Eine denkwürdige Nacht im Zoo
„Komm schon Caty!" Die Stimme klang genervt. „Ich komme ja schon." antwortete das 6-jährige Mädchen. „Aber nicht schnell genug!" kam es da wieder von Jake. „Du wolltest doch unbedingt in den Zoo." schob er hinterher. „Weiß ich doch!" Aber klar wusste sie es. Die Idee klammheimlich im Zoo zu übernachten, kam schließlich von ihr, und natürlich hatte sie ihren älteren Bruder schnell um den Finger gewickelt, damit er ihr half. Die Vorstellung die ganze Nacht bei den Tieren zu sein, gefiel ihr. Sie liebte Tiere schon seit sie ganz klein war. Schnell zog sie sich noch einen Pulli über, und kam dann aus ihrem Zimmer gestiefelt.
„Da bist du ja endlich." rief Jake, als sie die Treppe runterhüpfte. „Hat auch lange genug gedauert." Caty steckte ihm die Zunge raus, und ging nach draußen. „Da seid ihr ja!" freute sich Mutter Eva, „Dann können wir ja gleich losfa..." „Moment", unterbrach Caty sie, „Jake und ich wollten allein in den Zoo, Mama. Du kannst uns gern hinbringen, aber du darfst nicht mitkommen!" Sie wurde nervös, denn ihr ganzer Plan hing von diesem Detail ab. „Müsst ihr wirklich allein gehen? Ich habe ein ungutes Gefühl dabei." „Mama", sprang jetzt Jake seiner Schwester zur Hilfe, „Ich bin alt genug, ehrlich, dass weißt du auch. Ich werde auf Caty aufpassen, und später übernachten wir ja bei Charlie." Er drehte sich zu seiner Schwester um und zwinkerte ihr zu, ohne dass ihre Mutter es sah. Die Idee zu behaupten, dass sie bei jemandem übernachteten, stammte von ihm und war ein wichtiger Teil des Plans. Innerlich jauchzte Caty vor Freude auf, als ihre Mutter, wenn auch widerwillig, zustimmte. „Na gut" sagte sie und setzte ein Lächeln auf. „Dann mal los." Gesagt, getan.
Als sie am Zoo waren, stieg das aufgeregte Mädchen sofort aus und rannte zum Ticket-Schalter, während ihr Bruder ihr ein bisschen entspannter folgte. Er kaufte für sie beide Eintrittskarten und schon waren sie drinnen. Jetzt hieß es, die Zeit totzuschlagen und zu warten bis der Zoo schloss. Dann irgendwo auf einem Spielplatz verstecken und warten bis alle weg waren. Eigentlich ganz einfach. Bis sie sich verstecken mussten, war es noch gut zwei Stunden hin und die verbrachten die Geschwister damit, durch den Zoo zu schlendern.
„Wo wollen wir als nächstes hin?" fragte Caty, nachdem die beiden bei den Hirschen waren. „Am besten in die Nähe von einem Spielplatz, denn allzu viel Zeit haben wir nicht mehr", antwortete Jake, „Sie haben den Einlass schon vor anderthalb Stunden geschlossen. Lange dürfte es nicht mehr dauern bis alle draußen sind." „Worauf wartest du dann noch?", fragte Caty, „Ab zum Raubtierhaus!" Schon war sie kichernd losgerannt. Jake wollte ihr langsam folgen, aber Caty hatte einen ordentlichen Vorsprung. Er war halb verärgert, halb amüsiert über sie und ihre Aufregung. „Hey Caty, warte auf mich! Nicht so schnell! Ich sollte doch auf dich aufpassen!" rief er und eilte ihr nun hinterher, als sie ihm langsam zu weit wegrannte. „Spielverderber!" rief die gerufene zurück, blieb aber stehen und wartete bis ihr Bruder schnaufend bei ihr ankam. „Bist wohl nicht in Form, was?" fragte sie, um ihn zu ärgern. Er verdreht die Augen. „Das bildest du dir ein du Zwerg. Du hattest Vorsprung." Er verwuschelte ihr liebevoll die Haare und Caty lachte. Zusammen gingen sie weiter.
Im Raubtierhaus war es derart stickig, dass die beiden es dort nicht lange aushielten. Plötzlich erklang eine Durchsage, die ankündigte: „Bitte verlassen Sie den Zoo auf schnellstem Wege. Unsere Tiere brauchen auch ein bisschen Pause, und unsere Pfleger müssen noch ein wenig aufräumen. " „Unser Stichwort", murmelte Jake, „komm, lieber schnell auf den Spielplatz, bevor uns jemand erwischt!" Caty spürte ein Kribbeln in der Magengegend, dass immer weiterwuchs, je aufgeregter sie wurde. Sie zogen das wirklich durch! Sie würden tatsächlich im Zoo übernachten! Unter ihre Aufregung mischte sich plötzlich auch ihr schlechtes Gewissen. Ihre Mutter würde sich sicher Sorgen machen, wenn rauskam, dass sie nicht bei Charlie waren... Egal. Sie verdrängte den Gedanken an ihre Mutter. Es war ja nur eine Nacht, und eine Übernachtung im Zoo konnte sie sich unmöglich entgehen lassen. Außerdem war ihr großer Bruder ja bei ihr und beschützte sie.
