Illusionen
Nur schwer kann ich mich dem Bedürfnis des Geistes erwehren den betörenden Träumen, mit denen ich die Nacht teilte, zu entsagen. Keine Chance bietet mir das Bewusstsein in den wohlig-warmen, wohl-duftenden, kuschelig-behüteten Gespinsten zu verweilen. Das geschlossen Lassen der Augen ist der letzte, verzweifelte Versuch erneut in die idealistische Welt zu versinken. Eine Utopie, in der kein Schmerz, kein Kampf, kein Tod und keine Intrigen das Herrliche mit ihrer dunklen Hässlichkeit beschmutzen. Ein Paradies, in dem jeder mit denen die er liebt auf ewig zusammen sein kann. In der selbst die verschwiegensten und hoffnungslosesten Wünsche Wirklichkeit werden. Wie verzweifelt bitte und bettle ich in meiner Suche nach Ruhe und Frieden in ihr ausharren zu dürfen, denn viel zu selten wird sie mir zugestanden. Nur noch einen Moment. Nur noch einmal sich gänzlich Schönheit und Idyll der Gärten Lóriens hingeben.
Aber Irmo, der Valar der Träume und Visionen, gewährt mir das Ersuchen nicht. Dennoch, in seiner barmherzigen Güte billigt er zumindest das Gefühl der Illusion auch im Wachsein und oh wie danke ich ihm dafür. Weich ist das Fell der Decke, in das ich mich inniglicher kuschle. Warm, anschmiegsam, so schwer, dass sie unvergleichliche Geborgenheit schenkt und alle unruhigen Gedanken unterdrückt. Ein vertrauter Geruch haftet hartnäckig in den samtigen Haaren des Hermelins. Von Frühlingsregen feuchter Erde und sonnengewärmter Steine ... ein Aroma, dass so auserlesen ist wie das Empfinden, dass man mit ihm verbindet. Neue Lebensgeister weckt es, vertreibt Schwermut und Trübheit des vergangenen Winters. Unbeschwerter und belebter fühlt man sich bereits nach dem ersten tiefen Atemzug.
Aber plötzlich stutze ich. Warum riecht mein Lager nach ihm. Denn neben dem Gefühl der Lebenslust assoziiere ich diesen Wohlgeruch vor allem mit ... Thorin. Oh bei Mahal ... nein ... nein, das darf nicht sein. Erschrocken fahre ich auf, die letzten Fragmente von Schlaf und behaglicher Träumerei verbrennen in der dämonischen, herzklopfenden Angst, die aufflammt, denn entsinnen kann ich mich endlich an den gestrigen Abend und erschaudernd gewahr wird mir, wo ich mich noch immer befinde.
Dunkelheit umgibt mich wie vordem die schwere Decke. Kein Licht flackert durch die Spalten der nur unzulänglich zugezogenen Vorhänge, die die Schlafenden vor Kälte schützen sollen. Selbst das Feuer im Kamin starb unlängst und nur einzelne Glutnester leuchten schwachrötlich unter den mit schwarzem, bröckelndem Ruß überzogenen Rückständen der Holzscheide. Noch immer weht der Hauch des Athelas durch das Gemach und beeinflusst Sinne und Gedanken, aber auch ihm gelingt es nicht den Schrecken zu dämpfen. Mein aufgeregt keuchender Atem ist einzig zu hören und obwohl die Wohligkeit des Bettes unaufhörlich in den Gliedern verweilt und die Luft nicht frisch ist, fröstelt es mich.
„Beruhige dich", flüstert plötzlich eine glutwarme Stimme aus der Finsternis. Ungewöhnlich schwerfällig gelingt es den sonst so mühelos absoluter Schwärze trotzenden Zwergenaugen ihren Besitzer zu orten. Thorin sitzt in einem dem Kamin nahen Sessel und beobachtete mich anscheinend mit den seinen im Schlaf. Noch immer trägt er einzig leinenes Hemd und Hose und die Haare wellen sich offen über die breiten Schultern. Schmucklos ist seine Erscheinung, so wie es die eines hohen Prinzen der Zwerge nicht sein dürfte. Dennoch prächtig.
