure Hoheit war sehr zufrieden mit der Dienerin der Dunkelheit. Er wünscht, dass sie heute ausruhen kann. Er wird ihr eine entsprechende Entlohnung zukommen lassen!"
Meridea konnte nicht sagen, wer erstaunter war...sie oder Lombo. Der König hatte dem Sklaven nämlich kein Wort gesagt. Auch bei ihm muss es sich um einen Vertrauten handeln, der Bescheid wusste. Aber er verzog keine Miene. Lombo war aber nun hocherfreut.
Er nickte dem Sklaven zu und führte Meridea in den Harem, bevor er die Tür wieder schloss.
„Es ist also alles gut gegangen?"
Sie nickte und unterdrückte ein Gähnen. Lombo lächelte leicht.
„Ich führe dich in die Badehalle. Du hast die Erlaubnis, dich zu reinigen und dich dann in deine Nische zurück zu ziehen. Ich muss sagen, ich habe das nicht erwartet. Es ist lange her, dass sich der König eine Dienerin der Dunkelheit geholt hat und dass du seine Bedürfnisse wohl so gut erfüllt hast, dass er dich belohnen will, ist erstaunlich!"
Sie nickte müde.
Wenn er nur wüsste!
Er geleitete sie zur Badehalle und ließ sie dort alleine.
Meridea stellte sich wieder nur unter den Wasserfall nachdem sie sich ausgezogen hatte und wusch sich. Dann nahm sie ein Hemd und zog es sich über.
Leise, um die anderen nicht zu stören, schlich sie sich in die Nische und legte sich hin. Es dauert nicht lange, dann war sie eingeschlafen.
Makuc wartete auf eine Nachricht.
Er war nervös.
Hatte Meridea es geschafft?
Oder war sie schon auf dem Weg zum Sklavenmarkt?
War sein Vater zufrieden gewesen?
Im Prinzip wollte er das eigentlich gar nicht wissen.
Er fletschte die Zähne.
Verflucht! Sie war die Seine und sein Vater hätte sie nicht berühren dürfen. Bei jedem anderen Mann hätte er Genugtuung gefordert. Aber Otek war der König und man musste ihm gehorchen! Und Meridea war sein Eigentum.
Es klopfte an seiner Tür.
Makuc hoffte, dass es Salea mit einer Nachricht war, doch als er öffnete, stand der Leibsklave seines Vaters vor ihm.
„Prinz Makuc! Euer Vater wünscht euch zu sprechen!"
Makuc runzelte die Stirn. Es war schon lange her, dass er das Wort Vater aus dem Mund des Sklaven gehört hatte.
„Waren das seine Worte? Vater? Mein Vater wünscht mich zu sprechen? Nicht der Herrscher oder der König?"
Der Leibsklave lächelte leicht, was auch eher eine Seltenheit war.
„Ja, es waren genau diese Worte. Er sagte zu mir: sag meinem Sohn, Prinz Makuc, dass sein Vater ihn zu sprechen wünsche!"
Makuc holte tief Luft.
Was wollte der König von ihm? Und warum war er auf einmal der Vater?
Er nickte und ging dem Sklaven hinterher zu den Räumen seines Vaters.
Der König wartete schon auf ihn und er sah...freundlich aus. Auch etwas, was Makuc irritierte. Denn er kannte ihn eigentlich nur als mürrischen Mann.
„Makuc! Setzte dich bitte!"
Er zeigte auf einen Stuhl.
Makuc setzte sich, ließ ihn aber nicht aus den Augen.
„Ihr wünscht meine Anwesenheit?"
Otek setzte sich ihm gegenüber.
„Ja! Ich habe Pläne. Ich möchte das Mädchen im Palast, außerhalb des Harems, unterbringen!"
Makuc sackte in sich zusammen. Also hatte er sie in seinem Bett gehabt und wollte genauso mit ihr verfahren, wie mit seiner Mutter.
Der König schien nicht zu merken, wie Makuc sich quälte, denn er erzählte weiter.
