10. Kapitel
Die zweite Sonne brannte unbarmherzig auf sie beide.
Meridea versuchte wach zu bleiben, denn trotz der Schmerzen, die der heftige Sonnenbrand in ihrem Gesicht verursachte, nickte sie andauernd ein.
Die Pferde liefen auch immer langsamer und Makuc hielt in regelmäßigen Abständen an um sie zu tränken. Er wollte auch ihr immer Wasser geben, aber sie lehnte ab.
Sie wusste genau, wie wichtig das Wasser war und Makucs Nicken bestätigte ihr, das die nächste Oase noch weit entfernt war.
„Wir haben es beinahe geschafft, Meri! Es dauert nicht mehr lange, dann geht die erste Sonne unter und es wird nicht mehr so schlimm! Versuche wach zu bleiben. Ich verspreche dir, dass ich bald einen Unterschlupf finde, wo du dich ausruhen kannst!"
Seit geraumer Zeit redete er immer auf sie ein, damit sie wach blieb, aber es fiel ihr zunehmend schwerer, sich überhaupt auf seine Stimme zu konzentrieren. Sie wusste auch, dass er log. Die erste Sonne würde noch eine ganze Weile am Himmel bleiben!
Am Anfang hatte er sie noch gezwungen, mit ihm zu reden, doch das hatte er nun aufgegeben. Sie hatte einfach nicht mehr die Kraft dazu gehabt, ihm zu antworten. Außerdem hatte ihre Haut gespannt, dass auch das Reden schon weh tat.
Sie wusste auch so, dass das Schlimmste noch lange nicht vorbei war. Die dritte Sonne war noch nicht einmal richtig aufgegangen und wenn sie noch weiter wanderte, dann würde die Hitze unerträglich werden. Meridea wollte sich gar nicht ausmalen, welche Schmerzen sie dann zu ertragen hatte. Schon jetzt schwanden ihr ab und zu die Sinne und sie konnte ihre Bewegungen kaum kontrollieren.
Sie sackte nach vorne und konnte sich kaum mehr auf ihrer Stute aufrecht halten.
Makuc fluchte leise, dann zog er sie zu sich auf den Hengst.
„Du gibst jetzt nicht auf, Meri! Das kommt überhaupt nicht in Frage, hörst du?"
Er band sie an seinen Körper und holte den Wasserschlauch, den er ihr an die Lippen hielt.
Sie schüttelte leicht den Kopf, aber er drängte sie dazu, zu trinken.
„Oh nein, Meri. Du wirst trinken! Denkst du wirklich, ich schaue zu, wie du langsam verdurstest, nur weil ich nicht daran gedacht habe, dass die Nordler es nicht lange in der Wüste aushalten können? Auch wenn du in der Wüste gewohnt hast, ist es doch etwas anderes, wenn du darin herum wanderst."
Sie lachte leise.
„Du bist selbst ein Halbnordler.", flüsterte sie. Selbst ihre Stimmbänder schienen geschwollen zu sein.
Er lachte.
„Ja, aber ich habe wohl mehr Gene von meinem Vater geerbt, als ich zugeben will. Außerdem wurde ich darauf trainiert längere Zeit ohne Wasser aus zukommen. Also, du trinkst jetzt!"
Seufzend nahm sie einen Schluck. Das Wasser war warm und bestimmt nicht erfrischend wie das frische Quellwasser aus der Oase. Doch der erste Durst verschwand und es ging ihr besser.
„Jetzt trinkst du auch! Sonst werde ich nicht einen Schluck mehr zu mir nehmen, bis wir an einer Oase sind."
Er lachte schallend und nahm einen Schluck. Sie bemerkte jedoch, dass er sehr wenig nahm und das Wasser im Mund hin und her bewegte, ehe er es schluckte.
Sie fragte sich, wozu das gut sein sollte und versuchte es selbst.
Sie grinste, als sie merkte, wie sie damit ihren Körper austricksen konnte, der meinte, sie würde viel mehr Wasser zu sich nehmen, als es in Wirklichkeit der Fall war.
Sie seufzte leise, schloss die Augen und lehnte sich gegen Makuc, der begonnen hatte leise vor sich hin zu summen. Das Vibrieren seiner Brust und die tiefe Stimme ließen sie schnell einschlafen. Aber nicht für lange. Das Dröhnen in ihrem Kopf weckte sie wieder und sie stöhnte auf.
