La ville de l'armour
Sommer 1978
Ich war aufgeregt. Die Tränen waren schon längst getrocknet und ich stand voller Ungeduld an der Bushaltestelle. Ich trug Shorts und ein helles T-Shirt, darüber eine zu große Lederjacke. Mein Haar war offen und meine Lippen weich. Ich spürte, wie mein Herz pochte. Der Abschied von meiner Familie war beinahe vergessen und ich konnte es kaum erwarten, dass der Bus endlich anrollte. In meinem Rucksack hatte ich nur etwas Proviant, ein wenig Kleidung, meine Papiere und Bargeld. Es war genug, um damit erst einmal über die Runden zu kommen. Leichtes Gepäck eben, es würde mich nicht belasten. Ich spürte die Neugierde in mir wachsen. Sie war beinahe nicht mehr auszuhalten. Es war noch früh, aber schon recht warm.
Glücklich atmete ich die frische, duftende Sommerluft ein und malte mir aus, was mir in den nächsten Wochen vorstehen würde. Ehrlich gesagt, wusste ich das gar nicht so genau, aber gerade diese Ungewissheit reizte mich. Es war nicht einmal eine Woche her, dass ich mein Abschlusszeugnis bekommen hatte. Ich war jung und voller Tatendrang. Endlich wollte ich aus dieser kleinen, langweiligen Stadt heraus und etwas erleben. Meine Eltern hatten das nicht wirklich verstanden. Sie liebten dieses Kaff, in dem sie geboren wurden, aufgewachsen waren, erwachsenen geworden waren. Meine Eltern hatten diesen Ort noch nie verlassen. Sie hatten sich hier verliebt, in der kleinen Kirche geheiratet, ein Haus gekauft und Kinder bekommen. Dieses Haus war mittlerweile abbezahlt und die Kinder, ich war das Letzte, alle aus dem Haus.
Meine Eltern waren glücklich hier. Sie waren fast im Ruhestand, gingen kegeln, in die Kirche und Sonntags saßen sie auf ihrer Terrasse, ließen sich die Sonne in die faltigen Gesichter scheinen, aßen Kuchen und tranken Kaffee. Auch meine Geschwister waren glücklich mit ihrem einfachen Leben hier. Meine ältere Schwester hatte vor kurzem geheiratet und würde bald ihr erstes Kind bekommen. Aber für mich funktionierte das nicht. Ich brauchte endlich Freiheit. Ich musste endlich etwas Neues sehen, neue Menschen kennenlernen. Ich brauchte neue Gesichter um mich herum und ehrlich gesagt, brauchte ich auch ein neues ich. Ab heute wollte ich ein neuer Mensch sein, Zum ersten Mal im Leben trug ich mein blondes Haar offen. Ich fühlte mich schon ganz anders und wurde ganz aufgeregt bei dem Gedanken, dass ich am Ende des Sommers zurückkehren würde und dann ein ganz anderer Mensch wäre.
Heute begann ein neues Leben für mich. Die ganzen Ferien konnte ich reisen, egal wohin und dann würde ich in eine andere Stadt ziehen, um dort zu studieren. Ich konnte es gar nicht erwarten. Mein erstes Ziel war Paris. Ich wusste nicht, warum, aber diese Stadt faszinierte mich seit meiner Kindheit. Obwohl mein Französisch eher bescheiden war, würde ich mich irgendwie durchschlagen. Ich warf einen eiligen Blick auf meine Armbanduhr. Wann kam denn dieser doofe Bus endlich? Kurze Zeit später war es endlich so weit. Der alte Reisebus schob sich um die Ecke und fuhr quälend langsam zur Bushaltestelle, an der ich stand. Es klang, als würde er erschöpft keuchen, als er hielt und sich die Tür knarzend öffnete. Der Busfahrer war ein beleibter, träger Mann, der mich mit seinen kleinen Knopfaugen sofort inspizierte.