„Sie wird die Räume neben deinen beziehen und ich möchte, dass du auf sie Acht gibst."
Merkte sein Vater nicht, dass er ihn damit quälte? Verflucht, er verlangte, dass Makuc auf Meridea aufpasste, sie jeden Tag sah und sie nicht berühren durfte. Er unterdrückte ein Stöhnen und ballte seine Hände zu Fäusten.
Der König schwieg eine Weile, aber er grinste ihn lange Zeit an.
„Glaubst du wirklich, ich habe sie angerührt, Makuc? Das habe ich nicht. Sie war bei mir und wir haben geredet. Mehr nicht. Ich bin alt. Und ich weiß es!"
Makuc erstarrte.
„Was wisst ihr?"
Otek schnalzte mit der Zunge.
„Ich bin nicht mehr so jung wie du, aber nicht blind. Ich weiß genau, dass du sie willst! Ich habe euch beobachtet. Deswegen habe ich sie unter meinen Schutz genommen. Und deswegen wird sie neben dir leben. Aber ihr müsst vorsichtig sein. Sumek...er neidet dir. Wenn er ahnt, dass du das Mädchen begehrst, wird er es töten, nur um dich zu verletzen!"
Makuc starrte seinen Vater an.
Er wusste es?
Und er gab seinen Segen dazu?
Sumek war ihm im Moment egal. Er würde Meridea beschützen. Mit seinem Leben!
„Sie ist dein Eigentum. Deine Sklavin!"
Er vergaß die Etikette, aber es war ihm egal.
Der König seufzte.
„Das weiß ich! Dennoch gehört sie mir nicht! Verstehst du, was ich damit meine? Ich hatte bisher nur einmal das Glück, eine Frau zu finden, die mich so genommen hat, wie ich nun mal bin. Ich erkannte erst viel zu spät, was ich an ihr hatte."
Er sah Makuc fest in die Augen.
„Und das war deine Mutter gewesen. Wenn ich könnte, würde ich alles anders machen."
Makuc sah ihn ernst an.
„Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ihr hattet. Nur, dass sie oft alleine war. Und dann war sie tot. Was hättest du tun können? Wahrscheinlich war sie krank!"
Er unterließ es lieber, seinen Vater dafür verantwortlich zu machen, aber er hatte seine Mutter oft in den Nächten weinen hören.
Otek hob eine Augenbraue.
„Glaubst du das wirklich? Glaubst du wirklich, sie war krank? Sie wurde vergiftet! Und ich kenne nur eine, die dazu fähig wäre! Deren Hass auf alles, was besser war als sie, schon einige Taten zu verantworten hatten!"
Makuc riss die Augen auf.
„Genia!"
Otek nickte.
„Mein Pech ist, dass sie mir einen Sohn gegeben hat und das ich ihn anerkannt habe, als es zu spät war. Sonst hätte ich sie schon längst verbannt. Außerdem habe ich keine Beweise für die Tat. Deswegen musst du besonders auf Meridea aufpassen. Sie wird sie als Konkurrenz sehen. Und Sumek...du kennst deinen Bruder. Er würde alles tun, damit er an die Macht kommt!"
Er stand auf.
„Ich für meinen Teil werde sie oft zu mir holen. Aber keine Angst. Ich werde es bei den Gesprächen belassen! Und nun gehe, damit ich alles regeln kann!"
Makuc stand auf und verneigte sich vor seinem Vater. Doch bevor er die Räume verlassen konnte, hielt ihn Otek noch einmal auf.
„Wenn mir etwas passieren sollte, bringe sie sofort von hier weg! Zögere keinen Augenblick! Sumek wird alles tun, um dich zu vernichten. Geht nach Norden. Ich weiß, dass sie da hingehört und auch du hast nordische Wurzeln. Ich denke, ihr seid dort am sichersten, wenn Sumek an die Macht kommt und das eintreten wird, was ich befürchte."
Makuc runzelte die Stirn.
Was meinte er damit?
Doch sein Vater war schon gegangen und brüllte Befehle.
„Wach auf, mein Täubchen!"