„Verzeiht mir Herr, ich bin wohl eingeschlafen, ich wollte nicht ...", flehe ich mit tränenbrechender Stimme, den ein schlimmeres Vergehen, als die wenige aber dringend benötigte Ruhe die er zur Nacht bekommt zu stören, gibt es wohl nicht. Thorin aber erhebt sich unbeeindruckt von meiner Bitte. Der in den Händen gehaltene Weinbecher wird von ihm auf einen kleinen Tisch abgestellt und nachdem er einen der Vorhänge zur Seite schob, kniet er sich neben mir nieder. Tief wird die Matratze ob seines Gewichts eingedrückt und eine andere Art Angst als die einen Fehler begangen zu haben überkommt mich augenblicklich, als er eine schwere Hand auf mein Brustbein legt; unweit des Punktes, mit dem ich ihn während des Kampfes bannte; und mich niederdrückt. Jedoch ergeben lasse ich es geschehen.
„Schon wieder beschuldigst du dich ungerechtfertigt eines Vergehens, denn meine Lagerstatt soll in der Zeit der Genesung die Deine sein", flüstert er dabei und der weinschwere Atem übersäuert die Haut, die er ungehindert streift. „Willkommen bist du in ihr. Lass mich dadurch Sühne für das Vergehen der Verletzung leisten, die nun deinen Körper zeichnet und mich auf alle Zeit daran erinnern wird, welch hassenswerte Schandtat ich verübte dir Schmerzen zuzufügen und eindringlich mahnt, es nie wieder zu tun." Er beugt sich über mich. Sein Leib warm, schwer, wohltuend wie seine Decke. So sehr Waffe wie Werkzeug. Die Wellen der Haare, unübertroffen in ihrer Weichheit, umgeben mein Gesicht als wären es die schweren Vorhänge des Bettes, die vor Kälte und den Schrecken der Welt behüten. Das Blau der Augen selbst in Dunkelheit strahlend hell. Dem Glitzern von Mondlicht auf Eisflächen gleich.
„Schlaf", raunt er. Jeder einzelne Laut sickert tief und süß als wäre er aus Honig gemacht in meinen Kopf. Verklebt mit Athelashauch Sinne und Gedanken. „Schlaf." Bleiern werden die Augenlider. Langsam der Atem. Das in Angst fieberhaft schlagende Herz beruhigt sich merklich, wird träge und müde. „Schlaf." Erneut trete ich ohne Willen in die schillernden Gärten Lóriens ein, werde empfangen von dem gedeckt-warmen Orange-Rot eines Sonnenuntergangs in den sich ihr Herr kleidet, flüchte mich abermals in die Erfüllung von Wünschen. Und mag es nicht zu unterscheiden, ob das Gefühl einer sanft-zärtlichen Berührung auf meinen Lippen aus ihnen geboren wird oder noch dem letzten Rest Wirklichkeit entspringt.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Als ich erneut erwache; verbunden abermals mit Unwillen, obgleich nicht mehr ganz so trotzig; und Empfangen werde von Weichheit und Wärme und Geruch, die Träumen entsprungen zu sein scheinen, hat sich das Licht des Tages bereits seinen Weg durch die Luftschächte hinein in das hoheitliche Schlafgemach gebahnt. Langsam richte ich mich auf, stütze dabei den Kopf, der kurz schmerzt, als hätte ich viele Gläser Wein zu viel getrunken. Kleine Staubpartikel tanzen flimmernd in der Luft, neu entfachte Feuerzungen im Kamin versuchen sie in Grazie und Leidenschaft zu überbieten. Ein Teller mit Schinken und Brot, dazu eine Karaffe mit vermutlich Wasser und ein Becher steht unweit auf einem kleinen Tisch. Ansonsten ... bin ich allein.
Wie spät mag es wohl sein? Frage ich gedanklich, denn ausgeruht und voller Energie wie schon lange nicht mehr, fühle ich mich. Demnach groß ist das Widerstreben weiterhin im Bett zu bleiben, denn im Blute liegt es uns Zwergen, nicht länger als unbedingt nötig untätig zu sein. Dennoch unsicher schlage ich die warme Decke zurück, deren Wohligkeit ich dagegen weiterhin gerne genossen hätte, und stelle die Füße fest auf dem Boden auf. Die Muskeln des verletzten Beines spannen sich merklich beim vorsichtigen Aufstehen an, aber nicht der kleinste Schreck eines Schmerzes durchzuckt den Körper. Auch der erste Schritt ist frei davon, so als hätte der gestrige Tag mit seinen qualvollen und verwirrenden und zu letzt fürsorglichen Ereignissen nie stattgefunden. Aber er muss, denn welchen Grund hätte ich sonst hier, in Thorins Privatgemächern, zu verweilen. Mehr noch, in seinem Bett. Oder ist dies immer noch ein Traum? Ein Hirngespinst? Ein in ihnen Wirklichkeit gewordener Wunsch, den ich getraute noch nicht einmal zu ersinnen? Treibt Irmo seine Späße mit mir ...
