Tag drei -Ein kleiner Funke Hoffnung
„Sarina? Sarina." Eine leise Stimme drang zu mir durch. „Schätzchen, du musst aufwachen. Sarina!"
Jemand rüttelte mich an meinem Arm und ich verzog das Gesicht.
„Hmm.", machte ich verärgert und wedelte mit einer Hand in der Luft herum.
„Meine Fresse! Sarina, jetzt wach auf!"
Diese Stimme gehörte nicht zu Len. Alarmiert riss ich die Augen auf und sah in ein genervtes Gesicht.
„Nevis, was machst du hier?"
„Len hat gesagt, dass ich dich in einer Stunde wecken soll. Er ist vorhin mit seinem Handy in mein Zimmer gestürmt und meinte, es sei dringend."
„Wie spät ist es denn?"
„Kurz nach acht."
Stöhnend warf ich meinen Kopf zurück ins Kissen.
„Das ist viel zu früh. Wie soll ich da kämpfen?"
Doch der Austauschschüler ging nicht darauf ein.
„Los, steh auf. Len und Mrs. Roberts erwarten dich in vierzig Minuten."
Entsetzt schoss mein Kopf wieder nach oben.
„Das sagst du jetzt erst?", rief ich.
Der Eiskönig zuckte mit den Schultern.
„Jetzt sind es noch neununddreißig Minuten."
Er kannte keine Gnade. Also schob ich hastig die Decke zurück und schwang meine nackten Beine über die Bettkante.
Mit wachsamen Interesse beäugte Nevis mein Outfit.
Ich trug nur Lens Shirt von gestern, das mir eigentlich viel zu groß war, und meinen Slip. Die Klamotten, die der Alpha und ich gestern wahllos auf den Boden geschmissen hatten, lagen zum Glück mehr oder weniger ordentlich auf Lens Schreibtischstuhl.
Ich konnte es nicht verhindern, ein wenig rot anzulaufen.
„Hat's Spaß gemacht gestern?"
„Ach, halt die Klappe."
„Keine Sorge, ich war erst um drei zu Hause. Bin bei Tai eingepennt und hab mich dann rausgeschlichen."
„Spaß gehabt?", fragte ich frech zurück, doch Nevis blinzelte nur.
„Du hast ja keine Ahnung."
„Lalalalala." Ich steckte mir die Finger in die Ohren und marschierte Richtung Tür, doch Nevis folgte mir einfach in den Flur.
„Ihr habt Glück gehabt, dass ich gestern nicht da war. Das nächste Mal solltet ihr mir vielleicht Bescheid sagen, damit ich mich in dem Bunker im Wald einschließen kann, bis es vorbei ist."
Ich warf ihm nur einen bösen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu, bevor ich die Tür hinter mir zu schlug. Im Zimmer musste ich erst einmal tief Luft holen und mich sammeln.
Mir kamen die Bilder des gestrigen Abends in den Sinn und ich musste mich zusammenreißen, um mein Glück nicht laut in die Welt hinaus zu schreien: Lens Gesichtsausdruck, als er realisierte, dass ich es wirklich wollte, wie er mich betrachtet hatte, als wäre ich für ihn das Kostbarste auf der Welt und seine grünen Augen, die unter verschwitzten Strähnen vor Verlangen hell glühten, als er über mir war.
Die Freude in meinem Herzen ließ sich nur schwer unterdrücken und so vergaß ich auch für einen Moment, was für ein Tag heute war: der letzte. Unser Ultimatum war abgelaufen und sollten wir heute nicht kapitulieren, hatte die Akaya geschworen, uns dem Erdboden gleich zu machen.
Das Grinsen auf meinen Lippen gefror bei dem Gedanken und statt der überschwänglichen Euphorie machte sich ein dunkler, kalter Brocken Angst in mir breit.
Hoffentlich würde alles gut gehen.