Meridea spürte, wie eine Hand über ihr Haar strich.
Etwas unwillig öffnete sie die Augen.
Salea saß neben ihr auf dem Bett und lächelte.
„Der ganze Harem ist in heller Aufregung!"
Meridea runzelte die Stirn.
„Wieso?"
Salea schob den Vorhang, der ihre Nische von der Halle trennte, etwas zur Seite. Die Frauen standen vor einem Laken, das über eine Stange gelegt war. Meridea erkannte es. Es war das Laken, das der König mit dem Blut präpariert hatte.
Die Frauen jubelten, als sie Meridea sahen, doch sie starrte nur auf das Laken und zog dann den Vorhang wieder zur Seite.
„Es ist eine Lüge, Salea. Der König hat mich nicht mit in sein Bett genommen! Er hat mich nicht genommen!"
Salea starrte erst sie, dann lugte sie noch einmal durch den Vorhang.
„Aber da ist Blut!"
Meridea wirkte zerknirscht.
„Sein Blut! Er hat sich in den Finger geschnitten und das Blut auf das Laken tropfen lassen!", flüsterte sie.
Die alte Sklavin riss die Augen auf.
„Warum hat er das getan?"
Meridea wirkte beinahe verzweifelt.
„Er sagte, er wollte mich schützen und ich würde bald neue Räume beziehen! Ich kenne seine Gründe nicht. Er hat zwar einiges erzählt, aber ich habe nicht alles verstanden! Irgendwie will er sich bei Makuc entschuldigen und meint, er könnte es dadurch, dass er mich ihm gibt. "
Salea dachte einen Moment nach.
„Noch hat niemand etwas davon gesagt. Du musst dich vorsehen, mein Täubchen. Die Mächtigen spielen ihre Spiele mit uns. Wir haben immer das Nachsehen!"
Meridea nickte.
„Das weiß ich. Trotzdem kam er mir so ehrlich vor. Er erklärte mir, was er vorhat und er warnte mich vor Sumek!"
Salea nickte.
„Oh ja. Von Sumek und seiner Mutter Genia musst du dich fernhalten. Glaube nicht, dass er so ist wie Makuc, nur weil er sein Bruder ist. Sumek wurde anders erzogen und seine Mutter war nicht Makucs Mutter. Sie versucht sich ihre nicht vorhandene Position mit Tricks zu sichern und ihr ist jedes Mittel dazu Recht.Und Sumek hat leider von ihr gelernt!"
Meridea nickte. Das hatte sie schon vom König erfahren.
Otek wusste selbst nicht, wie Genia es geschafft hatte, von ihm schwanger zu werden. Er hatte sie eigentlich gar nicht gewollt, aber sie hatte es geschafft, dass er völlig betrunken mit ihr im Bett gelandet war. Nur ein paar Wochen später hatte sie verkündet, dass sie schwanger von ihm wäre. Er hatte es beinahe nicht glauben können, doch er erinnerte sich an den Beischlaf. So dachte er zumindest, schließlich war er neben ihr aufgewacht und es war Blut auf dem Laken gewesen. Also hatte er alles in die Wege geleitet und sie in eigenen Räumen untergebracht. Kaum war sie aus dem Harem heraus, verkündete sie schon, dass sie nun die erste Frau war. Er hatte dies nie bestätigt, doch Genia hielt daran fest. Sobald sie ihm den Sohn entbunden hatte, wollte sie noch mehr Anerkennung. Nun bestanden auch seine Minister darauf, denn sie hatte den ersehnten Thronfolger geboren. Einige beharrten auch darauf, dass er sie zum Weib nehmen müsste, doch das lehnte Otek ab. Genia entsprach seiner Meinung nach nicht im Geringsten einer Königin.
Genia hatte zwar die Ausbildung einer Dienerin der Helligkeit erhalten, dennoch war Otek der Meinung, dass er sie niemanden präsentieren konnte. Vor allem nicht Staatsminister oder schlimmer noch, anderen Staatsoberhäuptern. Sie konnte sich einfach nicht benehmen, war arrogant und immer auf ihren Vorteil bedacht. Nicht auszudenken, wenn sie irgendeinen Krieg auslösen würde, nur weil sie ihre egoistische Klappe nicht halten konnte.
