Der schönste Weg, ist der gemeinsame
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Noch feucht glänzt die Haut der nicht verhüllten, muskulösen Brust und der süßlich-herbe Geruch des Rosenöls folgt ihm nach, als Thorin die Badestube verlässt und sein Zimmer beritt, in dem ich bereits mit Kamm und Schere warte. Lang ist sein Bart geworden während der Zeit der Reise. Beinahe bis auf die Brust reicht er ihm, aber ist dennoch ungebührlich zu kurz für einen Angehörigen des Stammes der Langbärte, die nicht umsonst diese Bezeichnung tragen. Ihn zu stutzen ist einer der Aufgaben, die ich unter einigen anderen als die angenehmste empfinde. Genuss ist es die Finger andächtig durch die starren Haare hindurchfahren zu lassen, um sie zu ordnen. Dabei die Wärme seiner Haut zu spüren, und wie der Atem heiß brandet auf mein Gesicht, denn nah muss ich ihm währenddessen kommen. Nicht grundlos ist es unter Liebenden einer der ersten intimen Berührungen und nur gestatte ist sie mir an ihm, da ich Dienerin bin und nicht hoffen darf, nicht hoffen kann, auf mehr.
Schwer lässt er sich auf einen der für unsere Größe ideal hohen, mit Tuch bespannten Klapphocker vor der Spiegelkommode nieder und ich will gerade beginnen, da hält er mich zurück. Nachdenklich zupft er an den Enden der Barthaare. „Ich finde, es ist an der Zeit für eine Veränderung. Was denkst du?" Ich zögere und bin vor Verwunderung erst nach einigen Atemzügen in der Lage zu antworten. „Wenn Ihr meint, Herr", bringe ich stockend hervor. „Habt Ihr bereits eine Vorstellung?" Er überlegt kurz. „Früher einmal, trug ich ihn zu einem einzelnen Zopf geflochten, verbrannte diesen aber, um diejenigen zu ehren, die im Feuer des Drachen nicht nur ihre Bärte verloren." Andächtig senke ich den Blick. Schrecklich muss es gewesen sein, dies zu erleben und nur zu gut verstehen kann ich diesen Wandel, hoch achte ihn dafür, denn einer Verschandelung kommt es gleich. „Vielleicht, um zu verdeutlichen, dass Ihr nun älter und noch stärker seid, gewachsen an den Prüfungen die Ihr seitdem vermochtet zu bestehen und fähig sehr viele weitere und schwerere zu meistern, zwei Zöpfe. Allerdings nur kurz, nur angedeutet, um weiterhin die Gefallenen zu ehren."
Er sieht mich an. Klar ist das Eis seiner Augen. So klar wie schon seit Monaten nicht mehr. Tief lässt es mich blicken in eine Seele, die wund ist von Schmerz, aber auch vor Freude strahlend wie Feuer sein kann. Entzündet von mitunter kleinen Dingen, wie gerade jetzt. „Nahmst du zufällig ein paar Schmuckperlen mit?", fragt er, ohne den Blick abzuwenden. Ich nicke, denn ja, als Ersatz für mich habe ich einige eingepackt. Schnell hole ich sie aus meinem Zimmer. Einfach sind sie, rund, aus rot-orangem, polierten Achat mit kleinen opaleszenten Einschlüssen gefertigt und kaum geeignet für einen Thronerben. Dennoch bedeutsam. Einst schenkte er sie mir zusammen mit vielen anderen Kostbarkeiten anlässlich meiner Ernennung zu seiner Leibdienerin.
Thorin betrachtet sie lange, sich ihrer vielleicht erinnernd. „Das Feuergestein der Kriegerinnen", bemerkt er schließlich, „warum nur trägst du sie nicht?" Schüchtern schlage ich einen Moment die Augen nieder. „Bislang getraute ich es mir nicht, denn fühlte ich mich keineswegs ihnen würdig." Thorin nimmt mir die Perlen aus der offenen Hand, wiegt ihre Leichtigkeit, berührt sie mit ehrfürchtigen Fingern, verbunden mit dieser besonderen Zärtlichkeit, die wir Zwerge für jedwedes Gestein hegen. Kurz nur sieht er mich währenddessen an, aber sein Blick ist so fürchterlich durchdringend, dass ich schnell den meinen senken muss, um nicht unmittelbar die distanzwahrende Vernunft zu verlieren.