Da Len schon so früh gerufen wurde, hoffte ich einfach, dass es gute Nachrichten für uns gab. Die Elfen würden uns vielleicht helfen und uns als Verbündete beiseite stehen. Mit ihrer Hilfe wären wir in der Lage, den Trank fertigzustellen und dann müssten wir es nur noch irgendwie hinkriegen, ihn den Hybriden unauffällig unterzujubeln. Damit das aber geschehen konnte, brauchten wir mehr Informationen über sie, ihr Lager und eigentlich alles andere essentielle Wissen, mit dem wir sie schlagen können, um uns selbst vor dem Untergang zu bewahren. Und das alles innerhalb der nächsten sechzehn Stunden.
Mir wurde übel und ich zwang mich, meinen Gedankenstrom zu unterbrechen.
Vielleicht machte ich mir ja auch zu viele Sorgen. Ja, vielleicht hatte Len einen Plan. Oder Mrs. Roberts. Oder irgendjemand anderes.
Mit düsterer Miene nickte ich mit dem Kopf.
Ja, vielleicht gab es einen kleinen Funken Hoffnung.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Eine halbe Stunde später stand ich vor dem Büro meiner Direktorin und klopfte.
„Komm rein!", ertönte es und ich öffnete die Tür. Mrs. Roberts saß hinter ihrem schweren Holztisch. Sie sah ausgeruht aus und mir fiel ein Stein vom Herzen als ich sah, dass ihre Augen die gewohnte unerschütterliche Kraft ausstrahlten, die ich von ihr kannte.
Len saß vor ihr auf einem der hohen Lehnstühle. Sobald ich den Raum betrat, kehrte er den Kopf in meine Richtung und schenkte mir ein so breites Lächeln, dass allein von dem Anblick mein Puls in die Höhe schoss. Meine Ohren begannen zu glühen und ich schob hastig meine Haare davor, um mich nicht zu verraten.
„Sarina, schön, dass du da bist. Tut mir leid, dass ich dich so früh wecken musste, aber ich habe gute Neuigkeiten.", begrüßte mich meine Mentorin, während ich mich beeilte, neben meinem Artgenossen Platz zu nehmen.
„Wirklich?", fragte ich, sah sie dabei aber nicht an, da mein Blick immer noch auf dem Alpha neben mir ruhte. „Das ist schön."
„Hey.", sagte Len und grinste mich an.
„Hi.", erwiderte ich atemlos.
„Hey."
„Hi."
Seine Tante beobachtete das Spiel mit amüsiert zusammengekniffenen Augen und aufeinandergepressten Lippen, die sich bemühten, ein Lachen zu unterdrücken.
„Tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe. Sylvia ist schuld."
Ich lachte nickend und warf der Beschuldigten einen Blick zu.
„Ist schon gut. Wie ich sehe, war es wichtig."
Mrs. Roberts räusperte sich, was jedoch eher wie ein ersticktes Lachen klang, und meldete sich wieder zu Wort.
„Ich nehme an, ihr seid jetzt fertig."
„Ich denke schon", antwortete Len und ich nickte nur heftig. Eine große, warme Hand tastete sich unter dem Tisch über meinen Oberschenkel, bis sie meine nervös miteinander verknoteten Finger fand. Da wir nahe beieinandersaßen, fiel es nicht weiter auf und ein Lächeln huschte kurz über mein Gesicht, als sich unsere Hände verschränkten.
„Wie auch immer." Unter dem prüfenden Blick der Direktorin ließ sich nichts verbergen und wahrscheinlich hatte sie es bemerkt. Doch ich war ihr dankbar, dass sie nicht näher darauf einging.
„Kurz bevor ich heute Nacht ins Bett ging, kam Keniir noch einmal zu mir. Seine Königin ist damit einverstanden, uns zu der nächstgelegensten Quelle führen zu lassen. Sie würden uns einen kleinen Suchtrupp zur Verfügung stellen und uns dorthin begleiten." Dass es sich bei diesem Suchtrupp wahrscheinlich eher um ein paar der besten Soldaten des Königshofs handeln würde, sprach niemand aus. Ich kannte mich mit dem Elfenvolk nicht gut aus, doch wenn ich eines wusste, dann war es, dass Elfen sehr misstrauisch sind. Sie wussten nicht, was wir an dieser heiligen Quelle zu schaffen hatten und begegneten uns trotz des Bündnisses nicht sehr aufgeschlossen.
