Depressionen - aus der Sicht Betroffener
Hier werde ich die ausgefüllten Fragebögen unter einem Pseudonym veröffentlichen. Dinge wie "was war hilfreich" werde ich nochmals extra in die entsprechenden Kapitel schreiben, dort ist dann alles kompakt zusammengefasst. Die Namen werde ich dort aber weglassen.
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Lilly
Diagnose: rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung; schwere Episode
Wie fühlt sich die Erkrankung für dich an? Was macht dir Schwierigkeiten? Hier auch gerne Metaphern oder Vergleiche.
Für mich ist es so, als gäbe es keine Farben mehr. Alles verschwimmt zu einer einzigen, grauen Masse. Mir ist alles egal und Dinge, die mir früher wichtig waren, erscheinen plötzlich belanglos. Wenn ich überhaupt noch Gefühle wahrnehme, dann sind es meist Traurigkeit, Angst, Scham oder Schuld. Dazu kommt Ziellosigkeit. Dadurch, dass alles nur noch grau wirkt, fällt es mir unfassbar schwer zu priorisieren und Ziele zu verfolgen. Und selbst wenn ich wollte, ich kann mich meistens kaum konzentrieren, weshalb ich eh nichts geschafft bekomme. Um das Gefühl von Überforderung, Leere, Scham und Grauen auszublenden, lenke ich mich die ganze Zeit ab. Ich ertrage keine Stille. Denn dann fange ich an zu denken. Und das zieht mich in einen Strudel, aus dem ich kaum entkommen kann.
Unter welchen Symptomen leidest du am meisten?
Die Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Schwere. Dinge, die früher selbstverständlich waren, werden plötzlich zur unlösbaren Aufgabe. Alles ist so anstrengend. Und die Schlafstörungen. Ständig bis weit nach 2 Uhr wachzuliegen und genau zu wissen, dass man am nächsten Tag zu nichts zu gebrauchen sein wird, da man völlig übermüdet ist, hilft auch nicht, die Überforderung und Angst vor jedem Tag zu bessern.
Was ich aber fast am schlimmsten finde, ist diese Leere. Nichts macht mehr Spaß, alles ist egal und nichts löst auch nur die leiseste emotionale Regung in mir aus, auch wenn ich weiß, dass es eigentlich so viel zu fühlen gäbe. Es ist, als wäre ich innerlich tot. Nur noch eine leere Hülle. Ein Schatten von dem, was ich einst war.
Welche Schwierigkeiten begegnen dir im Alltag?
Als jemand, der allein lebt und ziemlich perfektionistisch ist, ist es unfassbar schwer meinen Haushalt gemacht zu kriegen. Ich erledige die Dinge meistens erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, obwohl ich sie gerne viel früher tun würde. Aber die Menge an Aufgaben, die anfallen, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, wirken so überwältigend auf mich, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Wenn ich anfange darüber nachzudenken, dass ich mal wieder die Wäsche anstellen sollte, fällt mir auf, dass ich eigentlich auch mal wieder saugen, das Waschbecken putzen, den Müll rausbringen, Geschirr spülen, kochen, Dokumente sortieren, aufräumen, Fenster putzen, etc. müsste. Und das ist so überwältigend, dass ich am Ende gar nichts mache. Viel schlimmer wird es bei wichtigen Dingen wie Arztterminen, Amtsgängen oder Rechnungen.
Woran merkst du, dass es dir psychisch wieder schlechter geht?
Wenn ich anfange mich zurückzuziehen, seltener auf Nachrichten antworte und keine Lust mehr habe, andere Menschen zu sehen. Das ist ein deutliches Warnzeichen dafür, dass es wieder bergab geht.
Was tust du, wenn du das merkst? Wie hilfst du dir selbst?
Ich zwinge mich, meinen Impulsen zum Trotz, Kontakt zu halten oder sogar aktiv Dinge mit anderen auszumachen. Außerdem fange ich an mich genauer zu beobachten und netter zu mir selbst zu sein.
Was können andere tun? Was hilft dir?
