1. Kapitel
Makuc stieg von seinem Pferd und reckte sich erst einmal. Dann schlug er sanft auf den Hals des Tieres.
„Du hast gute Arbeit geleistet, mein Freund. Ruhe dich aus!"
Der Hengst schnaubte leise und schmiegte sich an Makucs Schulter, was ihm zum Lächeln brachte.
Ein Sklave kam, um sich um das Pferd zu kümmern.
„Reinige ihm vom Blut! Es macht ihn immer noch nervös, wenn er es riecht. Und gebe ihm genug zum Saufen. Wir haben heute in der Wüste gekämpft!"
Der Sklave nickte und führte das Pferd weg.
Makuc wischte sich über das Gesicht. Er musste selbst ein Bad nehmen, aber er war zufrieden. Zumindest was seinen Auftrag anging.
Er hatte endlich das Nest der Wüstenräuber gefunden und sie alle vernichtet. Sein Vater sollte zufrieden sein, denn er hatte reichlich Beute gemacht.
Allerdings hatte es auch seinen Preis gehabt.
Zehn seiner Männer waren heute gestorben und Makuc trauerte um jeden Einzelnen. Er hatte sich seine Armee selbst zusammengestellt und er hatte sie auch nach seinen Wünschen ausbilden lassen. Es würde schwer sein, sie zu ersetzen, wenn nicht sogar unmöglich. Wenigstens hatte er genug von der Beute zurückgelegt, um den Familien den Schmerz etwas erträglicher zu machen.
Er ging gemächlich auf den hinteren Teil des Palasts zu.
Eigentlich wurde von ihm erwartet, dass er mit allen Ehren empfangen werden sollte. Aber er war nicht der Mann für dieses Spektakel. Das überließ er lieber seinem Bruder, der auf solche Sachen bestand. Wenn es nach Makucs ging, würde er sich in aller Stille zurückziehen und sich ausruhen. Aber das ließ sein Vater nicht zu. Es schien so, als ob er seinem älteren Bruder unter die Nase reiben wollte, welche Leistung Makuc gebracht hatte. Das war Makuc immer unangenehm, denn auch wenn Sumek nicht gerade in diesen Sachen glänzte, so war er immer noch sein Bruder.
Er lief durch den Dienstboteneingang und schnappte sich eine Frucht aus dem Obstkorb. Er biss hinein und der Saft lief ihm über das Kinn.
„Wenn du es wagen solltest, meine Küche zu beschmutzen, dann zieh ich dir die Ohren lang!"
Er drehte sich zu der herrischen Stimme und lachte laut auf. Er legte den Rest der Frucht auf den Tisch und umarmte die alte Frau mit einem schmatzenden Kuss auf die Wange.
„Ich würde so einen Frevel kaum wagen, Salea! Ich kenne dich gut genug. Es interessiert dich nicht, dass ich des Königs Sohn bin!"
Die alte Sklavin schnalzte mit der Zunge, aber man konnte merken, wie sehr sie sich über seine Rückkehr freute.
„Offenbar kennst du mich nicht gut genug. Sonst hättest du dich schon gesäubert, ehe du hier hinein kamst!"
Er verzog zerknirscht das Gesicht.
„Schimpfe nicht so mit mir. Ich habe dir auch etwas mitgebracht!"
Er zog einen kleinen Lederbeutel aus seinem Wams.
„Das habe ich für dich aufgehoben. Du kannst es verkaufen und deinem Mann Medizin kaufen!"
Sie öffnete den Beutel und nahm eine schwere Goldkette heraus. Sie schniefte leise und strich ihm über die Wange.
„Du bist ein guter Junge, Makuc. Dein Bruder könnte sich ruhig dich als Vorbild nehmen!"
Makuc lachte leise.
„Er ist der Thronfolger. Er wird sich davor hüten, so zu werden wie ich es bin!"
Salea wackelte bedauernd mit dem Kopf.
„Ich weiß! Aber es ist eine Schande. Er ist so schlimm wie dein Vater. Manchmal frage ich mich, wie du so werden konntest, wie du nun bist. Das ist wohl der Einfluss deiner lieben Mutter gewesen!"
Da war sich Makuc sogar sicher.
