Kapitel 19
Harry POV
Was die Ausstrahlung unseres Interviews auslösen würde, hätte ich nie im Leben gedacht. Innerhalb von einer halben Stunde war unser Zuhause ein Tollhaus!
Das Filmteam war abgezogen, aber Roman noch geblieben, genau wie Liam, Niall und inzwischen auch Zayn, der sich zu Hause losmachen konnte.
Und ich brauchte sie alle, denn im Sekundentakt klingelte mein Haustelefon, mein Handy und die Haustürklingel.
Sämtliche Nachbarn aus der Umgebung tauchten auf, wollten Louis bei ihnen willkommen heißen. War ja nett, aber doch nicht alle auf einmal und...
"Harry? Was soll ich mit ihnen machen? Da kommen noch welche die Straße runter. Und du glaubst es nicht, die tragen einen Korb mit Hundespielzeug vor sich her.", rief Niall von der Tür, der erstmal alle raus in den Garten zu Liam gebracht hatte, der diese dort mit Getränken versorgte.
Mein Handy hatte ich nach kurzer Zeit ausgemacht und mein Haustelefon wurde von Zayn einfach lahm gelegt, in dem er den Stecker zog. So viel dazu. Endlich hatte wenigstens das Klingeln aufgehört.
Louis, der gar nicht begriff, was um ihn herum passierte, stand mit angelegten Ohren immer dich bei mir, folgte mir auf Schritt und Tritt.
"Was, gefährlich alle da?", fragte er, deutete durch die Glasscheiben in den Garten.
"Nein. Das sind alles Nachbarn, Lou. Die sind nett, wollen dir hallo sagen.", antworte ich und auch wenn er noch skeptisch wirkte, schien er zu überlegen, ob es nicht vielleicht potentielle Spielkameraden sein könnten.
"Harry was ist denn nun?", schrie Niall erneut und ich stöhnte auf.
"Lass sie rein, zu den anderen und dann, dann bleibt die Tür zu. Dann gehen wir einfach nicht hin. Da sind jetzt glaube ich schon 10 Leute da. Das reicht. Für Louis ist das heute eh alles viel zu viel.", ich legte meinen Arm um den Hybriden, spürte, dass er leicht zitterte.
So viele Menschen war er einfach nicht gewohnt und das alle sich auf ihn fixierten, erst recht nicht.
Nachdem dann auch noch die Smithers hinten im Garten waren, sah ich Louis direkt an.
"Hör zu. Wir gehen da jetzt raus. Sie wollen wirklich alle nur nett sein und hallo sagen. Ich glaube, der ein oder andere hat sogar was Schönes für dich dabei. Wo auch immer sie das so schnell hergezaubert haben. Bleib einfach bei mir, ich pass auf dich auf, in Ordnung?", ich strich ihm über den Kopf, spürte, wie er sich vertrauensvoll gegen meine Hand drückte.
"Harry passt auf. Lou weiß das.", sagte er, wollte mich küssen, doch ich hielt ihn davon ab.
"Nicht jetzt. Heute Abend. Die Menschen müssen das nicht sehen, in Ordnung?", fragte ich und für eine Sekunde ließ er die Ohren hängen, ehe er nickte und dann meinte.
"Sie Geschenke für Lou?", die Augen leuchteten, als er sich die Tatsache ins Gedächtnis rief und als ich nickte, zog er mich förmlich nach draußen zu den anderen.
XXX
Die Nachbarn waren echt goldig. Zumeist ältere Herrschaften, die sich bereits in Rente befanden. Einige von Ihnen hatten tatsächlich Kleinigkeiten mitgebracht. Etwas zu Essen, ein Spielzeug oder auch nur ein paar liebe Worte.
Jeder wollte mit Louis sprechen, die Damen auch gern mal seine Ohren berühren. "Darf ich ihn mal anfassen?", fragte nun auch Marlene, unsere direkte Nachbarin.
"Das musst du nicht mich fragen.", sagte ich und sah zu Louis. "Er ist ein Mensch, mit ein wenig Hundegenen. Er kann ganz normal für sich selbst entscheiden, was er mag und was nicht. Ich bringe ihm einfach nur die Gepflogenheiten bei, die er bisher noch nicht gelernt hat.", erklärte ich und war geduldig, weil ich Marlene wirklich mochte.