Aber dann zucke ich erschrocken zusammen, denn plötzlich berühren mich seine Finger an der Wange, fahren sanft, oh so sanft, die Linie des Bartes entlang. „Auch deiner wurde länger und voller in den zurückliegenden Monaten. Älter bist auch du geworden. Erfahrener und stärker. Nicht mehr das Kind, das du einst warst, wenn auch noch nicht gänzlich Frau. Dennoch Kriegerin, die Mut und Können nicht nur einmal bewies." Heiß errötend sehe ich ihn an. Schnell schlägt das Herz. Sicher wird er das aufgewühlte Pochen spüren, denn nah liegen seine Finger der Stelle, an der unter allzu dünner, empfindlicher Haut die große Ader des Halses es zulässt. „Mehr als ich damals dachte, noch bevor du deine Ausbildung begannst, steht es dir zu, sie zu tragen." Ich lächle beschämt und glücklich. Ein solches Lob aus seinem Munde ist mir mehr wert als alle Reichtümer dieser Welt.
Letztendlich gelangt er zu den dunkelblauen Schmucksteinen, die bislang die beiden geflochtenen, kurzen Enden meines Bartes zieren. „Gib mir stattdessen diese", sagt er. Kein Befehl ist es, keine Anordnung, die es zu befolgen gilt, sondern eine Bitte, ein Wunsch. Mit Hoffnung und Achtung gestellt. Wie könnte ich mich ihrer versagen noch verweigern. Ich nicke und daraufhin langsam, demutsvoll gar, löst er die Perlen, legt sie schließlich mit Schätzung auf den Tisch neben uns und beginnt vorsichtig die tatsächlich viel länger gewordenen blonden Haare mit seinem Kamm zu entwirren.
Genussvoll, und um nicht zu verraten, welche Empfindungen dies in mir heraufbeschwört, schließe ich die Augen. Mit geschickten Fingern flechtet er an der Kinnlinie entlang. Lässt sich dabei Zeit, streicht jede Strähne sorgsam glatt, bevor sie mit einer anderen überlegt wird. Viel zu überwältigt von dieser Handlung bin ich, als dass ich mich gegen sie wehren kann. Intim ist sie. Vertrauen bedarf sie. Im Grunde gegenseitige für immer geschworene Liebe. Warm sind seine Berührungen, zärtlich, angenehm, und trotz alledem kein unziemliches Begehren lassen sie erkennen. Eine Geste aus Liebe ist es dennoch. Und oh wie einnehmend fließt sie in mich. Brodelt dort aufwühlend und kostbar wie geschmolzenes Gold. Heißer ist sie als die zu Dwalin, trotzdem sie die gleiche Kostbarkeit in sich birgt. Verbrennender noch. Verderbender. Verhängnisvoller. Und oh so aussichtslos, schürt doch die ehrfürchtige Bewunderung einer unerreichbaren Lichtgestalt die schmelzenden Flammen.
Schließlich einen der roten Achatsteine befestigt er an dem kurzen Zopf, der nun seitlich an meinem Kinn herabhängt und beginnt das Ritual mit der gleichen Achtsamkeit an der anderen Seite von Neuem. Erst als er es beendigt, sehe ich wieder auf. Hell sind seine Augen und ich drohe einzubrechen in dem unter der Sonne eines neuen Frühlings vergehenden Eises. „Danke", bringe ich heraus, aber fahl ist die Stimme, so als wäre sie bereits in den gleichwohl bitterkalten Wasserfluten versunken. Er lächelt dennoch die Erkenntlichkeit anerkennend, obwohl sie wie ich nur allzu gut weiß und mich derer schäme, eine jämmerliche Belohnung ist.