Er und sein Bruder Sumek hatten unterschiedliche Mütter gehabt. Sumeks Mutter Genia war eine intrigante Person, die es nur mit einem Trick geschafft hatte, die erste Frau des Königs zu werden. Sie verlangte viel von ihrem Sohn, redete ihm aber auch ein, dass es sein Recht war, arrogant zu allen Untergebenen zu sein. Sie lebte immer noch im vorderen Teil des Palastes, wurde aber vom König nicht mehr aufgesucht. Sein Vater verlor schnell das Interesse an den Frauen, die er einmal bestiegen hatte.
Bisher hatte es nur eine Frau geschafft, ihn längere Zeit an sich zu binden und das war seine Mutter gewesen. Bis zu ihrem Tod hatte der König sie beinahe täglich aufgesucht und als sie starb hatte er tatsächlich getrauert. Nun sollte man meinen, dass Makuc deswegen sein besonderer Liebling wäre, aber der König hielt von keinem seiner Söhne sonderlich viel und vermied es auch, sie zu sehen. Für ihn stellten sie wahrscheinlich eine Gefahr dar und deswegen beschäftigte er sich kaum mit ihnen.
Nur Sumek musste er um sich herum dulden, weil er eben der Älteste war und sich schon an den Regierungsgeschäften beteiligte.
Makuc versuchte, sich dem ganzen Hofleben fern zu halten. Er war als Soldat ausgebildet worden und er machte seine Arbeit gut. Allerdings versuchte er auch, nie zu sehr auf zu fallen. Lieber blieb er im Hintergrund. Dann bot er auch weniger Angriffsfläche.
Die Tür ging auf und ein Diener erschien. Auch er schnappte sich eine Frucht und biss hinein. Sie wussten alle, dass sie sich das bei Salea erlauben durften. Ansonsten bekamen sie eher weniger zu essen und sie nutzen jede Möglichkeit für einen Bissen.
„Kazak und Lombo kommen vom Sklavenmarkt. Sie haben ein Mädchen mitgebracht. Sie verlangen, dass du sie badest, Salea!"
Makuc verzog das Gesicht.
„Ein neues Mädchen für den Harem? Verflucht, er hat doch schon mindestens vierzig Frauen. Was will er mit noch einer? Er befriedigt die anderen doch jetzt schon kaum."
Der Diener zuckte mit den Schultern.
„Es steht mir nicht zu, mich dazu zu äußern!"
Makuc verdrehte seine Augen.
„Bevor sich Salea um das arme Geschöpf kümmert, soll sie erst mein Bad veranlassen!"
Der Diener neigte seinen Kopf und grinste ihn an, bevor er den Raum verließ.
Salea schnalzte wieder mit der Zunge.
„Kazak wird wütend sein, wenn er das mit bekommt!"
Makuc zuckte mit den Schultern.
„Ach komm, ich kenne das Prozedere! Sie wird erst von den anderen Weibern untersucht werden und dann wird sie erst ins Bad geführt. Du hast genug Zeit, um mir ein Bad ein zu lassen! Außerdem bin ich der Prinz. Das sollte doch zu etwas wenigstens gut sein!"
Sie lachte leise.
„Da magst du Recht haben. Dann komm, du Schmutzfink. Wollen wir mal sehen, ob ich nicht den gut aussehenden Kerl unter dem ganzen Dreck finde, der du eigentlich bist!"
Meridea stand nackt und zitternd vor drei alten Weibern, die sie missbilligend anstarrten. Sie hatte die Hände vor ihre Brust und ihre Scham gepresst. Bisher hatte sie sich niemand nackt gezeigt und immerhin stand Lombo auch im Raum. Er mochte zwar ein Eunuch sein, aber Meridea fühlte sich unwohl.
Eine der Weiber machte eine herrische Handbewegung und Lombo riss ihre Hände weg.
Wieder hörte sie die Weiber schnauben.
„Ihre Haare müssen entfernt werden. Da unten und unter den Armen. Und auch an den Beinen. Ach, entferne jedes Haar, dass störend sein kann. Ansonsten ist sie ganz annehmbar."
Lombo nickte.
Die Weiber umkreisten sie.
„Sehr schöne Ware, das muss man euch lassen. Dieses Mal habt ihr Geschmack bewiesen.", meinte die andere.
Das erste Weib kam nahe zu Meridea und ehe sie es sich versah, hatte sie einen Finger in ihre Scheide gesteckt. Meridea schrie vor Schmerz auf, doch das Weib wühlte regelrecht in ihrem Innersten herum.
