Ein (un)erwarteter Besucher
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Wenige Wochen nur verstreichen harmonisch. Abarron hält sich in diesen während der Ratssitzungen auffällig bedeckt. Öfters stimmt er Thorin zu, heißt seine Vorschläge gut und unterstützt Vorhaben, die er sonst auch ohne triftigen Grund missbilligt hätte. Eine verlogene Taktik wird dies sein. Sicherheit vermitteln will er vermutlich, währenddessen er längst eine neuerliche Intrige plant. Daher genau aber im Verborgenen, beobachten wir ihn und seine Schergen, jedoch bislang erfolglos. Mit Edelrost möchte er wohl erst einmal die Anschuldigung gegen ihn überziehen, um nicht zu riskieren, erneut verdächtigt zu werden, sollte ein Ereignis geschehen, dass Thorin oder die seinen abermals in Gefahr bringt.
Die Arbeiten an einer neuen großen Schmiede kommen unterdes gut voran. Nach dem Vorbild derer des Erebors hat Thorin sie planen lassen, daher verheißungsvoll ertragreich wird sie sein, kaum Verluste beim Schmelzen von Metall hervorbringen und die Verunreinigungen von dem Gold und Silber, das sich hier abbauen lässt, weitestgehend separieren. Arbeitsplätze wird sie zudem schaffen, die gut bezahlt werden, wobei nur wenige mit den schweißtreibenden, hochanstrengenden Tätigkeiten an den Hochöfen verbunden sind. Schmiedemeister werden sogar aus anderen Reichen kommen, um die gewonnenen Rohstoffe zu verarbeiten. In ganz Mittelerde werden die Werke aus den Blauen Bergen einen tadellosen Ruf genießen und zu den wunderschönsten seit den Zeiten Erebors und Khazad Dûms zählen. So jedenfalls, hoffen wir in unseren Träumen.
Das Hospital erwies sich bislang als ein Segen, den die Valar uns nicht hätten üppiger zugutekommen lassen können. Die Sterblichkeit von Müttern und Säuglingen, sowie schwer Erkrankten und Verletzten war noch niemals so gering, wie in den letzten Monaten. Die Heiler finden dennoch Zeit, um sich mit der Ursache und Behandlung verheerender Krankheiten zu befassen, die den Berg immer wieder heimsuchten.
Allerdings, trotz all der Erfolge und Verheißungen auf eine bessere Epoche, ein Schatten verfängt sich schwer wie samtenes Tuch in den hohen Hallen. Beständig begleitet er uns. Senkt sich tiefer und tiefer hinab. Nimmt den dringend benötigten Freiraum, um ohne Last Erfüllung und Freude zu finden, indem was Thorin bisherig erwirkte. Noch immer ist es die Tatsache, dass König Thráin als verschollen, aber nicht tot gilt, und sein Sohn daher seine Nachfolge nicht antreten kann. Der steineiserne Thron bleibt unbesetzt, die blaue Krone verharrt auf ihrem samtenen Kissen, schutzlos dem Staub der Zeit ausgesetzt. Beständig quält die Ungewissheit und die Schuld ihm damals nicht geholfen zu haben, obwohl niemand es vermochte, eine stete Belastung.
„Du verlierst dich zu sehr in Gedanken." Balins Stimme mahnend sanft, so wie es nur die eines weisen Mentors vermag zu sein. „Es ist so ein herrlicher Abend. Lach und tanz und erfreu dich deines jungen Lebens, mein Kind." Ab wende ich den tatsächlich gedankenverlorenen Blick von dem Bild eines trotz alledem herrschaftlich stattlichen Prinzen, der einsam neben dem Thron seines Vaters und Königs sitzt und die feiernde Menge im Festsaal beobachtet. Beruhigend ist das Lächeln, dass ich Balin schenke. Oder, so sollte es sein. Spürbar wenig Wahrheitstreue steckt in ihm und eher etwas mit der Groteske einer Maske hat es gemein.