„Len und du werdet die einzigen sein, die sich auf den Weg dorthin machen. Alle anderen brauchen wir an der Front oder in der Akademie.", redete Mrs. Roberts weiter. „Seid ihr fertig, müsst noch vor Mitternacht das Lager der Hybriden erreicht haben, um dort die Tränke auszutauschen. Ich habe mich noch einmal ein wenig eingelesen und so wie es aussieht, reicht es für die Wervampire nicht, nur ein einziges Mal das Tagwandlerserum zu trinken. Es muss immer wieder erneuert werden, da die Wirkung nach zwölf Stunden abflacht. Es wirkt aber auf jeden Körper unterschiedlich, deswegen gehe ich davon aus, dass Akaya befiehlt, zur Sicherheit jeden Tag etwas zu trinken. Für uns bedeutet das einen Vorteil. Sie werden das Serum also erst kurz vor der Schlacht unter sich verteilen, um die Länge der Wirkzeit vollkommen ausschöpfen zu können."
Die Schulleiterin verschränkte ihre Hände ineinander und sah uns beide eindringlich an.
„Wir haben Späher ausgeschickt, die sich rund um das Areal des Königpasses umsehen. Der Dunkelwald und Burg Blutmond werden auch in Erwägung gezogen und heute Nachmittag werden unsere Leute zurück sein und Bericht erstatten. Übrigens", Sie nickte mir beeindruckt zu. „Gut gemacht gestern, Sarina. Auf diese verlassene Ruine wäre niemand von uns gekommen."
„Danke.", sagte ich erfreut. „Mr. Richman hat mich darauf gebracht. Wir haben uns schon vor ein paar Wochen darüber unterhalten."
Lens Tante nickte.
„Ich werde auch ihm meinen Dank ausrichten."
„Was mir ein wenig Sorgen bereitet, ist der Trank an sich.", meldete sich da plötzlich mein Artgenosse zu Wort. „Wie sollen wir die Menge des Serums schätzen? Wir wissen nicht, um wie viele Gegner es sich handeln wird. Was ist, wenn wir zu wenig machen? Und was sollen wir mit dem Tagwandlerserum anstellen, sobald wir es ausgetauscht haben?"
„Wir werden einfach darauf hoffen müssen, dass unsere Späher so viele Informationen wie möglich sammeln können. Wir können nur hoffen und abwarten. Und selbst, wenn wir nur einen kleinen Teil der Hybriden mit dem Trank erreichen können, wird es immer noch ein Gewinn sein. Sobald sie ihn zu sich nehmen, werden sie nicht mehr in Höchstform sein und uns wird dadurch ein Vorteil verschafft.", antwortete die Schulleiterin.
Len und ich nickten bedächtig. Es klang plausibel.
Zwar noch ein wenig unausgereift und gefährlich, doch plausibel.
„Hoffen wir einfach, dass die Späher mit ausreichenden Informationen zurückkommen.", sagte Len und ich spürte, wie sein Daumen kleine, beruhigende Kreise auf meiner Haut zog.
„Und was die Menge des Serums angeht, Len,", griff seine Tante das Gespräch wieder auf. „ich werde im Magiefachbereich nachfragen, ob jemand sich mit Vergrößerungszaubern auskennt. Wir könnten, falls die Zeit reicht, das Gefäß, das ihr zum Transport benutzen werdet, mit einem Spruch belegen, um das Innere auf das Größtmögliche zu erweitern. Ihr werdet ganz bestimmt die nötige Menge dann dort hineinkriegen. Am wichtigsten ist aber, dass ihr um jeden Preis das Tagwandlerserum in die Hände bekommt. Verbrennt es, vergrabt es, schüttet es in ein Loch, egal. Es muss weg und darf auf keinen Fall diesen Kreaturen in die Hände fallen."
Damit war auch Lens letzte Frage beantwortet und er nickte.
„Okay."
Seine Tante seufzte einmal und fuhr sich einmal mit den Händen über das Gesicht.