Wenn ich mich nicht melde, liegt das nicht daran, dass ich auch nicht mehr mag. Ich fühle mich nur so sehr wie eine Belastung und bin überzeugt, dass sich andere sowieso nur aus Mitleid mit mir abgeben. Ab dem Moment, ab dem ich keinen Mehrwert mehr biete (durch gute Laune, aktives Zuhören, Gefallen, etc.) bin ich in meinen Augen wertlos. Und ein nicht unwesentlicher Teil von mir ist davon überzeugt, dass alle anderen das genauso sehen. Beweist mir also das Gegenteil. Meldet euch bei mir, sagt mir, dass ihr gerne Zeit mit mir verbringt. Schlagt Treffen vor. Ich würde so gerne, aber traue mich selbst nie danach zu fragen, aufgrund oben genannter Überzeugungen.
Was ist nicht hilfreich?
Sätze wie „Sei nicht so negativ", „Du hast es doch so gut. Sei dankbar für das, was du hast" oder Ratschläge wie „Du musst nur häufiger rausgehen" haben bei mir nur massive Schuldgefühle zur Folge, da ich nun von außen Bestätigung dafür bekomme, was ich doch für eine Versagerin bin. Ich denke, dass ich ja selbst schuld an meiner Situation bin, denn wenn ich mich nur genug anstrengen würde, dann würde ich es dort ja raus schaffen.
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Sam
Wie fühlt sich die Erkrankung für dich an? Was macht dir Schwierigkeiten? Hier auch gerne Metaphern oder Vergleiche.
Ich habe mehrere Vergleiche bzw. Metaphern, da es sich nicht immer gleich anfühlt. Das Gefühl verändert sich, wie sich alles auf der Welt verändert. Mal fühlt es sich wie eine lähmende, zähe, aussichtslose, einengende Schwere an, die einem auf den Schultern lastet. Manchmal ist es auch ein Abgrund, der einen mit sich in die Tiefe reißt. Immer tiefer und tiefer und man kann nichts dagegen tun. Es gibt nichts, woran man sich festhalten kann. Dann ist es wieder ein Gefängnis, das man sich selbst geschaffen hat. Man kann die Gitterstäbe nicht sehen, aber dennoch sind sie da. Sie halten einen davon ab, mit anderen Menschen zu reden, sich ihnen anzuvertrauen, weil man sie nicht belasten möchte, weil man nicht verurteilt werden möchte, weil man Angst hat, nicht verstanden zu werden. Und das Schlimmste: Sie halten einen davon ab, seine eigenen Ziele und Wünsche zu verfolgen und einfach das Leben zu genießen.
Unter welchen Symptomen leidest du am meisten?
Die alles lähmende Müdigkeit und Unlust. Das Gefühl zu versagen. Die unsagbaren Schuldgefühle anderen Menschen gegenüber und mir selbst. Die Frustration darüber, dass ich erschöpft bin. Der Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.
Welche Schwierigkeiten begegnen dir im Alltag?
Das Schlimmste für mich: das Haus zu verlassen. Damit verbunden ist das Fertigmachen. Es gibt Tage und Wochen, an und in denen ich es nicht schaffe, mich zu duschen. Ich gebe das wirklich ungern zu, weil es mich selbst anwidert, aber wenn einem die Kraft dafür fehlt, was soll man da tun? Ich muss mich dann immer dazu zwingen, weil es ja für "andere" das Normalste auf der Welt ist, sich täglich zu waschen. Bei mir tut's oftmals eine Katzenwäsche und frische Klamotten anziehen. Das ist die traurige Wahrheit. Wenn ich dann doch mal das Haus verlasse, weil ich einen (Arzt)Termin habe (was für mich jedes Mal die Hölle ist) oder einkaufen muss, dann dusche ich mich natürlich davor.
Spazieren gehen ist für mich auch nicht drin. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal so ganz "ohne Ziel" das Haus verlassen habe. Einen Job habe ich aktuell nicht. Ich habe eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel in einem Buchladen gemacht. Nach der abgeschlossenen Ausbildung habe ich mit dem Studieren angefangen. Das Studium finanziere ich mir dabei von meinem Erspartem. Mein Studium kann ich von zu Hause aus machen und mir dabei den Stoff so einteilen, wie ich will. Benotet werden meine "Einsendeaufgaben", die ich ganz einfach von meinem PC aus verschicken kann. Mir fällt es unglaublich schwer, darüber mit "echten" Menschen zu reden, weil ich mich dabei wie der größte Versager fühle, dass ich aktuell keine Einnahmequelle habe, weil ich einfach keine Kraft habe, mich acht Stunden lang fernab von meinem Zuhause aus aufzuhalten. (Die Symptome haben sich infolge einer Angststörung entwickelt, die vorher bzw. zuerst da war. Weil das Thema auch noch ausführlich angesprochen wird, schneide ich es hier nur an, da bei mir alles fließend ineinander übergeht bzw. miteinander verbunden ist. Aufgrund der Angststörung habe ich außerdem eine Essstörung entwickelt, bei der ich immer weniger gegessen habe und mir somit die Energie und Vitamine fehlen, dass ich einer ganz normalen Arbeit nachgehen kann.)