Es aufgebend ihm irgendetwas vormachen zu wollen, seufze ich, „Sorge um die Zukunft beschäftigt mich." Balin tritt näher, sodass keiner der Umstehenden aus feinem Hause, denen das Kommende wohl wenig Kopfzerbrechen bereitet, uns hören kann. „Es ist nicht deine Bürde, sich darüber Gedanken zu bereiten. Es ist unser aller Verantwortung nicht, denn nur Thorin kann bestimmen, wie sie uns gestaltet wird. Noch dickköpfiger ist er geworden und kaum ein schlechtgemeinter Rat kann seine einmal gefasste Überzeugung beeinflussen. Jedoch weiß er um den Wert der gutgemeinten." Wahrlich recht hat er. Thorin erkannte unlängst, dass es von erheblichem Nutzen sein kann, einen zum Teil auch unbehaglichen Ratschlag nach dem Abwägen ohne langes Zaudern und Grollen anzunehmen. Dabei setzt er auf Vertrauen. Balin als sein Berater erhielt natürlich die höchste Stellung. Aber auch die Vorschläge seiner Schwester, von Vilí, Dwalin und ja vereinzelt sogar mir, werden wahrgenommen und umgesetzt. Sehr viel Unmut innerhalb des Rates ersparte er sich wohl dadurch. Jedoch dies meine ich nicht.
„Es ist eher der Verbleib Ihrer Majestät, der mich nachdenklich werden lässt. Eine Nachricht seines Todes erreichte uns bislang nicht und kaum eine Stimme kam bisher auf, ihn auch ohne diese dazu zu erklären." Balin lächelt, aber viel Ähnlichkeit zu dem Meinen ehedem Aufgesetzten zeigt es. „Es ist noch nicht an der Zeit", will er beschwichtigen, allerdings Ingrimm ist es, dass diese hervorruft. „Wann dann? Wenn Abarron oder jemand anderes einen neuerlichen Anschlag plant? Er dieses Mal einen schrecklicheren Ausgang findet?" Unüberlegt aufbrausend laut erhebt sich meine Stimme und zieht die sensationssüchtigen Blicke der umstehenden Damen und Herren auf uns.
Balin fasst mich am Arm und leitet uns weiter weg von dem Trubel des Festes. Entschuldigend senke ich den Blick. Indiskret und vor allem nicht schicklich war der Ausbruch. „Es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Strenge Protokolle müssen eingehalten werden. Der Weg zum Thron ist lang, wenn er nicht eskortiert wird vom unzweifelhaften Tod", mahnt Balin. Verdammt sei die borniert durchgeplante Denkweise, die uns Zwergen so wichtig ist. Verträge, Gesetze, Instruktionen, sie regeln so viel, bedenken jede Eventualität und sind so engstirnig gegenüber Änderungen. Wenig Spielraum ermöglichen die Formulierungen, und Missachtungen werden hart bestraft. „Wir müssen warten. Ein Jahr vielleicht noch, längstens zwei, dann steht es Thorin frei die Abstimmung über Thráins Tod anzuregen. Bis dahin bleibt uns Nichts weiter übrig, als Acht zu geben." Verzweifelnd darüber schnaube ich aus, sehe zurück zu ihm. Für mich allerdings, ist er unlängst König. Keine Krone trägt er, kein majestätisch-prunkvolles Ornat, dennoch bewies er bereits so oft, welch Herrschaftsgewalt er besitzt.
Als ich den Blick wieder abwende, um mich nicht allzu auffällig zu verlieren in seiner Glorie, bemerke ich Neuankömmlinge des Festes und tatsächlich einmal sorgenfreies Glück beschwört ihr Anblick herauf. Schnell aber dennoch eleganten Schrittes eile ich zu ihnen und falle den lange nicht auf solcherlei Veranstaltungen gesehenen recht unangemessen in Anbetracht des Ortes um den Hals. „Meister Oin, wie freue ich mich, Euch hier zu sehen." Das erheiterte Lachen des Heilers ob so viel juvenilen Ungestüm vibriert tief in seiner Brust. Gleichwohl als ich mich von ihm löse, betrachte ich ihn mit erneut aufkommender Traurigkeit. Die äußeren Verletzungen; oberflächliche Kratzer und Schrammen, sowie eine klaffende Wunde am Hinterkopf; die er von der Explosion davontrug, verheilten unlängst, jedoch allzu offenkundig sind die Nachwirkungen derer, die niemals mehr verschwinden werden. Ein gebogenes, kunstvoll verziertes Hörrohr, dass ihm der Tausendsassa Bifur fertigte, ist nun sein ständiger Begleiter, denn besonders weit entfernte Geräusche und solche, die die sich nur schwer zwischen vielen anderen heraushören lassen, kann er nicht mehr wahrnehmen.