„Die Verstärkung aus Frankreich sollte in ein paar Stunden hier sein und die Krankenstation braucht noch ein paar Betten mehr. Außerdem müssen einige Klassenzimmer ausgeräumt werden, um als Schlafmöglichkeiten zu dienen und die Küche braucht auch mehr Unterstützung . . . Es gibt so viel zu tun."
„Sind die jüngeren Klassen schon abgereist?", fragte Len.
„Der Großteil schon. Einige haben sich dazu entschieden, hier zu bleiben und zu kämpfen oder sich anderweitig nützlich zu machen." Meine Mentorin lehnte verlegen den Kopf zu Seite. „Ich sehe das einerseits nicht gern, weil sie noch zu jung dafür sind, doch andererseits bin ich dankbar für jede Hilfe, die wir kriegen."
„Na gut. Ich bin froh, dass wir wenigstens aus Frankreich mit Hilfe rechnen können. Ich nehme an, dass sie ihre Waffen und ihre Ausrüstung mitgebracht haben?"
„Ja, die Sirèna hat ihre Truppen mit Flugzeugen und Hubschrauber gebracht, um den menschlichen Grenzkontrollen so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Natürlich ist Magie im Spiel gewesen, da eine ganze Armee nicht unbehelligt über die Grenze fliegen kann, aber soweit ich gehört habe, ist bis jetzt alle gut gegangen."
Mich durchströmte eine Welle Erleichterung. Wir waren endlich nicht mehr vollkommen auf uns allein gestellt. Ich wagte mich tatsächlich, einen erleichterten Seufzer auszustoßen.
In diesem Moment klingelte Mrs. Roberts' Telefon.
„Tut mir leid, da muss ich rangehen.", sagte sie, nachdem sie einen Blick auf die Nummer geworfen hatte. „Sarina, Len wird dir noch erzählen, was ich ihm vorhin berichtet habe. Ihr könnt gehen."
Ich nickte und der junge Alpha neben mir erhob sich.
Während die Direktorin den Anruf entgegennahm, verließen wir zügig das Zimmer und ich vergaß aufgrund meiner euphorischen Herzschläge sogar, dass Lens Tante freie Sicht auf unsere Hände hatte, die sich immer noch fest umklammerten.
Kaum hatte sich die Tür hinter uns geschlossen, spürte ich auch schon eine kalte, harte Wand im Rücken, aber warme, weiche Lippen, die sich besitzergreifend auf meine pressten.
„L-len", nuschelte ich völlig überrascht, wurde jedoch sofort von seinem Mund zum Schweigen gebracht. Große Hände packten mich an den Hüften und zogen mich enger an ihn. Ich musste unwillkürlich lächeln und das beschwingte Gefühl von heute Morgen breitete sich wieder in meiner Brust aus.
Meine Finger vergruben sich in seinen weichen Haaren und ich verlor mich für einen Augenblick in meinen Emotionen.
Atemlos lösten wir uns nach einer Weile voneinander und lehnten unsere Stirnen aneinander.
„Hey."
„Hi.", antwortete ich erneut.
„Tut mir leid nochmal. Du warst bestimmt überrascht, als ich nicht da war."
„Eigentlich hat mich die Tatsache, dass ich von Nevis anstatt von dir geweckt wurde, mehr überrascht. Ich wusste gar nicht, dass es gestern so schlecht war."
Mein Freund lachte leise und löste sich von mir, nur um gleich daraufhin sein Gesicht an meinem Hals zu vergraben.
„Du weißt ganz genau, dass das nicht so gemeint war."
„Ich weiß.", kicherte ich. „Es macht nur Spaß, dich zu ärgern."
Ich schob ihn ein wenig von mir, um ihm ins Gesicht zu sehen. Noch einmal bestätigte sich die Vermutung, die mir gestern Abend nach einer ausgiebigen Dusche im Bett kurz vor dem Einschlafen noch gekommen war: Vielleicht hatte gestern dieser letzte Grad an Intimität seine restliche Scheu verschwinden lassen, von der ich nicht wusste, dass er sie überhaupt noch gehabt hatte.