„Sie ist eng! Man hat euch nicht belogen. Hier war noch kein Mann!"
Sie entfernte den Finger endlich wieder und roch an ihrem Finger.
„Keine Krankheit! Sehr gut!"
Das dritte Weib kam auf sie zu und lächelte. Sie war nicht ganz so hässlich wie die anderen beiden und schien auch freundlicher zu sein.
„Welche Gaben hast du, Mädchen?"
Meridea wusste nicht ganz, was sie von ihr wollte. Was für welche Gaben meinte die Alte? So etwas hatte sie noch niemand gefragt. Sie überlegte einen Moment, doch die Alte unterbrach sie.
„Kannst du singen? Beherrscht du ein Instrument? Kannst du Gedichte rezitieren? Kannst du überhaupt lesen?"
Meridea schüttelte den Kopf.
Sie verschwieg, dass sie sehr wohl lesen und schreiben konnte. Auch verschwieg sie, dass sie mit ihrem alten Herrn oft bis spät in die Nacht, manchmal sogar bis zu den Morgenstunden über alle möglichen Themen diskutiert hatte. Auch das er ihre Stimme gemocht hatte, wenn sie ihm etwas vorgesungen hatte, verschwieg sie. Ihr alter Herr hatte ihr alles beigebracht, was sie seiner Meinung nach wissen sollte und noch etwas mehr. Aber er hatte sie auch gewarnt, dass dies nicht jeder verstehen würde. Man könnte sie anfeinden für das, was sie konnte. In manchen Ländern war es verpönt, wenn Frauen klug waren. Denn das bedeutete, dass sie den Männern widersprechen konnten. Und gerade jetzt erschien es ihr wichtig, dass sie das verschwieg.
Die Alte schüttelte bedauernd den Kopf.
„Sehr schade! Eine Dienerin der Dunkelheit!"
Sie ließen von ihr ab und verließen den Raum.
Lombo ließ sie los und reichte ihr einen Umhang.
„Was hat das zu bedeuten? Dienerin der Dunkelheit?"
Lombo zuckte mit den Schultern.
„Du wirst zum Vergnügen des Herrn ausgebildet. Verschiedene Liebestechniken, die den Herrn erfreuen. Du wirst sein Bett wärmen. Er wird sich aber nie tagsüber mit dir zeigen, denn das bleibt den klugen Frauen vorbehalten. Wenn du Glück hast, wirst du ihm ein Kind gebären und kannst dann aus dem Harem ausziehen. Aber ansonsten bist du wirklich nur für das Bett des Herrn zuständig!"
Sie keuchte.
Sie sollte also doch eine Hure werden! Da hätte sie gleich auf dem Markt bleiben können, denn dort wurden auch meistens Huren verkauft.
Sie schnaubte leise!
„Ich bin keine Hure!"
Lombo drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht wirkte erstaunt.
„Oh, Mädchen, du bist naiv. Ich dachte, das wäre dir nun klar! Du bist nun eine Hure! Die Hure des Königs!"
Er sagte es in einem Tonfall, als ob das eine besondere Ehre für sie wäre, doch Meridea sah es anders. Es war keine Ehre! Als Sklavin hatte sie ihre Aufgaben. Doch nun...sie war nur noch die Bettgespielin eines Königs, den sie nicht einmal kannte. Und wenn er ihrer überdrüssig wurde, was schnell der Fall sein konnte, würde sie wieder verkauft werden. Aber das Brandmal der Hure würde an ihr haften bleiben.
Lombo unterbrach ihre Gedanken und führte sie in einen kahlen Raum. Er enthielt nur einen kleinen Tisch, auf dem Tiegel und kleine Stoffbahnen lagen.
Meridea entdeckte eine Frau, die eine Art Paste anrührte.
„Entferne alles, was unwichtig ist. Du weißt, was der Herr will!"
Die Frau nickte und schmierte die Paste an Merideas Beine. Bevor Meridea sich wundern konnte, riss sie die Paste wieder ab und Meridea schrie leise auf.
Lombo trat vor sie und schlug ihr ins Gesicht.
„Halte die Klappe! Das wirst du aushalten können! Die Haare müssen weg. Mein Herr mag sie nicht!"
