Im Frieden oder Krieg. Im Leben oder Sterben.
„Er will dich zur Kammerzofe ernennen!" Dwalins Empörung beim Überbringen der Nachricht ist genauso aufbrausend, wie ich sie erwartete. Bereits kurz nach seiner Rückkehr vor fast einem halben Jahr, nahmen wird die alte Gewohnheit des nächtlichen Zusammensitzens und Redens wieder auf. Ohne jegliche Absprache. Eines Abends verspürte ich einfach das Bedürfnis ihn zu sehen, und glaubt mir, die Freude in den sonst so ernsten und von Sorge, Erschöpfung und noch immer empfundener Schuld überschatteten Gesichtszügen als er mich in der Gesindeküche vorfand, war so wunderschön und strahlend wie die edelsteinbestückten Wände der Minen. Ebenso wie sein Bruder verzieh er mir Vergeltungslos und ohne Zaudern die Offenbarung der Inhalte seiner Briefe, sorgte sich aber unbegründet darum, dass ich zu viel verriet. Er kennt die Hartnäckigkeit seines Vetters und riskant wäre es, würde Thorin um die emotionale Nähe wissen, die ich zu seinem vertrautesten Krieger hege. Insbesondere jetzt, nachdem er mir eine Stellung anbot, die ebenfalls ein ausnehmend hohes Maß an Redlichkeit bedarf.
„Ja, ich soll ihm aber nicht nur persönlich dienen, sondern auch Meister Balin unterstützen", erzähle ich weiter. Rat, Bestätigung oder Grund zum Widerruf meiner längst getroffenen Entscheidung erwarte ich nicht von ihm, aber dennoch musste ich mich jemanden anvertrauen. Zu unsicher bin ich mir noch darüber, was die tatsächlichen Auswirkungen dieser sein werden. Dwalin lässt brummend die großen Hände über schattenumwobene Augen und vom Wein gerötete Wangen fahren. „Was bezweckt er nur damit? Jahrelang lehnte er einen ihm als Prinz zustehenden Kammerdiener ab und nun sucht er sich gerade eine Frau für diese Stelle aus. Eine ihm nicht Näherstehende noch dazu."
Kurz zaudere ich mit mir, ob ich ihm die eigenartige Verbundenheit zu Thorin und bereits seit nunmehr vier Jahren jeden Abend erfüllte zusätzliche Verrichtung offenbaren soll. Entscheide mich aber dagegen. Missverstanden könnte der Dienst werden und ich will keine Zwietracht heraufbeschwören, besonders nicht zwischen ihnen, bedeuten sie mir beide doch mehr als jeder andere in diesem Berg.
„Ihre Hoheit sagte, dass er es eine Verschwendung findet, meine Fähigkeiten nur für meine aktuellen Aufgaben zu verwenden." Dwalin entfernt die Hände von seinem Gesicht und schließt sie stattdessen um den mit rotem und schwerem Wein halb vollen Kelch. „Nun, dass du für andere Dienste besser geeignet wärst als nur zu denen einer einfachen Magd, war mir bereits früh bewusst und ich hatte auch schon mit meinem Bruder darüber sinniert, welche es sein könnten. Aber anscheinend hat Thorin etwas mit dir im Sinn, dass uns allen noch nicht diamantenklar ist. Ich hoffe bloß, dass es keine eigensüchtigen Beweggründe sind, die diesen Vorschlag hervorbrachten, denn manchmal kann auch er wie sein Vater und Großvater den Blick für das sonst so gleißend selbstlose und ehrenhafte verlieren, wenn die heiß und alles verbrennende Flamme der zwergischen Habgier beginnt in ihm zu lodern."
Ich würge mühsam den aus diesen bitteren Worten gebildeten Kloß hinunter, denn ja auch ich bemerkte unlängst die oft zu zielgerichtete und blind für Gefühle und Belange anderer machende Fokussierung auf ein einmal ins Auge unseres Gebieters gefasstes Begehr. Wille und Starrsinnigkeit sind stark und unbeugsam in uns Zwergen. Mahal erschuf uns einst in seiner klugen und unheilahnenden Voraussicht mit diesen Eigenschaften und besonders den direkt von unseren Urvätern abstammenden Nachfahren wohnt ein Verlangen inne, das zerstörend wirken kann, denn nichts und niemanden kann ihnen beim Erreichen dieses Ziels Einhalt gebieten. Schon so oft führte dieses zu Ereignissen, die tränenreich endeten.
Aber dennoch, mein Entschluss ist gefasst und bisweilen kann auch ich störrisch und beharrlich beim Verwirklichen eines einmal genommenen Vorhabens sein. „Herr, könntet Ihr mir gestatten einen Gefallen von Euch zu verlangen?", frage ich demnach und Dwalin sieht mich verwundert und beinahe belustigend schockiert an, als ich diesen nach dem Erlauben an ihn richte.
