Kapitel 11
Memorie
„Hör auf mich so anzugrinsen!"
„Ich grinse doch gar nicht!"
„Dann, hör auf mich auszulachen."
„Ich lache nicht."
„Dann, hör auf mit was auch immer du tust."
Noah zog mich an seiner Hüfte näher zu ihm und gab mir einen sanften Kuss auf den Mund. Ein Kribbeln suchte meinen Körper heim und ich konnte mir ein Seufzten nicht verkneifen.
„Willst du immer noch das ich aufhöre?" flüsterte er in mein Ohr und fuhr die Konturen meiner Schulter nach. Seine weichen Lippen fanden den Weg zu meinem Hals und saugten zärtlich an meiner Haut.
„Nein, aber du weist dass ich los muss." sagte ich schweratmend und drückte ihn wiederwillig von mir.
Noah fuhr durch meine Haare. „Du hast recht und solltest nicht zu spät kommen. Ich fahr dich hin."
Ich biss mir schuldig auf meine Unterlippe. „Es tut mir leid. Wir wollten eigentlich das ganze Wochenende zusammen verbringen."
Von Cambridge nach Aberdeen, Maryland dauerte es etwas mehr als sechs Stunden, welche Noah Freitag Nacht gefahren war, um bei mir zu sein. Wir wollten uns ein schönes Wochenende machen, da wir uns seit ein paar Wochen nicht gesehen hatten. Immerhin ging er nach Harvard in Cambridge und ich hatte hier mit der Highschool zu kämpfen. Wohlgemerkt stand ich kurz davor aufs College zu gehen, also würden wir uns in ein paar Monaten noch seltener sehen können. Er musste sich auf sein Studium konzentrieren und ich mich darauf, dass ich das College rockte, damit ich auf der Columbia studieren konnte. Merlin, Jay, Lisa, Max und ich hatten uns geschworen alle auf die Columbia zu gehen und wenn ich es nicht schaffen würde, dann wäre alles um sonst gewesen.
Noah strich mir meine Haare hinters Ohr, sodass meine unzähligen Ohrpiercings zum Vorschein kamen. „Du hast eine Stunde Therapie, Babe. Die Zeit ohne dich werde ich gerade noch so überleben."
Ich zwang mir ein Lächeln auf und nickte. Das war heute meine erste Stunde Therapie bei dem neuen Psychologen und ich hatte echt Angst. Der erste war schon schlimm genug gewesen, aber dass meine Eltern mich nun zu einem weiteren schickten, welcher sich mit Spezialfällen beschäftigte, gab mir den Rest. Es gab Tage an denen ich mir selbst einredete, dass ich verrückt wäre, gestört. Aber ich rief mir immer wieder ins Gedächtnis, dass meine Ticks zu mir gehörten und dass ich einfach meine Macken hatten. Deshalb brauchte ich nicht gleich einen Seelenklempner, welcher mir immer wieder aufzeigte, dass ich ihn nötig hatte. Wahrscheinlich wollte er einfach das meine Eltern weiter tausende von Dollar in seiner Praxis ließen.
„Babe," flüsterte Noah. „Denk nicht wieder so viel nach. Deine Eltern haben einfach keine Ahnung. Du bist nicht verrückt."
„Das sagst du. Für meine Eltern bin ich das. Aber lass uns nicht weiter darüber reden. Wir sollten los."
„Deine Eltern haben mir einiges über dich erzählt, Mary." sagte Doktor Sullivan. „Du bist siebzehn und gehts auf die Aberdeen Private. Mir wurde gesagt, dass du im Schwimmteam bist."
Ich schüttelte belustigt meinen Kopf, um meine Bestürztheit zu verdecken. Mir war durchaus bewusst, dass meine Eltern kein Interesse an mir hatten, aber das?
„Im Schwimmteam bin ich schon seit sechs Jahren nicht mehr."
„Da müssen deine Eltern wohl etwas verwechselt haben." Der grauhaarige schaute kurz in meine Unterlagen. „Wenn du nicht schwimmst, was machst du dann in deiner Freizeit? Willst du mir davon erzählen?"
Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen und ich setzte mich aufrechter hin. „Ich bin Cheerleader. Besser gesagt bin ich der Captain."
Ich war mir sicher, dass meine Eltern nicht wussten, dass ich im Cheerleaderteam war. Obwohl ich es beim Abendessen öfters erwähnt hatte. Doch wahrscheinlich... interessierte es sie gar nicht. Immerhin war Edward in Harvard. Wie sollte ich das toppen?
„Interessant. Und das beeinträchtigt auch nicht deine schulische Leistung. Deine Mutter meinte, dass du wohl nicht so gut in der Schule wärst."
Meine Schultern sackten in sich zusammen und meine Laune sank komplett in den Keller. „Mein Schnitt liegt bei eins Komma dreißig, doch ich bin auf dem besten Weg zu eins Komma null." verteidigte ich mich. „Ich hab gesagt, dass ich mich noch mehr anstrengen werde. Das können sie mir glauben."
Doktor Sullivan kräuselte seine Stirn und verschränkte seine Arme. „Du stehst unter enormen Leistungsdruck, nicht wahr? Erzähl mir doch mal, an was du denkst wenn dir deine Eltern in den Sinn kommen."
„Das ist nicht wichtig. Soll ich ihnen sagen warum? Weil ich meinen Eltern einen Scheiss bedeute. Für sie bin ich die verwelkte Blume, die man nicht wegschmeißt, weil man sich sonst schlecht fühlt. Und deswegen gießt man sie weiter, obwohl sie einem nichts mehr bedeutet. Man fühlt sich einfach verpflichtet sie am Fensterbrett stehen zu lassen."
Meine Stimme brach nicht oder verlor an Lautstärke. Sie war gleichgültig, monoton. Mit dieser Tatsache hatte ich schon lange abgeschlossen. Ich hatte mich ein paar Tage in meinem Zimmer eingeschlossen und mich ausgeweint, bis ich einfach nur regungslos da saß und beschloss es einfach zu akzeptieren. Was sonst sollte ich tun? Seitdem hatte ich keine Träne mehr vergossen, da ich mir schwor niemals wieder so Schwach zu wirken. Vor allem nicht wegen Leuten die mein Kummer nicht verdient hatten.
„Du trägst großen Frust in dir."
„Ich bin nicht frustriert. Eher verspüre ich einen Anflug von Trauer. Aber das ist kein Grund wöchentlich in ihre Praxis zu kommen."
„Da liegst du richtig." sagte er. „Aber deine Verletzungen sind Grund genug."
over and out.
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