Zusammen mit Jake lief sie auf den Spielplatz zu und versteckte sich unter einem Klettergerüst. Während sie warteten, erzählte er ihr eine Geschichte über Aliens, und die Zeit verging schneller als sie gedacht hatte. Später eilten noch die letzten Besucher gehetzt Richtung Ausgang und es wurde wieder ruhig. Da fing Jake plötzlich an zu fluchen: „Mist!" Er steckte beide Hände in seine Tasche. „Herzlichen Glückwunsch Jake, du hast den Preis für den größten Volltrottel gewonnen." Er kramte weiter in seinem Rucksack. „Was um Himmels Willen", wollte Caty von ihm wissen, „ist denn jetzt mit dir los? Ist was passiert?" Er sah auf. „Ja, ich habe vergessen was zu Essen mitzunehmen. So eine Schei-..." grade noch rechtzeitig hielt er sich zurück. „Egal, wir können es nicht ändern ... Jetzt guck nicht so entsetzt, du hast mich schließlich auch nicht erinnert, stimmt's!?" Etwas milder meinte er dann: „Ist nicht so schlimm, es geht auch ohne Essen. Dann müssen wir morgen halt früh aufstehen und Pilze suchen gehen. Lass uns jetzt einen Schlafplatz suchen." Er stand auf und trat auf den Kiesweg. Caty folgte ihm, musste aber würgen bei der Vorstellung von rohen Pilzen zum Frühstück. „Und woher willst du wissen, welche man essen kann?", fragte sie dann unsicher, weil sie noch nie von Jake irgendetwas über Pilze gehört hatte, und nicht wusste, ob er sich wirklich damit auskannte, „Nicht das du uns vergiftest!" Ihr Bruder drehte sich um und grinste sie amüsiert an: „Keine Sorge Schwesterherz, das war nur ein Witz." Empörung machte sich in Caty breit; er hatte sie mal wieder verarscht. Jake lachte leise und setzte sich in Bewegung. „Wusste ich doch." erwiderte Caty dann trotzig, weil sie nicht zugeben wollte, dass sie ihm geglaubt hatte. Dann lief sie ihm hinterher.
„Wo könnte ein guter Schlafplatz sein..." überlegte Jake laut. „Ich weiß einen, ich weiß einen!", rief Caty aufgeregt, und schon waren die Pilze vergessen. „Beim Schildkrötenhaus gibt es doch diesen Unterstand, der wäre perfekt geeignet!" „Recht hast du, aber bis dahin müssen wir den halben Zoo durchqueren." Jake hatte seine Zweifel. „Wir brauchen sicher eine Stunde, wenn wir nicht rennen." Caty sah ihn mit Hundeblick an und bettelte: „Bitte Jake, du weißt selbst, dass es der beste Platz ist. Wenn wir gleich losgehen, könnten wir es auch noch schaffen, bevor es dunkel wird. Ich verspreche auch, dass ich keinen Ärger mache." Jake zögerte, aber da er auch keine bessere Idee hatte, stimmte er schließlich seufzend zu.
Sie kamen bei ihrem Unterschlupf an, als es schon dunkel war, und beide waren von dem langen Marsch am Ende ihrer Kräfte. Natürlich hatte Jake seine kleine Schwester die letzten Minuten tragen müssen, weil sie zu erschöpft war, um weiterzugehen, aber man musste Caty zugutehalten, dass sie sich nicht ein einziges Mal über schmerzende Füße beschwert hatte. Hätte er sie nicht irgendwann wortlos, ihren schwachen Protest ignorierend, huckepack genommen, wäre Caty weitergelaufen bis sie umkippte, nur um ihm zu beweisen, dass sie durchhielt. Er war ganz schön stolz auf seine kleine Schwester. Jake ließ Caty langsam runter, und kaum hatte sie den Boden berührt schlief sie auch schon ein. Er murmelte noch etwas, das entfernt an „Gute Nacht" erinnerte, dann legte er sich auch hin. Als er kurze Zeit später einschlief, träumte Caty schon.
Sie und Jake waren im Zoo, allerdings liefen alle Tiere frei herum und redeten. Nicht in Tiersprache, sondern wirkliche, echte Menschen-Sprache, und was sie so sagten, war nun wirklich nicht nett. Doch ein verplapperter Papagei erzählte ihnen von einem magischen Kohlrabi, der alle Tiere wieder normal machen würde. Nun begaben sich Jake und Caty auf eine Schatzsuche durch den Zoo, um diesen besonderen Kohlrabi zu finden, mit dem sie die Tiere wieder normal machen und in ihre Gehege zurück bringen konnten...