,,Ja?", fragte er ungeduldig. ,,Guten Morgen", erwiderte ich und lächelte. ,,Fährt dieser Bus hier nach Paris?"
,,Nein, nach New York", sagte er und grinste leicht. Ich starrte ihn für zwei Sekunden erstaunt an. ,,Mädel, lass dich nicht veräppeln und steig ein. Paris wartet."
Lächelnd nickte ich, stieg ein und kramte ein paar Scheine hervor. Dann drückte ich mich durch die Reihen. Es saßen nur wenige Leute in dem Bus. Ganz hinten blieb ich plötzlich stehen und betrachtete fasziniert eine junge Frau, die dort am Fenster saß und auf die leere Bushaltestelle starrte. Sie sah neugierig aus. In diesem Moment kam mir zum ersten Mal in meinem Leben in den Sinn, dass es dort draußen Menschen gab, die sich vielleicht das Leben wünschten, dass ich so verabscheute. Dieses ruhige, einfache Dorfleben. Jeder kennt jeden...hier ist die Welt noch in Ordnung, oder nicht? Aber das Problem war, dass ich diese Ordnung, diesen Frieden, nicht wollte. Warum fühlte ich mich so zerrissen und leer, wenn eigentlich alles in Ordnung war? Ich wusste es nicht, aber ich hoffte, es in den nächsten Wochen herauszufinden. Mein Blick hing immer noch an der Frau.
Sie war hübsch, sogar sehr hübsch. Ich konnte meine Augen gar nicht von den rosigen Wangen, den langen Wimpern, den blauen Augen, den rosa Lippen und den langen, blonden Locken abwenden. Sie trug goldene Creolen, Halsketten und Armbänder. Die Frau war schlank und trug ein dünnes Sommerkleid aus blauem Stoff. Neben ihr auf dem Sitz lag ein altmodischer Lederkoffer, der schon etwas abgewetzt war. Ich räusperte und sie wandte ihr Gesicht vom Fenster ab. Überrascht musterte sie mich und lächelte dann. Schüchtern erwiderte ich das Lächeln und kratzte mich leicht nervös am Hinterkopf.
,,Hallo", sagte ich. ,,Salut", erwiderte sie. Meine Augen wurden groß. Hoffentlich war sie keine Französin, jedenfalls keine, die nur Französisch sprach. Dann könnte ich mich nicht mit ihr unterhalten, aber gerade das wollte ich. Sie sah so interessant aus.
,,Ehm...vous parlez allemand?", fragte ich unbeholfen und lächelte verlegen. Die Frau, sie war etwa dreißig, vielleicht auch Mitte dreißig, fing an zu lachen.
,,Nein, schon gut", sagte sie in perfektem Deutsch. ,,Ich bin aus Frankreich. Aber meine Mutter ist Deutsche und ich kann beide Sprachen." Ich lachte leicht und schaute sie erleichtert an. ,,Gut. Darf ich denn neben Ihnen sitzen?", fragte ich. Lächelnd nickte sie und nahm den Koffer von dem Sitz neben ihr. Ich nahm meinen Rucksack ab, setzte mich und klemmte ihn zwischen meine Beine.
,,Vielleicht sollte ich mich vorstellen", sagte die Frau und strahlte mich an. Ihr Lächeln war wunderschön. Ich verlor mich beinahe darin. ,,Schließlich verbringen wir die nächsten zehn Stunden miteinander, nicht wahr? Ich heiße Marie-Andrée Lavigne und du?" ,,Lucia Peters", entgegnete ich. ,,Aber Sie können mich gerne Lu nennen."