Dennoch, salzig schmeckt der Schinken und sogar noch ein wenig warm ist das Brot und, oh, Milch mit Vanille, woher weiß er nur, dass ich diese so gerne trinke. Wohltuend ist ihre erfrischende Süße in der trockenen Kehle und nun nachdem ich einige Bissen und Schlucke aß und trank, merke ich erst, wie der Hunger schmerzhaft an den Eingeweiden zieht. Es kann also kein Traum sein, denn derlei Gefühle existieren nicht in Aman, den Unsterblichen Landen, in dem man nur im Schlaf oder Tod verweilen darf.
Nachdem das letzte Stück weichen Brotes seinen Weg in meinen Mund fand, sehe ich mich überlegend um. Zurück in die Wärme des Bettes krabbeln und dort wach liegen will ich trotz der süßen Verlockung nicht. Quälende Gedanken und Schuldgefühle würden mich nur beschäftigen. Stattdessen meine Gemächer aufsuchen dagegen Thorin kränken, hieß er mich doch willkommen in den seinen und bot mir sein Lager an um Buße zu tun für das Vergehen der Verletzung.
Plötzlich bleibt der schweifende Blick auf dem Anstoß aller letzten Ereignisse haften. Binamrâd. Oh wie wunderschön doch dieses Schwert ist. Und wie tödlich. Das hölzerne mit seinen geschwungenen Emblemen verzierte Heft wirkt grob, ist aber wie geschaffen für die große, starke Hand, die es führt. Auch der Knauf, der einem formvollendeten Kristall ähnelt, kann die schiere Masse nicht abschwächen, aber vermutlich ist die breite Klinge so schwer, dass das Gegengewicht beachtlich sein musste, um es auszubalancieren. Die tiefe Blutrinne spart zudem Material, aber dennoch könnte ich es nicht eine bloße Haaresbreite anheben. Die Stärke, körperliche wie mentale, die dafür dringend von Nöten ist, werde ich wohl nie besitzen.
Langsam, demütig, nähere ich mich ihm, lasse ehrfürchtig die Finger die Klinge befühlen. Kühl ist sie und scharf. Gehärtet nicht nur von glühend-heißen Schmiedefeuer und öligen Wasser, sondern vor allem vom Blut vieler. Nun auch von meinem. Von Todesschreien berichtet mir das Eisen, von zerschnittenem Fleisch, von Schmerz und oh so unermesslich viel Leid. Wir Zwerge können sie hören, die uralte Seele von Gestein, Mineral und Metall. Das unbekümmerte Singen und Jauchzen, solange sie noch unberührt so wie Mahal sie einst in die Erde legte ruhen und das Klagen und Seufzen, wenn sie ihr entrissen und verarbeitet wurden und die Schrecken der Welt sehen mussten. Und dieses, es sah bereits so/zu viel. Es ist den Kämpfen müde, wie sein Besitzer es ihnen vermeintlich ist.
Traurig wende ich mich von ihm ab und einer weiteren ehrfurchtgebietende Schönheit zu. Das Eichenschild. Born für Thorins erhabenen Beinamen. Wie viel habe ich bereits über seine Glorie gehört. Wie imponierend ersann ich mir sein Habitus. Wie übertrifft die Wirklichkeit die Fantasie. Denn wenn man es betrachtet, einfach erscheint es. Tiefe Narben trägt das dunkle Holz, ist an einigen Stellen rau, an anderen glatt und glänzend. Eiserne Bewehrungen ummanteln zwei den Ellenbogen schützende Spitzen. Aber das Fluidum, das von ihm geschaffen wird, ist schiere Demut. Wie klein ich mich fühle ob seines Anblicks, wie unwürdig sich dessen überhaupt zu bemächtigen.
Die Vorstellung seines Trägers zum Zeitpunkt des Triumphes materialisiert sich in den Gedanken. Unsterblich war sein Sieg. Zahlreich die getöteten Feinde. Unzählbar die ehrenvoll Gefallenen. Das Schlachtfeld übersät von toten Körpern, getränkt von Blut und Tränen. Klageschreie. Rauch und Feuer. Ein Bild des Grauens. Und inmitten dessen, ein Prinz aus Durins Geschlecht. Das Licht dieses dunklen Tages, an dem sich alle wärmen konnten im eiskalten Todeshauch. Der weisende Strahl so vieler weiterer Momente, denen jegliche Freude fehlte. Was hätte ich gegeben, um in diesem Augenblick an seiner Seite zu stehen. Was würde ich nur geben, um es in Zukunft zu können.