Meridea hielt sich die schmerzende Wange und nickte.
Sie ließ nun die gesamte Prozedur über sich ergehen und hoffte, dass die Schmerzen nicht so schlimm werden würden. Doch sie täuschte sich.
Sämtliche Haare an ihrem Körper wurden so entfernt.
Selbst ihr Venushügel und die Schamlippen wurden nicht verschont.
„Auf diesen Bereich besteht der Herr besonders. Er hasst Schamhaare bei einer Frau. Er meint, sie würden schlechte Gerüche verursachen! Und obwohl du blond bist, sind deine Haare da unten zahlreich. Er würde dich davonjagen, denn schon jetzt geht ein Geruch von diesem Bereich aus.", erklärte die Frau.
Meridea schämte sich.
Gerade hier hatte sie immer auf besondere Hygiene geachtet und sie war sich sicher, dass sie nicht stank. Es war ein natürlicher Geruch und hatte nichts mit mangelnder Sauberkeit zu tun.
Endlich war die Prozedur vorbei und Merideas Haut war rot von den Reizungen. Doch die Demütigung war offenbar noch nicht vorbei.
Obwohl sie von Russo hergerichtet worden war, betrachtete Lombo sie kritisch.
Dann nahm er ihren Kopf und riss die Klammern aus dem Haar, bevor er sich die Kopfhaut ansah.
„Ich will sicher sein, dass du nicht verlaust bist. Bei der Ware von Russo kann man da nie sicher sein!"
Meridea ließ es geschehen, obwohl sie wusste, dass sie weder Flöhe noch Läuse hatte.
Als er zufrieden war, schickte er sie in den angrenzenden Raum.
„Salea wird dort auf dich warten. Sie wird dich baden und anschließend in den Harem bringen. Ruhe dich aus, denn morgen wird deine Ausbildung beginnen!"
Sie neigte ihren Kopf und ging durch die Tür. Erstaunt blieb sie stehen.
Vor ihr war eine große Halle, die eine ganze Badelandschaft enthielt. Alles war in hellem Marmor gehalten und die Pflanzen erinnerten sie an die Bilder einer Oase, die ihr der alte Herr einmal gezeigt hatte. Die Kuppel des Daches bestand aus Glas, doch das fließende kalte Wasser, das wie ein Wasserfall von einem nachgebauten Felsen herunterstürzte, kühlte die Luft wieder ab, so dass eine angenehme Temperatur herrschte.
Die Halle war jedoch in der Mitte durch eine Wand geteilt und Meridea nahm an, dass die andere Seite den Männern vorbehalten war.
Ein leises Plätschern und eine tiefe Stimme, die sehr leise vor sich hin sang, bestärkten den Eindruck.
„Hallo?", rief sie leise. Sie wollte den Mann nicht beim Bad stören.
Eine kleine Tür ging auf und eine ältere Frau kam in die Halle.
Sie erstarrte einen kleinen Augenblick, als sie Meridea sah, fing sich aber bald wieder.
„Du bist ja schon fertig, meine Kleine! Komm, lass dich ansehen! Oh je!" sie strich vorsichtig über die gerötete Haut.
„Ich sehe, sie haben nichts ausgelassen!", bemerkte sie bedauernd.
Sie führte Meridea zu einem kleinen Becken.
„Das hier ist kaltes Wasser. Ich denke aber, dass es dir nun gut tun könnte. Ich werfe den Nichtsnutz nebenan nur aus der Wanne und dann kümmert sich die alte Salea um dich!"
Sie ließ Meridea in das Becken steigen und verschwand dann wieder.
Meridea seufzte leise auf. Das Wasser war kalt, aber es tat der Haut gut. Sie setzte sich auf die kleine Stufe und lauschte Salea, wie sie den Unbekannten an herrschte.
„So! Genug geplantscht! Wasch dich! Und zwar ordentlich! Und dann musst du verschwinden! Ich habe es schon befürchtet, dass die Kleine bald kommt!"
Der Mann brummte unwillig.
„Du kannst ein richtiger Troll sein, Salea. Auf die Gefahr hin, dass ich es heute schon mal erwähnte: du weißt schon, dass ich der Prinz bin?"
Salea lachte laut.
„Und seit wann interessiert mich das?"
