Für den Wettbewerb von WPKaffeehaus
- Gewinner :)

Von meinem Platz auf dem Hügel habe ich den perfekten Blick auf die zwei Kinder in blauen Winterjacken, die im Tal fröhlich lachend einen Schneemann bauen.
Ganz hinten am Horizont kann ich sogar die winzig kleinen Häuser der Stadt sehen, in der ihre Eltern vermutlich gerade das Abendessen zubereiten oder heimlich die Geschenke für den Weihnachtsabend einpacken und unter den Baum legen.
Die zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge, beide mit braunen zerzausten Haaren tragen ein beide ein wunderschönes Lachen in ihren eingefrorenen Gesichtern. Ihre kleinen Hände stecken in viel zu großen Fäustlingen und die Enden ihrer ewig langen Schals sehnen sich danach im Wind zu flattern.
Doch schien die Welt um sie herum stillzustehen, denn die Kinder sind gefangen in der ewigen Stille.

Der Schneemann, der ein steinernes Lächeln zur Schau trägt, hofft mit jeder Minute mehr, endlich vollständig zu sein. Ein schwarzer Zylinder sitzt bereits auf seinem Kopf, doch ihm fehlt noch die typische orangene Nase. Es ist der kleine Junge, mit der grünen Mütze, der sie so stolz in der Hand hält, als wäre es eine Goldmedaille. Ich glaube, der Schneemann würde gerne mit seiner hölzernen Hand danach greifen und sie sich selbst anstecken, doch ist auch er gefangen in der ewigen Stille.

Und dann bin da noch ich auf meinem kleinen schneebedeckten Hügel. Ich bin dieses eine Mädchen, das in der Schule immer in der letzten Reihe sitzen würde, um möglichst wenig aufzufallen. Ich bin dieses Mädchen, dass am Nachmittag oftmals draußen vor der Stadt auf ihre kleinen Geschwister aufpassen würde, während all ihre Freunde sich bei der Schlittschuhbahn im Park treffen. Ich bin das Mädchen, das sich lieber mit den Charakteren ihrer Bücher auseinandersetzen würde, statt wirkliche soziale Kontakte zu knüpfen. Und ich bin dieses eine Mädchen das so große Träume verfolgt, dass vermutlich jeder der davon erfährt, es für verrückt erklärt und lacht.
Doch auch ich bin in in dieser ewigen Stille gefangen und kann mir über das alles nur den Kopf zerbrechen, während ich Stunde um Stunde auf meinem Hügel sitze und die Kinder beobachte.

Die Schneeflocken sind wohl die einzigen, die diese ewige Stille hin und wieder durchbrechen können und uns so daran erinnern, dass unser Leben so viel mehr sein könnte.

Und aus diesem Grund ist da dieser eine riesige, fast unmögliche Traum, dass es eine Welt gibt, in der wir nicht in der ewigen Stille gefangen sind. Eine Welt in der die Kinder in einer halben Stunde zu ihren Eltern laufen, um zu Abend zu essen und danach ihre Geschenke auspacken. Eine Welt in der der Schneemann eines Tages von dem kleinen Jungen vervollständigt wird, eine Welt in der ich dieses eine Mädchen sein kann, dass sich hinter ihren Mangas versteckt, während ihre Freunde die Clubs der Stadt unsicher machen.

Ich wünsche mir diese eine Welt in der nicht nur die Schneeflocken tanzen und leben dürfen.

Voller Vorfreude riss das kleine Mädchen mit den verstrubbelten schokobraunen Haaren das Geschenkpapier von dem kleinen Päckchen. Mit großen Augen blickte sie auf eine gläserne Schneekugel, die in lauter Papierschnipsel eingebettet war. Vorsichtig hob sie die Kugel heraus und betrachtete sich ehrfürchtig. Hinter dem dünnen Glas entdeckte sie zwei Kinder, die einen Schneemann bauten, eine kleine Stadt weit hinter ihnen und ein Mädchen auf einem kleinen Hügel, welches über alles zu wachen schien.
Ihr Bruder, ebenfalls mit braunen, strubbeligen Haaren blickte ihr mit großen Augen über die Schulter und sah dann zu dem älteren Mädchen. Diese blickte wissend lächelnd zu dem großen Schneemann im Garten, der stolz lächelnd seine große orangene Nase präsentierte.

Und dann schüttelte das kleine Mädchen die Kugel und durchbrach damit für einige Sekunden die ewige Stille.