Ich gab Len einen letzten Kuss und griff dann nach seiner Hand.
„Komm, lass uns in den Speisesaal gehen. Ich habe Hunger, und du kannst mir ja bei einer Tasse Kaffee erzählen, was jetzt so wichtig gewesen ist, dass du einfach so ohne mich gehen musstest."
„Also erstmal: Eigentlich wollte ich dich länger schlafen lassen. Sylvia hat mich halb sieben angerufen . . ."
Später saßen wir an einem Tisch und aßen Frühstück. Trotz der relativ frühen Uhrzeit war der Saal gut gefüllt und man sah teilweise schon Schüler, die sich mit halb angelegter Kampfrüstung ihre Brötchen aufschnitten. In der Luft lag eine seltsame Stimmung, ein Gemisch aus kampflustiger Selbstsicherheit und der Angst vor dem Ungewissen.
„Also?", fragte ich und schob mir eine Gabel Rührei in den Mund.
„Es ist eigentlich nicht viel. Sylvia hat heute Morgen den Trank im Labor in Auftrag gegeben und es sind noch zwei weitere Menschen eingeweiht worden. Außerdem wollte sie uns noch einmal daran erinnern, dass wir unser Vorhaben für uns behalten." Er beugte sich vor und senkte seine Stimme. „Ihr scheint die ganze Sache ein wenig suspekt. Sie sieht hinter jeder Ecke einen Verräter."
„Wieso?" Ich runzelte verdutzt die Stirn. „Ist irgendetwas passiert?"
Len zuckte mit den Schultern.
„Soweit ich weiß nicht."
„Hm", machte ich. „Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Sie muss doch einen Grund haben."
Len zuckte mit den Schultern.
„Weißt du noch, als wir das Buch auf dem Dachboden gefunden haben?"
„Ja."
„Erinnerst du dich daran, dass es uns nur ins Auge gefallen ist, weil kein Staub auf dem Einband war? Ich habe das Sylvia erzählt, dachte aber nicht, dass sie das so beunruhigen würde."
Ich erinnerte mich. Das Buch mit dem Rezept für das Tagwandlerserum war zwischen seinen vergilbten, verstaubten Nachbarn geradezu herausgestochen. Wir waren in diesem Moment so froh gewesen, es nach etlichen Stunden in Eiseskälte endlich gefunden zu haben, dass wir bei diesem eigentlich wichtigen Nebenaspekt nicht misstrauisch wurden.
„Aber wer auch immer dieses Buch wann auch immer benutzt hat, kann schon uralt sein. Oder tot. Oder dieser jemand hat ein anderes Rezept aus demselben Buch verwendet haben.", gab ich nicht sehr überzeugt zu bedenken. Der junge Alpha vor mir stimmte mir nickend zu.
„Das habe ich ihr auch gesagt. Na ja," Er zuckte mit den Schultern. „lass uns nicht unsere Kraft auf unbestätigte Vermutungen vergeuden. Es gibt immer noch viel zu tun. Jemand muss die französischen Gäste empfangen."
Wir aßen auf und räumten unser Geschirr ab. Dann machten wir uns auf den Weg in die Eingangshalle, wo sich bereits neugierige Schülermassen versammelt hatten. Die Neuigkeit hatte sich schnell verbreitet.
Und während ich meinen Blick über die unzähligen Köpfe schweifen ließ, kam mir immer wieder das Gespräch mit Len in den Sinn. Denn obwohl ich Mrs. Roberts Sorgen nicht teilte, konnte ich nicht verhindern, mich bei dem Gedanken, einen möglichen Verräter in unseren Reihen zu haben, unwohl zu fühlen.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Die schlechte Nachricht kündigte sich durch das penetrante Klingeln meines Handys an.
Grace
Ich gab Len ein Zeichen und eilte in einen in der Nähe gelegenen leerstehenden Klassenraum.
„Hey, was gibt's?"
„Sarina!", keuchte es auf der anderen Seite. „Ich muss sofort mit dir sprechen!"
„Rennst du gerade?"
„Was?"
