Der Kampf des Lichts gegen den Schatten
Nurmehr undeutlich existiert die düstere Welt um mich herum. Sie zerspringt in Abertausende scharfkantige Fragmente, verbleicht, als würde der Rauch hoher und alles verschlingender Feuer aufsteigen. Zu schrecklicher Stille verhallen unsere Schreie in ihr. Einzig das Hämmern des Herzens, das flehentlich darauf drängt ob des unaussprechlichen Grauens aus der Brust entfliehen zu können, dröhnt laut in den Ohren. Nichts scheint mehr wichtig zu sein. Nichts mehr hässlich. Nichts mehr dunkel. Außer dieser sich uns bietende Anblick.
Die Zeit scheint still zu stehen für diesen unendlich-schrecklichen Moment. Dehnt ihn zu einem langen Strang, eng gedreht aus Entsetzen und Verzweiflung in dem ich mich unrettbar verfange. Der sich unbeirrt um mich schlingt, mich lähmt und schmerzhaft tief in Leib und Seele schneidet. Dennoch kaum spüre ich eben noch so grässliche Angst. Vergangen ist Erschöpfung und Grauen vor diesem Geschöpf des Bösen, das sich voller Brutalität und Niederträchtigkeit anmaßt eines der beiden Leben nehmen zu wollen, die mir mehr bedeuten als mein eigenes. Verblieben ist einzig Wut. Eine Wut, die niemals zuvor so heiß und zornig in mir tobte. Zurückhaltend schwer lastet Dwalins Arm um mich geschlungen. Liegt die Hand auf meiner Brust, um mich von einer stürmischen Handlung abzubringen, die droht hitzköpfig und ohne Überlegung an die Konsequenzen ausgeführt zu werden. Ich rieche Blut. Seins ... meins ... tief sind die Wunden, die uns das Monster zufügte ... wie tödlich wird diese eine sein.
Machtlos, denn nichts können wir tun, müssen wir mit ansehen, wie die Bruxa während sie uns geradezu spöttisch mit blassen, vor Mordlust funkelnden Augen fixiert, ihren Mund weit aufreißt. Dabei die spitzen Zähne wie wir vordem unsere Waffen präsentiert und ihn langsam auf Thorins Hals sinken lässt. Dünn spannt sich die Haut dort über starke Adern. Adern voller Blut. Und ich sehe mit unaussprechlichem Entsetzen, wie die ersten roten Sale beginnen zu rinnen. Ich will schreien und um mich schlagen. Weinen, beten, kämpfen, für und mit ihm sterben, wie es einst beeidete. Aber in Tatenlosigkeit gebannt verweilt meine entsetzengefüllte Hülle.
Und dann plötzlich und unerwartet, strömt ein blassblaues Licht über die Waldlichtung. Es reißt stark wie springende Fluten an der Finsternis der Nacht. Spült alles eben noch so bedrückend Schlechte hinfort, sodass eine Reinheit übrig bleibt, die hell ist und klar und so voller Schönheit, dass die dies nicht mehr gewohnten Augen unerträglich brennen. Dennoch offen halte ich sie weiterhin. Voller Tränen und Verwunderung und Furcht vor dem nun kommenden. Die Bruxa lässt augenblicklich von Thorin ab und jault auf vor Schmerz. Unerträglich hoch und schrill. Aber anders als sonst ist dieser unverfälscht, vermengt nicht mehr mit Wut oder Raserei, sondern einzig von ausgestandener, todesbringender Qual durchsetzt.
Thorin sinkt entkräftet zu Boden und als wäre der Schrei erneut ein Signal für meinen Körper das Verzagen endlich aufzugeben, stürme ich ungeachtet Dwalins Zurückhalten auf ihn zu. Sorgenvoll und das schlimmste befürchtend lasse ich mich neben seinem geschändeten Körper nieder. Aber, oh ihr großen Valar ich danke euch, er lebt und atmet und hat sogar die Augen weit geöffnet. Eine Hand presst er gegen die Wunde am Hals unter der sich dennoch wenn auch dünne Blutrinnsale ihren Weg über die Haut fließend hervorbahnen können. Wütend über den ermöglichten Angriff und damit größtenteils über sich selbst, brennt sein Blick rauchgeschwärzt. Allerdings sofort beschwichtigt wird der Zorn, als ich mich über ihn beuge und aufhelfe.
