Tag zwei -Der nächste Schritt
Es herrschte Totenstille.
Mein Herz pochte so laut in meiner Brust, dass ich befürchtete, es könnte den anderen auffallen. Angespannt beobachtete ich Tais Silhouette, die sich seit Nevis Offenbarung immer noch in derselben verkrampften Position befand. Trotzdem sah ich das leichte Zittern der Fäuste und befürchtete für einen Augenblick, dass der Tiger ausholen würde, um dem ohnehin schon geschwächten Austauschschüler eins über zu ziehen.
Stattdessen sank er stöhnend in die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen.
"Tai?", fragte Nevis erschrocken.
"Was erwartest du? Wie soll ich dir jetzt darauf antworten?", erwiderte er nur dumpf. "Es ist ja nicht so, als wäre es etwas völlig Neues für mich."
Jetzt war es an Nevis, verwirrt zu gucken.
"W-was meinst du damit?"
Ich spürte, wie mich jemand am Ärmel zog.
"Sarina, ich weiß, dass er Moment gerade ungünstig ist, aber wir haben das Rezept. Es steht auf einer der hintersten Seiten. Wir sollten uns so schnell wie möglich auf den Weg zu Sylvia machen.", murmelte Len mir zu. Ich nickte und warf einen Blick auf Tai und Nevis.
"Wir werden sie erst einmal hier lassen. Nevis wird sich noch ein bisschen erholen müssen und ich glaube, die beiden haben noch viel miteinander zu bereden. Ich denke nicht, dass das uns etwas angeht.", sagte ich leise.
"Okay."
Wir machten uns daran, den anderen leise zu verstehen zu geben, dass wir nun den Rückweg antreten würden. Nur widerwillig ließen sie von dem Paar am Boden ab und folgten uns aufgeregt flüsternd durch das Kellergewölbe zurück zur Treppe.
"Wusstet ihr das?", erkundigte sich Ruby voller Neugier bei uns. Ihre silbernen Augen glänzten vor Aufregung. "Ist Nevis wirklich ein Werwolf?"
Ich seufzte.
"Ja, ist er. Wir wissen es auch noch nicht sehr lange. Es ist eine Geschichte für sich."
Meine Freundinnen nickten verständnisvoll.
"Was mich aber erstaunt ist, dass schon Monate vergangen sind, in denen Nevis schon bei uns war und noch nie ist irgendjemandem etwas aufgefallen."
"Ja, weiß Mrs. Roberts eigentlich darüber Bescheid?"
Ich tat mein Bestes, um die dringenden Fragen der Mädchen zu beantworten. Trotzdem musste ich aufpassen, nicht zu viel zu verraten. Die Tatsache, dass wir einen Werwolf in der Akademie beherbergen war nämlich immer noch ein Geheimnis.
"Gut", Len klatschte einmal in die Hände, als wir endlich am unteren Absatz der Steintreppe angekommen waren. "hört noch einmal bitte zu. Es ist natürlich selbstverständlich, dass ihr alles, was heute hier unten passiert ist, niemandem weitererzählt. Ich weiß, es war eine überraschende Wendung der Ereignisse, aber bitte berücksichtigt Nevis auch dabei. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, dann richtet sie bitte an mich oder Sarina."
"Was ist eigentlich mit dem Buch?", erkundigte sich Seth und ich musste mir über den viel zu offensichtlichen Themawechsel ein Lachen verkneifen.
"Gute Frage!" Der Alpha zeigte grinsend mit dem Finger auf seinen besten Freund. "Ich weiß nicht, ob es alle in dem Durcheinander mitbekommen haben, aber wir haben das Rezept gefunden."
Er hielt ein Gefäß in die Höhe, das bis zum Rand mit dem Feenstaub gefüllt war. Überrascht starrte ich es an. Wo hatte er das denn aufgetrieben?
„Ich bin die Zutatenliste durchgegangen und anscheinend ist dieser Staub eine davon. Wahrscheinlich mussten die Feen sichergehen, dass das Buch nur in sichere Hände fällt."
„Aber wieso sollten Werwölfe und Vampire, gegen die das Pulver gerichtet ist, ihren eigenen Trank aufheben wollen, der ihnen Vorteile gegen uns verschafft?", ertönte Scarlets irritierte Stimme plötzlich aus den hinteren Reihen.
„Noch eine gute Frage." Mein Artgenosse nickte mit dem Kopf. „Tatsächlich beinhalten die meisten dieser Rezepte in diesem Buch Feenstaub. Es geht nicht einzig allein um unser Tagwandlerserum. Wir haben da wahrscheinlich einfach nur Glück gehabt."
„Das heißt, in diesem Buch stehen weitere verbotene Tränke mit ungeahnten Kräften?", hakte Ruby fasziniert und fixierte den Einband mit großen Augen.
„Ja", sagte Len vorsichtig. „aber wir werden sie nicht benötigen. Das Buch wandert nach dem Gebrauch wieder zurück in die Hände von Mrs. Roberts, die sich um alles Weitere kümmern wird. Also kommt nicht auf dumme Gedanken!"
Meine beste Freundin verzog gespielt beleidigt den Mund.
Da niemand sonst noch Fragen hatte, begannen wir, uns wieder in Gruppen aufzuteilen. Dieses Mal gingen Len und ich zuerst, da wir mit Mrs. Roberts verabredet waren.
Sobald alle wieder in der Eingangshalle waren, verabschiedeten wir unsere Freunde und wiesen erneut daraufhin, die Geschehnisse des Tages für sich zu behalten. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sie sich nicht daran hielten, aber mir war es wichtig, noch einmal darauf einzugehen.
Nun standen Len und ich vor Mrs. Roberts Büro und sahen etwas skeptisch die geschlossene Tür an.
„Irgendwie habe ich ein Déjà-vu.", murmelte ich.
„Hmm.", machte Len nur.
„Na ja, besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen.", versuchte ich es schwach.
