Erste Begegnung
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Drei Wochen vergehen recht ereignislos.
Meine Aufgaben als Stubenmädchen sind verglichen zu denen im ‚Baraz anâm' einfach, wenn sie auch mehr Beflissenheit bedürfen. Die Verpflegung mehr als ausreichend und sogar so reichhaltig, dass Fenna bald anmerkt, dass das abgezehrte, ja beinahe kränkliche Aussehen, das mich eigentlich seit frühster Kindheit zeichnete, langsam verschwindet. Wangen werden rosiger und Hüften etwas üppiger. Haare glänzen und Lippen lachen ungehemmt. Denn vor allem zusammen mit Jassin scherze ich viel und ausgelassen laut, da das immer fröhliche Gemüt und der anscheinend niemals verebbende Schwall Worte aus ihrem Mund alle Sorgen und Ängste vergessen lässt. Allerdings, noch immer, wenn ich der Herrin Dís begegne, quält Traurigkeit das Strahlen ihrer blauen Augen und damit auch mich, sodass ich es regelrecht vermeide. Aber der Grund für diese bekümmerte Lichtlosigkeit ist mir fortwährend schleierhaft.
Entgegen meiner Befürchtung den hohen Ansprüchen eines königlich-prächtigen Haushaltes nicht genügen zu können, fällt mir das Reinigen und Herrichten der luxuriösen Räumlichkeiten, wenn auch mit der anfänglichen Unterstützung Jassins und der anderen Hausmädchen, recht leicht. Fenna und vor allem die Herrschaft scheinen zufrieden mit mir und langsam begräbt Ruhe und Frieden die zweifelnden Gedanken, die dennoch dann und wann noch immer in den einsamen Nächten aufwallen und versuchen mich in die argwöhnende Niedergeschlagenheit zu ziehen.
Der wohl schönste Raum, den ich bei allem Prunk und Protz im königlichen Domizil allerdings bislang zu Gesicht bekam, ist die Bibliothek, denn imposant ist sie wie kein anderes Zimmer. Die dunkelroten Kirschholzbalken die eine hohe Gewölbedecke stützen, wurden kunstvoll mit Schnitzereien von Blumen, Raben, Drachen und geometrischen Mustern verschönert. Kleine Diamanten, die in das Holz eingelassen sind, strahlen zusammen mit dem bei Tage aus vielen metallverkleideten Schächten hereinfallendem Licht und in der Nacht brennenden Kerzen in schweren Kronleuchtern aus Gold wie unzählige Sterne. An den Wänden Reihe um Reihe hoher Regale voller Bücher und Schriftrollen. Alte, neue und so viele, dass ich sie nicht zu zählen vermag. Fein geknüpfte Teppiche liegen auf dem Boden und massive Sessel mit samtartigen Polstern stehen vor einem riesigen Kamin, laden dazu ein in ihnen oder den eingelassenen Nischen mit weichen Sitzkissen zu verweilen und in eines der unzähligen Geschichten einzutauchen. Oh wie sehr wünsche ich mir doch, eines der Bücher zur Hand nehmen zu dürfen. Aber ich weiß, dass dies nur ein frommer Wunsch bleiben darf.
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„Du siehst unbeschwerter aus", brummt Dwalin zwischen zwei Löffeln aufgewärmter Suppe und ich lächle leicht als Antwort und sehe verlegen auf die wie immer in seiner Gegenwart hektisch an irgendetwas Greifbaren Halt suchenden und heute an einem seidenen Haarband findenden Hände. Irgendwie hat es sich innerhalb kürzester Zeit eingeschlichen, dass ich, wenn er erst spät abends von seinem Dienst zurückkehrt, mit den Resten die Fenna bereitstellte auf ihn warte und dem eigentlich so grantig und verschlossen erscheinenden Zwerg Gesellschaft leiste.