Woran merkst du, dass es dir psychisch wieder schlechter geht?
Es fängt morgens an, dass ich bei einem "Schub" schwer aus dem Bett komme, am liebsten liegen bleiben möchte. Wenn ich keinen Appetit verspüre. Wenn ich ständig Ausreden (er)finde, warum ich dies und jenes gerade nicht tun kann. Wenn ich auf keine Nachrichten reagieren möchte, wenn ich mich isoliere. Wenn mir alles zu viel wird. Wenn ich in der Gedankenspirale gefangen bin, die sich darum dreht, dass ich nicht genug bin und mich mit anderen vergleiche.
Was tust du, wenn du das merkst? Wie hilfst du dir selbst?
Mir hilft es, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Am besten ist es, wenn eine Art Routine in meinen Alltag reinkommt, die man "abhaken" kann. Sozusagen eine "To-Do-Liste" im entferntesten Sinne. Meine Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, sie in meine Texte einfließen zu lassen, hilft mir auch sehr, die negativen Gedanken zu verarbeiten. Ablenkung in Form von Musik ist für mich dabei essenziell. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber in der Musik fühle ich mich verstanden. Gerade in den Musikrichtungen Rock und Metal habe ich das Gefühl, dass genau die Themen aufgegriffen werden, die mich selbst aktuell beschäftigen. Einer starken Stimme zu lauschen, die ihren Schmerz hinausschreit, gibt mir tatsächlich unglaublich viel Kraft. Wenn dann auch noch geile Gitarrenriffs dazukommen, bin ich im siebten Himmel oder breche in Tränen aus. Das kommt immer ganz auf meine aktuelle Stimmung an. Songs, die ich zum Thema Depressionen äußerst passend finde: "Brittle" von Icon For Hire. "Walking Away" von Limp Bizkit "Teardrops" von Bring Me The Horizon "Darkness Settles In" von Five Finger Death Punch "Inferno" von Pop Evil Wenn ich noch weiter suchen würde, würde ich noch mehr Songs finden, aber 5 sollten erstmal reichen. Hört sie euch gern an. Da sind nämlich auch super Metaphern und Vergleiche dabei, wie es sich anfühlen kann. (Um nochmal die erste Frage aufzugreifen.)
Was können andere tun? Was hilft dir?
In erster Linie hilft es mir zu wissen, dass ich nicht allein bin. Siehe meine Leidenschaft zur Musik, da fühle ich mich unter Gleichgesinnten, auch wenn ich die Bandmitglieder natürlich nicht persönlich kenne. Es ist schön, wenn ich so sein kann, wie ich bin. Ich bin nämlich nicht 24/7 "Grumpy Cat", sondern von Zeit zu Zeit auch mal zu Scherzen aufgelegt. (Wenn ich an meinen fiktiven Texten arbeite, schwingt deshalb sehr oft ein ironischer Unterton mit. Bei meiner Selbstreflektion (in meinem Blog, in dem ich über mich selbst schreibe) nehme ich mich grundsätzlich nicht ernst, weil mir Humor tatsächlich hilft, damit umzugehen.) Ich bin sogar hin und wieder gesellig. Besonders schön ist es, wenn ich das Gefühl habe, gebraucht bzw. wertgeschätzt zu werden, um meinetwillen und wegen meinen Fähigkeiten und nicht aus Mitleid. Und um die nächste Frage schon etwas vorwegzugreifen, was für mich sehr hilfreich ist: von anderen und ihren Erfahrungen zu lesen und zu hören. Deshalb finde ich dieses Projekt sehr toll und freue mich, meinen Beitrag dazu leisten zu können. (Was gleichzeitig den Aspekt, dass man sich nicht alleingelassen fühlt, nochmal aufgreift.)
Was ist nicht hilfreich?
Von oben herab behandelt zu werden. Ungefragte Tipps und Kommentare zu bekommen. "Reiß dich zusammen." und "Du siehst nicht krank aus." gehen absolut gar nicht. Und wenn man keine Ahnung oder nichts Nettes zu dem Thema zu sagen hat, dann sollte man einfach nichts sagen.