Meridea schmunzelte, wenn sie an Oteks Worte dachte.
In manchen Dingen war er der Staatsmann, doch in anderen glich er eher einem Gassenjungen, der sich nichts sagen ließ.
„Mir ist klar, dass Genia ihre Position gefährdet sieht, aber der König hat mir zugesichert, dass er mich schützt. Und nicht nur er. Kazak, der mich gekauft hat, wird an meiner Seite sein und auch Makuc!"
Salea schrie leise auf.
„Wenn der König erfährt..."
Meridea hob eine Hand.
„Er weiß es, Salea. Frag mich nicht wie er es erfahren hat, aber er hat es von Anfang an klar gestellt, dass er weiß, wie Makuc zu mir steht."
Salea schüttelte verzweifelt den Kopf.
„Das ist nicht gut. Er wird es auf die Dauer nicht dulden. Er wird dich holen lassen und Makuc wird sich nicht dagegen wehren können!"
Der Vorhang wurde aufgerissen und Lombo stand vor den zwei Frauen.
„Ich weiß nicht, was du gestern Nacht getan hast, aber es war wohl sehr gut! Packe deine Habseligkeiten zusammen! Du wirst den Harem verlassen!"
Genia versuchte ihre Wut zu unterdrücken.
Nicht nur, dass der König sie offen beleidigt hatte, in dem er nach Jahren wieder ein Mädchen zu sich kommen ließ, auch ihr eigener Sohn stellte sich gegen sie. Sumek hatte sie sogar bedroht. Ihr war klar, dass sie nun vorsichtig sein musste, denn Sumek war ein Mann, der seine Drohungen in die Tat umsetzte. Er hatte viel von ihr gelernt, dass musste sie leider zugeben.
Doch nun hatte der König noch eines drauf gesetzt.
Diese Hure hatte ihre eigenen Räume bekommen.
Das hatte Genia erst bekommen, als sie sicher nachweisen konnte, dass sie schwanger war. Doch diese Hure schaffte es einfach so. So wie damals die andere nordische Hure, die Otek bevorzugt hatte.
Und es war nicht nur so, dass Otek ihr nur die Räume gab, nein, sie bekam sogar Schutz. Und nicht nur ein paar Wachen, die noch in der Ausbildung zum Krieger waren!
Nein, die Hure bekam den Schutz von Makuc.
Das war eine hohe Ehre und Genia war sich sicher, dass die Hure das nicht einmal zu schätzen wusste.
Um Himmels willen!
Was hatte sie nur mit dem König gemacht, dass er sie nach nur einer Nacht mit Ehren überhäufte?
Sie musste gut gewesen sein, dass sie noch einmal Leben in des Königs Lenden hauchen konnte. Denn seit Melaseas Tod war nicht mehr viel geschehen. Das wusste Genia sicher. Sie hatte es selbst oft versucht, war aber gescheitert. Otek verachtete sie und das ließ er sie auch spüren. Genia hatte allerdings Glück gehabt, denn es gab auch keine andere Frau mehr. Der verdammte Narr hatte diese nordische Kuh mit ihren blauen Augen und dem blonden Haar geliebt. Und nun gab es wieder jemand, der Melasea ähnlich sah. Kein Wunder, dass Otek wieder auflebte.
Sie schnappte sich den langen Schal und lief in Richtung des Harems.
Wenn jemand etwas wusste, dann waren es die Frauen. Sie waren wahre Meisterinnen darin, sich Neuigkeiten zu verschaffen.
Genia musste so viel wie möglich über diese Hure herausfinden!
Nur so konnte sie einen Plan entwerfen.
Sie würde es nicht zulassen, dass die Hure ihren Platz einnahm!
Dennoch würde sie sehr vorsichtig vorgehen müssen.