Dieses Mal griff sie selbst nach dem Schlauch und nahm einen Schluck, doch das Dröhnen hörte kaum auf.
„Wie lange?", fragte sie Makuc.
Sein Gesicht war sehr ernst, als er sie betrachtete.
„Noch eine Stunde, dann erreichen wir eine kleine Oase. Aber versprich dir nicht zu viel davon. Sie ist wirklich sehr klein und ich werde das Wasser von einem Brunnen holen müssen. Aber dort gibt es einen Unterschlupf und wir können ausruhen."
Sie betrachtete ihn sorgenvoll.
„Können wir es uns leisten, dass wir uns ausruhen? Wird Sumek uns nicht schon längst suchen lassen?"
Er schüttelte den Kopf.
„Er wird uns suchen lassen, aber noch ist er wahrscheinlich ahnungslos. Wir sind gleich geflohen und Destraw hat uns Vorsprung gewährt. Ich kann nur froh sein, dass meine besten Männer im Palast waren. Sie werden uns nicht verraten. Zumindest nicht, bis Sumek es von ihnen als König fordert."
Das beruhigte Meridea etwas.
Sie ritten weiter, doch Makuc wechselte ab und zu das Pferd, damit das andere sich ausruhen konnte. Ab und zu lief er auch neben den Tieren her.
Die nächste Stunde war die längste, die Meridea je erlebt hatte.
Die Sonnen brannten nun alle drei unbarmherzig auf die Erde. Es war unsagbar hell und heiß. Makuc hatte zwei Dinge aus seiner Tunika gezogen, die sie bisher noch nie gesehen hatte. Es waren mit Ruß geschwärzte Gläser, die er vor die Augen hielt. Auch die Pferde bekamen eine Art Augenschutz.
Meridea spürte, wie ihre Lippen aufplatzen und auch Makuc bekam Blasen im Gesicht.
Er griff nun immer öfter nach dem Trinkschlauch und spülte seinen Mund aus.
Er zwang auch Meridea zum Trinken, doch sie schlief lieber, um die Zeit vergehen zu lassen.
„Endlich!", hörte sie ihn flüstern und öffnete die Augen.
Doch was sie sah, ließ sie enttäuscht zurück sinken.
Diese Oase war nicht mit der im Palast zu vergleichen.
Statt eines Sees war hier nur ein kleiner Tümpel, doch die Pferde zogen das Tempo an, um daraus zu saufen. Wie Makuc gesagt hatte, waren dort auch ein Brunnen und ein Unterschlupf, der aber sehr klein war. Es gab nur eine Palme, die auch eher mickrig war, gegen die prächtigen Palmen im Palast.
Kaum waren sie angekommen, hob Makuc sie vom Pferd und legte sie in den Unterschlupf, der aus Holz gebaut war. Von der Ferne hätte sie ihn nicht ausmachen können, denn er war vom Wüstensand bedeckt. Sie nahm an, dass er von Nomaden während eines Sandsturmes gebaut worden war. Allerdings war er sehr stabil, wenn gleich er nicht die Hitze draußen hielt.
„Ich versorge die Pferde und dann können wir endlich ausruhen."
Sie rappelte sich hoch, was ihm die Stirn runzeln ließ.
„Was hast du vor, Meri?"
Sie versuchte sich zu erheben, was ihr sehr schwer fiel.
„Ich will helfen!"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein! Bleib liegen und bewege dich so wenig wie möglich. Ich bin bald fertig, aber die Pferde brauchen Pause und wir auch!"
Sie wusste, dass er Recht hatte. Makuc kam einfach besser mit der Hitze zu Recht als sie. Sie legte sich wieder hin und döste gleich ein. Sie erwachte erst wieder, als sie ein kühles Tuch auf ihrer Wange spürte. Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber die Lider waren geschwollen, dass es ihr kaum gelang. Dennoch erkannte sie Makuc, der neben ihr hockte und ihr Gesicht abkühlte.
„Versuch dich abzukühlen, Meri. Ich habe hier eine Salbe gefunden, die wohl von jemand zurück gelassen wurde. Die erste Schicht musste ich davon entfernen, aber darunter ist alles noch in Ordnung. Wir werden uns morgen auch damit einreiben, wenn die Hitze wieder zu stark ist."
Sie kühlte ihr Gesicht und Makuc strich ihr vorsichtig die Salbe auf das Gesicht. Sie verzog das Gesicht. Das Zeug stank erbärmlich!
„Sie riecht nicht gerade angenehm!"
Er lachte leise.