Wenn du sonst noch etwas hinzufügen möchtest, oder dir ein weiterer wichtiger Aspekt einfällt, füge ihn gerne an.
Es ist eine Krankheit, kein Wesenszug. Wie es im Song "Brittle" von Icon For Hire perfekt auf den Punkt gebracht wird. Deshalb begrüße ich es sehr, wenn man mich auch wie einen Menschen und nicht wie eine "Diagnose" behandelt. Wenn ich allerdings klar und deutlich sage, dass mir gerade alles zu viel wird, dann wäre es sehr cool, wenn Rücksicht genommen wird. Heißt im Klartext: Ein "Nein" ist ein Nein. Ohne, dass ich mich rechtfertigen muss. Zum Thema "Romantisierung" habe ich folgendes zu sagen: Jeder, der daran erkrankt ist, kämpft dagegen an, denn niemand wird damit geboren. Niemand schreit danach. Niemand sucht sich das aus. Und niemand wünscht sich das. Dass es oft romantisiert wird, finde ich alles andere als gut. Es will mir einfach nicht in den Kopf, was daran "romantisch" sein sollte, wenn ich mir doch selbst nichts sehnlicher wünsche als dieser Scheiße zu entkommen und endlich wieder "normal" zu sein.
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Charlie
Diagnose: Laut Therapeuten und Psychiaterin: schwere Depressionen, Angststörungen und als
Kind PTSD erlebt.
Wie fühlt sich die Erkrankung für dich an? Was macht dir Schwierigkeiten? Hier auch gerne
Metaphern oder Vergleiche.
Wie eine niemals endende Erschöpfung und Erkältung. Mein Gehirn ist oft benebelt und es fällt mir schwer, klare Gedanken zu fassen. Der Tag gleitet einfach an mir vorbei, ohne dass mir bewusst wird, was ich eigentlich tue. Ich bin ständig unmotiviert. Ich will am liebsten einfach nur mich irgendwo hinlegen und nichts tun. Oft ist es mir unmöglich zu denken, dass das Leben jemals besser wird. Es fühlt sich so an, als würde es ewig so weitergehen. Ich spüre zwar kein deutliches Leid, aber diese ständigen Gefühle und dieser Zustand sind trotzdem so schrecklich, dass ich trotzdem irgendwie leide und will, dass es endet.
Unter welchen Symptomen leidest du am meisten?
Keine Motivation, keine positiven Gedanken oder Gefühle, selbst wenn ich versuche sie zu haben. Oft habe ich auch psychosomatische Symptome. Ich kann manchmal nicht mehr sprechen, oder fühle mich, als würde ich krank werden, es fällt mir schwer,vmeinen Körper zu bewegen. Dinge, die mir Freude machen sollten, lösen keine bei mir
aus. Der sogenannte Brainfog.
Welche Schwierigkeiten begegnen dir im Alltag?
Meiner Arbeit nachzugehen. Ich muss mich ständig dazu aufraffen, aber ich schaffe es nicht, lange an etwas dran zu sitzen und muss regelmäßig Pausen machen. Manchmal, wenn mich ein depressives Tief trifft, schaffe ich es nicht mehr gut zu sprechen. Kommunikation mit anderen Menschen fällt mir schwer, auch sozial zu sein und an Sachen teilzunehmen. Es kostet unglaublich viel Kraft, dann noch an Gesprächen
teilzunehmen und tatsächlich "da zu sein". Ich hab oft wenig Kraft und schaffe es manchmal nur das Allernötigste zu machen, andere Dinge bleiben oft lange liegen.
Woran merkst du, dass es dir psychisch wieder schlechter geht?
An körperlichen Symptomen wie ein benebeltes Gefühl im Kopf, psychosomatische Symptome wie schmerzende Glieder oder Halsweh, als würde ich eine Erkältung bekommen, aber ich kriege keine. Manchmal ist es, weil ich öfters das Gefühl habe,
weinen zu müssen, manchmal ist es, weil meine Gefühle vollständig ertauben.
Was tust du, wenn du das merkst? Wie hilfst du dir selbst?