Anfänglich herrschte Schweigen, und auch wenn dieses bei Weitem nicht unangenehm oder unerträglich war, seit einigen Tagen erzählt er mir offen von Vorkommnissen während des Dienstes und mitunter sogar schaurig-schöne Berichte seines ereignisreichen und weit gereisten Lebens. Von üppig-farbenfroh-blühenden Wiesen und gewaltig-hohen Bergen, deren immer schneebedeckte Gipfel in den Wolken verschwinden und von Seen, still und klar wie Spiegel und so tief, dass der gesamte Himmel darin zu versinken scheint. Wälder durchschritt er, undurchdringlich und dennoch verzaubernd mit Licht durchflutet, wenn es durch die hohen Wipfel fällt und sich mit den Schatten abwechselt. Wesen sollen darin wohnen, die jeglicher Fantasie entsagen. Von eigenartigen Geschöpfen mit großen, haarigen Füßen, kleiner noch als Zwerge, und unbeschreiblich hässlichen Orks und wütenden Trollen, die zu Stein erstarren, kaum, dass ein Sonnenstrahl sie berührt berichtet er. Von den Pferdemenschen aus Rohan, die unstet ihre kaum zählbaren Herden durch die Weiten der Grasländer treiben. Von Grabunholden und anderen Monstern, die kein danach noch Lebender jemals zu Gesicht bekam. Und wenn auch ungern von blutigen Schlachten und welch Leid herrscht, wenn sie zwar siegreich aber dennoch trauervoll enden.
Soweit ich mich erinnern kann, habe ich diesen Berg nur wenige Male verlassen und dann auch nicht weit, maximal bis zum Fuß eines unweit der Haupttore liegenden Hügels. Keinesfalls ungewöhnlich für Zwergenfrauen und ich empfand auch nie das Bedürfnis, diesen Umstand zu ändern. Allerdings, die malerische Beschreibung der Welt dort draußen, entfacht ein eigenartiges Verlangen im aufgeregt schlagenden Herzen.
„Das bin ich auch, Herr. Alle haben mich sehr herzlich aufgenommen und die Arbeit bereitet mir Spaß", antworte ich ihm flüsternd und sehe im Augenwinkel das kurz aufflackernde, glückliche Lächeln darüber. „Dennoch ...", beginne ich unvernünftigerweise plötzlich ihn tiefer in mich blicken zu lassen, als ich bislang vorhatte und atme Mut suchend tief ein, „... ein Umstand bereitet mir Sorge." Dwalin sieht mich auffordernd an und gleichwohl bereue ich jetzt schon die unverfrorene Bitte, die ich verhüllt an ihn stellen möchte. „Meine Gedanken verweilen seitdem ich hier bin, bei Myra und den anderen Frauen des ‚Baraz anâm'. Ihr erzähltet mir, dass Brodgar zu vielen Jahren Kerkerhaft verurteilt wurde und es belastet mich, dass ich vielleicht für ihren Untergang verantwortlich bin." Linderung ersuchend ist mein Blick, mit dem ich ihn nach meinen Worten betrachte.
Er lächelt, aber nicht kritisierend oder die Sorgen verhöhnend, sondern ehrlich mitfühlend. „Ich kann dich beruhigen. Gerade gestern sah ich persönlich nach dem Wirtshaus. Myra ist eine resolute und erfahrene Wirtin, die sich selbst in einer von Männern dominierten Welt behaupten kann. Es geht ihnen gut und niemand hegt einen Groll gegen dich", berichtet er und nachdem ich erleichtert ausatme und lächle, beugt er sich zu mir und legt wie so viele Male bereits, wenn sich die Gelegenheit bietet, seine großen Hände beruhigend auf meine. „Dennoch werde ich weiterhin ein Auge auf das Etablissement werfen, wenn es dich noch sorgenfreier macht."
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Aufmerksam lese ich die goldgeschwungenen Titel auf den ordentlich vor mir aufgereihten Buchrücken, während ich eher nachlässig-abgelenkt die Staubfedern über die anderen wedeln lasse. Epische Werke sind darunter genauso wie historische und mitunter sogar romantische Erzählungen. Märchenhafte Prosadichtungen, Balladen und Sagen, Gedichtbände und sogar einige elbische Literatur, übersetzt zu Zeiten, in denen die beiden Völker noch nicht feindselig zueinanderstanden. Oh wie gerne würde ich mich doch nur einmal in diesen Kostbarkeiten und den enthaltenen Geschichten verlieren.