„Na wenn du das sagst.", kommentierte Len meine Aussage seufzend und hob die Hand, um zu klopfen.
„Kommt rein.", ertönte es von der anderen Seite. Ich warf dem Alpha einen letzten Blick zu, bevor er die Tür öffnete und den Blick auf das Innere des Büros seiner Tante frei gab.
Gegen meine Erwartungen befanden sich neben der Direktorin weitere Lehrer in dem eigentlich viel zu kleinen Raum. Mrs. Knight, die Lehrerin für Verwandlung, Mr. Mason, der Schularzt, Mrs. Bristow, Mr. Richman, Tyler und zwei weitere, mir unbekannte Männer, hatten sich um den Schreibtisch versammelt und starrten allesamt gebannt auf eine Karte. Als wir den Raum betraten, sah nur die Hälfte aller auf.
„Hallo ihr beiden."
Die Direktorin sah uns aus müden Augen entgegen.
„Es ist schön, euch beide mal wieder zu sehen."
„Ja, dich auch. Du siehst erschöpft aus.", antwortete Len besorgt.
Doch seine Tante ging nicht darauf ein, sondern stellte uns nur die beiden unbekannten Männer vor, von denen sich einer als Leiter des Fachbereiches für Kampfkunst und der andere als Magier herausstellte. Des Weiteren eröffnete Mrs. Roberts uns, dass die kleine Gruppe, der wir gerade gegenüberstanden, nur einige wenige Leute des Komitees waren, das für den bevorstehenden Kampf Beratungen abhielt. Sie erzählte uns, dass man in Schichten arbeite, um keine Zeit zu verlieren.
Ich brauchte nicht großartig zu wissen, dass sie für sich selbst das Schichtsystem ablehnte und wahrscheinlich bei jeder einzelnen Sitzung dabei gewesen war. So müde wie sie aussah, hatte sie bestimmt seit dem Vorfall auf dem Ball nur wenige Stunden geschlafen.
„Also, was ist los? Warum wolltet ihr mit mir sprechen?"
Mein Artgenosse räusperte sich verlegen.
„Wir hatten eigentlich angenommen, dass du allein sein würdest." Er warf einen Blick zu den anderen Erwachsenen. „Mir wäre es lieber, wenn-"
„Keine Sorge, wir verstehen schon.", sagte Mrs. Knight freundlich und sah ihre Kollegen scharf an. „Mrs. Roberts wird uns schon mitteilen, wenn es etwas Wichtiges zu wissen gibt. Bleibt es trotzdem bei um sieben? Wir müssen noch die Positionierung unserer Truppen besprechen."
"Ja, wir sehen uns später. Sie können gehen.", verabschiedete die Schulleiterin sie. Die anderen sahen zwar ein wenig misstrauisch aus (wahrscheinlich glaubten sie nicht, dass unsere Informationen von besonderer Wichtigkeit sein könnten), doch als die Direktorin sie nur weiter auffordernd anschaute, zogen sie sich zurück und verließen schweigend den Raum.
Als die Tür hinter sie ins Schloss gefallen war, musste ich erst einmal erleichtert aufatmen, was aber nicht von langer Dauer war.
Erwartungsvoll faltete Lens Tante nämlich nun ihre Hände unter dem Kinn und sah uns sogar ein wenig neugierig an.
„Also gut." Langsam griff Len in den Beutel, den er mitgenommen hatte und zog vorsichtig das Buch aus der Turnhalle und das aus dem Kellergewölbe hervor.
„Wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie wir vielleicht einen Vorteil im Kampf gegen die Hybriden erlangen können. Wir wissen, dass wir gegen ein paar Vorschriften verstoßen haben, aber ich hoffe wirklich, dass das dieses Mal die richtige Entscheidung war." Er wandte sich an mich. „Sarina?"
Ich nickte und begann erst einmal, die ganze Geschichte zu erzählen. Angefangen mit Nevis und wie wir mit seiner Hilfe überhaupt erst erfahren hatten, dass die Wervampire über ein Tageswandlerserum verfügen, weiter mit der Suche in der Turnhalle und schließlich endete ich beim heutigen Tag, beim Fund des Buches, das höchstwahrscheinlich der Schlüssel für unser Problem war.
Meine Mentorin hörte die ganze Zeit über aufmerksam zu. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich kein einziges Mal und ich konnte nicht genau deuten, ob sie sich schon so an unsere selbstständige Arbeit gewöhnt hatte, dass sie einfach nichts mehr aus der Fassung bringen konnte oder es ihr einfach schlichtweg egal war.
Als ich meinen letzten Satz beendet hatte, herrschte für einen Moment nur noch Stille.
Schließlich seufzte sie.
„Wie geht es Nevis?"
Ein wenig überrascht blinzelte ich.
Kein Vortrag? Kein Anschreien? Keine Wut?
„Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Er redet gerade mit Tai. Aber die ganze Sache hat ihn ziemlich mitgenommen.", antwortete Len an meiner Stelle. „Der Feenstaub hat ihn wahrscheinlich für heute bis auf weiteres aus der Bahn geworfen."
Mrs. Roberts nickte.
„Na gut. Seht zu, dass er sich schnell erholt. Er darf nicht zu sehr geschwächt sein." Sie streckte eine Hand aus. „ Und du meintest, ihr hättet die Bücher?"
„Ja, ich habe auch ein wenig Feenstaub mitgenommen, der im Keller in dem Spind war. Er wird für den Trank benötigt."
Len legte den Inhalt des Beutels gut sichtbar vor seiner Tante auf den Schreibtisch.
„Sieh es dir in Ruhe an. Aber wir brauchen noch heute eine Entscheidung. Den Trank zu brauen dauert einen Tag und muss vor der letzten Zutat schon fertig sein. Erst dann darf sie hinzugefügt werden."
„Und was wäre das?", fragte sie, während sie in dem Buch blätterte und dabei einige goldene Staubpartikel aus den Seiten fielen.
