Leichtsinn und Übermut
Hitze wallt mir entgegen. So heiß und trocken, dass die wenigen bloßen Hautstellen von Gesicht und Armen brennen, als würden die hellgold-blauen Feuerzungen der Esse direkt über sie lecken. Riesig und vom Ruß geschwärzt ist die gemauerte Feuerstelle inmitten der königlichen Schmiede. Lodernd und hell das darin flackernde Schmiedefeuer in dem Eisen glüht und darauf wartet in kunstvolle oder tödliche Form gebracht zu werden. In unmittelbarer Nähe bearbeitet ihr Meister eines von ihnen auf einem schwarzen Amboss. Unduldsam gegenüber der Beharrlichkeit, mit dem es sich ihm widersetzt. Entschlossen dem Rohstoff Stattlichkeit und Ebenmaß einprägend. Kleiner ist der Schmiedehammer als ich ihn mir erdachte, kann aber somit sehr viel präziser immer und immer wieder in einem fast hypnotisierenden Rhythmus begleitet von hellen und dunkeln Tönen auf das gelb-rot leuchtende Metall, das wohl ein Dolch werden soll, einwirken.
Und dann folge ich dem dicht mit dank der mühevollen Bewegung zuckenden und bebenden Muskeln bepackten Arm und schnappe mit jedem Zentimeter mehr angestrengter nach äußerst dringend benötigter Luft. Überwältigt. Begeistert. Geblendet von dem Anblick, der sich mir bietet, belebender selbst als das Feuer Mahals. Thorins hüllenlose Brust hebt und senkt sich ruhig trotz der Plackerei. Die schwarzen Haare (die dort dicht sind und sich erst je weiter man den gebannten Blick nach unten hin schweifen lässt zu einem schmalen Streifen ausdünnen, der sich letztendlich in der durch eine Schürze geschützten leinenen Hose verliert) kleben ob dem darüber rinnenden glänzenden Schweiß an der hellgoldenen und mit allerhand Zeichen, Bildern und Linien bemalten Haut. Jedes Emporbringen und Fallenlassen des Hammers erhärtet die beeindruckenden Muskeln, lässt sie dadurch nur noch imponierender erscheinen. Zielbewusst und fokussiert ist sein Blick auf das Metall gerichtet. Gut zu erkennen, denn zurückgebunden zu einem lockeren Zopf, aus dem sich daher bereits eigenwillig wie ihr Besitzer einzelne Strähnen lösen, sind die dichten Wellen.
So leidenschaftlich besessen scheint Thorin von seiner Arbeit, dass er mein Hereinkommen nicht bemerkt, obwohl er es anordnete. Erst Dwalin, der neben ihm steht und die Zange, die den Rohling fixiert hält (und der nicht weniger ansehnlich eindrucksvoll wirkt, obwohl ein Hemd die denkbar ebenfalls imposant erhärteten Muskelmassen verbirgt) muss ihn darauf aufmerksam machen. Mehr meine Gewissensbisse verbergend, da ich ihren Anblick so schamlos direkt und lange genoss, als nur begrüßend senke ich den Blick, infolge dessen er mich beachtet. Die einkehrende Stille nachdem schließlich der Hammer zur Ruhe kommt, macht die Situation nicht besser, befürchte ich doch, dass sie stattdessen mein schnell-aufgeregt und bestimmt laut schlagendes Herz hören könnten.
„Astâ, verzeih, dass wir dich nicht gleich bemerkten, und warten ließen", entschuldigt er sich und ich beiße mir fest auf die Unterlippe, damit ich nicht das ungewandte Geständnis ausplaudere, dass es nichts zu verzeihen gibt. Denn derweil ging ich einer äußerst müßigen Beschäftigung nach, in der ich gerne noch länger geschwelgt hätte. Weiterhin schambehaftet halte ich demnach meinen Blick gesenkt, als er mit schweren Schritten herantritt und schließlich dicht vor mir stehen bleibt. Nah ist er. Oh so nah, dass ich trotz des beschränkten Sichtfeldes die nackte Haut erblicke, ihre sengend-heiße Wärme spüre und sein Geruch mich wie der gewaltige Schmiedehammer Mahals zu erschlagen und einer Ohnmacht nahe zu bringen droht. Dieses Gemisch aus frühlingsregenfeuchter Erde, sonnengewärmter Steine, dem Schweiß der Arbeit, des einzigartig nach großer Hitze riechenden Feuers und in ihm glühenden Metalls. Es brennt sich in mein Gedächtnis ein, als würde Letzteres gnadenlos auf jede noch so kleine Synapse einwirken.