„Ja, aber sie hilft. Du wirst sehen. Sie ist aus Stutenmilch gemacht. Außerdem wurden wohl einige Kräuter hinzugefügt, die nicht den angenehmsten Duft verbreiten."
Er selbst rieb sich auch großzügig ein.
„Warum macht es dir nicht so viel aus? Ich meine die Hitze?"
Seinen Arm legte er unter ihren Kopf und sie kuschelte sich an ihn.
„Ich wurde dafür von klein auf trainiert, Meri. Kaum konnte ich reiten, nahm mich mein Ziehvater mit in die Wüste und brachte mir alles bei, was ich wissen musste. Wenn wir wieder zu Hause waren, ließ er mich Landkarten studieren. Ich musste ihm alle Oasen aufzählen und ihm auch sagen, wo sie zu finden sind und was ich dort alles finde. Einige Jahre später ließ er mich nachts mitten in der Wüste aussetzen und ich musste alleine nach Hause finden!"
Sie keuchte entsetzt auf, doch er beruhigte sie sofort.
„Er war immer bei mir in der Nähe, doch das wusste ich nicht. Er war zwar Soldat, wuchs allerdings bei Nomaden auf. Es interessierte ihn nicht unbedingt, dass ich ein Prinz war. Er war der Meinung, gerade deswegen musste ich mich mit allen Völkern auskennen. Auch mit den Nomaden. Ich lernte viel bei ihm und bin ihm sehr dankbar deswegen."
Sie lächelte leicht. Aber selbst das schmerzte.
„Mein erster Herr war genauso. Auch wenn es mir nicht zustand, hat er mir Lesen und Schreiben beigebracht. Er brachte mich dazu, viel zu lesen." Sie lachte leise. „Ich war wohl der gebildetste Sklave, den man sich vorstellen konnte!"
Er zog sie an sich.
„Eines verstehe ich aber dann nicht. Wenn du gebildet bist, warum wurdest du nur zur Dienerin der Dunkelheit ausgebildet?"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Er sagte mir eines Tages, dass nicht alle damit einverstanden waren, dass eine Sklavin oder auch eine Frau gebildet sein konnten. Deswegen ermahnte er mich, dass ich es nie sagen sollte, wenn ich mir nicht sicher war, ob es mir hilft. Als diese schrecklichen Weiber mich untersuchten, fragten sie mich natürlich, ob ich es könnte. Aber ich hatte Angst und wusste nicht, wie es aufgefasst werden konnte. Deswegen habe ich es verschwiegen."
Sie trank noch einen Schluck von dem Brunnenwasser. Es war nicht das sauberste Wasser und schmeckte auch nicht besonders. Aber es war kühl.
Langsam legte sich wieder die Müdigkeit über sie.
„Es war wohl gut, dass du es verschwiegen hast. Ansonsten hätte ich dich wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen!", murmelte er.
Sie wollte ihn fragen, wie er das meinte, doch sie hörte wie sein Atem immer ruhiger wurde. Als er anfing, leise zu schnarchen, lächelte sie.
Sie war wohl nicht die Einzige, die versuchte hart zu bleiben.
Destraw lief die Flure des Palastes entlang.
Man hatte ihm nicht einmal Zeit gelassen, sich um zu ziehen oder frisch zu machen. Der Wüstensand haftete immer noch auf seinen Stiefeln und er stank nach Staub, Schweiß und Pferd.
Ihm war klar, dass er vor Sumek treten musste, aber ihm war nicht bewusst, wie sehr der zukünftige König seinen Bruder hassen musste, wenn er seinen Vertrauten sofort zu sich rufen ließ, kaum dass dieser seinen Fuß in die Stadt gestellt hatte.
Er war mehrere Tage unterwegs gewesen.
Gelomar war in Sicherheit. Wie Destraw es voraus gesehen hatte, war Korath ihnen sehr entgegen gekommen. Er hatte Gelomar und seiner Familie, die von anderen Männern in Sicherheit gebracht worden war, Asyl gegeben und auch großzügig über den Eidbruch hinweg gesehen. Auch hatte er Destraw einen Platz bei sich angeboten, aber er hatte abgelehnt.
Es stand zu viel auf dem Spiel und er wollte Augen und Ohren für Makuc offen halten. Auch wenn Makuc nicht an eine Rückkehr glaubte, wusste Destraw, dass das Volk sich schon jetzt nach ihm sehnte. Sumek hatte seine Herrschaft mit Angst und Schrecken begonnen und das einfache Volk litt schon jetzt unter ihm. Und das, obwohl er noch nicht einmal gekrönt worden war.