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Aufgeregt wechsle ich von einen auf den anderen nackten Fuß, während ich auf die Berechtigung Thorins warte in seine Privatgemächer treten zu dürfen. Beabsichtigt hübsch habe ich mich hergerichtet. Das Surcot, dass mich bekleidet ist in dem gleichen dunklen Indigoblau gehalten wie die meist von ihm getragenen Gewänder, knöchellang und mit seinen Bändern an ausgestellten Ärmeln und der kleinen Schleife am herzförmigen Ausschnitt verspielt, beinahe unschuldig wirkend. Darüber habe ich den einst geschenkten edlen Mantel geworfen, der mich vor der nichtexistenten Kälte schützen soll. Die goldenen Haare wellen sich offen unter der sie bedeckenden Kapuze, einzig zurückgehalten mit einem blauen Band, das ich ebenfalls von ihm erhielt.
Mit deutlicher Vorfreude vermischt ist die dunkle Stimme Thorins, die endlich hineinbittet und egal wie oft ich die Tür zu seinen Räumlichkeiten bereits öffnete, die imposante Pracht und die Atmosphäre der Erhabenheit, die mich schillernd selbst im schwachen Feuerschein empfängt, ist noch immer eindrucksvoll. Er sitzt nahe dem Kamin in seinem angestammten Lieblingssessel und lächelt mich warm, wie die flackernden Flammen die seine Gestalt in goldenes Licht tauchen, an. Mit beiden Händen hebe ich den Saum des langen Mantels und verbeuge mich tief, um ihn standesgemäß zu begrüßen. Eine in der Vertrautheit seiner Gemächer selten gewordene Geste der Ehrerbietung und Unterwürfigkeit, die außerhalb allgegenwärtig ist, denn er verlangte es so.
„Auf einmal so förmlich, Uzfakuh", sagt er demnach erstaunt klingend und ich höre, wie er sich aufrichtet und die kurze Distanz zwischen uns überwindet. „Ist etwas vorgefallen?" Seine leise aber dennoch auf einmal bekümmert klingende Stimme ist bereits nah, aber erst als ich die betörende Wärme der Aura spüre, richte ich mich wieder auf. Ein freudestrahlendes Lächeln soll seine Sorge beruhigen, auch wenn der Anlass für die Dienstbarkeit seine Vermutung bestätigt.
Sanft streicht er über den seidigen Ärmel des Mantels, löst die goldene Fibel in der Form eines Eichenblattes, die seinen Kragen zusammenhielt und streift ihn mir von den Schultern, sodass das Gold der Haare nun ungebändigt darüber fließen kann. „Du siehst sehr hübsch aus", flüstert mein Herr. Kaum vernehmbar. Nur eine Nuance lauter als gehauchter Atem. So als fürchte er Ahndung für die wahrscheinlich gedankenlos in Begeisterung ausgesprochenen Worte die noch immer ungebührlich, da an eine Unmündige gerichtet, sind. Aber dennoch lächle ich das Kompliment annehmend und merke die leicht-brennende Röte auf den kribbelnden Wangen.
„Auch dies ist einem bedeutenden Grund geschuldet, Hoheit", sage ich plötzlich schüchtern und nehme ihm Ablenkung suchend den Mantel aus den Händen um ihn wie immer ordentlich über eine der Stuhllehnen abzulegen. Dabei wende ich mich absichtlich die Aufgeregtheit, die plötzlich von mir Besitz ergreifen möchte, verbergend von ihm ab. „Du hast dich entschieden?", vermutet er richtig und ich nicke tonlos und ohne mich zu ihm umzudrehen, auch wenn dies sich ihm als Höhergestellten gegenüber nicht ziemt. „Und für was?" Erneut tritt er an mich heran und oh er ist so nah ... so nah, dass ich die Stärke des Leibes selbst durch unsere Kleidung hindurch, die warme Feuchte des Atems der über Haare und Haut streicht und die mühsam aber dennoch erfolglos unter Stolz und Noblesse erstickte Ungeduld wie Wind gepeitschte, auf mich niederbrandende Wasserwellen spüren kann.
Aber anstatt ihm eine verbale Antwort zu geben, denn meine Eloquenz wurde von ihnen vermutlich in weite Ferne davongetragen, leite ich den Fluss aus Gold, der sich geordnet über den Rücken schlängelte, zur Brust um, atme noch einmal Mut suchend tief ein und entblöße das linke Schulterblatt. Darauf zu sehen, der tief mit Schwarz in die Haut geritzte Kopf eines Wolfes. Gestaltet aus federartigen Gebilden, denn erst beim zweiten genaueren Blick erkennt man mit ihm verwoben einen riesigen Raben. Zum aufsteigenden Schlag gekrümmte Flügel bilden die Ohren und haltfindend ruhen die Krallen auf der breiten Schnauze.