Noch immer lärmt die Bruxa neben uns, winselt nur noch, windet sich, versucht verzweifelt mit dem verbliebenen Arm sich vor dem für sie äußerst schmerzhaften Licht zu schützen, dass mir hingegen warm und sanft und fernerhin unvergleichlich vorkommt, geradeso als bestünde es aus etwas Unirdischen, aber Guten. Kaum eine Chance hat sie gegen seine wundersam-edle Kraft. Ungehindert rasch beginnt das Licht sich einen Weg durch die verweste Haut zu bahnen. Frisst große schwarz-besäumte Löcher in sie, dringt tief hinein in das verfaulte Wesen und die in ihm wohnende Dunkelheit. Vertreibt alle bösen Schatten, bis nur noch eine Hülle übrig bleibt, die machtlos und ausgebrannt zu Boden sinkt. Kleine sich kräuselnde Rauchwolken steigen von dem ehemaligen Schreckgespenst auf, dass nun noch knochiger als zuvor im Gras liegt. Die Augen schwarze Höhlen. Die Zähne noch immer von Thorins Blut besudelt, aber einzelne von ihnen lösen sich bereits aus dem blanken Kiefer. Und dann plötzlich, werden die Knochen schwarz wie verkohltes Holz, tiefe Risse bilden sich, zu Asche zerbröseln sie schließlich die hinfort getragen wird vom noch immer wehenden aber nicht mehr ganz so eisig-kaltem Wind. Die Bruxa ist tot. Besiegt.
Nurmehr langsam versiegt die mächtige Flut des rettenden Lichts. Aber nicht gänzlich. Noch immer erglüht es in Wellen auf Blättern, Grashalmen und in den Herzen. Und als die Augen nicht mehr brennen, der ängstliche Schrecken verging, sehe ich zu seinem Ursprung am Fluss hinüber, wo sich plötzlich eine Erscheinung, groß und schön, aus den Fluten erhebt. Wasser fließt in glitzernden Strömen über ein Kleid ganz aus silbergrünen Seerosenblättern. Weiß, blassrosa und topasfarbig zaubern die spitzblättrigen Blüten Verzierungen als wären sie kostbare Edelsteine. Ebensolche Farben schimmern in den langen, muschel-, algen- und schilfgekrönten Haaren, die schwerelos erscheinend eine anmutige Gestalt umwogen, als würden sie noch immer unter Wasser verweilen. Fischschuppig oszillieren einige Stellen, die sich unregelmäßig über die mintgrüne Haut spannen. Auch ihr Gesicht impliziert diese bezaubernde aber unheimliche Schönheit einer anderen, weit entfernten und geheimnisvollen Welt voller Weltenlenker und Wunder. Dennoch ist sie fühlbar anders als die der Bruxa in ihrem beschaulichen Antlitz. Sanfter, friedfertiger, wohlgesonnener. Keinerlei Furcht davor sie könne sich plötzlich in etwas Abscheuliches verwandeln schleicht sich in mein dennoch aufgeregt-schnell hämmerndes Herz, denn erinnere ich mich noch allzu gut der schlechten Erfahrung, die ich bereits mit Wasserwesen sammeln musste.
Thorin neben mir kauernd bewegt sich schwerfällig und senkt achtungsvoll den Blick. Aus den Augen lassen würde er niemals einen Feind, daher einem inneren Drang folgend, denn fühlbar die Erbringung von Ehrfurcht und Bewunderung verlangt dieses Geschöpf, neige auch ich den meinen. „Hohe Herrin der Weidenwinde, ich danke Euch für die Rettung meines und der Leben meiner Gefährten", sagt er demütig leise und ich erzittere bang, denn noch nie war seine Stimme so erfüllt von diesem Empfindend, das sich nicht ziemt für einen (zukünftigen) Herrscher. Und sie ist nicht nur in Argwohn vorgegaukelter Schein, sondern ehrlich, tief und schwer. Was für ein Geschöpf steht uns nur gegenüber. Welch Macht besitzt es. Aus welcher Gabe entstammt sein Einfluss, dem sich sogar Thorin beugt.