Man sprach schon hinter vorgehaltener Hand davon, dass er noch schlimmer als sein Vater war. Obwohl Destraw noch nicht lange in der Stadt war, konnte er überall sehen, dass es der Wahrheit entsprach.
Am Schlimmsten waren die Leichen gewesen, die am Marktplatz aufgestellt worden waren. Männer und Frauen aus allen Schichten, die es gewagt hatten, sich gegen Sumek als König aus zu sprechen, waren des Hochverrates angeklagt worden und die Strafe war sofort erfolgt.
Selbst Kazaks Leichnam, obwohl er schon lange tot war und nicht hingerichtet worden war, hing noch neben dem Stadttor.
Es stank erbärmlich und die Leute zogen sich ängstlich zurück, wenn sie nur einen Mann in Uniform sahen. Noch mehr Angst hatten sie aber vor denen, die ihnen unbekannt waren. Jeder konnte ein Mann von Sumek sein.
Und nun musste er diesem Wahnsinnigen gegenüber treten.
Kaum hatte er den Thronsaal betreten, wurde er von Sumek schon angefaucht.
„Wo ist mein Bruder?"
Destraw beugte sein Knie, stand aber bald wieder auf. Sumek verzog das Gesicht, aber er konnte gegen diese Begrüßung nichts machen. Noch war er nur Prinz und mehr Ehrerbietung stand ihm nicht zu.
„Ich weiß es nicht, Hoheit!", antwortete Destraw wahrheitsgemäß.
Sumek stand vom Thron auf und kam langsam auf ihn zu.
Es war schon eine Weile her, dass Destraw ihn gesehen hatte. Schon damals war Sumek dem Alkohol und dem Essen sehr zugetan. Und das schien sich nicht geändert zu haben. Er schwitzte und jeder Schritt schien ihn Mühe zu bereiten. Die Alkoholfahne roch Destraw schon, als Sumek noch nicht einmal bei ihm angekommen war. Dennoch unterließ es Destraw ihn zu unterschätzen.
„Du willst mir damit also sagen, dass du, als sein Vertrauter und Freund, keine Ahnung hast, wo Makuc hin gegangen ist?"
Destraw nickte.
„Das will ich damit sagen!"
Sumek schnaubte.
„Ich hatte einen Boten mit einem Auftrag geschickt. Was ist mit ihm geschehen?"
Destraw zuckte mit den Schultern.
„Er wurde von Makuc umgebracht! Offenbar hat dein Bote den Fehler gemacht ihn umbringen zu wollen. Ich denke, dabei handelte es sich um ein Missverständnis. Ihr habt doch bestimmt nicht befohlen, euren eigenen Bruder um zu bringen, wenn er nicht Euren Wünschen folgt?"
Ein Nerv zuckte in Sumeks Gesicht.
Ja, du Scheißkerl! Das kannst du nicht zugeben. Nicht vor all deinen Ministern!
Sumek setzte ein falsches Lächeln auf.
„Nein. Das war natürlich ein Missverständnis. Ich werde seine Familie für diese Untat bestrafen lassen!"
Destraw schloss einen Moment die Augen. Sie hatten so etwas geahnt. Gut, dass sie alle in Sicherheit waren.
„Aber eines verstehe ich nicht und ich frage mich, ob du mir die Wahrheit nicht vorenthältst!"
Sumek stand nun nahe vor Destraw. Der Alkoholdunst kam Destraw wieder in einem Schwall entgegen, dabei war die zweite Sonne noch nicht einmal aufgegangen.
Sumek ließ sich nicht beirren, als Destraw unauffällig versuchte, etwas frische Luft zu bekommen, um nicht zu würgen.
„Du warst also in dem Palast meines Bruders. Du hast die Sklavin gesehen und obwohl sie mein Eigentum ist, hast du sie nicht unverzüglich her gebracht. Auch hättest du etwas ahnen müssen, als du die Leiche des Boten gesehen hattest. Doch du hast nichts getan. Kann es möglich sein, dass du meinen Bruder vielleicht zur Flucht verholfen hast? Kann es sein, dass du mehr weißt, als du uns weiß machen willst?"
Destraw schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nichts von einer Sklavin! Und dein Bruder war schon verschwunden, als ich die Leiche entdeckte!"
Sumeks Nasenflügel blähten sich auf.
