Nachbarn
Ich zuckte instinktiv aus Schreck zusammen und mir entwisch ein Quietschen.
Liam, der gerade an mir vorbeilaufen wollte, lachte auf und nahm seinen Kopfhörer aus dem Ohr.
"Entschuldigung. Ich wollte dich nicht erschrecken!", sagte er aufrichtig.
"Schon gut.", meinte ich.
"Wohnst du auch in die Richtung?", fragte Liam mich und nahm nun auch den anderen Ohrstecker raus.
"Ehm... Warum auch? Du etwa auch?", fragte ich verwundert zurück.
"Scheint wohl so, nicht wahr? Oder denkst du ich laufe dir wie ein Stalker hinterher?", fragte Liam zurück.
"Na ich hoffe doch stark, dass das nicht der Fall ist!", lachte ich verlegen.
"Ich wohne in der Schreinergasse, falls dir das was sagt. Es ist das Haus meiner Eltern. Für das Jahr wohne ich bei ihnen.", gab Liam zurück.
"Ah tatsächlich!", meinte ich nur.
Irgendwie war die Situation komisch.
Ich wusste natürlich, dass Liam nicht viel älter als ich war und dass er im Prinzip nicht mein Lehrer war, aber diese kurze Stille verunsicherte mich.
"Ich geh dann also mal. Ich will ja nicht, dass es komisch ist und du mit dem neuen Nicht-Lehrer nach Hause laufen musst. Ich bin schließlich kein Begleitschutz.", meinte Liam und lief an mir vorbei.
Es klang so natürlich und freundlich, dass es mir doof vorkam, dass ich mich überhaupt komisch gefühlt hatte.
"Nein, so war das ja nicht gemeint!", sagte ich schnell und lief ebenfalls weiter.
"Du hast ja Recht. Du bist mein Nicht-Lehrer und wir wohnen halt in der Nähe, da ist ja nichts dabei"
Liam lachte auf und nickte. Ich lächelte zurück. Er war wirklich nett.
"Na dann vielleicht einfach so. Wenn wir uns über den Weg laufen, und zwar nicht in der Schule, dann kennen wir uns quasi nicht und sich einfach ganz normale Nachbarn.", meinte Liam.
"Das klingt nach einem Deal.", sagte ich und nickte.
"Gut. Dann einen schönen Tag Nachbarin.", meinte er, als er bei seinem Haus angekommen war.
Ich winkte ihm kurz zu, sah im Weggehen noch, wie er in der Türe verschwand und lief dann selber nach Hause, das nur einige Meter von seinem entfernt lag.
Als ich nach Hause kam, war mein großer Bruder schon da, Mama und Papa waren beide noch auf der Arbeit.
"Hey René!", rief ich in den Hausflur.
"Schwesterchen. Was habe ich dich sehensüchtigst erwartet. Deinem großen Bruder Ohren ist nicht entgangen, dass ihr einen neuen hotten Lehrer in eurer Klasse habt.", war seine Begrüßung an mich.
"Wer trägt dir denn bitte sowas zu?", fragte ich.
"Aha. Dann ist er also hot?", sagte René, sprang auf mich zu und kitzelte mich.
"Idiot!", lachte ich, während ich mich aus seinem Griff befreite.
"Mama und Papa kommen erst spät wieder. Willst du lieber Essen bestellen, Essen von deinem besten Koch Bruder gekocht bekommen, selber etwas verbranntes Kochen oder doch lieber gar nichts essen?", fragte mein Bruder lachend.
Bei dem Kommentar mit dem verbrannten Essen, wollte ich ihn in die Seite boxen, doch René wich aus und lachte nur noch mehr.
"Jaja, ich gehe einkaufen für dich, wenn du willst. Sonst noch Wünsche?"
"Ne, ich schreib dir meine Liste. Aber noch eine Frage: gehst du auf die Party dieses Wochenende?", wollte er wissen.
"Puuuuh. Ja warum nicht. Bevor ich hier mit dir rum hocke!", sagte ich.
"Haha", sagte er und streckte mir die Zunge raus.
"Aber letzte Frage noch. Auf einer Skala von 1-10. Ist der neue Lehrer da überhaupt noch drauf?"
Dieses Mal konnte René meiner Faust nicht ausweichen, aber anscheinend hatte es sich für ihn gelohnt. Immerhin holte er zufrieden einen Zettel und schrieb alles darauf, was ich einkaufen sollte.
Ich schnappte mir eine große Einkaufstasche und meinen Geldbeutel, sowie Renés Einkaufszettel und machte mich auf den Weg zum Einkaufen.