„Es ist mir zuwider, aber mein Vater dachte, dass es angebracht ist zu zeigen, dass sich das Geschlecht Durins nicht unterkriegen lässt von solch banalen Vorkommnissen", sagt er mit einem durchaus ernst gemeinten Lächeln und sieht zu Gróin hinüber. Tief verbeuge ich mich verbunden mit einer Entschuldigung, dass ich ihn und ebenso Gloin bisher nicht beachtete. „Schon in Ordnung, Kindchen, ich verstehe deine Freude", winkt der alte Zwerg gewohnt großväterlich liebenswürdig ab, sein jüngster Sohn hindes, allzeit strenger darauf bedacht Etiketten einzuhalten, grummelt hingegen vor sich hin. Vermutlich beschweren wird er sich wie schon so oft bei Thorin über das respektlose, viel zu flatterhafte Verhalten. Mein Dienstherr lachte bislang darüber und entschuldigte das Benehmen mit der Jugendlichkeit und verpasste auch nicht Gloin daran zu erinnern, dass gerade er durchaus erst vor einigen Jahren so sittenstreng wurde.
„Wie ich hörte, hat sich für morgen ein Besucher angekündigt." Aufmerksam geworden von der durch Dwalin; der sich ebenfalls, wenn auch beinahe am Ende des Festabends, zu uns gesellte; überbrachten Neuigkeit, wende ich mich von den vereinzelt immer noch Tanzenden ab und der Gruppe meiner Begleiter zu. Balin nickt das Gerücht bestätigend. „Ein alter Freund des Königshauses. Ich habe ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, aber dereinst gab er uns einige hilfreiche Hinweise, die uns genau an den Stellen graben ließen, in den die Tilkaladern verliefen." Neugierig macht mich seine Schilderung. Ein wahrhaftig begabter Zwerg muss dies sein, denn zu den schweigsamsten aller Bodenschätze gehört das aus Kupfer, Silber, Zinn, Blei, Eisen und Gold legierte Material, das Mahal schuf und in zaghaft kleinen Mengen in dem blauen Gestein versteckte.
Spät am Abend erlaubt Thorin sich seinen Platz zu verlassen, den er während der Festlichkeit besetzen muss, und stößt zu uns. Erschöpft sieht er aus. Anstrengend ist es allzeit herrschaftlich mondän zu erscheinen. Die Haltung aufrecht, mit ernstem Antlitz über alle wachend. Daher schnell bringe ich ihm eines der letzten Gläser Wein. „Fandest du Vergnügen?", fragt er flüsternd, nachdem er an dem roten Trunk nippte. „Ja, Herr, insbesondere, dass Meister Oin endlich wieder die Kraft erlangte teilzunehmen, erfreute mich." Thorin lächelt und vermittelt dadurch, dass er ebenfalls dieses herbeisehnte.
Die Musiker stimmen zu einem wohl letzten Lied an. Ein heiteres Stück, geprägt von Harfen- und Flötenklängen, unbegleitet von Gesang, aber nicht mehr zu anstrengenden Tanzschritten verleitet es. „Hast du Lust zu einem allerletzten Tanz mit mir." Thorins Frage ist gewagt. Noch nie erlaubten wir uns solcherlei in der Öffentlichkeit, allerdings, als ich mich umsehe, lediglich Vertraute könnten uns beobachten. Dennoch hadere ich kurz mit mir, ob ich schmerzende Füße, Müdigkeit oder eine andere durchaus plausibel klingende Ausrede bemühen sollte. Mein Herr und Gebieter ist es, der mich eben zum Tanz aufforderte. Eine Frechheit währe das Ablehnen. Eine Ungehörigkeit das Annehmen. Letztendlich ist es die verlockend hingehaltene Hand, die den Entschluss bringt.