„Ich ließ dich hierherkommen, da ich etwas für dich habe", sagt Thorin schließlich und ich benötige einige Momente, um der Entrückung zu entsagen. Versuche mich mit Gedanken an abkühlendes Wasser, hässliche Orks (obwohl ich noch nie einen zu Gesicht bekam) und stinkende Kräuter abzulenken. Aber erst als er mir etwas in seinen von Öl und Ruß schmutzigen Händen liegend entgegenstreckt, gelingt es mir, mich von betörendem Geruch und Augenschein loszureißen. Ein Schwert typisch zwergiger Machart, aber dennoch auf gewisse Weise anmutig, ja beinahe filigran erscheinend. Wie als würde es direkt aus alten Zeiten entstammen, in denen elbisches Wissen und Zartheit auch in unserer Kultur Einzug fand. Kurzweilige Vergangenheit, die heute nur noch in Bücher Erwähnung finden darf. Die silberne Klinge erst konkav, dann konvex und wieder am Ort tödlich spitz zusammenlaufend. Das Heft aus dem schwarz-rötlichen Holz des Lebensbaums gefertigt. Geometrische Muster und die kraftvollen Kombinationen der Runen für Stärke und Mut, aber auch derer für Kriegerin und im Gegensatz dazu Edelfrau ornamentieren beides. Allein sein Anblick ist unbezahlbar. Und so blicke ich verwundert auf. In diese verdammt-vergötterten Eisaugen, die strahlen und funkeln und mich erwartungsvoll betrachten.
„Ihr wollt mir ein Schwert schenken?", frage ich und bin über das unruhige Zittern der Stimme, die sich beinahe unter dem Geräusch des Blasebalgs, mit dem Dwalin die Esse erneut anfeuert, um den Rohling darin zur Ruhe kommen zu lassen, verliert. „Nun, es ist weniger ein Geschenk denn vielmehr ein wichtiger Bestandteil deiner weiteren Ausbildung, die bei Weitem nicht nur Tanz und höfische Etikette umfassen soll", erklärt Thorin und reicht mir ohne auch nur eine geringe Chance auf Widerstand oder Einspruch aufkommen zu lassen das Schwert. Erstaunlich leicht ist es und bestmöglich ausbalanciert. Aber was erwartete ich sonst bei einem Kunststück von eines Schmiedemeisters Hand gefertigt. Denn wie jeder Krieger erlernte auch er als Prinz zusätzlich ein Handwerk, das auf Feldzügen und Schlachtfeldern von Nutzen ist.
„Als meine Dienerin wirst du mich auch auf Reisen begleiten und mein Herz schlüge unbesorgter, könntest du dich im Angriffsfall selber verteidigen. Zusätzlich der Verpflichtung, mich als deinen Herren zu schützen." Prüfend wiege ich die tödliche Schönheit in einer Hand. Wie eine perfekte Verlängerung meines Armes fühlt sie sich an. Keinen unruhigen Millimeter zittert der Ort. Silbern leuchten die feinen Linien im Schein des Feuers. Welch Geschick und Aufwand legte er nur in die Fertigung einer Waffe für mich als einfache Untertanin.
„Ich führte schon etliche Jahre kein Schwert mehr, daher befürchte ich, dass mir dieses Glanzstück im Ernstfall nicht viel nutzen wird, geschweige den dabei hilft, Euer mir kostbares Leben zu bewahren", beichte ich schließlich schüchtern, denn nur wenige Stunden meiner Mädchenjahre erhielt ich unzulänglich Unterweisung in der Kampfkunst und vieles geriet seither in Vergessenheit. Aber Thorin ahnte dies anscheinend längst, denn mit einem verständnisvollen Lächeln winkt er Dwalin auffordernd zu uns heran.