Prüfend sehe ich mich um. Einsame Stille herrscht in der Bibliothek und vor der geschlossenen Eichentür. Selbst Balin verweilt heute nicht wie sonst üblich an dem langen Tisch in Schreibarbeit oder Recherche vertieft, sondern erledigt einige auswärtige Termine. Dennoch ängstlich zitternd vor einer Entdeckung ziehe ich eines der Bücher hervor und wage einen Blick hinein. Sorgfältig geschriebene Runen und detailreiche Zeichnungen bannen mich innerhalb eines Wimpernschlages.
Erzählungen über ein Zwergenreich, unermesslich in Macht und Herrlichkeit. Die Behausungen und aufwendigen Prachtbauten nicht nur in den unterirdischen Stein eines Berges gehauen wie die Blauen Hallen, sondern an den sonnenlichtüberfluteten Hang geschmiegt wie eine eigenartig anmutende Kletterpflanze. Das untergegangene Gabilgathol, die reichste Stadt der Sippschaft der Langbärte im Ersten Zeitalter. Dereinst gelegen nicht weit von hier. Von goldenen Dächern und hohen Türmen, bunten Verzierungen an gewaltigen und erhabenen Gebäuden und silberne Straßen voller Geschäftigkeit, Lachen und Gesang erzählen mir die Darstellungen und Schriften. Schmieden und Werkstätten, in denen edle Steine und Metalle mit Geschick und Kunstfertigkeit zu Geschmeiden und Kostbarkeiten verarbeitet werden und mit ihnen gefüllte weitläufige Hallen. Stämmige und grimmig dreinschauende Krieger, deren lange Bärte bis auf den Boden reichen würden, wären sie nicht hinter glänzende und mit Diamanten verzierte Gürteln geklemmt. Darunter Harnische, deren undurchdringliche Stärke beinahe spürbar ist und das zartweiße Pergament sprengen. Elbische Schwerter, filigran wie Federn, und Bögen, so elastisch erscheinend wie die Bäume, aus deren weißem Holz sie gefertigt wurden, stehen ihnen bei.
Oh welch schmerzlicher und niemals wiedergutzumachende Verlust doch der Niedergang einstiger Imperien und ertragreicher Bündnisse darstellt.
„Astâ ... hier bist du ... ich habe dich schon überall gesucht!" Eine hohe Stimme holt mich plötzlich aus der Faszination und ich lasse vor Schreck beinahe das kostbare Buch fallen. Ängstlich und vor Scham über die Entdeckung des Vergehens heiß errötend drehe ich mich um und es ist zum allergrößten Glück nur Jassin, die aufgeregt wirkend durch die Halle rennt und auf mich zu. Dennoch vertuschend schnell klappe ich das Buch zusammen und räume es wieder zu den anderen. Aber Jassin scheint den kleinen verbotenen Ausflug in die Welt der Sagen und Erinnerungen nicht zu bemerken oder bemerken zu wollen, denn wortlos aber zapplig zieht sie mich mit sich wieder nach draußen, kaum, dass sie bei mir anlangte.
„Ist etwas geschehen?", frage ich aufgewühlt, denn mädchenhafte Begeisterung und Überschwang scheint größer zu sein als jemals zuvor. „Ja ... die Herrschaften sind endlich von der Handelsreise zurückgekehrt und oh du musst Víli unbedingt begrüßen, er ist ein so ehrbarer und wunderschöner Mann, insbesondere, wenn er gezeichnet ist von der Wiedersehensfreude über seine Gattin nach langer Abwesenheit", plappert sie aufgeregt los und ich bemerke unverschleiert das schwärmerische Hüpfen für Dís' Gemahl in der Stimme.
„Wie siehst du überhaupt aus? Musst du unbedingt heute deine wunderschönen Haare unter so etwas Hässlichem verstecken?", mäkelt sie an dem blauen Tuch herumzupfend, dass ich mir heute Morgen mit allergrößter Mühsal hastig um den Kopf gebunden habe. „Du hast doch heillos verschlafen und konntest mir dadurch keine Frisur gestalten, also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen", nörgle ich zurück und beide brechen wir über die freundschaftlich ausgeteilten Neckereien in heiteres Gelächter aus, das klar und laut durch die hell erleuchteten Gänge schallt.