„Eure Leben liegen meinem Herrn lieb im Herzen, denn er schätzt die Kinder seines Bruders sehr, auch wenn sie seinem Element nichts abgewinnen können." Während sie mit besinnlicher Stimme spricht, ist es mir, als würde klares Wasser in Flüssen rauschen, weiß-schäumende Gischt die rauen Felsen an den Stränden ferner Meere umspülen und Regentropfen prasselnd vom Himmel fallen. Tief berührt sie etwas im Inneren und alles Schlechte, dass auf meine Seele drückt, wird von ihr hinfort gespült. Ich sehe auf und näher kommt sie, setzt anmutig die ersten Schritte an Land und jeder plätschert wie ein Bach, der in der Stille der Nacht von hohen Bergen hinab über kühle Steine sanft zu Tal fällt und eine einzeln seerosenbesetzte Pfütze bildet, in dem winzige, blau-grün-rot schimmernde Fische ihre Kreise ziehen.
Thorin erhebt sich angeschlagen schwankend und ich stütze ihn besorgt. Blass und zittrig ist er obwohl die Haltung mit viel Starrsinn noch immer die eines stolzen, ungebrochenen Kriegers bleibt. Viel kostbares Blut scheint er trotz des schnellen Erlösens eingebüßt zu haben. Bekümmert ist mein Blick und sanft die Hand, die die seine vom Hals löst, um die Zerstörung zu begutachten. Groß sind die Wunden nicht, aber sie gehen tief und bluten noch immer. Deutlich sind die Krater, die die dämonisch-spitzen Zähne gruben zu sehen und etwas befremdlich Schwarzes glänzt in ihnen. Dwalin tritt an unsere Seiten und auch sein Brummen ist sorgenvoll beim Anblick. Ich suche an mir nach etwas, mit dem ich zumindest die Blutung vorerst stoppen kann, denn weit wird unser Weg zurück zu den anderen und vor allem Oin sein, der ihm hoffentlich helfen kann.
Langsam kommt die Wasserfrau näher, ungeachtet meines panischen Handelns und beruhigend und angenehm kühl ist ihre feuchte Hand auf meiner Schulter, mit der sie dieses schließlich stoppt. „Treu seid Ihr, mein junges Kind. Mutig im Herzen und eifrig in der Ausführung nicht nur Eurer auferlegten Pflichten." Trotz der Demut argwöhnisch ist Thorins Blick, mit der er das zu-nahe-kommen und ihre Worte kommentiert. Ihre Iriden die bannen sind wundersam und faszinierend schön. Weder Empfinden noch Zeit noch Licht scheinen auf sie einwirken zu können. Unergründlich und dennoch lebhaft wie ein Strom klaren Wassers erscheinen sie. Schillernd in allen Farben, als wären sie von Muschelsplittern besetzt. Und trotzdem die Herrin des Flusses es mir still durch sie befiehlt, lasse ich nicht von Thorin ab.
Sie lächelt daraufhin mit Lippen so zart wie eine Seerosenblüte. „Meine Hilfe benötigt Euer Herr nach dem Angriff meiner Schattenschwester, denn wenig auszurichten vermag die irdische Heilkunst gegen die faulige Schwärze, die sie mit einem Biss in den Körpern ihrer Opfer freisetzt." Zu knarzend-berstendem Eis verfiel der Klang ihrer Stimme plötzlich. Jegliches fröhliche Plätschern und lebensfrohe Rauschen verstummten, denn bitterlich ist die Aufklärung über die Folgen des Angriffes. Ich sehe zitternd zu Thorin und wenig überrascht und sich vor ihnen fürchtend erscheint er. „Aber Ihr könnt ihm und mir Beistand leisten, denn etwas wertvoll Helles für ihn, das man nicht häufig in dieser Reinheit und Güte findet in dieser Welt, glimmt in Eurem Herzen. Es vermag die Dunkelheit wohl zu vertreiben, mehr noch vielleicht, als es meine Macht kann."
Ich blick zurück in diese unirdischen Augen angefüllt mit changierender Stärke. Wenig glaube ich ihr, dass ein Gefühl von dem ich selbst nichts erahne, allgewaltiger sein soll als ihre heilige Kraft. Aber dennoch frage ich mit selbstbewusst-fester Stimme, was sie von mir verlangt.
