Lea und das geheimnisvolle Grab (Teil 3)
"Was machen wir jetzt?", fragte ich Lea beunruhigt. "Wollen wir erst einmal zurück und Mum und Dad Bescheid geben, dass wir etwas gefunden haben?" "Was?!" Sie sah mich vollkommen entgeistert an. "Wenn wir jetzt zurückgehen und es ihnen erzählen, werden sie uns hier nie wieder hinunterlassen! Bestimmt reißen sie das Kommando an sich, und unser Fund wird als ihrer vermarktet." Ich zweifelte stark an dieser Aussage. "Glaubst du, sie würden das wirklich durchziehen?" Lea seufzte unschlüssig. "Ich weiß es nicht genau. Aber- Ich will einfach nicht, dass jemand es uns wegnimmt. Das ist unser Verdienst!" "Eigentlich nur deiner", murmelte ich so leise, dass meine Schwester es nicht hörte. Aber sie ignorierte mich sowieso, ein grüblerischer Ausdruck auf ihrem Gesicht.
"Worüber denkst du jetzt schon wieder nach?", fragte ich leicht genervt, denn ich wollte endlich hier raus. Normalerweise war ich kein Feigling, aber diese Grab? Es jagte mir immer wieder Schauer über den Rücken. Als wolle mich der letzte Rest animalischer Instinkt in mir warnen, und mir raten wegzulaufen. Das war so paradox; ich konnte stundenlang in irgendwelchen dunklen Maya-Pyramiden herum klettern, aber ein ägyptisches Grab machte mir eine Heidenangst. Lea dagegen wirkte überall entspannt, und egal was passierte, sie behielt ihre ruhige, entschlossene Ausstrahlung. Ich kannte sie zwar gut genug, um zu wissen, dass ein Teil davon nur Show war, aber beneiden tat ich sie darum trotzdem.
"Immer noch über das Gleiche wie vor ein paar Minuten; das Katzengrab, wie du es genannt hast", murmelte sie, in Gedanken ganz woanders. "So etwas wie ein Katzengrab, dürfte es eigentlich nicht geben. Ich habe zumindest noch nie davon gehört...", und weiter grübelte sie. Ich schätze, das Lea an diesem Tag schon mehr nachgedacht hatte, als ich vorher in meinem ganzen Leben. Unsere Gene waren wirklich unfair verteilt; sie war super klug, und ich war, nun ja; durchschnittlich. In allem. Ich sah durchschnittlich aus, war durchschnittlich klug. Das einzige worin ich überdurchschnittlich war, war Kultur und Handwerk der Mayas. Also das letzte, was einem im Leben weiterhelfen konnte.
Ich befreite mich aus meinen bedrückenden Gedanken. "Können wir bitte weitergehen, wenn du unbedingt noch tiefer hinein willst?", richtete ich das Wort wieder an Lea. Und stellte fest, dass sie schon weitergegangen war. Gehetzt eilte ich ihr hinterher. "Lass uns endlich die Grabkammer finden. Dann wird sich auch klären, wer hier begraben ist; ein äußerst bescheidener Pharao, eine Katze oder irgendjemand anderes", meinte sie zu mir, und legte wieder ein zügiges Schritttempo an den Tag. "In Ordnung", erwiderte ich, während ich, nicht zum ersten Mal heute, Probleme hatte. mit ihr mitzuhalten.
Wir schlugen uns weiter in den elendig dunklen Tunnel. Nach einer Weile hörten die Stufen endlich auf und der Tunnelboden wurde eben. So eben, wie ein weiß-ich-wie-alter Tunnel in einem ägyptischen Grabmal eben sein kann. Also nicht wirklich eben, sehr zum Leidwesen meiner Füße. Inzwischen hatte ich komplett mein Zeitgefühl verloren. Waren wir erst zehn Minuten, oder schon drei Stunden hier drin? Ich beschloss, meine allwissende Schwester zu fragen.
"Lea?"
"Was ist?"
"Weißt du, wie lange wir schon hier drin sind?"
"Nein"
"Na toll", grummelte ich mich hinein. Nicht mal meine allwissende Schwester war allwissend. "Aber ich schätze mal, eine halbe Stunde." Okay, war sie doch. Puhh, nur eine halbe Stunde. Nicht so lang wie ich mir eingebildet hatte, zum Glück.