Plötzlich interessiert sah ich zu Len. Er hatte mir das noch gar nicht erzählt.
„Sonnenquellwasser."
Sie hielt inne und sah ihn dann ernst an.
„Das ist nicht dein Ernst."
Er schüttelte bedrückt den Kopf.
„Leider doch. Sarina und ich müssten eine Stunde vor der Schlacht eine Sonnenquelle finden und das Wasser gleich hinzugeben. Nur so wird es möglich sein, diese Wervampire auszuschalten."
„Darf ich kurz fragen, was eine Sonnenquelle ist?", unterbrach ich das Gespräch. „Ich meine, was kann daran so schwer sein, eine Wasserquelle zu finden?"
„Diese Quelle ist nicht nur eine Quelle, Sarina.", antwortete meine Mentorin mir kopfschüttelnd. „Es ist normalerweise die Quelle, aus der alle magischen Wesen des Waldes ihre Kraft schöpfen. Sie ist deshalb so mächtig, weil sie das erste ist, was die Sonnenstrahlen eines neuen Tages zuerst berühren. Sie ist meist tief im Herzen eines Waldes verborgen und oft kaum auffindbar."
„Na da ist ja toll.", gratulierte ich uns. „Ich nehme an, dass uns die nächstgelegenste Quelle nicht bekannt ist?"
„Nicht ganz.", sagte Len und fuhr sich einmal nervös durch die Haare. „Die Elfen wissen über solche Dinge normalerweise ziemlich gut Bescheid. Wir werden sie fragen müssen, ob sie uns den Standort verraten würden."
„Und was machen wir, wenn sie sich weigern?"
„Dann werden wir sie selbst finden müssen."
"Na toll. Das heißt, wir werden auch noch wandern müssen? Auf gut Glück? Das kann doch ewig dauern."
"Wir haben aber keine andere Wahl."
Er zuckte mit den Schultern.
Mrs. Roberts hatte stumm unsere Unterhaltung mitverfolgt. Nun schüttelte sie nur den Kopf und tippte nervös mit ihrem Finger auf die glatte Tischplatte.
„Ich werde Keniir noch einmal um ein Treffen bitten. Er wird der Königin ohnehin von unseren Verhandlungen berichten müssen. Immerhin geht es hier um unser aller Zukunft. Wenn alles funktioniert, werde ich euch Bescheid geben." Sie überlegte kurz. "Kommt einfach heute Abend zur Versammlung. Ihr solltet ohnehin mehr über solche Kriegsplanungen lernen. Es geht heute um unsere Truppenpositionierung."
Len zuckte mit den Schultern.
"Wieso eigentlich nicht? Vielleicht können wir helfen."
Auch ich nickte mit dem Kopf.
Ich hatte keine Ahnung von solchen Dingen, doch gerade deswegen war es so wichtig, nun zu lernen. Immerhin hatten wir es uns gewünscht, mehr mit den Erwachsenen zusammenarbeiten zu können. Die Zeiten von Alleingängen sollten möglichst vorbei sein.
Mrs. Roberts erhob sich von ihrem Stuhl.
"Geht solange etwas essen. Es sind jetzt noch zwei Stunden bis zur Versammlung und diese kann sehr lange dauern. Wir nehmen den Konferenzsaal im Nordflügel. Len, du weißt, welchen ich meine?"
Der Alpha nickte.
"Gut. Ihr könnt dann gehen und ich kümmere mich erst einmal um das Treffen mit den Elfen."
Wir bedankten uns und waren schon dabei, zu gehen, da rief die Direktorin und noch einmal zurück.
Ihre bernsteinfarbenen Augen leuchteten plötzlich ein wenig heller, als sie zu uns sprach:
"Ihr habt das Richtige getan. Vielen Dank für die harte Arbeit. Ich weiß das zu schätzen."
Das Lächeln, das sie uns schenkte, ließ den Rest Zweifel, der noch auf meiner Seele gebrannt hatte, völlig verschwinden.
Endlich hatten wir einmal die richtige Entscheidung getroffen.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Zwei Stunden später betraten wir den Konferenzraum, von dem die Schulleiterin gesprochen hatte. Fast jeder leitende Fachbereichslehrer war anwesend, darunter auch wieder Mr. Mason, Mrs. Bristow, Mr. Richman und diverse, ganz in Schwarz gekleidete Männer und Frauen, die sich im Hintergrund hielten. Die Magier waren wie immer zurückhaltend. Schließlich war das auch ihre Aufgabe: unauffällig aber gründlich die Sicherheit der Akademie garantieren. Gerade zu diesen Zeiten war ihre Aufgabe so wichtig wie noch nie zuvor. Ich konnte es nicht verhindern, mich beim Anblick ihrer schattenhaften Gestalten ein wenig sicherer zu fühlen.
Die Versammlung startete Punkt sieben.
Zuerst erstattete die vorige Schicht einen Bericht über weitere beschlossene Sicherheitsvorkehrungen, Regeln und neue Bedingungen bei der Zusammenstellung von Kampftruppen. Auch das heute geschlossene Bündnis mit den Elfen wurde erneut angesprochen und die Bestandsaufnahme aller zur Verfügung stehenden Waffen wurde von der Kampfabteilung vorgestellt.
Allein das alles dauerte schon knapp eine Stunde, da immer wieder Einwände, Verbesserungsvorschläge und Proteste kamen, auf die Mrs. Roberts versuchte, so gut wie möglich einzugehen.
Spannend wurde es, als eine Lehrerin von Magiefachbereich eine riesige Karte des Umlandes der Akademie vorn neben dem Rednerpult erschienen ließ, die nun einfach dort schimmernd vor sich hin schwebte. Darauf zu sehen war natürlich die Akademie, aber auch Lutumy, die angrenzenden Wälder, die Klippen vom Meer im Nord-Osten, die Hügellandschaft im Süden und natürlich die Berge mit dem Königspass im Westen.