„Ob du gerade rennst?", rief ich in mein Handy.
„Ja, ich bin auf dem Weg in die Akademie!"
„Was ist denn los?"
„Ich hatte gerade eine Vision. Es geht um die Armee der Hybriden und unsere Aufstellung der Truppen!"
„Aber die wollen in zwei Stunde los!" Alarmiert sprang ich von einem Tisch, auf dem ich die ganze Zeit gesessen hatte.
„Ich- ich weiß. Ich kann-" Sie musste einen tiefen Atemzug nehmen. „Ich kann dir im Moment nicht viel sagen, aber irgendetwas schien mir komisch. Vielleicht solltest du dir das einmal ansehen."
Mittlerweile befand ich mich wieder im Gang und schaute ihn auf und ab. Ich überlegte angestrengt, was als nächstes zu tun war.
„Okay, wo bist du gerade, Grace?"
„Bei der großen Treppe. Ich bin gleich in der Empfangshalle."
„Verstanden. Wir treffen uns dort an der Tür und gehen dann sofort zu Len, um ihm davon zu erzählen. Wahrscheinlich wird er uns zu Mrs. Roberts bringen, also überlege dir schon einmal, was genau du erzählen möchtest."
„Okay, bis gleich.", keuchte es ein letztes Mal und sie legte auf.
Nervös fiel ich in einen schnellen Schritt. Was hatte Grace gesehen, dass sie so unruhig wurde?
Hatte sie wieder eine Vision von den Hybriden gehabt?
Ungeduldig zwängte ich mich durch die vielen Schüler, die immer noch in der Halle versammelt waren, bis ich vor der großen Eingangstür stand. Gerade in dem Moment, wo ich sie erreichte, sah ich Grace' hochgewachsene Figur, die in die Halle schlüpfte. Ihre kastanienbraunen Haare waren zerzaust und ihre Jacke weit offen. Anscheinend hatte sie nicht die Zeit gehabt, die ordentlich zu verschließen.
Sie sagte nicht einmal ein Wort, da packte ich sie schon an der Hand und zog sie hinter mir her.
Wortlos bahnten wir uns einen Weg zu Len, der sich in diesem Moment mit einem Zwölftklässler unterhielt. Schon als er uns von Weitem mit sorgenvollen Mienen auf sich zu steuern sah, runzelte er die Stirn und entschuldigte sich höflich mit einer Handbewegung.
„Was ist los?" Er war uns das letzte Stück entgegengekommen.
„Wir müssen zu Mrs. Roberts. Grace hatte gerade eine Vision und meinte, sie sei wichtig für uns. Wahrscheinlich neue Informationen, die uns nützlich sein könnten.", informierte ich ihn knapp, während wir uns auf den Weg zum Büro der Direktorin machten. „Ist doch so, oder?"
Ich hatte die Hand meiner Freundin mittlerweile losgelassen und bemühte mich, mit ihren und Lens langen Beinen Schritt zu halten.
Doch sie zuckte nur ratlos mit den Schultern.
„Ich weiß nicht genau, was mir diese Vision sagen soll. Ich sah die Armee der Hybriden erneut. Dieses Mal in ihrer vollen Größe." Bei dem Gedanken daran erschauderte sie und warf uns einen ängstlichen Blick zu. „Es sind hunderte. Viel größer als ihr euch vorstellen könnt."
Schon allein das zu hören, bereitete mir wieder enorme Sorgen.
Mittlerweile befanden wir uns nicht mehr weit von Mrs. Roberts' Büro entfernt.
„Denkst du, sie ist noch da?", fragte ich Len. „Sie meinte doch vorhin, sie habe noch so viel zu tun."
„Hoffen wir einfach, dass sie noch da ist.", seufzte mein Freund.
„Herein?", ertönte es, als wir heftig klopften. Ich riss die Tür auf und zu dritt betraten wir das Zimmer; mit geröteten Wangen und vollkommen außer Atem.
„Was ist denn mit euch passiert?" Die Schulleiterin war bei unserem Anblick erschrocken von ihrem Stuhl aufgesprungen und hatte ihren Kugelschreiber fallen gelassen.