Thorin beobachtet den Wortwechsel mit steinerner Miene und erschreckend schnell fahler werdenden Augen. Scheinbar wenig behagt es ihm, dass die Wasserfrau, ein mächtiger Maiar im Gefolge Ulmos, des Herren allen Wassers, tief bis auf die Gründe von Herzen, Gedanken und Seelen blicken kann wie in einen klaren See. Zu tief, vor allem, wenn es ihn und mich betrifft. Aber sicherlich noch mehr missfällt ihm mein geplantes Mitwirken an seiner Heilung, denn ungern vor Stolz gesteht er sich ein Hilfe gerade von einer Untergebenen zu benötigen. Daher mürrisch tief ist das Brummen eines starrköpfigen Bärs, als ich die Hand wie mir geheißen auf seine Brust lege. Auch Dwalin neben mir knurrt grimmig, aber vermutlich weniger ob der notwendigen Hilfe. Wenig behagt ihm die belangreiche Verbundenheit die selbst andere erfassen und womöglich nun noch gründlicher in die Herzenstiefe reichend gefestigt werden soll. Aber auch er sollte erkennen, dass wir keine andere Möglichkeit haben werden, um Thorin zu retten, denn ungewöhnlich und beängstigend kalt ist seine Haut unlängst und schwach schlägt das Herz unter den zitternden Fingerspitzen. Ich fühle geradezu die schwere Dunkelheit, die sich bereits nach so kurzer Zeit beginnt in ihm auszubreiten. Hässlich ist sie. Brutal und gefühllos. Dem Wesen der Bruxa gleich. Nicht vorzustellen vermag ich mir, was sie aus ihm machen würde.
Die Wasserfrau hebt ihre zierliche, schuppige Hand und lässt die mit Häuten verbundenen Finger über Thorins Kehle zur Ruhe kommen. Kaum berühren sie ihn, schweben nur, und dennoch merke ich die gewaltige Energie, die von ihnen aus auf ihn übergeht. Warm, hell ist sie und von solch einer Reinheit, dass wohl nichts makelloser ist auf dieser Welt. Sie durchströmt fühlbar seinen Körper. Bekämpft die aufsteigenden Schatten. Lässt sie allmählich verblassen. Aber stark und widerspenstig widerstehen sie, obwohl ihre Herrin tot ist. Nicht ohne Wehr wollen sie weichen und den Körper aufgeben, denn sie gerade erst begannen zu unterjochen. Sie erheben sich erneut. Wallen auf wie Nebel. Kämpfen mit dem Guten und plötzlich entspringt ein Kribbeln meiner Handfläche. Heiß und machtvoller als ich es mir je zutraute eine solche zu besitzen.
Thorin atmet ein, drückt den Brustkorb gegen die Fläche der Hand, gierend nach der Helligkeit und sein Herz beginnt schneller zu schlagen und die Augen werden klar und die Haut wärmer. Ermutigt lege ich die zweite Hand auf ihn, lehne mich stärkend gegen seine Brust. Ein letzter nurmehr blasser Schatten huscht über sein Gesicht und verlässt seinen Körper über die klaffende Wunde, die sich infolgedessen geradezu narbenfrei schließt.
Die Wasserfrau entfernt die heilende Hand und als würde sie einen Faden fallenlassen den sie bislang hielt und an dem er hing wie eine Gelenkpuppe, sinkt Thorin schwer zu Boden. Sofort knie ich mich besorgt neben ihn, aber nicht lange dauert die der Erschöpfung geschuldeten Ohnmacht. Eisblau wie ich sie liebe, strahlen mir seine Augen entgegen. Dankbarkeit findet sich darin, aber auch etwas anderes, Wohlbekanntes, denn schon einmal sah ich es funkeln nach einer Bewährungsprobe. Damals, nachdem ich ihn im Kampf besiegte. Gleich abgrundtiefen Seen aus Eis mit einem undefinierbaren, facettenreichen Schillern, als würde frisch gefallener Diamantschnee im hellen Sonnenlicht glitzern. Wie froh ich bin, ihre Klarheit zu erblicken, vermag ich nicht in Worte zu fassen.
Schnell helfe ich ihm mit Dwalins Hilfe auf. Leicht schwankt er noch, aber kein Vergleich ist es zu der nur kämpferisch-stolz aufrecht erhaltenen Festigkeit. Gewohnt glüht seine Haut wie Mahals Essenflammen, ist der Atem ruhig und die Schultern gestrafft. Mein erleichterter Blick trifft die Wasserfrau und in tiefster Dankbarkeit senke ich ihn.
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