Sie hörte, wie ein Eimer Wasser ausgeleert wurde und der Prinz leise schrie.
„Das ist ja eiskalt! Du willst mich wohl wirklich loswerden! Das Mädchen muss ja eine Schönheit sein, dass du sie mir vorziehst!"
Meridea kicherte leise.
Es herrschte einen Moment Stille.
„Sie kann mich hören, oder?"
Nun konnte Meridea nicht anders. Sie lachte aus vollem Hals, doch gleich schlug sie die Hand vor dem Mund.
„Es tut mir leid, eure Hoheit. Ich wollte euch nicht belauschen oder auslachen!"
Sie prustete gegen die Hand und zwickte sich verzweifelt in den Arm, damit sie mit dem verflixten Lachen aufhörte. Doch es half nicht viel. Sie hörte ihn lachen und war froh, dass er wohl nicht ganz so streng war.
„Nein. Mir tut es leid, dass ich euer Bad gestört habe. Ich werde mich entfernen! Aber ich bin sicher, dass ich dich bald sehen werde! Ohne diese Wand!"
Meridea seufzte.
„Das denke ich nicht, Hoheit. Ich bin eine Dienerin der Dunkelheit!"
Den letzten Satz sprach sie sehr leise aus. Sie schämte sich immer noch dafür.
Wieder herrschte Stille.
„Das ist schade! Wirklich. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn ich das Mädchen gesehen hätte, dem so eine schöne Stimme gehört!"
Sie lachte, aber es hörte sich bitter an.
„Ich denke, ihr werdet euch nur an diesem Augenblick ergötzen können!"
Sie hörte ihn seufzen.
„Ja, das ist wohl war. Und dieser Augenblick ist leider viel zu kurz. Ich muss dich jetzt verlassen, denn Salea droht mir schon geraume Zeit mit der Badebürste. Und ich will nicht noch mehr ihren Unmut heraufbeschwören. Sonst schickt sie mich ohne Nachtisch ins Bett. Und du wirst sehen, dass man für den Nachtisch von Salea alles tun würde!"
Wieder kicherte Meridea.
„Dann wird es wohl besser sein, wenn ihr mich verlasst. Ich will auch nicht, dass sie böse auf mich ist!"
Wieder Stille. Dann ein tiefes Seufzen.
„Sie haben dich nicht gut behandelt, habe ich Recht?"
Meridea zitterte leicht. Das Wasser wurde nun unangenehm. Sie setzte sich auf die obere Stufe und schnappte sich ein Badetuch.
„Ich bin eine Sklavin, Herr. Ich erwarte von niemanden, dass sie mich gut behandeln. Aber darf ich offen sprechen?"
Er bejahte.
Meridea atmete zitternd ein.
„Seit ich hier angekommen bin, sind die einzigen Menschen, die etwas freundlich zu mir waren nur Salea und ein unbekannter Prinz gewesen, den ich wohl nie wieder hören oder gar sehen werde!"
Sie hörte, wie Salea leise flüsterte. Dann antwortete ihr der Prinz wieder.
„Das tut mir leid. Aber leider kann ich dir nur insofern helfen, als das ich vorschlagen werde, dass Salea für deine Bedürfnisse zuständig ist. Würde es dir gefallen?"
Nun war sie es, die seufzte.
„Das wäre schön, aber ich will nicht, dass Salea wegen mir in Schwierigkeiten kommt!"
Sie hörte es plätschern und Schritte, die näher an die Wand kamen.
„Wie kommst du darauf, dass Salea in Schwierigkeiten kommen könnte?"
Als ob er neben ihr stehen würde, presste sie das Badetuch enger an ihren Körper.
„Seien sie realistisch, Hoheit. Ich bin die Hure eures Vaters. Ich denke nicht, dass mir irgendwelche Sonderrechte zustehen!"
Er schwieg eine Weile. Dann hörte sie, wie er sich entfernte.
„Wir werden sehen! Gehab dich wohl, schönes Mädchen. Und ich hoffe, es ist nicht zu vermessen, wenn ich sage, dass mir das Gespräch Freude bereitet hat. Du hast mich abgelenkt von traurigen Gedanken!"
Sie lächelte leicht.
„Es war mir eine Freude, Hoheit!"
Er lachte leise.
„Sehr schade!", hörte sie ihn murmeln, dann entfernte er sich und sie wusste, dass sie nun alleine in der großen Halle war.