Langsam bewegen wir uns im Takt der Musik. Ungewohnt ist es mit ihm zu tanzen, bot sich doch seit der Begebenheit in seinem Gemach nach dem Wintersonnenwendfest keine Möglichkeit mehr dazu. Jedoch geübter wurde ich seither. Sicherer sind die Schritte, erfahrener kann ich mich vertrauensvoll ganz leicht darauf einlassen, von ihm geführt zu werden. Gleichwohl noch immer ist die Macht, die er über mein Handeln hat, deutlich in dem bestimmten Dirigieren zu spüren. Nah ist er mir wie selten, jedoch so fern.
„Du siehst heute wieder bezaubernd aus, aber wirktest irgendwie abwesend. Kaum hast du dich an Gesprächen beteiligt." Es ist kein Vorwurf, eher voller Sorge spricht er. Ich seufze, wie schon so oft in den zurückliegenden Stunden. „Gedanken beschäftigten mich den ganzen Abend über." Unwillens bin ich ihm zu offenbaren, worum sie sich drehten. Unverständnis, vielleicht sogar Groll, werden sie heraufbeschwören. Es steht mir nicht zu, ungeduldig zu sein, dass er erhoben wird zu dem, was er in meinen Augen bereits seit langem ist. Überdies eine bittere Endgültigkeit läge in der Verlautbarung, die er dafür benötigte. Jede Hoffnung würde sie begraben unter den Trümmern DolGuldurs.
Sein Griff an der Taille wird plötzlich fester. Die beständige Glutwärme seiner Hand sickert durch den Stoff des Mieders und trifft auf empfängliche Haut. „Du musst sie dir nicht bereiten", besänftigt er, ganz so, als wisse er, womit sie sich beschäftigten. Ich vergaß, ein offenes Buch sind meine Gefühle und Gedanken für ihn. „Dennoch vermag ich sie nicht zu bändigen. Zu sehr sorge ich mich um denjenigen, denen sie gelten." Thorin beugt sich zu mir herunter. Sein Atem heiß auf den rotweinerhitzten Wangen. Etwas zu sagen beabsichtigt er, deutlich spüre ich es, sehe es an den sich öffnenden Lippen, aber keine Worte scheinen sich zu bilden, die erreichen auszudrücken, was er denkt und fühlt. Wie gerne würde ich es in solch Situation wissen. Ihn trösten im Schmerz, Mut zusprechen in der Verzweiflung, ihm Sorgen und Ängste nehmen.
„Sieh einer an, Ihre Hoheit und seine Kurtisane ganz einträchtig beieinander." Eine giftige Stimme zersetzt spöttisch das wortlose Zwiegespräch. Von ihr erschrocken lösen wir uns voneinander, realisierend, dass wohl doch nicht nur Wohlgefällige anwesend sind. Unsere Blicke rucken zur großen Eingangstür des Festsaales und ein Schauer kriecht mir augenblicklich eisig kalt den Rücken entlang. Abarron steht dort. Das Gesicht zu einer hämischen Fratze verzogen und der Triumph über die Entdeckung inniglicher Verbundenheit, obwohl nichts Verwerfliches darin besteht, nur allzu deutlich sichtbar.
Thorin schiebt sich vor mich und auch Dwalin tritt schützend an unsere Seiten. Kein Angriff durch Schwert, Messer oder Pfeil ist von ihm zu erwarten, aber schärfer noch als diese bewirken seine Worte tiefe Wunden zu reißen. „Meister Abarron, was führt Euch zu so später Stunde hierher?", fragt Thorin gelassen die Infamie übergehend. Jedoch an der gestraften Haltung, den zusammengeballten Fäusten, dem dunklen Grollen seiner Stimme, kann ich erkennen, fürchterlich wütend ist er.