„Das sind Lügen! Du lügst uns an!"
Destraw blieb ruhig.
„Warum sollte ich euch anlügen? Es liegt doch auf der Hand, dass ihr mich hängen lasst, wenn ich euch anlüge!"
Wieder zuckte der Nerv. Und wieder folgte ein Lächeln.
„Das ist richtig! Wir können im Moment nichts beweisen. Aber wir haben unsere Methoden!"
Er hob herrisch die Hand.
„Nehmt ihn gefangen! Und foltert ihn! Mal sehen, ob er nicht doch die Wahrheit sprechen will!"
Destraw wurden die Arme nach hinten gerissen und gefesselt.
„Was? Warum? Was gibt euch das Recht einen unschuldigen Soldaten zu foltern, nur weil ihr nicht an sein Wort glauben wollt?"
Er wehrte sich, aber die Fesseln hielten. Er bekam einen Schlag gegen die Knie und sank vor Sumek zusammen.
Dieser lächelte gehässig.
„Nein! Wo denkst du hin. Ich werde dich foltern lassen, weil du sein Freund bist. Und weil ich genau weiß, dass es ihn innerlich zerreißen wird, wenn er dich verstümmelt vorfindet. Denn im Gegensatz zu mir hat mein Bruder ein Gewissen. Böser Fehler! Er ist schwach, wenn es um die geht, die er liebt. Da gleicht er dem alten König, auch wenn der es gut versteckte. Aber ich bin nicht schwach. Und deswegen werden mich alle fürchten!"
Er machte eine kleine Kopfbewegung.
„Aber keine Sorge, Destraw. Du wirst nicht alleine sein! Ich habe dir die alte Sklavin und ihren Mann zur Gesellschaft gelassen. Sie warten schon auf dich! Vielleicht lässt dich ihr Anblick seine Worte überdenken. Und vielleicht fällt dir dann doch ein, wo Makuc sein könnte!"
Sumek hatte sich wieder in seine Privatgemächer zurückgezogen. Er war sich sicher, dass Destraw mehr wusste, als er zugab.
Es war offensichtlich kein Geheimnis mehr, dass er Makuc verachtete!
Sumek setzte sich vor den Kamin und nahm die Flasche Wein in die Hand. Ein kräftiger Schluck würde gut tun.
Ja, er verachtete seinen sogenannten Bruder. Als Otek ihm gesagt hatte, dass Sumek nicht sein Sohn ist, war das für ihn keine Überraschung. Nein, er wusste es schon lange.
„Du liebst diese Hure, Otek! Dabei habe ich dir deinen ersten Sohn geboren. Und trotzdem ziehst du sie mir vor!"
Sumek hörte seine Mutter schon von weitem kreischen.
Das war nichts Neues für ihn.
Sie hatte ihn noch nie mit Liebe überhäuft und er war für sie nur gut genug, wenn er in allem der Beste war. Dann konnte sie nämlich vor dem König angeben. Ansonsten interessierte sie sich nicht für ihn.
Er war nun dreizehn Jahre alt und beinahe ein Mann.
Lange würde er ihr Gejammer nicht mehr ertragen müssen. Denn in der letzten Zeit jammerte sie nur noch und er hatte den König gebeten, ihm eigene Räume zu gewähren.
„Natürlich ziehe ich Melasea dir vor. Sie hat keinen Trick angewandt, um mich zu halten! Und wenn du es genau wissen willst: Ja, ich liebe sie und Makuc! Und auch mein nächster Sohn, der in ihr heranwächst!"
Wieder kreischte seine Mutter auf.
„Das Weib ist schon wieder schwanger? Wie kann sie schwanger sein? Sie ist nur eine Hure. Du solltest sie nur einmal benutzen und dann im Harem lassen!"
Sumek drückte sich an die Wand.
Makucs Mutter war wieder schwanger? Er freute sich irgendwie für seinen kleinen Bruder.
Ja, er mochte Melasea. Und auch Makuc. Wenn es ihm zu viel mit seiner Mutter wurde, flüchtete er oft zu ihnen. Er mochte es, wie sie Makuc immer wieder umarmte und herzte. Und auch Sumek wurde davon nicht ausgeschlossen. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie eher eine Mutter für ihn war als Genia. Melasea forderte nie von ihm, sie bat ihn. Und das mochte er. Mittlerweile erfuhr Melasea seine Neuigkeiten früher als seine eigene Mutter. Und im Gegensatz zu ihr freute sich Melasea aufrichtig über seine Erfolge. Sie behandelte ihn und Makuc gleich und das freute ihn.