Marie-Andreé lächelte und hielt mir ihre Hand hin. Ich schüttelte die langen, dünnen Finger und erwiderte das Lächeln zögerlich. ,,Freut mich, Lu", sagte sie mit sanfter Stimme. ,,Aber du musst mich nicht siezen. Sonst fühle ich mich so alt." Ich lachte leicht und fragte: ,,Wie alt bist du denn?" ,,Oh, das werde ich dir sicher nicht sagen", lachte Marie-Andrée. ,,Du würdest dich sicher sofort umsetzen. Wie kommt es, dass du alleine mit einem Reisebus fährst und nicht mit deinen Freunden in einem Auto oder mit dem Zug? Du bist doch höchstens achtzehn." ,,Neunzehn", verbesserte ich sie grinsend. ,,Ich habe nicht so viele Freunde, weißt du? Und ein eigenes Auto habe ich auch nicht." Marie-Andrée nickte verstehend.
,,Und was machst du hier?", fragte ich neugierig. ,,Ich habe Freunde hier besucht und dachte mir, es wäre doch ganz schön, noch mal nach Paris zu fahren, bevor ich wieder nach Hause fahre. Ich war lange nicht mehr dort und es ist so eine schöne Stadt."
Der Bus setzte sich wieder in Bewegung und wir verließen das kleine Örtchen, in dem ich aufgewachsen war. Es dauerte nicht lange und statt kleinen, süßen Fachwerkhäusern rauschte der Bus an riesigen Feldern und Wäldern vorbei. Ich las ein Magazin, aber schaute immer wieder unauffällig zu Marie-Andrée, die ihre Nägel feilte und über einen Walkman Musik hörte. Gegen Mittag rollte der Bus zum ersten Mal auf einen Rastplatz. Der Busfahrer stand auf und verkündete mit lauter Stimme, dass wir jetzt eine Stunde Zeit hätten, um uns die Beine zu vertreten, auf Toilette zu gehen oder etwas zu essen.
Die meisten Fahrgäste stiegen aus und mir fiel auf, dass Marie-Andrée und ich tatsächlich die Jüngsten waren. Größtenteils fuhren alte Menschen mit diesem Bus nach Paris. Ich schmunzelte nur und schwang locker meinen Rucksack über eine Schulter. Dann stieg ich aus. Es war unheimlich warm und die Luft flimmerte über dem grauen Asphalt. Marie-Andrée stieg ebenfalls aus und zusammen liefen wir zu der Raststätte. Es war schön kühl im Gebäude. Wir liefen zu den Toiletten. Der ganze Raum war mit rosa Fliesen gefliest.
,,Genieß diesen Luxus", sagte Marie-Andrée grinsend und deutete auf die Toilettenkabinen, deren Türen alle offen standen. ,,Wie meinst du das?", fragte ich sie stirnrunzelnd. Marie-Andrée drehte sich zum Spiegel um und trug roten Lippenstift auf ihre zarten Lippen auf. ,,Naja", meinte sie lächelnd. ,,In Frankreich sind die meisten öffentlichen Toiletten sehr einfach gehalten, wenn du weißt, was ich meine."
Ich seufzte leicht. Wenn sie Stehklos meinte, müsste ich mich wohl daran gewöhnen. Mit einem seltsamen Gefühl von Dankbarkeit ging ich in eine der Toilettenkabinen. Als ich fertig war, stand Marie-Andrée nicht mehr vor dem Spiegel. Ein kleiner Stich durchfuhr mein Herz. Ich hätte sie nie alleine gelassen. Schnell versuchte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen. Ich kannte Marie-Andrée seit ungefähr einer Stunde. Warum war sie mir jetzt schon so wichtig? Ich wusch meine Hände, mein Gesicht und brachte mein Haar in die richtige Form. Dann verließ ich die Toilette und musste unweigerlich lächeln, als ich sah, dass Marie-Andrée hier auf mich wartete.