„Wohl mein Instinkt, der es ermöglichte Euch zu überführen. Wollt Ihr etwa Immer noch abstreiten, eine unlautere Beziehung zu Eurer Dienerin zu haben." Er weiß, haltlos sind seine Anschuldigungen. Ein Tanz war es, nicht mehr. Weder inniglich, noch aufreißend, noch erfüllt von unkeuschen Berührungen. Aber dennoch schnell kann dieser in durch Bosheit weitergetragenen Erzählungen diese Eigenschaften annehmen. Gefährlich ist dies, denn auch Thorin kann sich nicht über das Gesetz stellen. Strafe würde ihm genauso erwarten wie jeden anderen.
„Ihr habt einer Hure ein hohes Amt zugesprochen, Hoheit, mit nicht weniger als dem, was sie einzig zu bieten hat, wird sie es Euch gedankt haben, wenn nicht ebendies schon den Anstoß dazu gab. Interessieren wird dies den Meister des Rechts." Dwalin tritt einen Schritt auf ihn zu. Schrecklich ist er im Zorn. Größer erscheint er. Stärker und bedrohlicher noch als sonst ohnehin bereits. „Hütet Eure Zunge, elendiger Verleumder. Es ist mir egal, wer Ihr seid und welche Macht Ihr innehabt, wenn Ihr weiter so über meinen Prinzen und seine Getreue sprecht, werde ich sie Euch herausreißen und den Wargen verfüttern." Wahr würde er diese Drohung machen, hier, sofort, ohne Skrupel, ohne Reue, wäre da nicht meine beruhigende Hand, die über seinen Arm gleitet.
„Ihr tragt viel an Anschuldigungen vor, Meister Abarron, aber könnt Ihr sie denn auch beweisen. Meister Rogni wird sich kaum mit Klatschgeschichten befassen", sage ich mit erstaunlich gefasster Stimme. Er verzieht sein Gesicht zu Abscheu. „Was erlaubt Ihr Euch unaufgefordert das Wort an mich zu richten, Weib", speit er mir entgegen. Ich lächle voller Spottlust. „Verzeiht, Ihr habt mich beleidigt, das war mir Aufforderung genug. Zudem, auch habe ich etwas zu offenbaren, dass ich über Euch weiß und die Gerichtsbarkeit interessieren würde." Augenblicklich weicht jegliche Farbe aus seinem Gesicht. Viel trug mir Norgrim zu. Manches davon hörte ich überdies als Gerücht, anderes ist so verwerflich, dass es kaum jemanden bekannt ist oder sogar den Geschwätzigsten als zu gefährlich erscheint, um es flüsternd zu verbreiten.
„Ach ja, und was soll das sein?!", sagt er, jedoch deutlich unsicher geworden zittert die sonst so geifernde Stimme. Ich senke den Blick, ganz so, als überlegte ich kurz, gnädig zu sein. Aber fern liegt mir diese ihm gutgesinnte Gemütsregung. „Nun, die vielen Besuche junger Männer, die teilweise noch nicht einmal die Kriegsreife erreichten, ist eines davon. Was wohl die Sittenwache dazu sagen wird, dass Ihr das Gesetz, dessen Bruch Ihr Ihrer Hoheit vorwerft, ebenfalls missachtet, geschweige den, Eure Gemahlin?" Viel wage ich. Gleichermaßen nicht beweisen kann ich die implizierte Behauptung. Jedoch sehe ich an dem Aschfahlen, jeglicher Beherrschung und Arroganz beraubten Antlitz, das ich wohl Zutreffendes aussprach.