Daher ausweichend schnell nehme ich den Kamm zur Hand und beginne seine Haare damit zu entwirren. Genauso viel Sorgfalt wie er will ich walten lassen, beginne aber erst mit denen des Kopfes. Dünne Strähnen nehme von vorne, flechte sie ein paar Windungen und sichere diese dann mit der kleinen silbernen Spange, die seine Schwester ihm zum Abschied schenkte. Um mich zu beruhigen, tue ich dies, denn keinen besseren Ort gibt es, um seinen Blicken auszuweichen, obwohl ich weiß, sie beobachten mich genau durch die spiegelnde Fläche vor ihm.
Erst danach, und trotzdem meinem Plan kein Erfolg zuteilwurde, widme ich mich seinem Bart. Biegsam von der Wärme des Wassers sind die Haare noch und daher leichter zu bändigen als es wohl die meinen waren. Mit denen seiner Oberlippe zusammen flechte ich von dort beginnend zwei Zöpfe bis hinunter zum Kinn, befestige die blauen Perlen daran und schneide den Überschuss ab. Die übrig gebliebenen an Wangen, Kinnlinien und Hals stutze ich auf die sonst von ihm getragene Länge zurecht, aber so, dass sie am Kinn spitz zusammenlaufen. Wahrlich königlich sieht er aus. Schon immer tat er dies, aber nun noch viel prächtiger trägt er innehabende Würde, Stolz und Stattlichkeit zur Schau. Das Vermächtnis seines Geschlechts. Zufrieden bin ich mit meiner Arbeit und als er in den Spiegel schaut und ebenfalls diese bewundernd nickt, glücklich dazu.
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Folcas Rede zur Eröffnung des Festes mit der er seinen Kriegern für die erfolgreiche Jagd dankt und Thorin, dem ein Ehrenplatz an seiner Seite zugewiesen wurde, sowie uns gebührend begrüßt, ist beinahe gänzlich gesprochen, als ich die Thronhalle betrete. Viel mehr Zeit als beabsichtigt benötigte ich, um mich herzurichten, auch, da ich lange - sehr lange - einfach nur vor dem Spiegel stand und mein neues Aussehen bestaunte. Anders sehe ich aus. Wahrlich älter, gereifter an Aufgaben und Kämpfen, und die roten Steine wie Feuer, strahlend hell und kraftvoll.
Bierkrüge werden gehoben. Im Überschwang der Begeisterung ergießt sich aus einigen der schäumende Inhalt auf den steinernen Boden. Jubelschreie erklingen und die schwer nach Gesottenem und Feuer riechende Luft vibriert erfüllt von ihrer Kraft, als Folca endet. Würdevoll und mit Stolz trägt er das samtig schwarz-rot, golden gesäumte Ornat der Könige Rohans. Seine Königin neben ihm mit nicht weniger davon das ihre in entsprechenden Farben und noch mehr an Pracht. Ihr Sohn, Folcwine, der kaum das Mannesalter erreichte, aber dennoch bereits vermag das Erscheinen des Hauses Eorls in gleicher Weise zu repräsentieren wie sein Vater, verweilt an der Seite Thorins. Nur die kleine Herehild wurde wohl bereits zu Bett geschickt. Vorstellen kann ich mir, nicht ohne bockiges Aufbegehren.
Laute Gespräche, Gesänge, sie begleitende Musik und vielfältige unmanierliche Geräusche verdeutlichen den Beginn des Gelages. Drei gebratene Wildschweine werden hereingebracht und weitere Fässer mit Bier und Wein angeschlagen. An Tischen mit langen Bänken, die die Halle gänzlich ausfüllen, sitzen, reden und essen gemeinsam Krieger, unverkennbar Edelleute, hochgeachtete Kaufmänner und sogar einige Handwerker, die wohl in der Gunst des Königs stehen. Und inmitten von ihnen entdecke ich nach langem Suchen meine Gefährten sitzen. Balin ist vertieft in ein angeregtes Gespräch mit einem vermutlichen Schreiber, denn Tinte befleckt Hände und Gewänder und Pergamentrollen liegen neben ihm auf den Tisch. Dwalin lässt sich anscheinend von zwei der Reiter, die uns in die Stadt begleiteten, trotz der gerade erst beginnenden Feier zu einem Trinkwettbewerb verleiten. Oin ihm gegenüber schüttelt tadelnd sein Haupt, befürchtend, dass er wohl am nächsten Morgen all sein Können und einiges an Mädesüß und Weidenrinde bemühen muss, um den Krieger wieder auf die schwankenden Beine zu bekommen.