,,Da bist du ja endlich, Lu", sagte sie lächelnd und hakte sich bei mir unter. Mein Körper kribbelte bei dieser Berührung. Wir waren uns so nahe...Was war nur los mit mir? ,,Ich dachte schon, du würdest nie daraus kommen", fuhr sie mit einem Lächelnd fort. ,,Hast du Hunger?" Erst jetzt bemerkte ich, wie hungrig ich war. Schließlich hatte ich noch gar nichts gegessen und es war schon Mittag. Arm in Arm schlenderten wir in das kleine Restaurant der Raststätte. Auch hier schien alles wie ausgestorben. Wir setzten uns an einen Tisch und ich sah mich kurz um. Der Fußboden war mit braunen Fliesen ausgelegt. Die Wände waren gelblich und überall hingen Bilder von Autos und Motorrädern
. Marie-Andrée kramte in ihrer ledernden Handtasche herum und zog eine Packung Zigaretten hervor. Mit den Lippen zog sie eine der Zigaretten heraus und hielt mir dann fragend die Packung hin. Ich nickte und angelte nach der Packung. Während ich eine Zigarette herausfischte, musste ich daran denken, wie ich zum ersten Mal geraucht hatte. Mit vierzehn das erste Mal im Fahrradkeller meiner Schule. Seitdem hatte ich manchmal auf Partys an Zigaretten gezogen, aber so richtig rauchte ich nicht. Marie-Andrée zückte ein Feuerzeug und gab mir zuerst Feuer. Ich zog einmal und betrachtete sie dabei, wie sie ihre eigene Zigarette anzündete. Marie-Andrée nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch dann aus. Fasziniert betrachtete ich, wie sie die qualmende Zigarette aufrecht in ihren schlanken Fingern hielt und mich dabei anlächelte.
,,Scheinbar nicht das erste Mal", bemerkte sie, während ich mir die Zigarette zwischen die Lippen steckte und dabei die Speisekarte des Restaurants betrachtete. Sie war wirklich kurz. Es gab genau drei Gerichte: Nudeln mit Bolognesesoße, Currywurst mit Pommes und noch einmal Nudeln, aber mit Käsesoße. ,,Was denkst du denn?", erwiderte ich grinsend und klopfte etwas Asche in den Aschenbecher auf dem Tisch. ,,Ich weiß nicht, was ich denke", entgegnete Marie-Andrée und ein belustigtes Lächeln umspielte die roten Lippen. Sie nahm eine weiteren Zug. ,,Du siehst so jung aus." Ich erhob meinen Blick von der spärlichen Speisekarte und hatte nur Augen für sie. Marie-Andrée sah in diesem Moment wunderschön aus. Die heiße Sonne strahlte durch die schmutzigen Fenster und ließ ihr Haar wie Gold glänzen. Der Zigarettenqualm vernebelte sie leicht und ließ sie unwirklich erscheinen. Nicht real, nicht von dieser Welt. Sie erschien mir wie eine Göttin.
Unsere Zigaretten waren nur noch Stümmel und Asche, als endlich eine ältere Frau an unserem Tisch erschien und mit heiserer Stimme fragte, was wir haben wollten. Marie-Andrée bestellte die Nudeln mit Käsesoße und ein Glas Orangensaft. Ich nahm das selbe. Während wir auf das Essen warteten, unterhielten wir uns locker. Leise Musik spielte und wir machten jede eine weitere Zigarette zu Asche. Ich war glücklich, ungewöhnlich glücklich und zufrieden in diesem Augenblick. Marie-Andrée hatte eine ganz bestimmte Wirkung auf mich, nur konnte ich sie nicht erklären. Schließlich brachte uns die ältere Frau unsere Bestellung und das Essen schmeckte besser als erwartet. Tatsächlich schmeckten die Nudeln fast so wie die, die meine Mutter immer gekocht hatte.
Für einen kurzen Moment sehnte ich mich nach unserer großen, gemütlichen Küche, in der immer die ganze Familie zusammengekommen war. Doch dann erinnerte ich mich daran, wie diese Küche nicht immer gemütlich war. Oft war sie kühl, dunkel und es wurde geschrien. Ich erinnerte mich daran, wie meine Familie mich ausgelaugt hatte. Wenn man es so sehen konnte, war diese Reise eine Flucht für mich. Eine verzweifelte Flucht, um von meiner Familie wegzukommen und mich selbst zu finden. Dann sah ich, wie Marie-Andrée mir gegenüber ihre Nudeln verspeiste und ich musste lächeln. Allein, dass wir jetzt hier zusammensaßen und aßen, machte mich glücklich.