Ihn umkreiste ein riesiger roter Ring. Denn genau dort würde morgen die Schlacht beginnen.
Ich brauchte eine Weile, um den Erwachsenen bei ihrer Diskussion zu folgen, da alle andere Ansichten hatten, was denn das Beste für die Verteidigung, den Angriff und den eigenen Schutz sei. Letztendlich einigte man sich, die Truppen im Süd-Westen kurz hinter Lutumy zu positionieren, um den direkten Marsch auf die Berge zu zu garantieren. Man würde die Lager im Bette der Hügellandschaft aufschlagen und im Schutz der angrenzenden Bäume das Krankenlager einrichten. Außerdem wären die Soldaten somit weit weg genug von der Akademie, um diese im Falle eines gegnerischen Angriffs zu schützen. Der Wald bot ebenfalls genug Schutz für einen Rückzieher und die freie Landschaft war ideal, um den Überblick zu behalten.
Es war die beste Option und doch kamen immer noch einige Einwände, die aber auf wenig Gehör stießen, da die meisten mit der Entscheidung zufrieden waren.
Len und ich wurden ebenfalls ein paar Mal nach unserer Meinung gefragt, aber etwas anderes, als nur zustimmend zu nicken oder ahnungslos mit den Schultern zu zucken wagte ich nicht. Mein Freund brachte ab und zu hilfreiche Einwände, die jedoch im Endeffekt keine Berücksichtigung erlangten.
Mittlerweile war man auch zum letzten Punkt des Abends übergegangen: Die Spekulation über die generische Aufstellung. Da dieser Punkt nicht offiziell zum Programm der Versammlung gehörte, verabschiedeten sich fast über die Hälfte der Teilnehmenden. Vor allem die älteren Lehrer bevorzugten, bereits ins Bett zu gehen und so schrumpfte die Anzahl der Leute im Raum auf ein gutes Dutzend.
Was die restlichen sehr verunsicherte, war der Fakt, dass die Größe der Hybridenarmee kaum abzuschätzen war. Niemand hatte diese Kreaturen auch nur im Ansatz sehen können und auch ich konnte nur beschreiben, was ich in meinen Visionen sehen konnte.
Aber eine konkrete Zahl blieb bislang aus, obwohl man aufgrund von Vermisstenanzeigen, den stattgefundenen Verwüstungen der Dörfer und groben Schätzungen von einer mindestens vierstelligen Zahl ausgehen musste.
Also wo konnten sich hunderte von Vampir-Werwolf Hybriden unbemerkt aufhalten? Weit weg von den Bergen konnten sie nicht sein.
Schließlich hatte Akaya diesen Treffpunkt nicht umsonst gewählt. Auch mussten sie bereits in der Nähe der Akademie sein. Wie sollte es ihnen sonst möglich gewesen sein, alles über unser Sicherheitssystem herauszufinden, um dieses letztendlich auch zu zerstören?
"Ich gehe immer noch davon aus, dass sie sich im Dunkelwald aufhalten. Dort hausen kaum noch magische Wesen. Hauptsächlich Dämonen treiben sich dort in den Schatten herum. Die Elfen haben dort schon vor langem ihren Einflussbereich verloren.", meldete sich als erstes eine zierliche blonde Lehrerin zu Wort, die ich des öfteren auf dem Korridor für Fabelgeschichte gesehen hatte.
"Ich stimme dem zu. Für mich ist das auch am plausibelsten. Sie sind ungestört, haben riesige Flächen ohne Bebauung oder Straßen und sind so in der Lage, sich dort unbemerkt aufzuhalten.", stimmte ihr Mrs. Knight zu.
"Ich glaube das eher nicht. Denken Sie daran, dass diese Kreaturen nicht nur Werwölfe sind. Vampire brauchen Blut, um zu überleben und an das kommen sie nur, wenn sie jagen. Wenn es aber nichts zu jagen gibt, dann werden sie sich nicht an einem so trostlosen Ort wie dem Dunkelwald aufhalten, der kaum noch als Nahrungsquelle gelten kann.", hielt ein stämmiger Kampflehrer entgegen.
"Ja, bedenken Sie jedoch auch, dass die menschliche Seite des Werwolfs auch noch vorhanden ist. Was ist mit deren Bedürfnissen?", fiel ein dritter Lehrer ein.
"Ach kommen Sie, glauben Sie wirklich, dass da noch viel von einem Menschen übrig ist?"
Eine hitzige Diskussion begann, während ich zunehmend immer müder wurde. Meine Augen glitten langsam über die sich streitenden Erwachsenen, bis sie letztendlich bei Mr. Richman angelangt waren, der auf seinem Stuhl leise vor sich hin döste und mir somit aus tiefster Seele sprach. Ich musste ungewollt lächeln und erinnerte mich an das letzte Mal, wo ich mich mit ihm über die Bilder an seiner Wand unterhalten hatte.
Das Bild von den Greifen war mir immer noch glasklar im Gedächtnis geblieben.
Mit einem Mal schoss mir ein Bild durch den Kopf, dessen Existenz ich schon ganz vergessen hatte. Die majestätischen Form der Burg hatte sich so perfekt in die Landschaft geschmiegt, dass das ganze Konstrukt fast so aussah, als wäre es geradewegs aus der Erde entstanden.
"Len", flüsterte ich meinem Freund zu und stupste ihm vorsichtig in die Seite. "Weißt du zufällig, wo der Standort von Burg Blutmond ist?"
"Was für eine Burg?"
"Blutmond."
"Was ist das?"
Hm, er kannte sie nicht.
"Entschuldigen Sie bitte", unterbrach ich den lauten Redeschwall der Erwachsenen, die auf der Stelle verstummten. Mrs. Roberts, die die ganze Zeit über müde ihren Kopf in die Hände gestützt hatte, blickte verwundert auf. "könnten Sie mir bitte einmal den Standort von Burg Blutmond zeigen? Ich muss eine Theorie überprüfen."
Sprachlos nickte die zuständige Lehrkraft mit dem Kopf und ließ ihre Finger flink über die Karte fahren. Ein wenig oberhalb von Lutumy, am Fuße der Berge und eingebettet in die Hügellandschaft mit dichtem Wald an der Ostfront, erschien ein hellblauer, leuchtender Kreis auf der Karte.
"Aha, sehen Sie doch." Ich stand auf und lief zielstrebig auf die Karte zu. "Eine seit Jahrhunderten verlassene Ruine mitten im Nirgendwo, aber trotzdem mit Jagd- und Schutzmöglichkeiten. Dazu noch ausgerichtet auf einen gesamten Hofstaat, sodass auf wahrscheinlich nicht so schnell Platzproblem bei der Unterbringung von Hunderten von Wervampiren auftreten würde . . . Was halten Sie davon?"
Im Konferenzraum war es ungewöhnlich still.
"Sie sprechen mir aus dem Herzen, Ms. McAllen.", ertönte die freundliche Stimme des alten Hausmeisters aus dem Hintergrund. "Ich habe nur darauf gewartet."
Er lachte zufrieden und erhob sich langsam.
"Ich werde dann zu Bett gehen. Ganz offensichtlich sind Sie nun zu einem Ergebnis gekommen."
Selbst nachdem die Tür hinter dem Herren ins Schloss gefallen war, herrschte noch Schweigen, bis meine Mentorin plötzlich das Wort ergriff.
"Blutmond", Sie schnaubte verächtlich. "Was für eine Ironie. Ich habe das Gefühl, dass Akaya solche doppeldeutigen Namensgebungen gefallen würde. Gut gemacht, Sarina."
Ein wenig stolz verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln.
"Ich werde diese Nachricht sofort den Elfen mitteilen, um sie dies überprüfen zu lassen. Keniir wird sowieso gleich hier sein. Mit diesem abschließendem Fazit beende ich die Versammlung. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht und erholen Sie sich noch ein letztes Mal. Der morgige Tag wird von uns allen einiges an Kraft verlangen. Ach ja, ich brauche noch das Protokoll. Hat jemand Mrs. Bristow gesehen?"
"Ich glaube, sie ist bereits gegangen.", antwortete Tyler und schaute stattdessen auf den Platz der älteren Dame. "Aber hier liegt es. Schön sauber geschrieben. Sie werden kaum Arbeit haben."
"Vielen Dank, Tyler." Sie nahm das Papier entgegen. "Die Sitzung ist damit beendet."
Ich sah auf meine Uhr.
Mittlerweile war es kurz vor zehn. Hatten wir hier wirklich fast drei Stunden verbracht?
Len und ich warteten noch, bis der Großteil sich verabschiedet hatte, bevor wir vor zu Mrs. Roberts liefen, die stirnrunzelnd über einem Stapel Papier saß.
"Sylvia?", machte er seine Tante auf sich aufmerksam.
"Tut mir leid, Len.", seufzte diese nur. "Ich kann dir noch nicht antworten, da Keniir erst gegen Mitternacht hier erscheinen wird. Ich habe ihn vorhin noch am Tor abfangen können, sodass er schon auf dem Weg ist, um die Elfenkönigin um Erlaubnis zu fragen. Aber mehr weiß ich leider auch nicht. Kommt am besten morgen früh vorbei und wir besprechen alles weitere."
"Kannst du nicht den Trank in Auftrag geben, sobald du eine Rückmeldung hast? Du musst doch nicht auf uns warten."
Die Schulleiterin musterte ihn nachdenklich.
"Das würde aber bedeuten, dass wir eine weitere Person hätten, die wir einweihen müssten."
"Wenn das deine einzige Sorge ist-"
"Len, ich habe im Moment viele Sorgen.", fuhr sie ihn gereizt an, stockte dann und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ich musste automatisch meine Lippen auf aufeinanderpressen.
Es versetzte mir einen Stich, sie so zu sehen.
"Tut mir leid. Ich bin einfach so erschöpft.", murmelte sie dumpf.
"Das weiß ich doch.", beschwichtigte Len sanft seine Tante und griff nach ihren Händen. "Versprich mir einfach, dass du dich nach dem Treffen mit dem Elf ausruhen wirst. Was du hier leistest ist unglaublich, aber bitte denk auch ein wenig an dich."
Irgendetwas sagte mir, die beiden für einen kurzen Augenblick allein zu lassen. Dieser Familienmoment war nicht für mich gedacht. So nah wie ich Mrs. Roberts auch stehen mochte, war sie letztendlich immer noch meine Mentorin.
Ich gab dem Alpha also still Bescheid, dass ich draußen vor der Tür auf ihn warten würde und verließ leise den Raum.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Knapp eine Stunde später griff Len nach meinem Teller.
"Wir sollten schlafen gehen. Es ist spät.", sagte er und stellte das Geschirr in die Spülmaschine. Ich nickte nur und kaute nervös auf meiner Unterlippe. Er bemerkte es sofort und strich mir daraufhin lächelnd über den Kopf.
"Mach dir keine Sorgen, Sarina."
Mein Freund legte sanft eine Hand an meine Wange und hob meinen Kopf ein wenig an, sodass ich gezwungen war, ihm in die Augen zu schauen.
"Wir schaffen das morgen . . . irgendwie. Wir hoffen einfach, dass wir die Erlaubnis der Königin kriegen"
Unsere Blicke waren fest miteinander verankert. Die smaragdgrünen Augen betrachteten mich voller Zärtlichkeit und Zuversicht. Ich musste für einen Moment hart schlucken.
Seltsame Gefühle machten sich in meiner Magengrube breit und ich konnte nicht genau sagen, ob die Angst vor dem morgigen Tag meine Sinne vernebelte.
Ich nickte nur schnell und griff nach Lens Hand. Dieser lächelte und zog mich auf die Füße.
"Na siehst du. Ist doch gar nicht so schwer, mir zu glauben."
Als Antwort darauf, gab ich ihm nur einen flüchtigen Kuss auf seine Wange und versuchte so die Tatsache zu überspielen, dass auch nur eine Hälfte von mir versuchte, ihm zu glauben. Denn die andere versank immer noch in tiefen Zweifeln und unüberbrückbarer Angst.
Gemeinsam stiegen wir die Treppe nach oben und liefen schweigend zu unseren Zimmern.
Mein Herz raste und ich begann wieder an meiner Unterlippe zu kauen, als Len seine Hand von meiner löste und Anstalten machte, seine Tür zu öffnen.
"Gute Na-"
"Len", unterbrach ich ihn. Fieberhaft versuchte ich, mir die Nervosität nicht anmerken zu lassen. "Ich will heute nicht allein sein."
Der Alpha sah mich überrascht an und musterte mich von oben bis unten, um wahrscheinlich den Grund für meinen plötzlichen Ausbruch zu erraten.
"Was genau meinst du damit?" Misstrauisch legte er den Kopf schief und wandte sich langsam von der Tür ab.
Ich machte einen unsicheren Schritt auf ihn zu und tastete nach seinen Fingern. Unseren Blickkontakt löste ich kein einziges Mal, als ich eine Hand an meine rechte Wange legte, während die andere auf meiner Hüfte platziert wurde. Lens Körper verspannte sich merklich und ich meinte ihn dabei zu ertappen, wie er scharf die Luft einsog.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und murmelte leise an seinem Mund: "Nevis ist bei Tai. Ihm wird es nicht auffallen."
Sanft strich ich mit meinen Lippen über seinen Mundwinkel.
"Also, was denkst du? Können wir heute Nacht zusammenbleiben?"
Der Alpha betrachtete mich von oben herab.
"Hast du irgendwelche Hintergedanken?", fragte er argwöhnisch.
"Wer hat hier Hintergedanken?" Entrüstet schlug ich ihm gegen die Brust und brachte ein wenig Abstand zwischen uns.
Vielleicht war das doch keine so gute Idee.
Ich spürte, wie ich rot wurde. "Ich nicht. Ich auf gar keinen Fall! Wieso? Hast du welche?"
Na ja, vielleicht nur ein bisschen. Aber das musste er ja nicht unbedingt wissen.
"Warum bist du so panisch?", schmunzelte er.
Ich schwieg und schaute zur Seite.
Doch mehr brauchte es nicht, um den Alpha zu überzeugen, denn im nächsten Augenblick hatte er mein Kinn angehoben und begann, mich zu küssen. Ich musste mich beherrschen, um nicht triumphierend zu lächeln.
"Hör auf, so zu lachen.", knurrte Len an meinem Mund und ich öffnete meine Augen einen Spalt breit. Lens Gesicht sah angestrengt aus und ich merkte, dass er sein Möglichstes tat, um nicht komplett die Beherrschung zu verlieren.
"Ich dachte, dir gefällt eine dominante Sarina?", neckte ich ihn und küsste mich aufreibend langsam an seinem Kiefer entlang, während seine Hände, die mittlerweile beide an meiner Hüfte lagen, immer tiefer wanderten.
Ein tiefes Grollen ertönte aus Lens Kehle und sprach somit eine Warnung an mich aus, es nicht zu weit zu treiben.
Aber genau das war heute mein Ziel.
Ich war es leid. Ich hatte lang genug gewartet. Die Streite, Geheimnisse und das ganze Eifersuchtsgeplänkel mit Nevis waren nun endlich Vergangenheit. Vielleicht würden wir bald sogar sterben.
Wer wusste, ob das hier nicht die letzte Möglichkeit war, um mit Len zusammen zu sein?
Die Bedrohung versetzte mich in eine Art Rauschzustand, der nicht darauf hindeutete, bald wieder abzuflachen.
"Wir stehen übrigens immer noch im Flur.", flüsterte ich meinem Freund ein wenig atemlos ins Ohr. "Es würde ganz schön unangenehm werden, wenn plötzlich Nevis auftauchen würde."
"Wie oft willst du ihn eigentlich heute noch erwähnen?", knurrte er nur.
Ich kicherte, hörte ein dumpfes Geräusch und spürte plötzlich, wie Len einen Schritt zurück machte und mich an den Händen hinterher zog. Wir betraten sein Zimmer und sobald die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war, stand er auch schon so dicht vor mir, dass mir der Atem stockte.
Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, starrte ich ihn an. Langsam beugte er sich vor und ich schloss die Augen. Aber statt der erwünschten Berührung meiner Lippen ertönte nur ein Klicken und er zog seinen Arm neben meiner Hüfte wieder zurück, ohne sie auch nur berührt zu haben.
"Es ist abgeschlossen.", hauchte Len und sein Atem an meiner Wange bereitete mir eine Gänsehaut.
Für einen Moment hörte ich nur meinen rasenden Herzschlag.
"Und jetzt?", flüsterte ich.
Der Alpha stand so dicht vor mir, dass ich seine Wärme durch meine Kleidung hindurch spüren konnte.
"Wie wäre es, wenn wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben?", schmunzelte Len und ich konnte nur atemlos nicken.
Darauf hatte er gewartet.
Stürmisch presste er seine Lippen wieder auf meine und drückte sich enger an meinen Körper. Mittlerweile spürte ich auch das kühle Holz der Zimmertür in meinem Rücken, wodurch mir jeglicher Bewegungsfreiraum genommen wurde.
Ich war wie in einem Käfig.
Vor mir der große, sperrige Körper des Alpha und hinter mir die massive, hölzerne Tür.
Mit blieb also nichts weiter übrig, als meine Finger hilflos in die goldenen Locken des Löwen zu krallen, während dieser weiter hingebungsvoll meine Lippen liebkoste.
Das Blut rauschte in meinen Ohren und das Klopfen meines Herzens pulsierte durch meinen ganzen Körper. Ich fühlte mich wie in Trance; in einem Zustand von absoluter Schwerelosigkeit und spannungsgeladener Elektrizität.
Keuchend entzog ich mich Len für ein paar Augenblicke. Er hatte mich inzwischen so eng mit seinen Armen umschlungen, dass ich ihm nicht ohne Weiteres ins Gesicht schauen konnte.
"Sarina", sagte er rau und brachte ein wenig Abstand zwischen uns, sodass wir uns ansehen konnten. Ich wartete darauf, dass er seinen Satz beendete, doch das tat er nicht. Die smaragdgrünen Augen glühten so hell, dass sie allein für sich sprachen. Das Verlangen in ihnen war kaum zu übersehen und die Botschaft an mich war klar und deutlich.
Heftig nach Atem ringend starrte ich ihn an, bevor ich meine Hände aus seinen Haaren nahm und sanft an seine Wangen legte, um den Kopf des Alphas wieder zu mit herunter zu ziehen. Zärtlich platzierte ich einen Kuss auf seiner Stirn, dann auf seiner Nasenspitze und letztendlich auf den geröteten Lippen.
Im nächsten Augenblick hatte er mich hochgehoben. Erschrocken klammerte ich mich an Lens Schultern und schlang meine Beine fest um ihn, was ihm nur ein ersticktes Keuchen entlockte. Dann drehte sich der Alpha einmal vorsichtig um die eigene Achse und trug mich zum Bett, während er mit gestrecktem Kopf sein Bestes gab, unsere Lippen nicht voneinander zu trennen.
Ich spürte, wie er sich langsam auf die Bettkante sinken ließ, sodass ich schließlich auf seinem Schoß endete. Mein Kopf schwebte zwar immer noch über Lens, doch das hielt meinen Freund nicht davon ab, die Oberhand zu übernehmen.
Große Hände fasste mich mit einem Mal an den Seiten und fuhren nach hinten auf meinen Rücken, wo sie genüsslich ihre Kreise zogen. Mein Pullover rutschte ein wenig nach oben, als ich mich unter den Berührungen zu winden versuchte, und Len nutzte die Gelegenheit, um unter den Stoff zu fahren.
Ich sog scharf die Luft ein, als seine kühlen Hände auf meine erhitzte Haut trafen.
"Alles okay?", flüsterte er und sah zu mir hoch. Der Anblick seines Gesichts verschlug mir fast die Sprache. Die goldenen Locken hingen ihm wirr in die Stirn, während er mir mit geröteten Wangen und geschwollenen, leicht geöffneten Lippen einen sorgenvollen Blick aus fiebrig glänzenden Augen schenkte.
Womit hatte ich das verdient?
Ein schmerzvolles Stechen durchfuhr mein Herz für einen Moment.
"Alles in Ordnung." Ich lächelte leicht und strich ihm eine Strähne zur Seite, die an seinen Wimpern hing. Dann beugte ich mich wieder hinunter, um ihn zu küssen.
Seufzend nahm mein Freund die Berührung in Empfang und setzte seine Reise über meinen Rücken fort. Mittlerweile hatte er den Pullover schon so weit nach oben geschoben, dass mein halber Bauch freilag.
Mir gefiel das nicht.
Kurzerhand beschloss ich also, nach dem Saum seines T-Shirts zu greifen und ihn gemächlich immer ein kleines Stück höher zu ziehen. Len bemerkte mein Vorhaben natürlich sehr schnell.
Er schmunzelte, ließ von mir ab und drückte meine Hände wieder nach unten.
Ich stutzte.
"Was ist?"
Doch anstatt einer Antwort, blinzelte er mich nur unter halb geschlossenen Lidern an und lehnte sich vor, um kleine Küsse auf meinem Hals zu verteilen. Meine Haut war dort besonders empfindlich, weswegen ich automatisch die Augen schließen musste und mir auf die Lippen biss, um keinen Laut von mir zu geben.
Len küsste sich bedächtig von meinem Kinn hinunter, über den Hals bis hin zu meinem Ohr. Mein ganzer Körper wurde von einer angenehmen Gänsehaut geschüttelt.
"Willst du das wirklich?", hauchte Len an meinem Ohr, als er kurz seine Lippen von meiner Haut löste. Ich riss die Augen auf und sah ein wenig ängstlich zu ihm hinunter.
"W-willst du nicht?"
"Oh Sarina," Der Alpha lachte leise in meine Halsbeuge. "spürst du es denn nicht?"
Das Blut schoss mir in die Wangen.
Natürlich spürte ich es. Der sehnsüchtige Ausdruck in Lens Augen war nicht der einzige Hinweis, der darauf schließen ließ.
"Sei einfach still und küss mich.", antwortete ich also nur.
Und das tat er.
Unsere Münder krachten mit solch einer Wucht wieder aufeinander, die ich so nicht für möglich gehalten hatte.
In der Luft lag ein erregtes Zittern, das von unseren spannungsgeladenen Körpern ausging, die sich immer näher und immer enger aneinanderpressten, um so jeden auch so kleinsten Abstand zueinander zu überbrücken. Entschlossen packte ich nun den Saum von Lens Shirt, ohne den Kontakt zu seinen Lippen zu verlieren.
Es war ein wenig beschwerlicher, es ihm über den Kopf zu ziehen als angenommen und so entwich mir ein schadenfrohes Kichern, als er mit dem Kopf am Kragen hängen blieb.
"Sehr witzig", knurrte er, als er sich von dem Stoff befreit hatte und sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen gespielt wütend an. "Wir werden ja sehen, wer hier gleich lacht."
Damit packte er mich an meinen Hüften und hob mich von seinem Schoß. Urplötzlich spürte ich die weiche Matratze im Rücken und sah Len über mir.
Die Haare an seiner Schläfe und in seinem Nacken waren bereits ein wenig feucht und kringelten sich dort ein wenig. Fasziniert hob ich meinen rechten Arm und strich meinem Freund behutsam über das Gesicht, während er genießerisch die Augen schloss.
Ich strich weiter über seine Gesichtszüge, über die Nase, den Mund, das Kinn, folgte den Linien seines Halses, streichelte über seinen Kehlkopf. Mit beiden Händen fuhr ich die starken Schultern entlang, über das Schlüsselbein und die (zugegeben trotz des Winters immer noch) gut trainierte Brust.
"Len", sagte ich und er öffnete die Augen einen Spalt breit.
"Hmm?"
"Können wir die ganze Nacht so zusammenbleiben?"
Das Lächeln, das er mir schenkte, ließ mich mit einem Mal alle Sorgen der letzten Wochen für einen Augenblick vergessen.
In diesem Moment zählten nur Er und Ich.
Und niemand sonst.
"Wenn du es willst . . ."
Er gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn.
"Ich will . . . dich. Das will ich."
"Na dann gibt es wohl nichts mehr zu befürchten."
Der Kuss, den er mir nach diesen Worten schenkte, beinhaltete alles, nachdem ich mich je gesehnt hatte. Verständnis, Vertrauen, Liebe, Zuneigung und vor allem die Bestätigung, von jemandem gebraucht zu werden.
Ich kostete das Gefühl auf meinen Lippen aus und mit einem Mal sammelten sich Tränen in meinen Augen. Erschrocken strichen Lens Daumen über mein Gesicht.
"Wieso weinst du, Sarina? Habe ich etwas falsch gemacht?"
"Nein", schluchzte ich nur. "Nein, hast du nicht."
Ich richtete mich ein wenig auf und fuhr mir über die Augen.
"Es ist nur . . . Du bist mir so unendlich wichtig Len."
Ich weinte eigentlich nicht mehr, doch das Schluchzen wollte einfach nicht aufhören.
"Sarina" Er lachte erleichtert auf. "Kein Grund, mich so zu erschrecken. Du bist mir doch auch wichtig."
Er setzte sich nun vollends auf und zog mich in eine feste Umarmung. Seine eine Hand lag auf meinem Hinterkopf, während die andere beruhigend über meinen Rücken strich.
"Du hast keine Ahnung, was du für ein Geschenk für mich bist, Sarina.", flüsterte er leise. "Kein Grund zu weinen. Du bedeutest mir so viel." Er lachte leise. "Ich es kaum in Worte fassen."
"Wirklich?"
"Wirklich."
Schniefend drückte ich mich enger an ihn, was Len jedoch ein leises Stöhnen entlockte.
"Tut mir leid", kicherte ich nicht besonders reumütig. "das muss unangenehm sein."
"Ist schon gut.", versuchte Len zu lächeln und sich vorsichtig aus der Umarmung zu befreien. "Ich kann das nicht so einfach abstellen."
Zögernd knetete ich meine Finger, bevor ich ohne groß zu überlegen meinen eigenen Pullover über den Kopf zog. Mein Vorhaben stand schließlich immer noch.
Mit erröteten Wangen starrte mich Len an und ich starrte mindestens ebenso rot zurück.
"Wenn du nichts dagegen hast, können wir weiterma-"
Der Rest wurde von Lens heißem Mund verschluckt, der sich verlangender als zuvor auf meinen presste, während ich nur hilflos zurück in die Kissen sinken konnte.
"Du machst mich verrückt, Sarina.", keuchte mein Freund.
"Das war mein Plan.", murmelte ich zurück.
Und als ich dann Lens kühle Finger am Verschluss meines BH's nesteln spürte, gab ich mich der Flut aus überschwänglichem Verlangen und heißer Leidenschaft vollkommen hin.
Mindestens für eine Nacht zählten nur wir.
Nur für jetzt und nur wir zwei.
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*räusper* *räusper*
Sind alle noch am Leben?
Tut mir leid an alle, die pikantere Details erwartet haben, aber ich bin nicht wirklich erfahren im Schreiben von intimen Szenen (es sogar ein Wunder, dass ich das hier zustande gebracht habe).
Deswegen hoffe ich einfach, dass es euch trotzdem in irgendeiner Weise zufrieden stellen konnte ;)
Aber das mal zur Seite geschoben, was sagt ihr zum ersten Teil des Kapitels?
Die Werwolf-Sache mit Nevis schien ja jetzt nicht so dramatisch, wie es sich bestimmt einige von euch vorgestellt haben. Oder war es zu erwarten?
Außerdem ist ein neues Problem aufgetaucht . . . Werden sich die Elfen bereiterklären, den Metamorphen zu helfen?
Und endlich ist auch unsere Burg Blutmond mal wieder aufgetaucht. Ich hatte damals in den Kommentaren einige aufmerksame Leser, die schon vermutet hatten, dass sie noch einmal wichtig sein würde . . . Nun ja, wie gesagt: Ihr hattet eine ziemlich gute Vermutung
Ansonsten ist nun auch meine Abiturzeit vorbei und ich kann mich jetzt endlich ein wenig mehr um dieses Buch kümmern, das ja eigentlich auch nicht mehr viele Kapitel übrig hat. Ich werde mich in den nächsten Wochen bemühen, häufiger Kapitel zu posten... Immerhin soll dieses Projekt möglichst nicht noch ein weiteres Jahr laufen xD
Und sonst: Meinungen, konstruktive Kritik, Wünsche und Verbesserungsvorschläge etc. sind immer willkommen!
LG <3
Eure Cherry
PS: Dieses Kapitel ist wahrscheinlich das längste, was ich je geschrieben habe: gerundet sind es ungefähr 6280 Wörter!
PSS: Bleibt weiterhin schön gesund und Hände waschen nicht vergessen!
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