"Oh. Entschuldige, Louis.", sie lächelte den Hybriden warm an. "Dürfte ich vielleicht, also...", stotterte sie ein wenig unbeholfen und da überraschte mich Louis plötzlich. Er beugte sich vor, weil er tatsächlich etwas größer war, als die kleinwüchsige Nachbarin, sodass sie seinen Kopf und seine Ohren berühren konnte.
"Vorsicht. Nicht ziehen.", sagte er dabei und als sie dann, ganz sanft ihre Hand auf seinen Kopf legte, die Finger vorsichtig über die weichen Ohren strichen, lächelte er und machte zufriedene Geräusche.
"Du bist so flauschig.", stellte sie fest, nahm ihre Hand kurze Zeit später weg. Wie kann es nur so böse Menschen geben, die dich wieder in ein Labor sperren wollen?", sie schüttelte den Kopf und sah mich wieder an.
"Harry. Wir sind an deiner Seite. Wir sind zwar nicht mehr die Jüngsten, mein Egon und ich, aber wir sind da für euch.", die Stimme klang kämpferisch und scheinbar hatte ihr Statement auch die anderen Nachbarn auf den Plan gerufen, die ihr lautstark zustimmten.
"Niemand wird Louis seinem Platz hier bei dir entreißen.", Jack, ein Mitte 40 er, Vater von zwei Kindern verschränkte entschlossen die Arme. "Ich habe die Regierung sowieso gefressen und was da alles schief läuft, zeitweise. Wir sind da für euch, als Nachbarn und Freunde. Wir werden denen ein Schnippchen schlagen und damit, dass ihr an die Öffentlichkeit gegangen seid, habt ihr den ersten richtigen Schritt gemacht. Es ist zwar ein alter Spruch aus einem noch älteren Film, aber ich zitiere ihn trotzdem gern. "Einer für alle, alle für einen."
XXX
Mit so viel Zuspruch hätte ich tatsächlich nicht gerechnet und als nach ein paar Stunden, bis auf meine engsten Freunde alle gegangen waren, wir auf dem Sofa saßen, konnte ich nicht glauben, wie gut es tatsächlich gelaufen war.
Nur Roman starrte immer wieder abwesend und mit leicht besorgter Miene auf sein Handy.
"Was ist denn los?", Niall, der gerade aus der Küche kam und ein paar Chips auf den Tisch stellte, sah den jungen Mann fragend an.
"Unsere Redaktion wird gerade bombardiert mit Anfragen, bezüglich deines ganzen Namens, deiner Adresse etc.. Sie sind stinksauer, dass wir es zugelassen haben, einen so gefährlichen Hybriden als Kuscheltier dazustellen, wie sie es ausdrückten.", er schüttelte den Kopf, fuhr sich durchs kurze Haar.
"Das heißt, es gibt also Ärger?", fragte Liam und der Journalist zuckte mit den Schultern.
"Ich denke sie werden es nicht einfach auf sich sitzen lassen. Es kann schon sein, dass es Streß geben wird. Wir können nur hoffen, dass der Druck der Menschen, sie von Schlimmeren abhält. Aber ich habe meinem Chef bereits geschrieben, dass er bitte ein Sicherheitsteam herschicken soll, die das Haus bewachen.", Zayn riss die Augen auf.
"So richtige Security?", fragte er und Roman nickte.
"Holen die Lou?", der Hybrid, der still neben mir, oder eher halb auf mir gedöst hatte, fuhr hoch. Angst stand in seinen Augen.
"Nein. Sie werden dich nicht holen! Wir passen auf dich auf.", flüsterte ich leise, kraulte in seinem Nacken die Stelle, von der ich wusste, dass sie ihn schnell wieder beruhigte.
"Wir bleiben besser auch alle über Nacht hier. Harry allein zu lassen, ist keine gute Idee.", Niall stopfte sich eine Hand voll Chips in den Mund.
"Ja, sehe ich auch so.", stimmte Liam zu und auch Zayn nickte. Dieser hatte sich zwar die letzten Tage rar gemacht, aber es gab wieder Probleme bei seinen Eltern und da musste er sich einfach priorisiert drum kümmern.