Diese eine Stunde war schnell um und der Busfahrer persönlich holte uns aus dem Restaurant, damit er weiterfahren konnte. Er stampfte voran und wir liefen ihm Arm in Arm und kichernd hinterher. Schnell saßen wir wieder auf unseren Plätzen. Marie-Andrée lieh mir ihren Walkman, während sie ein altes Buch mit einem französischen Titel las, den ich nicht verstand. Ich setzte mir die Kopfhörer auf und lauschte fasziniert den sanften, leisen Klängen der französischen Lieder. Ich kannte kein einziges von ihnen und wusste auch nicht, um was es in den Liedern ging, aber ich fand sie sehr schön. Irgendwann lehnte mein Kopf an Marie-Andrées Schulter und meine Augen fielen zu. Als ich einschlief, fühlte ich mich geborgen wie lange nicht mehr. Ich wurde davon geweckt, dass jemand mich rüttelte. Müde öffnete ich die Augen und blinzelte einige Male verschlafen.
Es war dunkel und ich konnte nur Umrisse sehen. Plötzlich erkannte ich Marie-Andrée, die neben mir saß und sanft lächelte. ,,Wir sind gleich da", sprach sie leise und ich streckte mich gähnend. Mein ganzer Körper war eingeschlafen. ,,Wie lange war ich weg?", fragte ich mit leiser Stimme. ,,Oh", erwiderte Marie-Andrée grinsend, ,,sehr lange." Der Bus hielt in einer eher ruhigen Nebenstraße und ich war froh, dass es hier stiller war.
Trotz der späten Uhrzeit tummelte sich das Leben auf den Straßen Paris'. Die älteren Menschen stiegen aus. Sie sahen müde aus. Der Busfahrer half ihnen ihr Gepäck zu einem typischen, cremefarbenen Altbau zu tragen. Marie-Andrée machte keine Anstalten, ihm zu folgen. Sanft umfasste sie meinen nackten Arm. Ich fröstelte leicht. Mir wurde warm bei ihrer Geste und gespannt sah ich ihr in die schönen Augen. ,,Bist du müde?", fragte sie mich und ich schüttelte nur den Kopf. ,,Gut", erwiderte Marie-Andrée strahlend. ,,Ich möchte dir nämlich etwas zeigen."
Sie führte mich-wie ich fast geahnt hatte-zum Eiffelturm. Er leuchtete und ich war fasziniert von diesem Anblick. ,,Wunderschön", sagte ich leise. Marie-Andrée grinste nur und meinte: ,,Warte nur ab, Lu. Von oben ist Paris noch beeindruckender." Sie griff nach meiner Hand. Es fühlte sich komisch an, aber auch unfassbar gut. Ich ließ sie einfach meine Hand halten und genoss das Gefühl. Wir nahmen die Treppen. Es waren unfassbar viele. Ich versuchte zu zählen, aber schaffte es nicht. Später lernte ich, dass es insgesamt 1710 Stufen waren.
Auf der zweiten Etage hielten wir an und verschnauften etwas. Ich bewunderte die Aussicht und bemerkte, wie mir leicht schwindelig wurde. Marie-Andrée war scheinbar schwindelfrei. Sie zog mich eine schmale Wendeltreppe mit wackeligem Gelände hinauf. Meine Knie zitterten, aber ich fühlte mich sicher mit ihr. Schließlich waren wir ganz oben und ich wurde überwältigt von dem Anblick. Paris von oben und bei Nacht war wunderschön! Völlig fasziniert blickte ich hinunter auf die abertausenden kleinen Lichter und die Häuser.