Ausruhen, mit Dingen ablenken, die mir eigentlich viel bedeuten, wie Musik, Filme. Mit jemanden zu sprechen, der Verständnis für die Krankheit hat. So gut es geht die Dinge zu tun, die wichtig für meinen Körper sind, wie gesunde Ernährung, genug trinken, spazieren gehen, malen, zeichnen, schreiben, musizieren. Akzeptieren und
einfach nur abwarten, bis das Tief wieder vorbeigeht.
Was können andere tun? Was hilft dir?
Wenn ich den Haushalt nicht schaffe, für mich putzen und kochen. Mir zuhören, oder, wenn ich nichts sagen kann, einfach Zeit mit mir verbringen und versuchen, mich abzulenken.
Was ist nicht hilfreich?
Die allgemeinen Floskeln (vor allem von Leuten, die mich nicht gut kennen oder sich gar nicht gut mit psychischen Krankheiten auskennen): du musst einfach dankbarer sein, an schöne Dinge denken, dann geht es dir besser! Ich habe auch mal eine Zeitlang mich sehr depressiv gefühlt, dann hab ich xy getan und mir ging es viel besser, das musst du auch unbedingt machen. Einfach ein bisschen mehr zusammenreißen, dann geht das schon wieder. Von mir zu verlangen, dass ich wie ein normaler Mensch funktioniere, oder mich über Dinge freue, die sie für mich tun. Sich von mir abwenden und sich nur wieder melden, wenn sie das Gefühl haben, es könnte wieder besser geworden sein oder ich hab jetzt genug Therapie gemacht, jetzt sollte ich wieder umgänglicher sein, mich ständig von Antidepressiva überzeugen zu wollen.
Wenn du sonst noch etwas hinzufügen möchtest, oder dir ein weiterer wichtiger Aspekt
einfällt, füge ihn gerne an.
Mir ist erst zu spät aufgefallen, dass viele von meinen körperlichen/gesundheitlichen Problemen, eigentlich wegen meiner ungelösten psychischen Probleme kamen. Ich hab jetzt leider regelmäßig mit vielen psychosomatischen Symptomen zu kämpfen, die ich momentan auch nicht so leicht loswerde. Aber ich versuche, meinen Körper nicht
dafür zu verdammen, sondern als Zeichen zu sehen, dass ich mir mehr Ruhe geben muss. Meine Depressionen sind keine Inspiration für meine künstlerischen Ambitionen. Sie hindern mich daran, mich überhaupt künstlerisch betätigen zu wollen. Medikamente können helfen, aber nicht jedem. Ich bin weder gegen, noch für Medikamente und denke, dass jeder das für sich selbst entscheiden muss. Ich hab mehrere ausprobiert. Die Nebenwirkungen waren zu stark und die erhoffte Wirkung war kaum da. Für mich war es nichts und ich möchte auch keine mehr nehmen.
Therapie ist gerade bei mir der beste Weg, um mit meiner Krankheit zu leben und eventuell auch dafür zu sorgen, dass sie besser wird.
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Law
Diagnose: rezidivierende mittelschwere Depression
Wie fühlt sich die Krankheit an, was macht Schwierigkeiten?
Da ich eine hochfunktionale Depression habe, habe ich normalerweise nicht das Problem, dass mir die Energie fehlt oder ich prokrastiniere. Ich kann mich immer aufraffen etwas zu tun, nur fühle ich mich dabei oft nicht gut und sehr gestresst. Insgesamt stressen mich die verschiedensten Situationen leicht. Insbesondere jene die Menschen beinhalten. Reizüberflutungen wegen Menschenmassen und Geräuschen stehen an der Tagesordnung. Dazu kommen Breakdowns wegen den kleinsten Dingen und ein Gefühl der Sinnlosigkeit im Leben und von Zeit zu Zeit auch daraus resultierende Fluchtgedanken. Auch ein ständiges Einsamkeitsgefühl, bei dem es egal ist wie viele Freunde man hat und eine emotionale Leere gehören dazu.
Unter welchen Symptomen leidest du am meisten?