Als wir schließlich in der großen Eingangshalle ankommen, sind wir nicht die Ersten. An der großen Tür durch die ich einst in mein neues Leben schritt stehen zwei Zwergenkrieger. Silbern-glänzend und edel sind ihre Rüstungen und dagegen dunkel und zerzaust die langen Haare. Dís stürmt aus einem der Zimmer und auf sie zu, wirft sich im Überschwang der Freude in die zur Begrüßung weit geöffneten Arme des Kleineren von ihnen und küsst ihn stürmisch. Ihr Lachen ist hell und beschwingt. Eine unbeschreibliche Wohltat für meine schuldbeladene Seele, sie endlich wieder frohgemut zu erleben. Fenna beobachtet unweit von ihnen das Gejauchze und ich sehe in den freudentränenglitzernden Augen, wie sehr die gesunde Rückkehr der Männer sie erleichtert.
Dienstbereit stellen wir uns neben sie und die anderen Bediensteten und senken, wie es die Etikette verlangt den Blick, um die hohen Fürsten zu begrüßen. „Und was ist mit mir, namad? Ich hätte auch gerne einen Willkommenskuss", erklingt eine tief-vibrierende Stimme, die selbst ohne den Sprechenden zu erblicken einen kribbelnden Schauer über jeden Quadratzentimeter Haut sendet. Wohlig und auf eine seltsame Art unerträglich zugleich.
„Nichts lieber als das, nadad ... aber anders als bei meinem lieben Mann, werde ich dich erst küssen, wenn du ein Bad genommen hast, du stinkst nämlich wie ein ganzes Rudel Warge", höre ich Dís glucksen und verkneife mir erfolglos ein froh gestimmtes Lächeln. Nicht über den Inhalt; denn die Ausdünstungen der erwähnten Ansammlung wilder Wölfe, dringt sogar zu mir herüber; sondern darüber endlich wieder das lang vermisste Lachen, selbst wenn ich es bislang nur kurz kennenlernen durfte, in den Tonfall zurückkommen zu hören. „Als ob du wüsstest, wie übel Warge riechen", brummt die Stimme zurück, aber das unterdrückte Gekicher ist nur allzu verräterisch in der Vorhaltung wahrzunehmen.
Schwere Schritte kommen schließlich nach der ersten Begrüßung auf uns zu. „Fenna, liebste Amme, es freut mich, dich wohlauf zu sehen. Geht es deinen Rücken besser?" Bei Mahal, wie warm und samtig-weich doch im Gegensatz zu den Neckereien liebevolle und besorgte Worte von ihm ausgesprochen werden können, und ich erzittere vor Aufregung den Verursacher bald zu erblicken, denn noch immer halte ich den Kopf gesenkt bis er mich anspricht, so wie mir als Umgang mit der Herrschaft auferlegt wurde. „Ja, Hoheit und die Freude Euch gesund zurück begrüßen zu dürfen ist ebenso die meine. Ich hatte schon Sorge, es sei etwas passiert", antwortet Fenna und ich spüre die tiefe, ja beinahe liebevolle Verbundenheit, die beide anscheinend miteinander teilen, geradezu.
„Jassin, ich hoffe, du hast meine gute Kinderfrau nicht allzu sehr mit deinem Geplapper genervt." Die Angesprochene neben mir knickst tief und die aufflammende feurige Röte ihrer Wangen brennt sogar unerträglich auf meiner Haut. „Ich bemühte mich redlich, Hoheit ... zum Glück, habe ich aber vor Kurzem ein anderes Opfer gefunden." Ich sehe nur aus dem Augenwinkel, wie sie ihre Worte verdeutlichend zu mir blickt und dann schieben sich zwei Paar wuchtige, fellbesetzte und mit ledernen Bändern umwickelte Stiefel in mein Blickfeld, vom noch immer klammen Schlamm der winterlichen Straßen beinahe bis zur Unkenntlichkeit überzogen und verkrustet.
„Und wenn haben wir hier, ein neues Gesicht in unseren Reihen?" Es ist überraschenderweise nicht der Zwerg, der die anderen Bediensteten begrüßte und nun das Wort an mich richtet, wenn auch seine Stimme keinesfalls weniger dunkel und tief ist. Allerdings spärlicher, ich möchte beinahe sagen, mit nachtragendem Schmerz und den Erschütterungen eines zerklüfteten Leidenswegs durchdrungen. Dennoch knickse ich untergeben und dienstwillig und stelle mich zitternd und bebend und mit wild schlagenden Herzen vor.