Neben ihn nieder auf die hölzerne Bank lasse ich mich schließlich, nachdem es mir mit einigen Mühen gelang, einen Weg durch die Menge zu finden. Verwundert sieht er mich an, entdeckte wohl auf den ersten Blick bereits die neue Gestaltung des Bartes und weiß natürlich um die darin eingeflochtene Bedeutung. „Thorin überraschte uns bereits mit seinem veränderten Auftritt, aber viel mehr verblüfft mich der deine", sagt er und ich lächle schüchtern. „Nicht geplant waren beide", gebe ich zu und bedanke mich bei dem Diener, der mir einen Krug Bier und einen Teller mit Fleisch und Brot reicht. „Als nun vollwertige Kriegerin zeichnet das feurige Gestein dich aus", murmelt er leise, wohl ebenfalls die Anweisung befolgend, dass mein wahres Geschlecht im Verborgenen bleiben soll. „Ich weiß, Thorin befürwortete es, sprach mir Mut zu, sie zu tragen und ... initiierte mich." Vielleicht zu viel verrate ich, was Missdeutung heraufbeschwören könnte, denn normalerweise mit einem Ritual in Gemeinschaft und nicht im Verborgenen hinter verschlossenen Türen werden gerade solch Ereignisse zelebriert. Viel zu bedeutungsvoll sind sie und bedürfen Vertrauen, das niemals insgeheim dargelegt werden sollte.
Aber zumindest Oin scheint diesen Umstand nicht zu verargen. Der feinfühlige Blick eines Heilers gleitet nur vieldeutig zu Thorin und ich folge ihm. Herrlich sieht er aus. Die Gewänder, die in Lothlorien extra für uns angefertigt wurden, trägt er wie wir auch. Aber an ihm funkeln und glitzern die silbernen Ornamente und Mallornblätter auf dunkelgrünem, samtenem Stoff, als würde das Licht des Abendsterns ihn bescheinen. Interessiert unterhält er sich mit Folca oder seinem Sohn, isst und trinkt und wirkt glücklich und ausgelassen, so als würde kein Gram ihn belasten. Die königsblauen Perlen kaum zu erkennen in dem Schwarz des Bartes, dennoch sind ihre Existenzen belangreich.
„Er liebt dich", bemerkt Oin plötzlich und zutiefst erschrocken sehe ich zurück zu ihm. Beruhigend lächelt er sofort. „Nein, nicht so, wie du gerade offenkundig befürchtest. Keine Liebe im begehrenden Sinn empfindet er für dich, aber ... als du ..." Er schüttelt den Kopf, senkt ihn, atmet tief, auf einmal erfasst von Kummer. „Zu oft bereits musste ich Trauer über Gefallene mitansehen. Herzzerreißende. Verzweifelnde. Unerträgliche. Von Müttern, Vätern, Freunden, Geliebten. Aber die, die er zeigte, als du für diesen allzu langen Moment tot geglaubt in seinen Armen lagst, sie war anders. Noch niemals erlebte ich Leid in ihr, dass so ... Worte können nicht verdeutlichen wie er um dich klagte. Unabhängig von meinem Kummer bedrückte mich der seine tief im Herzen." Wieder an sieht er mich und ungeahntes Verständnis spricht sein Blick. „Er liebt dich auf eine Art, die fern ist jeder anderen. Womöglich noch nicht einmal einen Namen trägt. Aber geflissentlich will er sich ihr nicht hingeben, denn tödlich könnte sie ihn verletzen, sollte mit dir etwas geschehen, dass sich seiner Kontrolle entzieht."