„Du nennst sie nie wieder Hure, hast du verstanden?"
Die Stimme seines Vaters war leise und Sumek wusste, dass er dann sehr wütend war.
Kein Wunder, dass er seine Mutter nicht mehr aufsuchte. Schließlich machte sie ihm immer nur Vorwürfe. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der König je von Melasea Vorwürfe hören würde.
„Das ist sie aber!"
Die Stimme seiner Mutter schmerzte ihn schon in den Ohren.
Er hörte ein Klatschen und danach seine Mutter wimmern. Sie hatte es wieder geschafft. Sein Vater war so wütend, dass er sie geschlagen hatte.
„Hör gut zu, Genia. Wenn hier jemand eine Hure ist, dann bist das du! Ich weiß genau, dass du nur durch einen Trick in mein Bett kamst. Und ich weiß auch, dass du zu dem Zeitpunkt schon schwanger warst. Diese Hexen hätten dich als Jungfrau präsentieren sollen. Doch stattdessen haben sie mir jemanden vorgestellt, der schon mit mehr Männern das Lager geteilt hatte, als sonst jemand hier im Palast. Wer ist der Vater des Jungen, hm? Ich hoffe, es ist wenigstens jemand Wichtiges!"
Sumek sackte in sich zusammen. Er war nicht der Sohn des Königs?
Genia lachte.
„Das hättest du wohl gerne, was? Aber ich muss dich enttäuschen! Es war ein Stallknecht, der mich geschwängert hat! Ich habe die Eunuchen und die Weiber so leicht hinters Licht führen können! Ich habe mich jede Nacht mit ihm getroffen und er ist ein besserer Liebhaber als du!"
Wieder klatschte es.
„Und du wagst es, Melasea eine Hure zu nennen? Ich sage dir, ich werde sie heiraten! Und dann wird Makuc der Thronfolger! Im Übrigen hat er schon jetzt die besseren Züge als DEIN Sohn!"
Genia schnappte nach Luft.
„Das kannst du nicht machen! Sumek wurde schon bei seiner Geburt als Thronfolger benannt. Du hast ihn angenommen! Du kannst ihn nicht zurücksetzen!"
Otek lachte und hatte keine Ahnung, dass er Sumek gerade das Herz brach.
„Ich bin der König! Ich kann es! Keine Angst, er wird an dritter Stelle kommen. Es sei denn, Melasea schenkt mir noch weitere Kinder. Aber ich kann ihn nicht mehr ertragen. Er hat jetzt schon deine grausamen Züge. Makuc ist anders. Er wird ein guter König, denn seine Mutter ist eine liebevolle Frau. Sumek habe ich nur aus Mitleid angenommen! Ich dachte, dass der Junge nichts für die Taten seiner Mutter konnte. Doch nun werde ich ihn nicht mehr dulden!"
Er konnte ihn nicht mehr ertragen? Sein eigener Vater? Und er zog Makuc ihm vor? Diesen kümmerlichen kleinen Kerl, der sich hinter seiner Mutter versteckte?
Sumek verbiss sich ein Wutschrei.
Hass kroch in ihm auf.
Hass auf seine Mutter!
Hass auf seinen sogenannten Vater!
Hass auf Melasea!
Hass auf Makuc!
Ab dem Zeitpunkt hasste er alle!
Ja, er hatte Makuc von dem Zeitpunkt gehasst, weil er alles bekommen sollte und Sumek nichts. Dabei hatte er sich immer bemüht der Beste zu sein. Nicht wie Makuc, der nichts konnte.
Am anderen Tag war Melasea ermordet worden.
Sumek hatte gesehen, wie seine Mutter in der Nacht ihre Räum verlassen hatte und zu Melasea gegangen war. Aber er hatte sie nicht verraten. Nein! Er hatte es in Kauf genommen, dass sie Melasea vergiftete. Er hatte auch nicht getrauert. Und als Makuc weg geschickt worden war, hatte er seine Position gefestigt.
Sein Vater war so in seiner Trauer gefangen, dass er nicht merkte, wie Sumek die Minister mit seinem Wissen und seinen Ratschlägen beeindruckte.
Als er es bemerkt hatte, war es zu spät!
Sumek hatte es geschafft. Otek konnte ihn nicht mehr verstoßen!
Und Makuc würde das auch nicht schaffen!
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