Mit einer hochfunktionalen Depression lernt man unglaublich gut zu funktionieren. Nach außen hin führe ich ein nahezu perfektes Leben mit Hobbys, Freunden und Erfolgen, allerdings sieht man nie, wie einsam ich mich dabei wirklich fühle. Ich hege viel zu hohe Ansprüche an mich selbst und habe das ständige Gefühl nie gut genug zu sein. Die Leistungen müssen immer besser werden und das Leben immer perfekter. Dabei nimmt man seine eigenen Gedanken nicht ernst und spricht mit niemanden darüber, dass man sich relativ konstant nicht gut fühlt. Das endet dann in einer Einsamkeit, aus der es schwer ist alleine einen Weg raus zu finden, da man sich emotional so sehr abschottet. Die Leute um einen herum reagieren oft erstaunt, wenn man ihnen erzählt, dass man unter Depressionen leidet. Und die Hürde sich Hilfe zu suchen ist extrem hoch, denn man hat den ständigen Gedanken im Kopf, dass niemand einen versteht und man ganz alleine ist mit seinen Problemen und sie am Ende ohnehin unwichtig sind.
Woran merkst du, dass es dir psychisch wieder schlechter geht?
Ich merke es daran, dass mich auf einmal wieder Dinge stressen mit denen ich davor klargekommen bin und Dinge, die mich normalerweise glücklich machen, wirken nicht mehr. Was sehr auffällig ist, ist dass es mir schwerer fällt morgens aus dem Bett zu kommen. Ich will den neuen Tag nicht starten und am Abend will ich nicht, dass der Tag endet, weil ich das Gefühl habe nichts geschafft zu haben. Außerdem bin ich insgesamt unzufriedener mit mir und allem was ich tue. Ich fange dann an zu überdenken und sende mich damit selbst in eine Abwärtsspirale, bei der es schwer ist auszubrechen.
Welche Schwierigkeiten begegnen dir im Alltag?
Das Gute an der High Functioning Depression im Gegensatz zu der 'klassischen' Depression ist, dass im Alltag erstaunlich wenig Schwierigkeiten auftreten. Natürlich geht es einem nicht gut, aber man kriegt normalerweise immer noch alles irgendwie auf die Reihe. In Phasen, in denen ich jedoch mehr in eine 'klassische' Depression reinrutsche, kämpfe ich mit breakdowns in der Öffentlichkeit, welche zu Teilen auf großes Unverständnis treffen. Die meisten Probleme trage ich jedoch mit mir selbst zuhause und alleine aus.
Was tust du wenn du das merkst? Wie hilfst du dir selbst?
Ich gebe mir Mühe nicht zu hart mit mir zu sein. Außerdem versuche ich mit meinen Freunden und meiner Therapeutin darüber zu reden um frühzeitig entgegensteuern zu können. Es tut gut, einen geregelten und strukturierten Tagesablauf zu haben und lange Spaziergänge sind sehr heilsam. Ich persönlich finde fast immer Frieden in der Natur und darin zu schreiben. Ich versuche meine Emotionen und Gedanken in Kreativität umzuwandeln um sie auszudrücken und von der Seele zu bekommen.
Was können andere tun? Was hilft dir?
Versuchen den Kontakt mit mir zu waren. Es tut gut, wenn man weiß, dass man nicht die einzige Person ist die sich in einer Freundschaft bemüht. Und es ist auch wichtig, dass man nicht zulässt, dass ich mich distanziere. Reden ist auch immer schön. Einfach ein ernstgemeintes 'wie geht es dir?' kann schon viel bewirken. Aber man muss es auch akzeptieren können, wenn ich gerade nicht über etwas sprechen will.
Was ist nicht hilfreich?
Sich aufdrängen und am Ende anstatt mir zuzuhören über andere Sachen zu reden. Auch in diesen Momenten Vorwürfe zu machen oder einen nicht ernstnehmen ist nicht nur nicht hilfreich sondern wirkt sich extrem negativ aus.
Wenn du sonst noch etwas hinzufügen möchtest, oder dir ein weiterer wichtiger Aspekt einfällt, füge ihn gerne an.
Ich persönlich befinde mich inzwischen seit 2 Jahren in Psychotherapie (Verhaltenstherapie) und mir geht es um Welten besser als zuvor. Natürlich gibt es und gab es immer wieder Rückschläge, doch insgesamt ging es bergauf, so dass ich jetzt an einem Punkt angekommen bin zu sagen, dass ich mir zutraue meine Depressionen und Gedanken sehr gut im Griff zu haben. Es wird immer Tage geben an denen es mir schlechter geht, doch ich habe gelernt damit umzugehen und mich wieder selbst mehr wertzuschätzen. Therapie lohnt sich. Und ich bin meiner Therapeutin und meinen Freunden unendlich dankbar, dass sie mich auf diesem Weg unterstützt haben.
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