Seine Worte sind bedeutungsschwanger. Schrecklich und schön zugleich. Gefährlich ist diese Liebe für ihn und nicht zuletzt für mich. Bedrohlicher noch als diese, die Dwalin und ich füreinander empfinden und deren wirkliche Bedeutsamkeit und Stärke, denn auch sie ist zumindest für mich bislang namenlos, bewahrt wird von dem (er)drückenden Mantel der redlichen Diskretion.
„Sorg dich nicht darum, Kindchen. Thorin ist zwar ein wahrlicher Dummkopf, wenn es um Gefühle geht, aber nie würde er etwas tun, dass dir zuwider ist, dich verletzen oder in Gefahr bringen würde. Erfreue dich an seiner Gunst, gebrauche sie, um glücklich zu werden, Dinge zu erleben, die andere besonders in deinem jungen Alter niemals erfahren könnten, aber nutze sie wie bisher nicht aus."
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Lange geht das Fest. Und je später der Abend und umso mehr an Bier und Wein, die vom Singen trockenen Kehlen hinab fließt, desto ausgelassener wird die Stimmung. Bald tanzen gestandene Krieger auf den Tischen. Ringkämpfe und andere Wettstreite zum Zweck der Demonstration von Kraft und Geschicklichkeit werden ausgetragen und trotz des Verbots, auch mehrere zumeist verheißungsvoll leicht bekleidete Frauen finden Zugang. Allerdings erst, als sich die Königin zurückzog. Einige legen sich gesättigt und berauscht einfach in Ecken, die vorsorglich mit Kissen und Decken ausstaffiert wurden, und schlafen trotz des Lärms. Interessiert beobachte ich das Geschehen und erfreue mich an den Parallelen zu zwergischen Festen.
Dwalin, gut gelaunt nachdem er bereits den dritten Trinkwettbewerb mit Leichtigkeit gewann, plumpst neben mich auf die breite Sitzfläche. Ich lächle ihn dankend an, als er mir einen mitgebrachten Humpen zuschiebt. „Ayadurzu!", sagt er und hebt den seinen. „Lass und anstoßen auf deine erhabenere Stellung innerhalb unserer Gemeinschaft und den Umstand, dass wir zwar ohne unseren König gefunden zu haben nach Hause zurückkehren, aber unsere Mission dennoch nicht erfolglos war." Zwar trinke ich gerne mit ihm, aber verstehe ich den zuletzt genannten Grund nicht ganz.
Dwalin erkennt die Verwirrung wohl an dem zögerlichen Anstoß, aber noch nicht darauf eingehen will er. Etwas das ihm sehr viel wichtiger erscheint, möchte er mir zuerst mitteilen. Nah beugt er sich zu mir hinunter, berührt flüchtig, um keine verräterische Aufmerksamkeit zu erregen, eine der Perlen an meinem Kinn. „Sie stehen dir hervorragend. Wunderschön siehst du aus. Wie ein Brillant, in dem sich schillernd Lichtstrahlen brechen", flüstert er, der Atem schwer vom herben Geruch des Biers und heiß auf den brennend-geröteten Wangen. „Du bist betrunken", murmel ich lächelnd um die Beschämung ob des Kompliments zu überspielen. Aber er schüttelt fieberhaft den Kopf. „Nein ... ja ... etwas vielleicht ... aber dennoch, noch nie sah ich klarer."
Er entfernt sich wieder und deutet mit dem Blick auf Thorin, der unweit umringt von Menschen zusammen mit Folca eine Anekdote aus ihrer gemeinsamen Zeit erzählt. „Heute erschien mir ein Mann, der seine größten Ängste besiegte, ein Vermächtnis annahm, vor dem er sich lange Zeit fürchtete und größer wurde an allem, das ihn ehedem bereits ausmachte." Erneut beugt er sich zu mir. „Und ich sah eine Frau, die sich endlich bewusst wurde, welch Leistungen sie vollbrachte, aber die nicht ahnt, zu welchem Heil uns diese verholfen haben." Nun tatsächlich nehme ich an, dass er schwer betrunken ist, denn keinen Sinn ergeben seine Worte. Vor nichts und niemanden hat Thorin Angst und nicht viel mehr als meine Pflicht versuchte ich, so gut es mir möglich war, zu erfüllen. Indes wenig Glück ging damit einher.