Ja, es war wirklich schade. Denn der Prinz schien wirklich nett zu sein.
Makuc rubbelte sich sein kurz geschorenes Haar trocken.
„Wie sieht sie aus, Salea?", fragte er die alte Sklavin.
Salea schüttelte bedauernd den Kopf.
„Du solltest kein zu großes Interesse an ihr zeigen, Makuc. Sie hat Recht. Sie ist die Hure deines Vaters und du wirst sie wohl nie zu Gesicht bekommen!"
Er schnalzte mit der Zunge.
„Wer hat das entschieden? Sie ist nicht wie die anderen Dienerinnen der Dunkelheit. Sie scheint mir klug zu sein."
Salea nickte.
„Das ist auch meine Meinung. Deswegen habe ich dich gebeten, ein gutes Wort bei Lombo einzulegen. Ich will sie beobachten!"
Das hatte Makuc wirklich verwundert. Es war schon lange her, dass Salea sich um eine Dienerin gekümmert hatte. Früher war es ihre Aufgabe gewesen, diese Mädchen her zu richten und seinem Vater zu präsentieren. Sie hatte sich seiner Mutter angenommen und als er geboren wurde, war es der Wunsch seiner Mutter gewesen, dass Salea sie in ihre neuen Räumlichkeiten begleiten durfte. Er war praktisch mit Salea und ihrem Mann Humar aufgewachsen, die für ihn so etwas wie Großeltern geworden waren.
Als seine Mutter verstarb, blieb Salea dem Harem fern und kümmerte sich nur noch um den königlichen Haushalt.
Dass sie ihn nun gebeten hatte, dass sie sich um das Mädchen kümmern wollte, zeigte ihm, dass Salea etwas Besonderes in ihr sah. Denn ansonsten würde sie sich mit solchen Bitten zurückhalten.
„Ich werde mit Lombo reden. Aber nicht sofort, das wäre zu auffällig."
Sie nickte ihm zu und reichte ihm seine Tunika und die Stoffhose, die er so hasste. Aber im Palast galt eine strenge Kleiderordnung und er konnte sich dort nicht in seiner üblichen Kleidung sehen lassen. Sein Vater würde ihn bestrafen lassen, wenn er es doch einmal wagen sollte.
„Du solltest dich auch rasieren, Makuc! Du weißt, dass er deinen Bartschatten hasst."
Makuc nickte.
Das war ihm bewusst. Sein Vater trug zwar selbst einen beeindruckenden Bart, aber alle um ihn herum hatten glatte Haut zu zeigen. Und gerade bei Makuc achtete er besonders darauf, denn auch wenn er noch jung war, sah Makuc schon jetzt sehr männlich aus. Also war er in den Augen seines Vaters eine Bedrohung. Zumindest nahm Makuc an, dass das der Grund war.
Er seufzte.
„Ich hasse es, wenn ich bei Vater antreten muss. Ich hoffe wenigstens, dass Sumek nicht da ist."
Seine Stimme nahm einen hoffnungsvollen klang an, doch Salea schüttelte den Kopf.
„Denkst du, dein Bruder lässt die Möglichkeit verstreichen, deinen Sieg als Lappalie aus zu geben? Ich habe gehört, wie er gebrüllt hat, als man die Kunde von deinem Sieg vorgetragen hat. Er ist eifersüchtig auf dich, Makuc. Und seine Mutter nährt diese Eifersucht noch."
Wieder seufzte er.
Das war ihm bewusst.
„Ich werde nicht lange hier sein. Ich werde Vater die Beute übergeben und mich nach einer gewissen Zeit wieder in meinen eigenen Palast zurückziehen!"
Sie strich ihm über die stoppelige Wange.
„Das wird wohl das Beste sein. Du bist so ein guter Junge. Manchmal frage ich mich..."
Sie sprach es nicht aus, was sie sich fragte. Und Makuc war schlau genug, nicht nach zu fragen. Sie würde es ihm doch nicht sagen.
„Jetzt geh, Salea. Kümmere dich um das Mädchen."
Salea nickte und verschwand schnell.
Makuc nahm sich das Rasiermesser und begann sich die Stoppeln abzuschaben.
Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er das Mädchen sehr wohl noch einmal sehen würde. Oder zumindest würde er sich wieder mit ihr unterhalten. Er mochte ihre Stimme. Sie war nicht so kreischend hoch, wie bei den anderen. Er konnte sich vorstellen, dass man gerne mit ihr stundenlange Gespräche führte.
Er lächelte.
Er würde wieder mit ihr sprechen!
Auch wenn es ein gefährliches Spiel war, was er trieb.
Er wollte sie näher kennen lernen. Auch wenn er sie noch nie gesehen hatte, spürte er, dass sie etwas Besonderes war. Auch für ihn.
Salea seufzte leise, bevor sie wieder in die Badehalle ging.
Sie wusste nicht, was Kazak sich dabei gedacht hatte, genau dieses Mädchen zu kaufen. Sie sah Makucs Mutter so ähnlich! Als sie das Mädchen das erste Mal gesehen hatte, wurde ihr beinahe schlecht, denn sie hatte wirklich gedacht, ihre ehemalige Herrin würde vor ihr stehen.
Sie wusste, dass der König sich die Finger nach ihr lecken würde.
König Otek war kein guter Herrscher.
Er war ein Tyrann und liebte es, seine Untertanen zu unterdrücken und die letzten Goldstücke aus ihnen heraus zu pressen, damit er seinen Reichtum auf den Kosten seines Volkes ausbauen konnte. In den letzten Jahren war er zwar milder geworden, dafür peinigte aber sein Sohn das Volk. Aber Otek hatte damit begonnen.
Er war sehr jung zum König gekrönt worden, nachdem sein Vater bei einer Schlacht ums Leben kam. Seine Mutter hat ihren Mann geliebt und sich aus lauter Trauer das Leben genommen.
So war gekommen, dass Otek nie wirklich Liebe kennen gelernt hatte.
Er war von arroganten Männern aufgezogen worden, die ihm alles mit Prügel eingetrichtert hatten.
Otek hatte sich auch nie eine Gemahlin genommen.
Er hielt nichts von Liebe und wollte sich dieser auch nicht aussetzen.
Doch als er Makucs Mutter das erste Mal gesehen hatte, war etwas in ihm zu spüren, was der Liebe doch sehr gleich kam.
Im Gegensatz zu den anderen Frauen hatte er sie täglich zu sich kommen lassen. Und obwohl auch sie nur eine Dienerin der Dunkelheit gewesen war, schickte er auch am Tag nach ihr. Genia, die sich damals den Titel der ersten Frau ergaunert hatte, sah dies natürlich nicht gerne. Und als Makucs Mutter auch schwanger wurde, war Genia klar, dass sie bald nicht mehr die Macht besitzen würde, die sie sich so hart erkämpft hatte.
Als Makuc geboren war, spürte selbst Otek, dass sein Sohn in großer Gefahr war. Er schickte die beiden in Räume, die weit entfernt von Genia und Sumek waren.
Makuc wuchs unbeschwert auf, doch sein Vater war nicht mehr sehr oft bei ihnen. Außerdem hatte er sich wieder Frauen kommen lassen, die ihn wohl mehr amüsierten, als eine Frau, die sich um ein Kind zu kümmern hatte. Dennoch wusste Salea, dass er manchmal heimlich erschienen war, nur um mit ihr zu reden.
Als sie durch ungewöhnliche Umstände starb, war Otek einige Tage nicht zu sprechen gewesen. Er hatte sich in seine Räume eingesperrt, hatte nichts gegessen und nur Wein getrunken. Er hatte wirklich um sie getrauert.
Das Volk hatte die Hoffnung, dass er doch Gefühle zeigte und sich seinem zweiten Sohn zuwandte. Denn obwohl Sumek nur ein Knabe von zwölf Jahren war, liebte ihn das Volk nicht. Ganz anders als Makuc, der schon jetzt mit seinen vier Jahren ein liebenswerter Junge war.
Doch Otek kümmerte sich um keinen der beiden, war sogar noch grausamer als vorher, denn er schickte Makuc weg.
Salea schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab und ging in die Badehalle.
Das Mädchen saß sittsam auf einer Bank. Das Handtuch hatte sie fest um ihren schlanken Körper geschlungen.
„Was machst du da, Mädchen? Du holst dir noch den Tod!"
Salea sah, dass sie zitterte, also führte sie es schnell in das warme Wasser.