Während wir dem Gang folgten, schloss ich wieder zu Lea auf. In einmütigem Schweigen liefen wir nebeneinander her, bis wir gezwungen waren, stehen zu bleiben. Wortwörtlich, denn vor uns ragte eine mehr oder minder massive Wand aus Sandstein auf. "Aha!", meinte Lea fröhlich und schon tastete sie die Wand ab. "Wieso klingst du so fröhlich? Und warum will ich das eigentlich gar nicht wissen?", wollte ich kopfschüttelnd wissen. Lea grinste mich frech an. "Erstens, weil ich mich schon gefragt habe, wann so etwas kommt. Ich hatte schon viel früher mit einer Falle oder Ähnlichem gerechnet und mir langsam Sorgen gemacht, weil keine kam." "Falle?!" Lea ignorierte meinen geschockten und leicht gekränkten, schließlich hatte sie mich nicht gewarnt, Ausruf und redete munter weiter: "Zweitens, weil du Angst vor der Antwort, dass wir die Grabkammer gefunden haben, hast."
Bei den heiligen Schuppen von K'uk'ulkan*, wie schaffte sie es bloß, so verdammt cool zu bleiben? Aber ja, sie hatte recht. Den Anblick von Mumien hatte ich noch nie ertragen können, ohne mich zu übergeben und selbst wenn es nur Katzen waren... Nein, lieber nicht. "Jetzt hilf mir doch mal", fuhr Lea mich reichlich unwirsch an. Aha, da riss wohl auch ihr Geduldsfaden. "Was soll ich machen?", fragte ich trotz meines Amüsements. "Du hältst den einen Finger in diese Delle, und den anderen an diesem Knubbel. Auf drei drücken wir." Beim Erklären deutete sie mit ihrem Kinn auf die entsprechenden Stellen. Ich stellte mich in Position.
"Eins" Meine Finger ertasteten den Knubbel und die Delle.
"Zwei" Ich machte mich bereit, so fest ich konnte zu drücken.
"Drei!" Ich drückte mit aller Kraft und plötzlich - geschah nichts.
"Weiter drücken", presste Lea zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Der Mechanismus braucht eine Weile, weil er so alt ist." Als Antwort knirschte ich bloß mit den Zähnen, hielt meine Finger aber weiterhin an die Wand gepresst. Langsam wurden sie taub, bis ich nichts mehr fühlte. Vor Anstrengung lief mir Schweiß von der Stirn und ich widerstand dem Impuls ihn sofort wegzuwischen. Stattdessen stieß ich ein entschlossenes Knurren aus und drückte noch fester zu. Das Lea darüber nicht einmal einen Witz riss, zeigte, wie sehr auch sie sich anstrengte.
Dann, endlich, nachdem ich schon fast damit gerechnet hatte, dass mir bald die Finger abfielen, knirschte die Wand. Ich hörte ein überraschtes nach Luft schnappen von seitens Lea und biss selbst noch einmal die Zähne zusammen. Langsam, unter Geknirsche und Gequietsche, rutschte die Wand Zentimeter für Zentimeter weiter nach oben. "Wird die gleich wieder nach unten Rutschen, wenn wir auf der anderen Seite sind, und uns dort drüben einsperren?", wollte ich von Lea wissen. "Kann ich dir nicht sagen. Aber ich werde drunter durch kriechen." Dafür stand die Entscheidung auch für mich fest. Vielleicht würde ich nie so viel Mut wie Lea haben, aber ich würde bestimmt kein Feigling sein und sie im Stich lassen. So war ich nicht. Als Lea also blitzschnell die Wand losließ und mit gebeugtem Rücken unter dieser hindurch rannte, zögerte ich keine Sekunde und folgte ihr.
Auf der anderen Seite empfing mich ein Schwall kühler Luft, die überraschender Weise nicht wirklich abgestanden war. Ich drehte mich zur Wand um, die jedoch blieb wo sie war; halb hochgefahren, sodass man gebückt unter ihr hindurch laufen konnte. Bei diesem Anblick seufzte ich erleichtert, denn in einem Grab festzusitzen gehörte nicht zu den Dingen, die ich in meinem Leben unbedingt noch machen wollte.
"Wieso riecht es hier drin so normal?", fragte ich niemand bestimmten, aber Lea antwortete mir: "Verborgene Luftschächte. Bestimmt in den Felsen gehauen." "Und da kommt kein Sand durch?", fragte ich weiter, weil ich mir das irgendwie nicht vorstellen konnte. Lea zuckte mit den Schultern und blieb mir eine Antwort schuldig.
"Sieh mal!", rief sie aufgeregt, und lief in die Mitte des Raumes, zu einem Sarg, bei dessen Anblick sich mir der Magen umdrehte. Der Raum war ziemlich quadratisch, von vielleicht 30m². Die Wände bestanden aus hellem Sandstein und waren über und über bunt bemalt, die meisten Bildnisse zeigten Katzen; wie sie irgendwo herumsaßen, spielten, fraßen, sich streicheln ließen.