Er leert seinen Krug mit einem hastigen Zug und wischt sich den Schaum aus dem zotteligen Schnurrbart. Danach legt er die Hände um das Gefäß und starrt überlegend auf einen dunklen Ring, der das Tischholz ziert. Bedrückende Schwere belastet plötzlich sein Gemüt und näher rücke ich zu ihm auf, in dem Versuch sie zu vertreiben. „Sorgen bedrängten Thorin seitdem sein Vater die Ered Luin verließ", beginnt er schließlich das zu enthüllen, was wohl Thorin ihm allein anvertraute. In einer dunklen Nacht vielleicht, die einsam war trotz der Gesellschaft, kalt obwohl ein Feuer brannte, während er einen Kampf austrug, jedoch kein fassbarer Feind sein Gegner war. Auch er ist nicht nur Freund und Waffenbruder, sondern ebenso Vertrauter, inniger sogar als ich es jemals sein werde. Mehr werden sie teilen als nur Belangloses. Tief blicken können in die Seelen des jeweils anderen, selbst durch dick Trübes hindurch. Um Ängste, Verzweiflung, Plagen, aber auch Freuden und Begehren wissen. „Nicht sicher war er sich, ausreichend gerecht und selbstsicher regieren zu können und verzweifelte an der Bürde eines Königs. Er fürchtete zu versagen und uns alle in Unglück zu stürzen. Auch um sich selbst zu schützen, wollte er unbedingt seinen Vater finden."
Ich senke den Blick, überwältigt von dieser Offenbarung. „Thorin ist ein guter Herrscher, trotz seines jungen Alters, das zeigte er unlängst in den Ered Luin und bewies es oft auf unserer Reise", bemerke ich voller unerschütterlicher Überzeugung und sehe unauffällig zu ihm. Wahrlich, zwei Könige sitzen dort Seite an Seite. „Das Gleiche beteuerte ich ihm auch, aber dennoch, betrübliche Zweifel, was geschehen würde, wenn wir seinen Vater nicht finden, blieben. Bis zu diesem Moment, als du zu uns zurückfandst. Nachdem wurde er sich seiner Verantwortung bewusst, nahm diese Bürde an, fasste Selbstvertrauen, zeigt dies seit heute mit seiner Veränderung auch nach außen. Er hadert damit Thráin zurückgelassen zu haben, aber nun einzig aus Trauer über seinen Verlust und nicht mehr, weil er Furcht hat vor dem Weg, der nun einsam und steinig vor ihm liegt."
Verborgen unter der Platte des Tisches greift er nach meiner Hand und ich sehe auf, sehe in zwei schokoladenbraune Augen in denen Wahrheit und Liebe und oh so viel mehr glitzert wie Diamantstaub. „Ein Weg, der in deine Zukunft führt, in die seiner Schwester, in Balins, Oins, meine, in die jedes einzelnen unseres Volkes. Er wird ihn für uns gehen." Ich lächle. „Ja", sage ich und drücke seine Hand, „und wir mit ihm."
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Spät ist es geworden. Kaum eine Kerze in den Pferdekopf-Kandelabern brennt noch und langsam kehrte eine überberauschte Stille ein. Oin zog sich in seiner Vernunft unlängst zurück. Auch Balin sah ich lange schon nicht mehr zwischen den anderen Gästen sich unterhalten. Nur Dwalin blieb an meiner Seite. Belanglos waren unsere Gespräche nachdem. Drehten sich um das, was wir erlebten, den Weg zurück, denn es noch zu bezwingen gilt und allerhand anderes. Thorin und seine Geschichten unterdes wurden noch immer nicht entlassen und obwohl es mir eigentlich nicht gestattet ist, mich ohne seine Erlaubnis zurückzuziehen, möchte ich ihn ungern stören, als mein Kopf immer schwerer wird und die Augen mir mehrmals bereits zufallen. Daher nur Dwalin unterrichte ich darüber, dass ich in mein Zimmer gehe.