Das Zittern hörte langsam auf und Salea konnte sehen, wie sie sich entspannte. Salea befeuchtete ihr Haar und wusch es sanft.
Das Mädchen hatte die Augen geschlossen.
„Verrate mir deinen Namen!", fragte Salea freundlich.
Sie öffnete wieder die Augen.
„Man hat mich angehalten, mich ab heute Meridea zu nennen!"
Salea erstarrte.
Das konnte nicht wahr sein!
Kazak hatte sich auch noch einen Namen ausgesucht, der dem glich, der damals Makucs Mutter gegeben worden war. Ihr Name war Melasea gewesen.
Meridea sah sie fragend an.
„Stimmt etwas nicht?"
Salea lächelte leicht.
„Nein, mein Täubchen. Es ist alles in Ordnung. Verzeih einer alten Frau, die manchmal in der Vergangenheit lebt!"
Meridea schüttelte den Kopf.
„Da gibt es nichts zu verzeihen."
Sie stand auf und wollte sich waschen, doch Salea hinderte sie daran.
„Das werde ich übernehmen!"
Meridea hob eine Augenbraue.
„Wozu? Ich habe doch gesunde Hände! Und warum sollte ich dich etwas tun lassen, was ich selbst kann? Ruhe dich aus! Du siehst müde aus!"
Salea lachte nun laut.
Das Mädchen war wirklich etwas Besonderes. Kein Wunder, dass Makuc sich für sie interessierte, obwohl er sie nur gehört hatte. Aber dieser kleine Augenblick schien ihm gereicht zu haben. Und auch sie schien von ihm beeindruckt zu sein.
„Dieser Prinz...er scheint nett zu sein!"
Salea erstarrte mitten in der Bewegung.
„Meridea! Mein kleines Täubchen! Wenn dir dein Leben lieb ist, dann vergiss Makuc wieder ganz schnell. Er hat sich selbst schon zu weit vorgewagt. Er hätte sich gar nicht mit dir unterhalten dürfen. Wenn sein Vater oder schlimmer, sein Bruder davon erfährt, wird nicht nur er bestraft, sondern auch du!"
Meridea starrte sie mit großen Augen an.
„Ich will nicht, dass er bestraft wird!"
Salea strich ihr sanft über die Wange. Seltsam, dass sie wirklich Melasea so glich. Auch sie hatte nie zuerst an sich gedacht, immer nur an andere.
„Das weiß ich. Aber er wird sich sowieso bald zurückziehen. Es hält ihn nie lange hier im Palast."
Meridea hob eine Augenbraue.
„Nein?"
Salea schüttelte bedauernd den Kopf.
„Nein! Du wirst selbst bald feststellen, dass dieser Palast von Intrigen und üblen Machenschaften beherrscht werden. Makuc ist nicht für so etwas geschaffen. Vor Jahren hat er sich schon seinen eigenen Palast erbauen lassen. Sehr zur Freude seines Bruders, der so gegen ihn intrigieren kann, ohne dass Makuc sich wehren könnte. Der Palast ist aber weit genug weg und Sumek kann keinen Schaden anrichten!"
Meridea nickte leicht, während sie ihren Körper einseifte.
„Ich hoffe nur, dass ich lange unbemerkt bleibe. Auch ich bin nicht für solche Sachen geschaffen."
Das hoffte Salea auch.
Aber sie befürchtete das Schlimmste.
Dieses Mädchen...sie würde etwas auslösen. Salea konnte nur nicht sagen, ob es etwas Gutes oder Schlechtes war.
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So, jetzt geht es richtig los.
Ich hoffe sehr, dass euch die Geschichte gefällt. Wie ich schon erwähnt habe, wird sie einen historischen Touch haben. Und jaaa, ich kann es nicht lassen...es tauchen so etwas ähnliches wie Wikinger auf! (Ich höre es schon. Die, die meine vorherigen Geschichten gelesen haben, lachen nun schallend! Aber ich mag die Kerle einfach!)
Ab und zu werde ich wieder ein paar Bemerkungen machen. Und bevor die Frage aufkommt: dieses Mal habe ich die Kräuter erfunden, die hier vorkommen. Ehrlich gesagt war ich zu faul, um wieder zu recherchieren. Nur manche Sachen habe ich nachgelesen und von der Vergangenheit übernommen.
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