„Du bist auf." Eine Stimme, deren sonst so eindrucksvoll majestätische Tiefe durch die Verblüffung gemildert wird, durchdringt plötzlich die kaminfeuerwarme Luft und als ich mich ihrem Besitzer zuwende, personifiziert sich dieser heroische Krieger der bisweilen nur in der Fantasie existierte vor dem Augenlicht. Glänzende Rüstung, wehende Haare, zerfetzten Bannern über dem Schlachtfeld gleich, das Eisen des Schwertes schartig und beschmutz vom dunklen Blut des verhassten Feindes, den Eichenschild fest umfasst, umrankt von einer um sich greifenden Aura aus Glanz und Gloria. Einen Wimpernschlag lang nur, einen in Erinnerung bleibenden, allzu bezaubernden Augenblick ... dann flimmert das Bild, verwischt zu einer nicht weniger eindrucksvollen Gestalt, obwohl sie entlastet ist von den Insignien eines Kriegshelden und stattdessen die eines Herrschers trägt. Er verweilt unter dem steinernen Bogen des Durchgangs, Bücher in der Hand, den Blick fragend auf mich gerichtet.
Im allerletzten Moment widerstehe ich dem Reflex, mich demütig für Verbleib und Umherwandeln in seinen Gemächern zu entschuldigen. Verlangter er doch, dass ich die ständigen Selbstanklagen unterlassen soll. Ein Gebot, dem trotz der Gehorsamkeit schwerer zu folgen ist als gedacht. Zu ehrfurchtgebietend ist seine Stellung. Stattdessen senke ich begrüßend den Blick, „dank Eurer liebevollen Obsorge, fühle ich mich schon sehr viel besser, Herr", erkläre ich anschließend wohlerzogen.
Thorin lächelt das Lob annehmend und legt die Bücher neben dem leeren Teller ab, bei dessen Anblick er noch glücklicher erscheint. „Ich habe dir dennoch etwas Beschäftigung mitgebracht, denn du wirst dich noch ein paar Tage schonen", sagt er und schreitet langsam auf mich zu. Achtsam entferne ich mich einen gebührlichen Schritt von seiner Schutzwaffe, obwohl die Situation viel zu eindeutig erscheint, um sie abzustreiten. „Und dies ist keine Empfehlung, sondern ein Befehl." Ernst ist ihm dieser, das erkenne ich nur zu gut an dem gebieterischen Leuchten, dass die Eisfläche seiner Augen zum Glitzern bringt. Daher knickse ich die Anweisung untergeben annehmend. „Wie Ihr wünscht, Herr, aber gestattet mir, diese in meinen Gemächern zu verbringen, ich möchte Euch nicht länger zur Last fallen."
Thorin streicht gedankenverloren eine der losen Haarsträhnen über die Schulter zurück, lässt kurz die rauen Finger an der Halsbeuge verweilen. Wie willkommen wärmt die Berührung. „Deinem Ersuchen entspreche ich nicht", antwortet er schließlich und insgeheim bin ich froh über das Verweigern. Allerdings, niemals darum wissen darf irgendwer. Denn wenn er oder jemand anderes davon erfuhr, welch Gefallen ich an der Nähe zu ihm finde, wie ich mich ergötze an der Vertrautheit und labe an dem zärtlichen Umsorgen nach all der Demonstration seiner Macht über mich, falsch deuten könnte man dies.
„Wie ich sehe, konntest du dich auch ohne Bücher etwas beschäftigen", bemerkt er plötzlich mit auf sein Schild gerichtetem Blick und ich zucke ertappt zusammen. „Ich betrachtete nur mit eigenen Augen das Herrliche, was bislang einzig Geschichten mir veranschaulichen konnten." Meine Stimme flattert, denn die Erklärung ist kaum dafür geeignet um zu rechtfertigen, dass ich sein Eigentum besah. „Illusionierende Berichte voller glänzendem Heldenmut und unbeugsamer Tapferkeit nehme ich an", sagt er und klingt herzzerreißend traurig dabei. Verwundert sehe ich auf, bemerke nicht ohne Schrecken das plötzliche Schimmern der Erinnerungen in seinen Augen, während er das kampfgeprüfte Holz betrachtet, dass ihm einst das kostbare Leben bewahrte.