„Dwalin empfahl sie und wir stellten sie als Hausmädchen ein", erläutert Dís, und nun erst wird es mir erlaubt, den Blick zu heben. Bronzefarbene Augen mit goldenem Schimmer empfangen mich. Warm wie ein Kaminfeuer und aufgeweckt wie dessen Flammen. Ebenfalls tief-braun sind sich zerzaust über die Schultern wellende Haare, einzig aus dem Gesicht gehalten mit kleinen silbernen Spangen. Sein Bart ist ungewöhnlich kurz und schmucklos, ja beinahe befremdlich anzusehen für einen Zwergenmann. Aber dennoch, eine eigenartige und faszinierende Schönheit gab ihn Mahal in seiner Weisheit und Güte. Er neigt den Kopf leicht zur Seite, lächelt ein Lächeln wie Sommersonnenstrahlen und ein schalkhaftes Gefunkel glänzt in den Augen und erst jetzt wird mit gewahr, dass ich ihn anscheinend ungeniert etwas zu lange und zu intensiv musterte. „Ich freue mich, dass du bei uns bist, Astâ. Ich bin Großherzog Víli", sagt er allerdings ohne Tadel und die Schwärmerei nicht nur von Jassin und Sirja einst erhält ihre berechtigte Grundlage, wie ich heiß-errötend zugeben muss.
Dann allerdings tritt er zur Seite und gibt den Blick frei auf ihn. Wer er ist, wird mir sofort und ohne Vorstellung bewusst, denn das Aussehen ähnelt dem von Vater und Schwester und denen der vielen Ahnherren auf Bildnissen, wenn es auch teils verborgen ist unter bereits zu viel gesehenem Leid für die noch unter Hundert zählenden Lebensjahre. Thorin, Sohn des Thráin, Kronprinz von Durins Volk, der seinen ehrhaften Beinamen ‚Eichenschild' erhielt, als er sich und sein Regiment in der Schlacht von Azanulbizar mit nichts mehr als einen solchen gegen unbezwingbare Massen an Feinden verteidigen konnte. Stattlich und blühend ist er wie ein in voller Pracht stehender Kirschbaum zur Zeit des Frühlings. Ungewöhnlich riesig für einen Zwerg, größer sogar als Dwalin, der schon wie ein Hüne erscheint. Rabenfedernschwarz die knapp bis auf die Schultern reichenden Haare. Am Hinterkopf und durch ordentlich geflochtene Zöpfe zusammengehalten von silbernen, großen oder kleinen Perlen mit geometrischen Mustern. Mühsam in ihrer dennoch jederzeit auszubrechen drohenden Wildheit gebändigt. Der akkurat gestutzte Bart ebenfalls sehr kurz gehalten für einen Prinzen aus der Sippe der Langbärte.
Aber am faszinierendsten, da in dieser bannenden Intensität und Herrlichkeit noch nie gesehen: Seine Augen. Klar und schimmernd sind sie wie blau-grünliches Eiswasser, das von einer hell und ungehindert von düsteren Wolken scheinenden Wintersonne zum Glitzern gebracht wird, während um es herum diamantenfunkelnder, von allem achtlos Zerstörenden unberührter Schnee liegt. Dennoch, erst beim zweiten tiefen Blick erkenne ich kleine Makel darin. Trübe Flecken der erinnerten Schrecken und Schmerzen eines ereignis- und verlustreichen Lebens. Wie verwelkte und im peitschenden Sturm zerrissene Blattfragmente des vorangegangenen Herbstes, die im Eis eingeschlossen wurden. Ungeduldig und an ihrer Situation nichts ändern könnend darauf wartend, dass der langersehnte Frühling anbricht und sie endlich auf den Grund des Sees sinken können ... für immer verschwunden und vergessen.
Eingeschüchtert von Stattlichkeit und der herrschaftlichen Präsenz, die der seines Vaters in nichts nachsteht, senke ich erneut den Blick und beuge die Knie zur Anerkennung der hohen Stellung weit, oh so unerreichbar weit, über mir. „So ein blutjunges und unerfahrenes Ding ... was hat Dwalin sich nur dabei gedacht", nimmt er brummend als einziges an meiner Aufnahme in den Hausstaat Anteil und ich schlucke schwer über die damit ausgedrückte negative Wertung.
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