,,Habe ich dir zu viel versprochen?", flüsterte Marie-Andrée. Von dem anstrengenden Aufstieg waren unsere Wangen gerötet und unser Haar klebte an unserer Stirn. ,,Nein", konnte ich nur leise erwidern und starrte immer noch wie gebannt auf Paris hinab. ,,Es ist so...wunderschön." Marie-Andrée lächelte nur.
,,C'est la vie, mon amour", sagte sie leise. Wir blieben noch eine Weile dort oben. Mir war klar, dass ich Paris bei Nacht nie vegessen würde. Auch wenn ich alt sein und sterben würde, wäre dieser wunderschöne, atemberaubende Moment in meinem Gedächtnis gespeichert. Ich fröstelte leicht, denn es war schon recht kühl. ,,Frierst du, Lu?", fragte Marie-Andrée mich mit sanfter Stimme. Ich nickte und lächelte leicht. Ohne zu Zögern zog sie ihre Jeansjacke an und legte sie mir um die Schultern.
,,Vielen Dank", flüsterte ich leicht. ,,Keine Ursache, Chérie", entgegnete sie zart lächelnd. Sie betrachtete mich und auch ich hatte plötzlich kein Interesse mehr an dem Lichtermeer von Paris. Ich hatte nur Augen für sie. Marie-Andrée kam mir näher. Sie strich mir durchs Haar und legte vorsichtig eine Hand auf meine Wange. Mein Körper glühte förmlich.
Mein Blick streifte ihre Augen, dann wanderte er zu ihren Lippen, zu ihren Brüsten und noch weiter. Ich trat noch einen Schritt auf sie zu. Wir waren nur wenige Centimeter von einander entfernt. Marie-Andrée lächelte leicht und legte mir nun beide Hände an die geröteten Wangen. In mir wuchs eine leichte Ungeduld. Wann würde sie mich küssen? Würde sie es überhaupt tun? Ich schloss meine Augen und legte meine Lippen auf ihre. Es fühlte sich an, als würde ein Feuerwerk in meinem Unterleib explodieren. Ihre Lippen waren weich wie Frottee und sie schmeckte nach Erdbeeren.
Langsam löste ich mich wieder von ihr. Einen Moment passierte gar nichts, dann erwiderte Marie-Andrée meinen Kuss leidenschaftlich. In diesem Moment fühlte ich mich wunderbar, irgendwie unsterblich. Schließlich küsste ich hoch über den Dächern von Paris eine Frau, von der ich beinahe nichts wusste, die mich aber in ihren Bann zog. Ich schwebte auf einer Wolke voll Glück und Lust.
Diese Wolke zerplatzte am nächsten Morgen. Ich wachte halbnackt in einem Hotelzimmer auf und mein Schädel brummte. Langsam erinnerte ich mich an die letzte Nacht. Marie-Andrée und ich auf dem Eiffelturm...wir hatten uns geküsst. Danach waren wir herumgezogen, in viele Discotheken und Bars gegangen. Ich erinnerte mich, wie wir auf einer Toilette herumgemacht hatten. Allein bei der Erinnerung an ihre Berührungen wurde ich ganz aufgeregt. Verwirrt sah ich mich um und hielt mir dabei den schmerzenden Kopf. Wo war Marie-Andrée jetzt? Ich entdeckte einen kleinen Zettel, den ich mehrmals lesen musste, damit ich ihn verstand.
14. Juli '78
Liebe Lu,
danke für diese unvergessliche Nacht. Bitte verzeih mir, dass ich gehen musste. Es tut mir sehr leid. Ich werde dich für immer in Erinnerung behalten und ich hoffe, dass du mich auch nicht vergessen wirst.
Au revoir
deine Marie-Andrée
Viele Jahre später bekam ich einen Brief von ihr und erfuhr, dass sie verheiratet war.
(3100 Wörter)
A/N: Ich wünsche euch allen, egal ob vergeben oder single, einen schönen Valentinstag <3
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