Jake erwachte durch einen Kohlrabi. Oder eher einen Kohlrabi-Schrei. Denn als Caty aufwachte, schrie sie laut: „KOHLRABI!" und riss ihn damit auch aus dem Schlaf. Was solls, es war sowieso ein grauenhafter Schlaf gewesen. „Hast du gut geschlafen?", fragte er seine Schwester, „und was sollte das mit dem Schrei?" Caty zuckte mit den Schultern und rieb sich verschlafen über die Augen: „Das war nur so ein Traum von mir. Wir mussten einen magischen Kohlrabi finden oder so. Ich war die ganze Nacht auf Schatzsuche, deshalb konnte ich gar nicht schlafen." Sie gähnte. Jake nickte verständnisvoll und meinte: „Ich konnte auch nicht schlafen. Lass uns endlich auf Pilzsuche gehen und hier verschwinden, ich habe nämlich furchtbaren Hunger." Er versuchte sich ein Lächeln zu verkneifen. Caty zog einen Flunsch. „Das ist nicht witzig!" „Find ich eigentlich schon. Ist ja gut." fügte er schnell hinzu, als Caty drohend auf ihn zu ging. Sie ahmte ein Brüllen nach und beide mussten lachen. Bis sie von Jakes knurrendem Magen unterbrochen wurden. „Na komm, lass uns gehen."
Und sie gingen beide in unterschiedliche Richtungen davon. „Caty, hier lang!" „Komme doch." grummelte diese zurück. Als sie durch den Zoo gingen, der sich langsam füllte, war Jake froh, dass Caty ihn geweckt hatte, irgendwann hätten vorbeikommende Besucher das nämlich getan, und dann hätte es bloß unangenehme Fragen gegeben. So fiel zum Glück keinem etwas auf. Caty hüpfte fröhlich neben ihm her, in Gedanken ging sie noch mal den Plan durch. Sie würden sich unauffällig zu den Ausgängen stellen. Mit etwas Glück würden alle denken, sie wären erst heute in den Zoo gegangen, aber schon fertig mit dem Besuch.
Doch unglücklicherweise erinnerte sich der Mann am Ticket-Schalter an die Beiden, und natürlich gab es einen ganz schönen Trubel. Die Mutter wurde angerufen, nachdem die Beamten Jake nach ihrer Nummer ausgequetscht hatten und sogar ein Mann von der Zeitung war da (den Artikel durften sie später lesen). „Ich schwöre, ich werde mich nie wieder von dir überreden lassen im Zoo zu übernachten, allein schon wegen des Wahnsinns der danach entsteht." seufzte er. „Da müssen wir halt durch." kam es von Caty. Sie überlegte grade, wie sie einen der Umstehenden dazu bewegen konnte, ihr einen Kakao zu bringen. Am Ende entschied sie sich für ihre Lieblingsmethode, „Das Unschuldslamm".
„Lieber Mann", sprach sie dann aufs Geratewohl jemanden an, „könnten sie mir bitte einen warmen Kakao bringen? Ich habe solchen Hunger und Durst, ich könnte glatt fünf Portionen Spaghetti mit Soße verdrücken!" Sie blickte ihn lieb und schüchtern an, und sofort lief er los. „Ach Caty, die Nummer wird langsam langweilig. Denk dir mal was anderes aus." Jake hatte der Konversation zwischen ihr und dem Mann mitbekommen. „Warum sollte ich, es klappt ja immer noch super." Sie grinste zu ihm hoch und er schüttelte lachend den Kopf. „Hat es dir nicht auch wahnsinnig Spaß gemacht? Also für mich hat es sich alle Male gelohnt!" richtete Caty das Wort erneut an ihren Bruder. Ihre Augen leuchteten und ihre Wangen hatten sich vor Begeisterung rosa gefärbt.
Lächelnd sah Jake auf seine begeisterte Schwester herab. Ja, es hatte sich gelohnt. Und wahrscheinlich würde er sich jederzeit wieder dazu überreden lassen. Auch wenn er in absehbarer Zeit wohl erst mal nicht das Haus verlassen würde, denn im Hintergrund sah er schon das Auto seiner Mutter parken. Sekundenspäter stürmte eine wutentbrannte Frau auf die kleine Menschenmenge zu. Auch Caty hatte sie bereits bemerkt. „Jetzt müssen wir uns wohl der wirklichen Herausforderung stellen." seufzte sie. „Allerdings.", stimmte Jake zu, „ich sage zwei Monate Hausarrest, plus Küchendienst, und du?" Sofort antwortete sie: „Einen Monat Hausarrest, dafür 3 Monate Küchendienst." „Die Wette gilt!" lachend legte Jake einen Arm um seine Schwester und zog sie an sich, während beide ihrer heranstürmenden Mutter entgegenblickten.
Und an dieser Stelle endet das Abenteuer im Zoo für Caty und Jake auch schon! Ich hoffe es hat euch Spaß gemacht, die beiden zu begleiten. Bleibt doch gern noch ein wenig länger in meiner wundersamen Welt der Wörter und schnuppert zum Beispiel in einer der anderen Kurzgeschichten! Viel Spaß ^^
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