"Ich hatte eine Vision!", platzte es aus Grace heraus, bevor, sie sich überhaupt setzte. "Akayas Armee ist riesig. Es sind um die tausend Mann . . . oder Wesen. Außerdem-" Sie lehnte sich vor. "Es geht um die Aufstellung unserer Truppen. Ich weiß nicht viel darüber, weil ich nicht bei den Beratungen dabei war, aber ich haben deren Lager gesehen. Untypisch für Werwölfe und Vampire. Mitten auf freiem Feld. Ich bin sicher, dass genau da, wo sich das Lager von Akayas Armee gerade befindet, eigentlich unseres sein könnte. Ich war bei den Versammlungen und Beratungen nicht dabei, doch es sieht nach einem strategisch genau ausgewähltem Ort aus."
Ein wenig misstrauisch legte Mrs. Roberts ihre Stirn in Falten. "Bist du sicher? Kannst du beschreiben, wie es aussah?"
"Ja, bin ich. Ich kann es auch aufmalen. Darf ich einen Stift haben?"
"Hier."
Ihr wurde der Kugelschreiber gereicht, der noch immer auf dem Tisch lag.
Gespannt folgten wir ihren flüchtigen Bewegungen. Meine Freundin zeichnete aus der Luftperspektive, aus der man in wenigen Strichen eine grobe Landschaft erkennen konnte. Je dichter die Linien wurden, desto mehr nahm das Bild an Gestalt an, und umso bleicher wurden unsere Gesichter. Die Schornsteine und Fabriktürme von Lutumy im Westen und die dahinter majestätisch in den Himmel aufragenden Bergspitzen, die Hügellandschaft und der Waldrand für das Krankenlager -all die sorgfältigen Überlegungen, die Diskussionen und Streite der letzten Nacht wurden durch eine grobe Skizze einer siebzehnjährigen Seherin im Büro der Direktorin zunichte gemacht. Mit ausdruckslosen Gesicht ließ ich mich auf den Stuhl neben Grace fallen, während diese immer noch unermüdlich weiterarbeitete, als würde sie die Erinnerung nur aus ihrem Kopf verdrängen können, wenn sie sie aufzeichnete. Aber es brachte nichts.
Wir standen wieder am Anfang und uns blieb noch ein halber Tag.
Als das kratzende Geräusch den Kugelschreibers im Raum verstummt war, sagten wir für eine Weile nichts. Das Schweigen war so drückend, dass ich kaum wagte zu atmen.
"U-und was bedeutet das jetzt genau?", fragte dann meine Freundin ein wenig ängstlich in die Stille hinein.
Ich sah zu meiner Mentorin auf, die noch immer wie angewurzelt hinter ihrem Schreibtisch stand. Mit geballten Fäusten, zusammengepressten Lippen und einem so intensiven Blick, dass ihre bernsteinfarbenen Augen Funken zu sprühen schienen, starrte sie auf das Blatt Papier.
"Es bedeutet, dass ich recht hatte."
Sie sah Len und mich an und ich wusste sofort, was sie nicht wagte auszusprechen.
Es bedeutete, dass wir einen Maulwurf in unseren Reihen hatten: einen Verräter.
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Hey ho, Leute!
Na, das war ja etwas, was sich einige schon gedacht haben, oder? Einige Kommentare aus früheren Kapiteln sind sehr misstrauisch meinen anderen Nebencharakteren gegenüber, aber wer ist in euren Favoriten?
Wer würde das Zeug zum Verräter haben?
Und sonst... Es ist eigentlich nicht viel passiert. Neben dem Schluss gab es ja auch gute Neuigkeiten, nicht wahr? ;)
Verstärkung und Hilfe von den Elfen, das hört sich doch gut an, oder nicht?
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.
Wünsche, Verbesserungsvorschläge, konstruktive Kritik etc. sind immer herzlich willkommen!
LG
Eure Cherry
PS: Übrigens... ein glückliches #Lerina ist das Schönste, was ich je schreiben durfte. Ich hoffe, euch geht es mit dem Lesen genauso^^
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