Auf meinen Kopfhörern lief lautstark Musik. Shivers von Ed Sheeran. Ich wippte mit meinem Kopf mit beim Laufen und genoss die Sonne auf meiner Haut.
Ich liebte das Septemberwetter. Immer noch warm, aber nicht zu warm.
Ich tanzte mehr, als dass ich lief und kam schließlich beim Edeka im Dorf an. Mein Bruder hatten wieder Gemüsesorten auf die Liste geschrieben, die ich noch nie in meinem Leben gehört hatte. Romanesco. Was zum Teufel? Oder Pastinake. Was wollte mein Bruder da schon wieder kochen?
Ich konnte mich allerdings nicht über das Endergebnis beschweren. Das war nämlich immer superlecker.
"Romanesco. Romanesco", nuschelte ich leise vor mich hin und suchte das Gemüseregal ab. Währenddessen wechselte der Song zu Control von Zoe Wees.
Ich fühlte den Beat des Liedes und hüpfte von einem Gemüse zum anderen, als mich etwas antippte. Erschrocken fuhr ich herum und nahm meine Kopfhörer ab, als ich Liam hinter mir sah.
Er hielt etwas in Form eines Brokkoli vor meine Nase, dass allerdings zackiger und nicht ganz so grün war und grinste mich breit an.
"Hallo Nachbarin. Romanesco gefällig?", fragte er grinsend.
Ich nahm das Gemüse entgegen und legte es in meinen Korb.
"Hallo auch. Stehst du schon lange da?", fragte ich etwas verunsichert.
"Naja, lange genug, um einen Romanesco zu finden", lachte er.
Ich musste ebenfalls lachen.
Liam zeigte auf meine Kopfhörer: "War wohl fesselnd.", stellte er fest.
Ich hielt ihm die Kopfhörer entgegen und er nickte zum Takt.
"Ja. Ziemlich fesselnd. Brauchst du noch ein weiteres außerirdisches Gemüse?"
"Pastinake. Was auch immer das ist", meinte ich daraufhin.
"Hier.", sagte Liam und zeigte auf ein Gemüse, dass wie eine riesige Karotte in Weiß aussah.
"Wer auch immer so etwas erfindet...", sagte ich und nahm eine der Pastinaken.
"Danke dir. Nachbar", sagte ich und lächelte ihn nochmals an, bevor ich in Richtung der Brote ging.
"Kurze Frage unter Nachbarn... Gibt es hier so etwas wie ein Event, an dem man Leute kennenlernen kann?", fragte Liam mich und ich drehte mich nochmal zu ihm um.
"Nun. Am Wochenende gibt es eine Party, vielleicht wäre das ja was. Da werden allerdings auch viele Schüler sein. Ansonsten vielleicht beim Verein hier in der Gegend.", sagte ich.
"Party hört sich doch gut an. Wann und wo ist das?", fragte Liam weiter.
"Freitagabend und Samstagabend. Jeweils ab 20:00 Uhr. Guter DJ, gute Getränke und das Ganze in der Turnhalle im nächsten Ort.", erklärte ich.
"Als verantwortungsvolle und nette Nachbarin, die du ja bist, nimmst du mich mit Sicherheit mit, um mir zu zeigen, wo das ist, damit ich mich nicht verlaufe?", fragte Liam weiter nach.
"Klar. Nette Nachbarn tun so etwas. Ich denke, das sollte also im Rahmen meiner Möglichkeiten liegen!", sagte ich gespielt gönnerhaft.
"Zu gütig! Vielen Dank. Dann sehen wir uns wohl spätestens Freitagabend", meinte er.
"Inoffiziell ja. Nachbar", sagte ich.
Liam nickte und ich setzte meinen Einkauf fort.
Als ich an der Kasse stand und wieder meine Kopfhörer trug, kam ich ins Grübeln. Thank You von Gestört, aber geil lief über meine Kopfhörer.
Ich hoffte, dass das keine doofe Idee war.
Zusammen mit Liam zu dieser Party zu gehen, würde für viel Gerüchte sorgen. Aber mal im Ernst. Das würde es so oder so, egal ob ich mit ihm, einem anderen Kerl oder alleine auftauchte. Im Prinzip war es also total egal.
Außerdem war es nicht in der Schule und in meiner Freizeit durfte ich ja wohl machen, was ich wollte.
Trotzdem ließen mich die Gedanken nicht los. Ich war dennoch besorgt, was alle sagen könnte. Meine Stimmung war wolkig, wie der Himmel, als ich aus dem Einkaufsladen heraustrat und wieder nach Hause lief.
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