Wie als würde sie sich seines Anblicks freuen, glüht das Silber der Brosche auf der wenigen Haut die sie am Dekolleté berührt „Dwalin wird dich unterrichten. Keinen besseren und geduldigeren Lehrmeister könntest du haben, also fürchte dich bitte nicht vor ihm und seiner Stärke. Er schaut meist grimmiger drein, als er in Wahrheit ist." Ich unterdrücke ein belustigtes Lächeln, denn Bedenken gegenüber dem sanften Riesen von einem Zwerg hege ich nicht, niemals, egal wie bedrohlich er wirken mag. Aber woher sollte Thorin dies wissen. Um die Vertrautheit wissen, die ich mit seinem Vetter und treuen Hauptmann bereit seit so vielen Jahren hege und pflege. Dementsprechend fällt es mir noch schwerer, das verräterische Zucken der Mundwinkel zu unterdrücken, als sich Dwalin demonstrativ Strenge und Disziplinverlangen vorspielend mit verschränkten Armen vor mir aufbaut und dennoch ganz kurz, beständig lediglich einen Wimpernschlag, ebenso amüsiert darüber lächelt.
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„Greif mich an!" Dwalins harscher Befehl braust über den in Orangerot der Fackeln getauchten Sandboden des Trainingsplatzes wie ein Gewittersturm. Und die zielbewusste Entschiedenheit, mit der ich ihn vor wenigen Minuten erst betrat, wird gnadenlos von ihm hinfort getragen. Abgenommen hat er mir das Schwert mit unbeweglichen Gesichtszügen, als ich den Hauptmann in ungewohntem Aufzug aus lederner Hose, lockerer Tunika und darüber einem leichten aber dennoch undurchdringbaren Harnisch, ehe der Morgen überhaupt graute, aufsuchte. Bereit zu lernen. Bereit Schmerzen zu ertragen. Bereit mich über alle Maßen anzustrengen und ihm und Thorin zu beweisen, welch Stärke in mir steckt ... Aber doch nicht mit bloßen Händen!
„Und mit was?", frage ich hernach, beinahe aufmüpfig trotzig klingend, und werfe einen verzweifelten Blick in Richtung unserer unweit nebeneinanderliegenden Waffen. Form und Verzierungen seiner beiden Einhandäxte, die er liebevoll und treffend Ukhlat und Umraz nennt, sind einfach gehalten, die Klinge sehr breit und schwer am Kopf. Riesig wirken sie gegenüber meinem Schwert. Kräftig. Unzerstörbar. Unerbittlich. Gehärtet von dem Blut vieler Feinde.
„Mit dir selber", antwortet er und kann bei aller Entschlossenheit zur Strenge das mitschwingende über mein Zögern und Schmollen erheiterte Schmunzeln nicht unterdrücken. „Eine Waffe zu führen ist eine Sache, einen Feind zu bekämpfen, ihm mutig gegenüber zu treten, mit nicht mehr als Willen und List als Verteidigung, eine andere. Keinen Sieg bringt einen Krieger allein sein Schwert, egal wie gut es ist. Mit unverzagten und entschlossenen Herzen und schlauen Verstand muss es geführt werden, erst dann und nur dann, wird es gefährlich." Bedeutend sind seine Worte und wahr, aber noch habe ich diesen Mut nicht in mir.
„Wenn ich Euch angreife, keine Chance hätte ich", gebe ich zu bedenken und spiele damit auf meine in Vergleich zu seiner geringen Erfahrung, Körpergröße, -masse und -stärke an, die denen unserer Waffen zueinander beachtenswert gleichkommt. „Bist du dir sicher?! Versuche es. Versuche mich, wenn auch nur kurzzeitig, kampfunfähig zu machen." Drängend spricht er und ermutigend. Und so fasse ich dieses gegebene Selbstvertrauen mit allem Willen und stürme auf ihn zu ... und werde kaum, dass ich ihn erreichte, von einer großen Hand zu Fall gebracht. Schwer lastet sie auf meinem Rücken, dort, zwischen den Schulterblättern, wo es besonders schmerzt, und drückt mich unerbittlich in den weichen Sand.
„Du sollst mich mit allem was du aufbieten kannst angreifen, und nicht zum Tanz auffordern", höhnt er mit schroffer Stimme. Heiße Atemstöße streifen das Ohr. Das Kratzen der Barthaare, unerträglich an der empfindlichen Haut des Halses. Zuckende Finger, die sich kurz, nicht tief, aber deutlich fühlbar, in dem nachgebenden Fleisch versenken. Ein langer, allzu dichter Moment der Nähe. Und dann erst lässt der bannende Druck nach. „Noch einmal!" Vage erinnere ich mich daran, wie unbedacht ich es annahm, ja mich sogar darüber freute, gerade ihn, den Hauptmann der Besten aller Krieger, meinen Ausbilder nennen zu können. Übereilt, wie mir nun klar wird. Denn nicht weniger Disziplin und Können verlangt er von mir als von einem seiner Soldaten, eher vermehrtes sogar.