Wie Lea erklärt hatte, waren oben in den Ecken der Decke Luftschächte, durch die ich den Himmel sehen konnte. Kleine, schmale Streifen Sonnenlicht durchschnitten die Luft und ließen Staubkörner zu einem mir unbekannten Rhythmus tanzen. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Mitte des Raumes zu, in der meine Schwester sich abmühte, den Deckel eines Sarges zu öffnen. „Warte, ich helfe dir." Schnell machte ich mich an die Arbeit. „Gut", kommentierte Lea und trat beiseite, um mir mehr Platz zu machen, „Innen müsste ein Hebel oder so etwas in der Art sein." „Hä? Ich dachte hier ist jemand begraben", gab ich verwirrt zurück. Lea rollte mit den Augen, als ob ich etwas Unübersehbares nicht gesehen hätte. „Klar ist hier jemand begraben, aber doch nicht genau hier. Wir befinden uns lediglich in einer Vorkammer. Ist dir nicht aufgefallen, dass hier nirgendwo- " „Krempel herumsteht!", beendete ich ihren Satz für sie. Jetzt war es mir auch aufgefallen.
Lea bedachte mich mit einem missbilligenden Blick, weil ich ihre ach-so-heiligen Reliquien als Krempel bezeichnet hatte. Ich ignoriere sie geflissentlich und mühte mich weiter mit dem Deckel des Sarkophags ab, während Lea unbeteiligt daneben stand.
"Kannst du mir nicht mal bitte helfen?", knirschte ich ihr dann schließlich zu. Ohne Kommentar kam sie zurück, um mir zu helfen. Mit vereinten Kräften schafften wir es schließlich, den Deckel wegzubewegen. Wie Lea prophezeit hatte, war der Sarg jedoch leer, was mir eigentlich ganz lieb war, denn ich wollte mich ungern in eine Jahrtausendealte Grabkammer übergeben. Kaum war der Deckel beiseite geschoben, lehnte meine abenteuerlustige Schwester sich auch schon weit hinein, um die Wände abzutasten. "Ha!", triumphierte sie dann lautstark. Sie richtete sich auf, und trällerte mir ein stolzes "Gefunden!", direkt ins Ohr. Dann lief sie zurück und legte den versteckten Hebel um.
In der hinteren rechten Ecke schob sich ein Stück der Wand nach hinten und anschließend nach rechts, sodass man durch eine schmale Öffnung krabbeln konnte. Die Fugen waren vorher geschickt in einem Wandbild versteckt gewesen. "Also", hob Lea an, als wir uns vor den winzigen Tunnel hockten, "ich glaube ja mittlerer Weile nicht mehr an ein Pharaonen Grab. Das wäre tausend Mal besser gesichert, zum Beispiel mit mehr Gängen, in denen man sich verlaufen kann, und außerdem reicher verziert." Ich biss die Zähne zusammen. Diesen Ausflug würde ich so schnell nicht vergessen und ich wollte es einfach so schnell wie möglich zu Ende bringen. Also presste ich ein "Lass es uns hinter uns bringen." hervor und kroch in den Gang. Lea heftete sich an meine Versen und so krochen wir. Langsam fragte ich mich, durch wie viele Gänge wir bitteschön noch hindurchmussten. Doch dieser Gang war kürzer als die vorherigen und wir mussten uns nicht lange auf Knien über den harten Boden quälen.
Am anderen Ende erwartete uns eine Kammer die ungefähr genauso groß wie erste. Nur, dass sie vollgestopft war. Und wenn ich das sage, dann meine ich auch wirklich vollgestopft. Ich hatte noch nie in meinem Leben so dermaßen viele Grabbeigaben auf einem Haufen gesehen. Alle möglichen Arten von Kissen reihten sich an Schälchen und goldene Figuren, antike Spielzeuge lagen neben Staubhäufchen, die Wohl einmal Nahrung gewesen waren. "Wow", machte ich, und beschrieb damit nicht annähernd, was für eine Ehrfurcht ich bei diesem Anblick empfand. Lea hingegen rastete vollkommen aus vor Freude. Quietschend und Kreischend hüpfte sie durch den Raum, machte hier und da ein paar Kommentare und riss ihre Augen so weit auf, dass ich mir fast Sorgen machte, diese würden bald hinausfallen.
"Kneif mich, ist das ein Traum?", murmelte sie dann beeindruckt als sie wieder neben mir stand. Immer noch saugte sie den Anblick förmlich in sich auf, so begeistert war sie. Ich tat ihr den Gefallen. "Au! Das meinte ich doch nicht ernst!", beklagte sie sich kurz darauf und rieb sich den Arm. Ich zuckte die Achseln und meinte: "Wir müssen weiter. So toll das alles hier", ich machte eine ausholende Handbewegung in Richtung des Raumes, "auch ist, es ist kein Sarg dabei" "Ich weiß", sagte Lea. "Der Sarg steht meistens in einer separaten Kammer." Sie zog die Stirn in Falten "Vielleicht ist das hier doch ein Katzengrab..."
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