Kapitel 29
Gegenwart
„Es bringt dich um."
Ich schnaubte in mein Glas. „Ich komm schon klar."
„Unsinn."
„Was? Willst du mich in eine Entzugsklinik schicken?"
„Nein."
Ich sah zu dem braunhaarigen Mann mit der ruhigen Miene, obwohl ich in ihm einen Sturm toben sehen konnte. Noah bedachte mich mit diesem Blick, den ich nicht beschreiben konnte.
„Und?" Ich trommelte mit den Fingern auf meine Oberschenkel, um zu verbergen, dass sie zitterten. „Willst du den Alkohol wegschütten und mich einsperren? Mich zwingen aufzuhören?"
„Nein." Seine Stimme war kalt und hart, während in meiner hingegen mehr als Panik schwang. Ich stellte das Glas mit einem lauten Knall auf den Tisch. „Was dann? Du wolltest reden? Also rede, verdammt!"
„Ich warte."
„Auf was?"
Er bewegte sich nicht. Noah wirkte stark und zuverlässig, das obwohl sein Äußeres etwas ganz anderes sagte. Er war eine Mauer aus Muskeln, die in seinem Wohnzimmer stand und nicht vor hatte sich zu bewegen.
„Du wartest." Ich atmete tief durch und versuchte das Drehen des Raumes zu ignorieren. „Tja! Warte wo anders!"
Noah blieb einfach stehen.
„Hast du mich nicht verstanden?"
Kein Blinzeln. Kein Atmen. Wie erstarrt stand er da. Wie eine ausgeschaltete Maschine.
Ich stemmte die Hände in die Hüfte. Nachdem wir aus dem Krankenhaus kamen und mir Gared auf ärztliche Anweisung befahl kein Alkohol zu trinken, weil es nicht gut für meinen Körper und die anstehende Operation wäre hatte ich mir erstmal ein Glas Wein eingeschenkt. Seitdem hat mich Noah angesehen und kaum ein Wort gesagt. Vermutlich ist ihm mein unstillbarer Alkoholkonsum aufgefallen. Seit ich vor drei Jahren gegangen war hat es nicht einen Tag gegeben, an dem ich keinen Alkohol getrunken hatte. Das hatte ich ihm natürlich nicht gesagt, aber ich war mir sicher, dass er es wusste.
Ich zeigte mit dem Finger auf die Tür. „Geh! Lass mich alleine!"
Stille.
Frustration staute sich in meinem Körper, aber da war noch etwas anderes. Etwas tieferes.
„Verschwinde!" brüllte ich. „Lass mich in Ruhe!"
Wut.
Er bewegte sich nicht. Warum zur Hölle bewegte er sich nicht? Etwas in mir brannte, ging in Flammen auf. Die Barriere brach. Der Damm, den ich vor Jahren gebaut hatte, gegen den immer stärker werdenden Fluss der Angst, Frust und dem Hass auf mich selbst.
„Ich schwöre, Noah, wenn du nicht gehst dann ruf dich Cops", sagte ich mit zitternder Stimme. Mir war bewusst, dass ich ihn aus seiner Wohnung schmeißen wollte, aber das war mir egal.
Sein Kiefer zuckte, aber er sprach nicht.
Mir stockte der Atem, und meine Hände zitterten so sehr, dass sie meinen ganzen Körper erbeben ließen. Wütend warf ich mit einem Kissen nach ihm.
„Raus hier."
Nur ganz leicht bewegte er seinen Kopf, um dem Kissen auszuweichen, aber verzog nichtmal sein Gesicht. Ich schnappte mir das nächste Kissen und zielte auf ihn. Es landete vor seinen Schuhen. Das dritte Kissen traf ihn an seiner Brust. Ein hysterischer Schrei verließ meine Kehle und ich suchte verzweifelt nach Sachen die ich nach ihm schmeißen konnte. Ich war so verzweifelt, dass ich das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Ich fiel auf die Knie und schlang die Arme um meinen schlotternden Körper, um mich zusammenzuhalten.
Er wird nicht gehen.
„Bitte." weinte ich. Mir schmerzte mein Gesicht. „Ich will nicht, dass du mich so siehst. Bitte geh, Noah."
Er wird niemals gehen.
Noah's Schuhe erschienen in meinem verschwommenen Gesichtsfeld. Seine Stimme war sanft und bestärkend.
„Ich bleibe." Er kniete sich neben mich und nahm mein Gesicht in seine weichen Hände. Sein harter Blick flehte mich an, aufzugeben. Nachzugeben. Doch ich war nicht bereit. Die Angst davor, nicht mehr aus dem Fluss zu kommen saß zu tief. Ich musste trinken. Ich musste betrunken bleiben, für immer oder ich würde zerfallen.
Ich würde im Fluss ertrinken.
Eigentlich wollte ich etwas anderes sagen. „Ich brauche Hilfe." hauchte ich. Meine Haut war fiebrig, meine Tränen heiß, als sie über meine Wange und über seine Hände liefen, die meine Backen umfassten.
„Hilf mir." Alles tat weh. „Bitte. Ich brauche deine Hilfe."
Noah rückte näher an mich und streichelte meine Wangen. „Ich werde dir helfen."
Ich packte sein schwarzen Anzug und krallte meine Fingernägel in den dünnen Stoff. Nichts an Noah, war nicht verlässlich und absolut ehrlich. Die Wahrheit. Er sagte die Wahrheit. Noah würde mir helfen.
Aber ich konnte nicht aufhören zu trinken. Es würde nicht gehen. Ich war zu schwach. Meine Mutter sagte mir schon mein ganzes Leben, dass ich zu schwach sei und sie hatte recht. Sie hatte immer recht. Der Drang mir die Flasche Wein zu schnappen war wild und böse. Ich sank gegen seine warme Brust und schluchze heftig. Ich klammerte mich an Noah und er ließ mich nicht los. Er stützte mich. Das brauchte ich und es hatte mir über die Jahre hinweg gefehlt. Ich rieb mir die Augen.
„Ich hab die letzten drei Jahre jeden Tag getrunken."
Ich fühlte wie er nickte.
„Du solltest Dir professionelle Hilfe suchen. Eine Arzt oder in eine Klinik..."
„Nein!" Ich sprang vom Boden auf und als ich schwankte, hielt Noah mich fest. „Ich mach das hier. Im Krankenhaus bekommt man Medikamente. Ich will keine Medikamente."
„Wir schaffen das, Mary. Ich bleibe bei dir und werde nicht gehen."
Ich sah zu ihm hoch. „Es wird nicht toll werden. Weder für mich noch für dich."
„Ich schaff das."
„Aber du musst arbeiten."
„Es ist okay."
„Das geht nicht..."
„Es ist okay, Mary." sagte er. „Es gibt genug Menschen die da sind und für mich einspringen."
Ich schlang die Arme um mich. Er lies keine Widerrede gelten. „Du musst den Alkohol verstecken."
Er nickte. „Das werde ich. Und du gehts schlafen. Morgen wird ein langer Tag."
Ich wusste, dass Noah da war. Ich war nicht allein.
Und das genügte mir.
Es bedeute mir mehr als alles andere.
over and out.
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