„Wieso irreführend? Euer bislang größter Triumph war es. Noch immer sprechen die die an diesem sieggekrönten Tag an Eurer Seite stehen duften mit Ehrfurcht davon. Erzählen mit bebenden Stimmen von Eurem unbezwingbaren Kampfeswillen und der alles überstrahlenden Pracht eines jungen Kriegsherrn." Aufgebracht klinge ich, das Herz schmerzhaft zitternd vor Ingrimm, kann ich doch nicht glauben, dass all dies bloß heroisiert war.
Thorin lächelt gequält, schließt die jäh dunkel vor Schmerz werdenden Augen. „Nichts an diesem Tag war glorreich, denn allein unermessliches Leid brachte er über uns", beginnt er stockend zu erzählen und oh wie grausam quält ihn und auch mich damit das folgende Erinnern. „Und ich ... ich versuchte verzweifelt mein Leben zu retten, wo ich doch das Anderer bewahren sollte. So viele starben ... neben, vor, hinter mir ... brutal, entwürdigt ... Von schartigen Schwertern entzweit, bei lebendigem Leib von blutroten Reißzähnen zerfleischt ... um Gnade bettelnd, Mahal anrufend ... ohne Erbarmen ... Bereits tote Körper geschändet ... Glasige leere Augen und schmerzerfüllte Schreie, die mich bis heute verfolgen ... Nichts konnte ich tun. Und als Nain, der Herr der Eisenberge, enthauptet wurde, Azog, diese Missgeburt, unseren dezimierten Truppen voller Spott seinen Kopf präsentierte, da verlor ich Frerin. Er stürmte los, inmitten der feindlichen Reihen. Ich wollte ihm folgen, ihn beschützen ... er durfte nicht sterben ... Aber dann stand dieser Ork vor mir ... überwältigte mich ... In Todespanik suchte ich nach Ersatz für mein vorher zerbrochenes Schild ... fand schließlich diesen Ast ... blockte seine Angriffe damit ... nutzte den Augenblick, in dem er verwundert über die Standhaftigkeit zögerte. Aber es war zu spät. Frerin fiel ... Mein Frerin ... Mein kleiner Frerin ... Er war noch so jung, so voller Pläne, Träume und Liebe. Ich konnte ihn nicht behüten, so wie ich es Vater und Dís versprach. Ihn nicht retten. Und kein an diesem Tag entstandener Mythos, und sei er noch so heroisch, bringt ihn mir zurück." Salzige Nässe überflutet die Eisseen seiner Augen, als er sich mir zuwendet, schafft einen neuerlichen Panzer der Kälte, in dem die tief-dunklen Einschlüsse gebannt werden. Stille Tränen fließen ungehemmt und sich nicht um Anstand und Stärke kümmernd aus den Meinen.
„Legenden sind es, die man euch Kindern erzählt, die noch nie eine abscheuliche Schlacht sahen und so Mahal will, niemals sehen werden. Nicht mehr. Weder Heldenmut noch Ruhm existiert wirklich in ihnen, einzig Sterben und daraus geborene Trauer." Ich schluchze auf. Noch nie öffnete er sich mir so weit, ließ mich tief bis in die kummervollsten Winkel seiner Erinnerungen blicken. Wie schmerzt mich sein Verlust, erschreckt mich das Grauen das er sah. Wie sehr bewundere ich ihn dennoch weiterhin als Held, denn auch wenn er sich selbst nicht als diesen sieht, zu einem solchen wird man nicht allein durch Mut und Tapferkeit erhoben, sondern vor allem durch den Willen für die die man liebt zu kämpfen, uns sei es bis in den Tod.
Langsam gehe ich auf ihn zu, umfasse die zur Faust geballte Hand mit den Meinen und schmiege tröstend den Kopf an seine Seite. Warm ist der Atem, der über mich streicht, als er sich zu mir hinunterbeugt und einen dankenden Kuss auf die Haare haucht. Liebevoll der Druck, mit dem er den beistehenden Halt festigt, nachdem er die Anspannung löste, um ihn anzunehmen.
Still und einträchtig ist dieser Moment. Wundervoll trotz des eben gehörten. Mein Herz gehört ihm. Egal ob nun Held, König, Prinz oder einfacher Mann. Wohin auch immer er geht, ich werde ihm folgen. An seiner Seite stehen, kämpfen ... und sterben ...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro