Tag drei - Finale Planungen
"Woher wusstest du das?", fragte ich Nevis fünfzehn Minuten später mit großen Augen. "Das war doch Absicht, oder nicht? Die Doppeldeutigkeit deiner Worte?"
Der Magier hatte Mrs. Bristow ohne viel Gewese abgeführt, um sie in ein weiteres Verhör zu schleifen. Da wir jetzt wussten, wem wir das alles zu verdanken hatten, ging alles ziemlich schnell. Die Bibliothekarin schien sich zu den Anschuldigungen nicht äußern zu wollen. Sie hatte meinen Vortrag weder bestätigt, noch ihm widersprochen. Anscheinend zog sie es vor, Stillschweigen zu bewahren, was sie jedoch dadurch noch verdächtiger machte.
Im Moment standen Nevis, Len und ich allein an dem Tisch, auf dem immer noch die Karte lag, während Mrs. Roberts vor der Tür den anderen Lehrern noch leise Anweisungen erteilte. Ihren eindringlichen Tonfall hörte ich trotzdem durch die hölzerne Barriere.
Nevis fuhr sich einmal verlegen durch die Haare und räusperte sich.
"Na ja", begann er "sagen wir es einmal so: Ich hatte letzte Nacht eine Art Erleuchtung."
"Also gibt es im Gewächshaus gar kein Problem?", fragte Len und verschränkte die Arme vor der Brust. Nervös schaute ich hinüber zu dem Eiskönig, der nur mit dem Kopf schüttelte.
"Nein, nicht wirklich. Wir sind zwar ein wenig im Verzug, aber ich denke, den Rest kriegen die anderen auch allein hin."
Bevor er jedoch weiterreden konnte, öffnete sich die Tür und die Direktorin betrat den Saal.
"Ich hoffe, das war die einzige schlechte Nachricht, die ihr mir zu verkünden habt.", seufzte sie und ich fragte mich, ob ich mir die Erleichterung in ihrer Stimme nur einbildete. Doch sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, legte sich ein ungläubiges Lächeln auf ihre Lippen. Sie lachte leise.
Eine Reaktion, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Ich sah zu meinem Artgenossen hinüber, der genauso verwirrt aussah, wie ich mich fühlte.
"Ich kann es nicht glauben." Die Schulleiterin fasste sich an den Kopf und lief langsam zu uns hinüber. "Sie ist wirklich der letzte Mensch, mit dem- Ich hätte nicht gedacht, dass sie-" Ihre Stimme brach. "Mrs. Bristow?!"
Jetzt reagierte sie, wie ich es mir vorgestellte hatte. Das Entsetzen und der Schmerz in ihren Augen machte es für mich unerträglich, meine Mentorin noch länger anzusehen, also wandte ich mich stattdessen der Karte zu.
"Wie wusstet ihr . . . ?" Ihre Frage stand offen im Raum und ich wagte nicht, sie zu beantworten, da ja eigentlich Nevis mich darauf gebracht hatte. Also wartete ich, bis er bereit war.
Eisauge räusperte sich nach einigen Augenblicken des Schweigens.
"Sie trägt sehr starkes Parfüm."
"Hm? Bitte was?"
Selbst ich wusste nichts mit dieser Erklärung anzufangen. Was hatte jetzt ihr Parfüm damit zu tun?
"Es hat einen sehr einzigartigen Geruch. Ich würde ihn überall wiedererkennen." Nevis Blick schnellte einmal kontrollierend zu Mrs. Roberts hinüber. Wahrscheinlich um ihre Reaktion abzuschätzen.
"Ich war diese Nacht bei einem Treffen.", erklärte er schließlich zögernd. "Im Lager der Hybriden."
Len fing an, erschrocken zu husten und auch Mrs. Roberts schnappte nach Luft.
"Du warst wo?", hakte die Direktorin scharf nach und zog wütend ihre Augenbrauen zusammen. "Mr. Larsson, ich hoffe, Sie sind sich bewusst, dass-"
Der Eiskönig hob abwehrend die Hände.
"Ich weiß, ich weiß. Es war dumm und unvernünftig und ich hätte sterben können. Aber das ist ja nichts Neues bei mir." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ich dachte nur, ich könnte etwas Nützliches erfahren."
Dann schwieg er, während die beiden Alphas ihn mit großen Augen abwartend anstarrten. Auch ich war ungeduldig, da der Austauschschüler mir ebenso wenig verraten hatte, was er erfahren hatte.
"Und? Was denn nun?", stöhnte Len genervt. "Jetzt spuck' es schon aus."
Nevis sah sich unwohl um. Ganz so, als wäre ihm erst jetzt bewusst geworden, was er da eigentlich getan hatte. Doch nun gab es kein Zurück mehr.
"Ich habe nicht persönlich mit der Vampirin gesprochen, nur um das vorher klarzustellen.", betonte er als Erstes und hob dabei mahnend den Zeigefinger. "Ich habe mich mit einem Gesandten getroffen. Sie haben mich irgendwie auf meinem derzeitigen Handy kontaktiert und ich war neugierig, da sie mir ein Angebot gemacht haben."
"Was für ein Angebot?", hakte Mrs. Roberts sofort misstrauisch nach und kniff die Augen zusammen.
"Na ja," Der Eiskönig lachte unsicher und mied ihren stechenden Blick. "Lustige Geschichte. Sie haben mir angeboten, die Seite zu wechseln und das Aufnahmeritual zu vollführen, um ihnen in der Schlacht beizustehen."
Ich schnappte erschrocken nach Luft.
Die Bilder, die sich bei diesen Worten in meine Erinnerungen drängten, waren keine schönen. Ich hatte damals in Nevis' Gedanken herumgestöbert, um irgendetwas Brauchbares zu finden, das seinen Gedächtnisverlust erklären könnte, und war dabei auf die verstörende Szene des Aufnahmerituals zwischen Akaya und Nevis' Beta im Wald gestoßen.
Und das wurde ihm angeboten?
Ich war mir fast sicher, dass er abgelehnt hatte. Nein, ich wünschte es mir, obwohl ich unterschwellig genau wusste, dass er mit einer Ablehnung wahrscheinlich nicht so vor uns stehen würde.
"Ich habe zugesagt."
Fast schmerzvoll schloss ich die Augen.
"Du hast was?", fragte Len ungläubig neben mir. "Ist das dein Ernst?"
"Hör mir zu.", sagte Nevis ruhig. "Natürlich habe ich nicht die Absicht, mich in eine Marionette verwandeln zu lassen. Aber es war die einzige Möglichkeit herauszufinden, wo sie das Tagwandlerserum verstecken. Ich dachte, dass das vielleicht nützlich zu wissen wäre."
"Das ist es in der Tat. Aber nicht, wenn du dabei riskierst zu sterben.", schritt Mrs. Roberts streng ein, konnte aber nicht verhindern, ein wenig neugierig dabei auszusehen. "Und? Haben sie es verraten?"
"Der Typ, mit dem ich mich getroffen habe, meinte, ich solle kurz vor zehn an der alten, verlassenen Fabrik in Lutumy sein. Sie lagern dort die Injektionen und Tränke und ich soll nach meiner Einführung helfen, den Rest zum Lager zu schaffen, um dort die Armee vorzubereiten."
"Ich wusste es.", murmelte Len leise. "Dann habe ich mir diese seltsame Atmosphäre damals nicht nur eingebildet. Dieser Ort hat also immer noch eine Bedeutung. Eine viel dunklere, als erst gedacht."
Eisauge nickte bestätigend.
"Wie ich euch schon einmal erzählt habe, hat er mir nur noch einmal bestätigt, dass sie einst für Tierversuche an Ratten, Hunden und Katzen benutzt wurde und somit ideale Voraussetzungen für das Experimentieren mit dem Tagwandlerserum an diversen Kreaturen besitzt. Über die letzten Monate hinweg haben sie sich also dort an den Laboren bedient, die immer noch über das notwendige Equipment verfügen, wie beispielsweise Käfige, Spritzen und Chemikalien."
Als er davon berichtete, lief es mir kalt den Rücken hinunter.
Die Vampirin hatte wirklich alles von Anfang an geplant und vorbereitet. Wie konnte es bloß sein, dass davon niemand etwas mitbekommen hatte?
Mrs. Roberts seufzt einmal schwer und massierte ihre Schläfen.
"Also gut. Wir werden gleich darüber reden. Aber was hat das jetzt mit Mrs. Bristow zu tun?"
"Na ja, offenbar war ich nicht der Einzige, mit dem sich der Gesandte getroffen hat. Meine Nase ist, auch ohne in der Wolfsgestalt zu sein, ziemlich sensibel", sagte Nevis leise. "Ich wusste anfangs nicht, woher ich diesen Geruch kannte, der an den Händen des Mannes klebte, aber noch bevor ich diesen Raum hier vollends betreten hatte, wusste ich, wer es war."
Mrs. Roberts seufzte schwer.
"Ich würde zu gern wissen, was sie angetrieben hat. Es muss irgendetwas passiert sein. Etwas, das sie niemandem erzählen konnte und sich deshalb für den Verrat entschieden hat."
"Denkst du wirklich?", brummte Len misstrauisch. "Die Motivation, uns alle dem Erdboden gleich gemacht zu sehen, war also nicht genug für sie?"
Die Direktorin schien einen Augenblick ernsthaft darüber nachzudenken, schüttelte dann aber nachdrücklich den Kopf.
"Ich kenne Edith schon so lange. Sie ist einst eine exzellente Kriegerin gewesen, die schon mehrere Schlachten überlebt hat . . . Sie wäre niemals eine Anhängerin von Akayas irren Wahnvorstellungen." Das Kopfschütteln wurde stärker. "Niemals. Irgendetwas ist passiert."
"Ihr könnt euch ja später darüber den Kopf zerbrechen.", lenkte Nevis ungeduldig vom Thema ab. "Aber können wir uns vielleicht auf das Wesentlich konzentrieren? Ich will nämlich wirklich nicht als kontrollierbare Marionette enden."
Die Schulleiterin betrachtete ihn mit einem sorgenvollen Gesichtsausdruck.
"Ein Teil von mir will nach deinem Plan fragen, aber ein anderer sagt mir, dass ich ihn eigentlich gar nicht wissen will.", gab sie zu und rieb sich gestresst über die Stirn. "Ich will dich wirklich nicht in den Tod schicken."
Sie hielt kurz inne, bevor sich jedoch geschlagen seufzte:
"Also raus mit der Sprache: Was hast du vor?"
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Nachdem Nevis gegangen war, um noch ein paar letzte Vorkehrungen im Gewächshaus zu erledigen, blieben nur noch Mrs. Roberts, Len und ich übrig, wie wir erfolglos auf die große Karte auf dem Tisch starrten. Es war fast so, als würde jeder von uns darauf warten, dass das Stück Papier ein Eigenleben entwickelte und uns die beste Positionierung für unsere Truppen aus eigenen Stücken verriet.
Unser ursprüngliche Plan, Len und mich mit den Elfenkriegern zur Sonnenquelle zu schicken, hatte sich ein wenig verändert, als uns Nevis einen Vorschlag für eine Alternative geliefert hatte. Wir würden uns zu dritt auf den Weg machen, die Quelle finden und den Trank vollenden. Dann würden wir uns aufteilen: Len und Nevis zur Fabrik, um die Tränke auszutauschen, ich vor an die Front, um der Armee beizustehen.
Es klang eigentlich ganz simpel. Aber nur bei dem Gedanken an, was alles dabei schieflaufen könnte, graute es mir.
Doch ich schob die Angst und Sorge beiseite. So etwas konnten wir jetzt nun überhaupt nicht gebrauchen. Also riss ich mich zusammen und starrte noch angestrengter auf die Karte als zuvor.
Prüfend ließ ich meinen Blick über die eingezeichneten Gebirge im Nord-Westen gleiten, dann über die seichten Hügel in der Mitte, die Wälder, die sich rund um die ganze Karte tummelten und letztendlich über die leichten Bleistiftzeichnungen, die die Akademie, Burg Blutmond und Dörfer wie Lutumy markierten. Wütend zog ich die Stirn in Falten, als ich den riesigen durchgestrichenen roten Kreis betrachtete, der einst unsere Lagerstätte gewesen war und jetzt ins Gebiet der Feinde fiel.
"Ich frage mich . . .", überlegte meine Mentorin plötzlich und legte abschätzend den Kopf schief. Ihre Augen fixierten einen Punkt am Waldrand ein wenig östlich von der Burg. Würden wir da unser Lager aufschlagen, hätten wir den Waldrand im Nacken und könnten ihn für das Krankenlager, gleichzeitig aber auch als Rückzugsort verwenden. Vor uns erstreckte sich sonst als Alternative eine leicht hügelige Landschaft und weites Feld -perfekt für eine Schlacht, die viel Platz beanspruchte.
Warum war uns das nicht vorher eingefallen?
Ja, der Platz lag näher an der Akademie, doch solange wir uns in die entgegengesetzte Richtung bewegten oder wenigstens diesen Posten halten konnten, würde uns das nicht zum Verhängnis werden und der Campus wäre sicher.
"Was haltet ihr davon?"
Mrs. Roberts zog mit ihrem Finger einen unsichtbaren Kreis um die Stelle, die sie noch vor wenigen Augenblicken angestrengt fixiert hatte.
"In der wenigen Zeit, die uns noch bleibt, gut zu erreichen, Schutz hinter uns, Ausweichmöglichkeiten vor uns. Wir sind weit genug vom Lager der Hybriden entfernt und die Burgruine ist nah genug, um sie im Notfall dort in die Enge zu treiben."
"Es sei denn, sie haben dort ein zweites Lager aufgeschlagen. Dann laufen wir ihnen genau in die Falle.", warf Len ein.
"Spekulationen bringen uns nicht weiter.", war alles, was seine Tante dazu sagte. Und sie hatte recht.
Wir gingen Risiken ein, wir mussten es. Uns blieb gar keine andere Wahl, denn die Zeit verfloss und mit ihr unsere Überlebenschancen.
"Also ich finde den Vorschlag gut.", sagte ich und schaute hinüber zu meiner Mentorin, deren Augen immer noch prüfend über die Karte wanderten, um andere mögliche Lagerstellen ausfindig zu machen. Doch nur nach wenigen Sekunden senkten sich ihre angespannten Schultern und sie hob den Kopf.
Ihre Miene spiegelte feste Entschlossenheit und mit einem Mal überkam mich eine Welle Mut. Die Direktorin lächelte uns zu.
Sie hatte ihre Entscheidung getroffen.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Die darauffolgenden Schritte verliefen reibungslos.
Mrs. Roberts schickte den Lageplan an die Kampfabteilung und innerhalb von einer halben Stunde waren alle nötigen Vorbereitungen für den Aufbruch getroffen. Sie hatte auch dem obersten Gremium von den Plänen berichtet und wartete nun auf weitere Befehle. Währenddessen verordnete sie eine weitere Besprechung mit allen verfügbaren Lehrkräften und schickte Len und mich auf die Suche nach Keniir, der laut ihr, irgendwo auf dem Campus sei, um uns für die Suche nach der Sonnenquelle vorzubereiten.
Also begaben wir uns auf die Suche nach einem missmutig dreinschauenden, blauhaarigen Elf und ich bereitete mich gleichzeitig mental auf ein weiteres Zusammentreffen mit Lens Ex vor, die sich vermutlich nicht allzu weit weg von ihrem Befehlshaber aufhielt.
Wir standen gerade auf dem obersten Treppenabsatz in der ersten Etage und wagten einen Blick hinunter in die Eingangshalle, die sich nach und nach immer weiter leerte, bis nur noch vergessene Lederhandschuhe, abgebrochene Pfeilspitzen, Matschschlieren und vom Metall zerkratzte Marmorböden zurückblieben. Man machte sich bereit für den Aufbruch.
"Hast du David und Cody verabschiedet?", fragte ich leise an Len gewandt, der sich neben mir mit den Ellbogen auf das Geländer stützte.
"Ja.", erwiderte er genauso leise.
"Was ist mit Seth?"
"Er, Emily und Scarlet gehen in zwei Stunden."
Ich nickte. Man schickte die höheren Jahrgänge zuerst, um sie das Territorium auskundschaften zu lassen. Die jüngeren würden dann erst beim Lageraufbau benötigt werden.
"Was ist mit deinen Freunden?", erkundigte sich Len und wandte sein Gesicht zu mir, um meine Miene zu betrachten.
Ich seufzte schwer und konnte die Sorge nicht aus meinen Augen fernhalten.
"Paul und Sane sind in der dritten Gruppe. Ruby und Grace werden hier bleiben und bei Notfällen auf der Krankenstation aushelfen. Aria wird Paul begleiten, aber nicht kämpfen, sondern sich vor Ort um Verletzungen kümmern."
Mein Artgenosse richtete sich auf und griff nach meinen Händen.
"Ich weiß nicht genau, ob ich noch die Zeit finde, mich von allen zu verabschieden.", presste ich leise hervor und starrte angestrengt auf Lens breite Brust, die bereits in einem ledernen Panzer steckte.
"Es tut mir leid.", flüsterte er und strich mir mit einem behandschuhten Finger leicht über die Wange. Das dehnbare Material fühlte sich fremd auf meiner Haut an und ich widerstand der Versuchung, ihm auszuweichen.
Er meint es doch nur gut.
"Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist ja nicht deine Schuld.", seufzte ich, trat einen Schritt vor und lehnte mich an ihn. Augenblicklich schloss mein Freund seine Arme um meinen Körper und hielt mich fest.
"Es tut mir leid.", flüsterte er wieder und sein warmer Atem streifte mein Ohr. "Es tut mir leid."
Meine Kehle schnürte sich zu.
"Hör auf.", schluchzte ich und ignorierte die salzigen Perlen, die seinem ledernen Schutzschild nichts anhaben konnten, sondern nur bedeutungslos an ihm abprallten. "Es ist nicht deine Schuld."
Kurz war es still und ich spürte Lens Wärme, die Wärme seiner Macht, die sich wie eine Decke auf den Klumpen Verzweiflung, Angst und Schwermut legte, der seit Tagen tief in mir verankert war. Die Wärme drückte sie nieder, so tief und unbarmherzig, dass es in meinem Inneren zu glühen begann. Mit einem Mal verschwand das nervöse Zittern, die Spannung, die blinde Panik und zurück blieb nur noch klare Entschlossenheit und fokussierte Wut. Und in diesem Moment konnte ich nicht genau sagen, ob der Alpha mir seine Gefühle offenbart oder mir nur stumm Mut zugesprochen hatte.
"Ich weiß.", sagte er letztendlich, als ich mich mit glühenden Wangen und tobendem Herzen von ihm löste. "Es ist die der Vampirin."
Eine halbe Stunde später fanden wir Keniir vor der Tür zum Speisesaal, wo er unbeweglich das Treiben um sich herum betrachtete und dabei jeden, der ihm zu nahe kam, einen unterkühlten Blick zu warf und warnend eine Hand auf den Knauf seines Schwertes legte.
„Was für ein Gentleman.", murmelte ich.
„Nimm es ihm nicht allzu übel. Er existiert wahrscheinlich schon länger als diese Akademie. Er hat alles erlebt, was in den letzten drei Jahrhunderten in der magischen Welt passiert ist.", sagte Len ebenso leise zurück. „Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass die Abmachung der Allianz mit den Elfen so reibungslos verlaufen ist. Sie sind normalerweise ein sehr selbstbezogenes Volk."
Ich nickte nur widerwillig und schluckte dabei meinen leichten Ärger hinunter, der sich ohne es zu wollen, in mir breitgemacht hatte.
„Keniir."
Wir waren zwar noch ein paar Schritte von ihm entfernt, doch mein Artgenosse blieb in einem gewissen Sicherheitsabstand zu ihm stehen.
Silberne Augen richteten sich auf uns und glitten prüfend über unsere Erscheinung. Als sein Blick für einen Moment an der Kette um meinen Hals hängen blieb, musste ich schlucken. Efy hatte mich gestern genauso angesehen. Das Schmuckstück, das so viel mehr als nur ein Accessoire, war den beiden Elfen wohl bekannt.
„Ich habe gehört, dass uns ein Erbe begleiten wird?", begrüßte er uns.
„Ja.", erwiderte Len nur knapp und nur das Zucken seines kleinen Fingers verriet, wie überrascht er war, dass der Elf über Nevis Bescheid wusste.
„Ich hoffe, ihr haltet ihn so weit wie möglich von uns fern. Wir wollen nicht in noch größere Schwierigkeiten geraten, wenn man uns mit einem Werwolf in Verbindung bringt. Erbe hin oder her."
„Nun ja, es ist bei unserer Gruppengröße wohl reichlich unwahrscheinlich, ein Zusammentreffen mit ihm zu verhindern, nicht?", erwiderte ich eisig und verschränkte meine Hände miteinander, anstatt sie um seinen Hals zu legen.
Die hellen Augen verengten sich und musterten mich ein weiteres Mal.
Sein darauffolgendes Schweigen war schlimmer, als jede spitze Bemerkung. Fast so, als sei er der Ansicht, dass eine Erwiderung nur eine Verschwendung kostbarer Atemzüge wäre.
Ich starrte wütend zurück.
Letztendlich wandte er sich an den jungen Alpha neben mir.
„Wir werden gegen drei aufbrechen. Stellt sicher, dass ihr genügend Proviant mitführt und alles andere, das ihr für den Trank benötigt, so unauffällig wie möglich verstaut. Großes Gepäck wird uns nur behindern."
Len nickte und mein Blick fiel auf einen vertrauten, schwarzen Schopf, der sich hinter Keniir einen Weg in den Speisesaal bahnte.
„Ich bin gleich wieder da.", informierte ich meinen Freund und berührte ihn kurz am Arm. Er nickte nur, weil Keniir ihm immer noch einen Vortrag über die Verbote hielt, die auf der bevorstehenden Reise für uns galten.
Hastig eilte ich los, um meine beste Freundin nicht aus den Augen zu verlieren und sah wie sie sich im hinteren Teil des Saals an einen Tisch setzte, wo bereits Aria, Paul und Grace auf sie warteten.
Mein Herz schmerzte bei dem Anblick meiner besten Freunde, die sich mit besorgten Gesichtern und traurigem Lächeln begrüßten.
„Kann jemand Sarina anrufen?", hörte ich Aria fragen, da ich bereits so nah war, dass ich sie selbst ohne die Ohren der Löwin gut verstehen konnte.
„Hey Leute!", rief ich stattdessen und ihre Köpfe fuhren herum.
„Sarina!" Rubys Gesicht leuchtete auf bei meinem Anblick und warme Freude stieg in mir auf, als ich die letzten Meter überbrückte, um sie zu umarmen.
„Hey, wie geht's euch?"
„Könnte besser sein.", sagte Paul und als wir uns alle nach einer ausgiebigen Begrüßung setzten, traute sich niemand etwas zu sagen.
„Also", begann Aria schließlich und wandte sich mir zu. „Was ist dein Plan für die nächsten Stunden?"
„Die Elfen werden uns zur Sonnenquelle führen, wo wir dann den Trank vollenden werden. Mrs. Roberts hat uns ein Gefäß und eine Tasche, die mit einem Vergrößerungszauber belegt wurden, zur Verfügung gestellt, sodass wir genügend Vorrat haben. Außerdem wird uns noch ein Magier begleiten, nur für den Fall der Fälle." Seufzend fuhr ich mir durch die Haare.
„Nevis wird uns auch begleiten. Unser Plan hat sich durch ihn wenig verändert und ich hoffe nur, dass alles gut gehen wird."
Meine Freunde nickten alle.
„Was ist mit euch?"
Sie erzählten mir nur, was ich schon wusste, aber es gab mir wenigstens die Sicherheit, dass sie sich nicht irgendwelchen unvorhergesehenen Schwierigkeiten aussetzten.
„Seid vorsichtig. Vor allem du, Paul.", ermahnte ich sie letztendlich zwanzig Minuten später, als wir uns auf den Weg zurück in die Eingangshalle machten. „Mit diesen Dingern ist nicht zu spaßen."
„Sarina, keine Sorge.", sagte er mit einem Lächeln, aber in seinen Augen lag eine gewisse Ernsthaftigkeit. „Die Schulungen der letzten drei Tagen haben mir mehr über diese Kreaturen beigebracht, als der gesamte Unterricht in den vergangenen acht Monaten. Ich werde sie nicht unterschätzen."
Ich nickte und versuchte, dabei überzeugt auszusehen.
„Konzentriere dich lieber auf deine eigene Mission, Sarina.", versuchte Ruby mich abzulenken. „Wir werden schon zurechtkommen. Für genau diese Situation haben wir trainiert."
Sie drückte aufmunternd meine Hand und wir blieben stehen, da es an der Zeit war, sich zu verabschieden.
Ich sah jeden der Reihe nach an und prägte mir ihre Gesichter genau ein.
Meine Freunde, meine Gefährten, die mir in den letzten Monaten so sehr ans Herz gewachsen waren. Ich wusste, wenn es darauf ankäme, konnte ich ihnen mein Leben anvertrauen.
Und der Ausdruck in den Augen meiner Freunde verriet mir dasselbe.
Sie wussten, dass sie auf mich zählen konnten. Ich würde mein Bestes tun, um sie, die Akademie und alles, was uns wichtig war, zu beschützen.
Sei der Preis auch noch so hoch, ich würde ihn zahlen.
Denn ich hatte endlich etwas, für das es sich zu kämpfen lohnte.
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Heyho, Leute!
Willkommen zurück!
Dieses Kapitel war ja nicht sehr spektakulär, doch trotzdem habe ich ein paar Fragen an euch:
Was denkt ihr, ist der Grund, warum Mrs. Bristow die Akademie verraten hat? Denkt ihr auch da steckt mehr dahinter oder ist sie nur schlichtweg Anhängerin von Akaya?
Was haltet ihr von Nevis' Plan? Wird er es schaffen, dem Ritual zu entgehen oder werden Sarina und Len letztendlich gegen ihn kämpfen müssen?
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen!
Meinungen, konstruktive Kritik, Wünsche und Verbesserungsvorschläge sind immer willkommen.
Ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche und bleibt gesund!
LG <3
Eure Cherry
PS: Ratet mal, was schon wieder passiert ist...
Ich musste meinen Schreibplan erweitern, da dieses Kapitel sonst zu lang geworden wäre. Na ja, mal sehen, wie lang das nächste wird ;)
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