XXX
Die Nacht war für alle aufwühlend. Romans Securitymänner waren gegen 22 Uhr eingetroffen und hatten sich sowohl im Garten, als auch vor dem Haus platziert. Roman war dafür nach Hause gefahren, versprach aber mit mir in Kontakt zu bleiben und von den neuesten Entwicklungen zu berichten.
Lou war ja bereits unten eingeschlafen, doch als er dann oben im Bett in den Tiefschlaf überging, schienen die Erinnerungen als Träume wieder zu kommen und er weinte im Schlaf, strampelte und fiepte.
Es zerriss mir das Herz und als ich selbst mit sanftem Streicheln die Alpträume nicht vertreiben konnte, weckte ich ihn unsanft und er fuhr hoch, fletschte die Zähne.
"Alles gut. Alles gut. Es war nur ein Traum.", sprach ich leise auf ihn ein und als er nach ein paar Sekunden registrierte, dass es nur ich war, der da neben ihm saß, atmete er auch wieder ruhiger, bevor er sich an meine Brust schmiss.
"Lou lieber tot, als Labor.", kam es irgendwann von ihm und ich musste noch einmal nachfragen, bevor ich tatsächlich verstand.
"Du wirst weder sterben, noch ins Labor.", ich schüttelte den Kopf, nahm sein Gesicht in beide Hände, sah in die geröteten Augen.
"Wir haben sie alle gehört. Jeder dieser Menschen, die da waren, unterstützen uns und da draußen sind es noch tausende von ihnen. Ich habe vorhin im Internet geschaut. Es gibt bereits Petitionen, es sollen Proteste organisiert werden. Hab keine Angst."
"Peti was?", er runzelte die Stirn und ich strich ihm liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht.
"Petition. Das ist eine Eingabe, die man an entsprechenden Stellen macht, die viele Menschen die das unterstützen unterschreiben, damit sich gewisse Dinge ändern.", ich war mir nicht sicher, ob er meine Erklärung verstand, aber er nickte zumindest und fuhr sich dann mit der Hand über die Nase.
"Ich will ganz Mensch sein, Harry. Nicht anders als Li.", ich merkte, dass er wieder zu beben begann. "Ich bin Lou."
Wie schon so oft die letzten Tage, trieben mir seine Worte Tränen in die Augen. Natürlich wollte er einfach nur "normal" sein. Ein Mensch, wie wir anderen auch. Jemand, der nicht begafft wurde, jemand der normal in der Gesellschaft seinen Platz hatte. Kein Wundertier, kein Ausstellungsstück, wie er sich vermutlich gerade im Moment fühlte.
Erstmals kamen mir auch die Menschen in den Sinn, denen es in der Gesellschaft ähnlich ging, wie er sich gerade fühlte. Die Ausgrenzung erlebten, sei es durch Hautfarbe, durch ihre Herkunft, Ihre Art zu lieben oder durch körperliche Beeinträchtigungen. Und das waren ja nur ein Bruchteil von Gründen, warum Menschen andere Menschen ausgrenzten.
Bisher hatte ich das Glück, in meinem Leben damit nie direkt konfrontiert worden zu sein. Ich hatte eine super tolle Schule, in der kein Mobbing geschah, umgab mich mit Menschen, die offen für andere waren, nie auf die Idee kämen, jemanden anderen auszugrenzen und auch in meiner Firma lief es was das angeht wirklich vorbildlich.
"Ach Lou.", ich streichelte ihm über den Rücken. "Du bist nicht allein. Und du bist gut, genau wie du bist. Nur weil du anders bist, als andere, heißt es doch nicht, dass das schlecht ist, oder das du deshalb weniger wert bist. Du bist ein toller Mensch, der eben noch einen zweiten Genpool hat. Aber das ist doch eher was Tolles, als etwas schlechtes. Wenn wir aus beiden Teilen von dir das Beste herausholen, bist du der Super Lou. Glaube mir. An dir ist nichts falsch und ich liebe dich genauso, wie du bist!"
Er sah mich an, drückte kurz die Lippen auf meine. "Und wenn du erstmal überzeugt bist, werden wir auch für andere in der Welt kämpfen, die ähnlich wie du jetzt denkst."
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