Der Gang dorthin ist kaum beleuchtet und menschenleer. Zeit gibt mir die Stille, um meine Gedanken zu ordnen. Thorin gelten sie wie so oft. Nicht einen deut seiner ehrerbietenden Faszination verlor er mit dem, was Dwalin über ihn offenbarte. Allerdings zwergischer wirkt er dadurch. Beruhigend zu wissend, dass auch er Furcht verspürt, wenn gleichfalls sein Schreckensgespenst einjedem Angst einjagen würde. Aber noch immer erscheint es mir unglaubhaft, dass gerade ich dabei half es zu davonzujagen.
Tief versunken bin ich in diesem Rätsel, während ich die Tür zu meinem Gemach aufschließe und sie leise öffne. Oh wie freue ich mich auf mein Bett. Aber kaum ging ich einen Schritt durch sie hinein, packt mich etwas am Handgelenk und hält mich zurück. Erschrocken, aber dennoch kampfbereit, drehe ich mich um und erkenne ... Thorin. Das schlechte Gewissen überfällt mich und ich senke schuldbewusst den Blick vor meinem Herrn. „Entschuldigt Hoheit, dass ich ohne Eure Zustimmung ging, aber ich war so schrecklich müde und wollte Euer Gespräch nicht stören."
Kein Wort erwidert er darauf, sondern schiebt mich plötzlich mit dem Gewicht seines Kriegerkörpers in das Zimmer, schließt die Tür und drängt den meinen gegen das dunkle Holz. Eine Hand umschließt noch immer das Gelenk, die andere stützt er neben den Kopf. Gefangen bin ich so in seiner überwältigenden, kraftvollen Präsenz. Aber trotz der ungewohnt forschen Bedrängung, keinerlei Angst verspüre ich. Noch nicht einmal Unbehagen. Eher gleicht es einer seiner behaglichen Umarmungen. Nichts Schlechtes findet sich an den Handlungen eines solchen Mannes, der es niemals wagen würde seine Kraft gegen eine Frau zu richten.
Ich sehe auf. Rot wie die Kohlestücken des unlängst erloschenen Feuers glühen seine Augen in der absoluten Dunkelheit. Still starrt er auf mich hinab, jedoch die Lippen leicht geöffnet, als wolle er etwas sagen. Er ist so nah. So nah. So verbunden nah. So anstößig nah. Sein eigener Geruch von sonnengewärmten Steinen und Regen wahrnehmbar selbst unter dem herb-süßlichen des Biers und dem des Pfeifenkrauts, die er an diesem Abend reichlich genoss.
Langsam hebe ich die freie Hand, lege sie zart auf seine Wange. Keine Berechtigung habe ich ihn ohne seinen ausdrücklichen Willen und außerhalb der zu erfüllenden Pflichten zu berühren, aber die Unvernunft des Herzens trieb mich dazu. Liebevoll streiche ich durch die kurzen Barthaare, fühle mit Genuss Wärme und Zartheit unter ihnen. Verdeutlichen möchte ich ihm damit, dass er den eingeschlagenen Weg nicht alleine gehen muss. Dass Familie und Freunde an seiner Seite wandern werden. Egal wie hoch die Berge aufragen, die es zu bezwingen gilt, wie viele Windungen die Sicht auf das Dahinterliegende behindern, wie verunsichernd Weggabelungen Entscheidungen von ihm verlangen werden.
Ich lächle und verstehend beugt er sich zu mir hinunter. Die Nähe wird noch wohliger. Noch verbundener. Sein heißer Atem auf meinen Lippen und dann die köstliche Süße des Weins, die an den seinen haftet und zart auf sie übergeht. Kein Kuss der Leidenschaft. Keiner der Begierde hervorbringt. Dennoch mit Liebe verbunden. Dieser Liebe, die keinen Namen trägt und doch so herrlich ist. Er nimmt sie an, die Wegbegleitung in unser aller Zukunft, ist froh darüber und dankbar.
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Ayadurzu – Prost
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