Also rapple ich mich auf, sammle erneut Unerschrockenheit und Willen und greife ihn (nach meiner Meinung) erneut an. Aber egal wie sehr ich mich auch bemühe, nicht eine Sekunde gewährt er mir die Gnade, nahe genug an ihn heranzukommen. Immer und immer wieder ergreifen mich starke Hände, bringt mich ein blitzschnell hervorschnellendes Bein zu fall, weicht er geschickt aus, sodass der übermütige Angriff verpufft und ich in dem staubigen Sand lande.
„Ibzig zu!", schimpfe ich wenig damenhaft nach einem erneuten, durch Hohn und Spott kommentierten Misserfolg und kralle die Finger wütend über mich und ihn und eigentlich allem in den weichen Untergrund. Überall haftet Schmutz an mir, rinnt Schweiß und bildet zusammen eine klebrige Masse. Jeder Muskel meines Körpers schmerzt. Der Kopf dröhnt. Blaue Flecke zieren die Haut an Armen und Beinen. Sehnen verkünden schreiend ihren Unmut, als ich mich dennoch erneut in Angriffsposition begebe. Und dann lächelt Dwalin plötzlich. Ein warmes, ja geradezu stolzes Lächeln. „Unbeirrt und wacker ist dein Herz und Kampfeswille ... nun zeige mir, dass du deinen außergewöhnlichen Verstand auch in dieser Disziplin anzuwenden vermagst."
Und erst jetzt begreife ich mit gewaltiger Wucht, einem Blitzschlag der in einen alten Baum einschlägt gleich, den Sinn hinter dieser bislang entwürdigenden Übung. Was sie bezwecken, ihn und mir zeigen sollte und mit Bedacht anstatt Übermut plane ich nach kurzem Nachsinnen nun meinen nächsten Angriff. So wie vormals auch, attackiere ich ihn direkt. Aber kurz bevor die Kriegerpranken zugreifen können, ducke ich mich flink unter ihnen hinweg, ergreife einen der Arme und drehe ihn die Schwäche des Überraschungsmoments ausnutzend auf seinen Rücken. Dass meine wenige Kraft nicht einmal ansatzweise dazu ausreichen wird, um ihn lange dort zu halten, vermutete ich bereits, bin somit aber auch darauf vorbereitet, als starke, angespannte Muskeln mich beinahe widerstandslos wieder nach vorne schleifen. Allerdings, die Energie der Bewegung ausnutzend, wirble ich um meine eigene Achse, entziehe mich somit erneut nach mir schnappenden Händen und stehe letztendlich an der gleichen Stelle, an der ich den Angriff startete. Außer Atem, etwas wackelig, zitternd vor Aufregung, aber glücklich.
Dwalin betrachtet mich einen Moment lang stumm und dann ist es eine kleine, fast unscheinbare aber dennoch auserlesene Geste, die mir verdeutlicht, welch Leistung, die mir selber zu begreifen, noch schwerfällt, ich eben erbrachte. Das Senken des unbeugsamen Blicks eines Kriegers. Gleichermaßen Anerkennung wie Stolz bekundend. „Das Wichtigste was ein Kämpfer tief in sich verinnerlichen muss, hast du nun erlernt. Nicht Kraft, Ausdauer oder eine Waffe allein entscheidet über Sieg oder Niederlage. Sondern vor allem Herz, Kopf und Können."
Langsam kommt mein Lehrmeister auf mich zu und die warme Hand, die er auf der schmerzenden Schulter platziert, ist schwer und bedeutsam. „Als Frau bist du schnell und leichtfüßig, geschickt im Umgang mit deinem Körper. Nutze dies und deine Umgebung. Lerne aus Angriffen, erkenne Schwachstellen, verwirre den Gegner, entziehe dich ihm im richtigen Moment und greife dann überlegt an. Lasse dich dabei aber niemals leiten von Hass, Rache, Groll und Angst. Denn Leichtsinn und Unvernunft töten jeden Krieger, egal wie stark und talentiert er ist."
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Ukhlat und Umraz – Greifer und Bewahrer (Khuzdûl)
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