Genia erreicht den Harem und nickte hochnäsig den Wachen zu, die sie sehr verwundert anstarrten. Genia hatte sich seit ihrem Auszug kein einziges Mal mehr in die Nähe des Harems begeben, deswegen waren sie sehr erstaunt.
„Ich möchte Lombo sprechen. Lasst mich ein!", forderte sie.
Die Wachen klopften an der Tür und teilten dem Türeunuchen mit, das Genia Lombo sprechen wollte.
Der Eunuch ließ sie nicht gleich hineintreten, was sie ärgerte. Noch war sie die erste Frau und sie sollte dem entsprechend behandelt werden.
Es dauerte allerdings nicht lange und die Tür wurde wieder geöffnet.
Lombo trat heraus. Er hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und sah sie genauso arrogant an, wie sie wahrscheinlich ihn.
Genia konnte den Eunuch nicht einschätzen.
Obwohl er schon in jungen Jahren zum Eunuchen gemacht wurde, hatte er nichts Feminines an sich. Im Gegensatz zu den andern Eunuchen, achtete er auf seinen Körper und war sehr stark. Das brachte ihm natürlich Respekt ein.
Sie wusste, dass Otek ihn sehr schätzte, weil er nun schon seit Jahren auf die Frauen aufpasste und bisher noch nichts geschehen war.
„Was willst du hier, Genia!"
Sie funkelte ihn böse an.
„Behandelt man so die erste Frau des Königs?"
Er schnaubte.
„Bisher hast du dich nicht im Harem blicken lassen. Ich habe dich hier nicht gesehen, seit ich zum Obereunuchen ernannt worden bin. Und auch vorher warst du nicht hier! Seltsam, dass es dir jetzt gerade einfällt, da der König sich offenbar bald eine neue erste Frau zulegt."
Nun schnaubte Genia.
„Das wird nie geschehen! Er ist alt und sie wird ihm ein paar schöne Stunden bereiten, aber mehr wird da nicht sein!"
Lombo lächelte sie böse an.
„Bist du da sicher? Sag mir Genia, wie lange ist es her, dass du vom König gerufen wurdest?"
Sie stampfte mit dem Fuß auf.
„Das geht dich nichts an!"
Lombo lachte leise.
„Und dich geht der Harem nichts an. Lass die Frauen mit deinen Intrigen in Ruhe!"
Genia unterdrückte einen Fluch, dann änderte sie ihre Taktik. Sie lächelte Lombo liebenswert an.
„Ich wollte doch nur das Mädchen besuchen und sie kennen lernen! Ich weiß nicht, warum du das Schlimmste von mir denkst."
Lombo legte den Kopf schräg. Er wirkte auf keinen Fall überzeugt, denn nun grinste er und es war ein wissendes Grinsen.
„Ich muss dich enttäuschen, Genia. Das Mädchen ist heute Morgen in ihre eigenen Räume gezogen. Sie musste nicht viel mitnehmen, weil König Otek ihre Ausstattung komplett ersetzt. Wie kannst du als erste Frau das nicht wissen?"
Sie schnaubte und drehte sich um.
Dieser verdammte Mistkerl. Reichte es denn nicht, dass der König sie verhöhnte? Musste sie sich nun auch noch Beleidigungen von einem Eunuchen, einem Sklaven, gefallen lassen? Reichte es nicht so langsam?
So hoheitsvoll wie möglich lief sie den Flur entlang, das höhnische Lachen des Eunuchen in den Ohren!
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So, ihr Lieben.
Ich melde mich mal wieder zu Wort. Wie einige wissen, schreibe ich ja noch an der Geschichte und ich kann verkünden, dass ich gestern 100 Seiten voll geschrieben habe und ich habe das Gefühl, noch lange nicht am Ende zu sein. Es wird also eine seeeehhhhhrrrrrr lange Geschichte.
Ich werde zwischendurch einen Stammbaum noch einfügen, weil es sonst ab Kapitel 15 oder so sehr unübersichtlich wird.
Und ja, ich habe immer noch Spaß an der Geschichte.
Ich hoffe, euch geht es genauso!
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