Kapitel 24
Memorie
Hektisch sprang ich auf mein Bett und zog meinen Ärmel bis über meine Handfläche. . „Ja, bitte?"
Mein Bruder steckte seinen Kopf in mein Zimmer und lächelte mich an. „Darf ich reinkommen?"
Ich nickte. Es wunderte mich, dass er so zurückhaltend auftrat. Normalerweise klopfte er nichtmal an meinem Zimmer um rein zu kommen. Ein beunruhigendes Gefühl beschlich mich.
Edward setzte sich neben mich aufs Bett und strich über meine ordentliche Bettdecke, um eine Falte zu glätten, die er beim hinsetzten verursacht hatte. Er wusste, dass mich sowas leicht aus der Rolle brachte.
„Ich fahr' später wieder ans College und wollte davor nochmal mit dir sprechen."
„Hab ich irgendwas ausgefressen?"
Er schüttelte seinen Kopf und sah mich bedacht an. „Nein. Mir ist gestern nur etwas aufgefallen."
Unsicher schob ich den Ärmel weiter über meine Hand und presste meinen Arm reflexartig an meinen Oberkörper. Edward folgte meinen Blick und biss sich auf seine Lippe. „Offensichtlich lieg ich mit meinem Verdacht nicht falsch." Er rückte näher an mich heran. „Ich hoffe du weist, dass ich Mom und Dad auf keinen Fall Recht gebe mit dem was sie sagen. Aber es wäre das beste, wenn du dir tatsächlich professionelle Hilfe suchst."
Meine Muskeln versteiften sich und für einen kurzen Moment hörte ich auf zu atmen. Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen und schüttelte panisch meinen Kopf.
„Was? Nein!"
Er nahm meinen Arm und hielt ihn fest. „Wenn du mir zeigst, dass an deinem Handgelenk keine Verletzungen sind, dann ändere ich meine Meinung."
Tränen stiegen in meine Augen.
Edward's Blick wurde trüb und er schob den Ärmel meines Pullovers hoch, so dass er meinen zerkratzten Arm sehen konnte. Mein Unterarm blutete von frischen Kratzern, teilweise war es verkrustet und wenn man genau hinsah, konnte man helles Narbengewebe sehen, dass hinter der roten Fläche hervor blitzte. Es war erstaunlich, dass meine Fingernägel soetwas anrichten konnten. Immer wenn ich auf meinen Arm sah, durchströmte mich eine unbeschreibliche Erleichterung. Ich wusste, dass es falsch war, aber ich fühlte mich besser. Bei der kleinsten Stresssituation wanderte meine Hand zu meinem Handgelenk und verselbstständigte sich.
„Ach du meine Güte." Der braunhaarige sah mich fassungslos an. „Das sieht ja schlimmer aus, als ich gedacht habe. Warum machst du das?"
Ich entzog mich entblößt seines Griffes und wendete meinen Blick ab. „Ich kann nicht anders."
„Mary," flehte er. „Geh bitte zu einem Psychologen."
Mein Kiefer knackte, als ich meine Zähne zusammenbiss. „Ich wüsste nicht wieso. Mir geht es gut. Ich fühle mich gut. Alles bestens."
„Du bist so geübt im Lügen, dass du die Wahrheit selbst nicht mehr erkennst und das obwohl du dich jeden Abend in den Schlaf weinst. Geh zum Psychologen, oder ich halte Mom und Dad nicht mehr davon ab dich in eine Klinik zu schicken."
Glances, all I see are glances
Left and right, they like it
When they know I'm anxious
Shadows, all I see are shadows
Hiding where the wind blows
And where my mind got torn
Stille.
Alles was ich hörte war Stille.
Schatten.
Alles was ich sah waren Schatten.
Leere.
Alles was ich fühlte war Leere.
Doch dann trat Noah in mein Blickfeld und ich erhob meinen Kopf, um den besten Freund meines Bruders anzusehen.
Ich saß auf der Terrasse und er kam auf mich zu, warf mir ein breites Lächeln zu, dass mein Herz zum Schmelzen brachte. Es floss dahin, um dann unter seinem intensiven Blick zu verdampfen. Der einundzwanzig-Jährige ließ meinen Körper verrückt spielen und das nur, weil er in meiner Nähe war. Er verscheuchte die Schatten mit seinem Licht und füllte mein Inneres mit Liebe. Noch nie hatte ich für jemanden so etwas empfunden wie für ihn.
Noah war mein Rettungsring, aber in dem Sturm auf hoher See konnte er mich nicht sehen, würde es auch niemals tun. Für ihn war ich unscheinbar. Ich ergötzte mich an seiner Anwesenheit und versuchte nur damit über Wasser zu bleiben. Allein die Hoffnung, ich würde irgendwann mehr als nur die kleine Schwester seines besten Freundes sein, erhielt mich am Leben. Aber er hatte mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nie mehr sein würde.
Mary, hatte er gesagt, du bist wie eine Schwester für mich.
Ich konnte mich noch zu gut erinnern wie er mir ein Messer mitten ins Herz gestochen hatte und ich kurz davor war zu verbluten.
„Du solltest rein," sagte er und deutete auf den Himmel. „Es fängt bestimmt gleich an zu regnen."
Ich sah nichtmal nach, sondern nickte einfach und folgte ihm ins Innere. Das Gesicht meiner Mutter erhellte sich sofort, als sie Noah erblickte und legte ihre Arme um ihn. „Es freut mich dich zusehen, Noah."
Ihr Blick schweifte zu mir. „Und du! Geh auf dein Zimmer und lerne! Wenn du beim Test am Montag wieder nur 94 Prozent schaffst, dann kannst du was erleben! Auf!"
Ich zog meinen Kopf ein und nickte. Ich hatte nicht vor sie nochmal zu enttäuschen. Bevor ich hochging schenkte ich Noah noch ein kleines Lächeln, was er liebevoll erwiderte. Seine Lippen hielten mich gefangen. Was würde ich dafür tun ihn zu küssen? Seine weichen Lippen auf meinen zu spüren und durch seine Haare zu fahren, bis hin zu seinen Haarspitzen.
Er starrte mir in die Augen und drehte sich plötzlich um. Enttäuscht stapfte ich die Treppen hoch und schloss die Tür hinter mir.
Wie gesagt: Ich war wie eine Schwester für ihn.
over and out.
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