„Ihr ... das ... das ist eine haltlose, völlig infame Unterstellung", stottert er, die Stimme verzerrt von Wut und tatsächlich Angst. „Ihr habt damit begonnen unbegründete Beschuldigungen vorzutragen", erwidert Thorin und positioniert sich neben mir. Nur kurz trifft sein anerkennender Blick den meinen. „Nehmt Eure zurück und schwört sie niemals wieder zu erklären, dann werde ich meine schlaue Dienerin anweisen, ihr Wissen über Euch ebenfalls zurückzuhalten." Ein Handel ist es. Von wackeligen Säulen wird er getragen, aber steht zumindest für eine kurze Weile, wenn er sich darauf einlässt. Sicherheit auf Zeit wird er bieten. Von ihr trügen lassen dürfen wir uns jedoch keineswegs.
Abarron knirscht hörbar mit den Zähnen. Noch niemals traf ihm jemand so mutig entgegen. Ließ sich nicht einschüchtern von Macht(gehabe) und angedrohten Folgen. „Das werdet Ihr noch bereuen", speit er aus und rauscht von dannen. Wen von uns er damit meint, bleibt jedoch ungeklärt.
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„Hoheit, der angekündigte Besucher traf eben am Haupttor ein. Der Kommandant der Wache hat bereits, so wie Ihr es gewünscht habt, angewiesen, ihn hierher bringen zu lassen." Die Auskunft der Dienerin erreicht Thorin in seinem Arbeitszimmer. Umgeben von Papieren, Schriftrollen, Büchern und allerhand nützlichen und verstaubenden Dingen ganz ohne praktischen Nutzwert, dass diesem Raum seine oft bedrückende Stimmung aufzwingt. Hinter ihm stehend und ihm weitere Pergamente die seiner Aufmerksamkeit bedürfen reichend, lächle ich sie an und schüchtern lächelt sie zurück. Erholter sieht sie aus. Wohlgenährter bereits nach wenigen Wochen im Dienst des königlichen Haushaltes. Leichter scheint ihr Herz zu schlagen, nun, da sie und ihre Tochter in Sicherheit und wenn auch bescheidenen Wohlstand leben können, das dennoch so viel mehr ist als das, was sie vordem hatten.
„Danke Gillial", sagt Thorin und sieht von dem Schriftstück vor sich auf. „Geht es deiner Tochter besser? Ich war in Sorge, als mir zugetragen wurde, dass sich ihr Husten zuletzt verschlechterte." Die Angesprochene senkt vermutlich völlig überrumpelt von dieser achtsamen Nachfrage den Blick. „Ja, Herr. Nachdem Meister Oin nach ihr sah und ein Medikament verordnete, hustet sie kaum noch und das Fieber sank ebenfalls." Überrascht sehe ich auf Thorin hinab. Vor wenigen Tagen erzählte ich ihm beiläufig von der Krankheit der Kleinen, erwartete keine Maßnahmen von ihm, verschleierte aber auch nicht meine Sorgen. Eigenständig bat er Oin daraufhin wohl um eine Visite. „Das freut mich. Sag bitte Astâ oder Fenna Bescheid, wenn ihr noch etwas benötigt." Gillial nickt weiterhin eingeschüchtert. Nachvollziehbar nicht ganz geheuer ist ihr die Freundlichkeit, mit der Thorin gerade ihr begegnet.
„Würdest du unseren Gast bitte begrüßen und dann in den Salon bringen", befiehlt er mir, nachdem sie ging. Natürlich führe ich diesen gerne aus, denn noch neugieriger wurde ich auf den Zwerg, der sich nach Balins Erzählungen mit vielen Wohltaten für das Königshaus einen Namen unter unsereins machte. Jedoch nie erwähnte er diesen, so als wäre die Aussprache eine garstige Beleidigung während seiner Abwesenheit. Und so öffne ich die Eingangstür mit einem freundlichen Lächeln, nachdem eine schwere, von Selbstsicherheit und Kraft geführte Hand polternd dagegen klopfte ... und erstarre augenblicklich. Kein Zwerg steht dort, sondern ein großer, in schmutziges Grau gekleideter Mensch, mit langem, ebenfalls rauchfarbenen Bart und einem hohen, spitzen blauen Hut, unter dem weiße Haare hervorquellen.
„Einen schönen guten Morgen der jungen Dame", wünscht er und verbeugt sich weiterhin auf seinen Stab gestützt.
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