„Der Schattenwolf ziert das Banner meiner Familie und da ich Euch und damit dem Hause Durins von nun an mit voller Hingabe dienen möchte, verewigte ich diese Verbundenheit sichtbar, wie es seit jeher Brauch ist." Meine Stimme zittert fahrig bei der Erläuterung des Zeichens, denn sein bedeutungsschwangeres Gewicht lastet schwer. In unserer Kultur gibt nur wenige Gründe für die Verschmelzung zweier Wappenbilder: mit Eheband geknüpfte Liebe sowie uneingeschränkte Diensttreue; beides edelmütig, beides altruistisch, beides geschworen bis in den Tod.
Lange durchbricht allein das Knistern und Knacken der rußfrei verbrennenden trockenen Holzscheide die Stille und ich befürchte bereits, dass meine Entscheidung zu lange Zeit benötigte und er sie nicht mehr annimmt. Aber dann, unverhofft sanft und kribbelnd wie eine Daunenfeder, streichen beruhigende Finger über das Bildnis. „Ein solch denkwürdiges Zeichen deiner Pflichttreue hätte ich nie verlangt", wispert Thorin mit befremdlich tränenerstickter Stimme, „aber umso mehr ergreift mich sein Vorhandensein." Noch näher kommt er mir und dann spüre ich warme, mit ungeahnt weichem Bart umrandete Lippen sich auf bemalte Haut senken. Ein auserlesenes Gefühl strömt jäh durch meinen Körper. Heiß wie das Kaminfeuer, lebendig und kraftvoll wie Sommersonnenstrahlen, wohlig und verbindend, denn die Symbolik hinter dieser Liebkosung übersteigt die der einfachen Annahme meines Schwurs. Oh so viel mehr ist es als das. Auch er verspricht damit ein sorgloses, angesehenes und mit Gunst erfülltes Leben unter seinem Schutz. Ein Gelöbnis zur absoluten Treue auch mir gegenüber.
Thorin löst sich nach unendlich erscheinenden, unter dem Kuss stockenden Atemzügen wieder von mir und verhüllt das für alle Zeiten bestehende Sinnbild unseres Schwurs zueinander. Langsam und mit einem glücklichen Lächeln drehe ich mich zu ihm um und Mahal steh mir bei, die Augenlichter die mir entgegenstrahlen flimmern heller und reiner als Millionen Sterne am blauen Nachthimmel. Erneut verbeuge ich mich tief und ehrerbietend, auch um ihnen auszuweichen, denn tiefgründiger drohen sie zu gehen als ich beabsichtige. „Mit meinem Herzen, Denken und Handeln werde ich Euch dienen, Hoheit. Befehlt mir, was Euch beliebt und ich erfülle es. Im Frieden oder Krieg. Im Leben oder Sterben. Von dieser Stunde fort an, bis Ihr als mein Herr mich frei gebt, oder der Tod mich grausam von Eurer Seite reißt", bekräftige ich noch einmal eindringlich und wie es die Förmlichkeit gebietet die Bedingungslosigkeit dessen, was ich ihm von nun an schulde.
Gutmütige Finger schließen sich um mein Kinn, befehlen mir, mich wiederaufzurichten. „Und dies höre ich, Thorin, Sohn des Thráin, Erbe Durins und Regent der Blauen Berge, und weder will ich es vergessen, noch versäumen, Empfangenes zu vergelten: Lehnstreue mit Liebe, Tapferkeit mit Ehre, Gehorsamkeit mit Wohlwollen, Aufsässigkeit mit Strafe, Eidbruch mit Tod." Von Neuem unterstreicht er die Annahme des Schwurs mit sanften Lippen. Geradezu zärtlich und sicher betörender als bei Kriegern und Dienern sonst üblich berühren sie Stirn, Wangen und zuletzt den zitternden Mund, als würde ein im warmen Frühlingshauch fallendes Kirschblütenblatt sie streifen.
Und als er mich wiederholt mit diesen Augen wie klare Eisseen in denen sich das Sternenlicht spiegelt, ansieht, lache ich freudig und von der erneut aufkommenden Unruhe ablenken wollend auf und er erwidert. „Nun komm", sagt er schließlich und nimmt meine Hand in die seine, „unsere Geschichte über das unglückliche Liebespaar zweier Häuser wartet auf seine Vollendung. Denn diese Aufgabe bleibt die deine, wenn sie auch weiterhin verborgen vor den Blicken anderer bleiben muss."
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