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So nah und doch so fern

Lens POV 

Als ich unter dem Blättervorhang der Weide hindurchtrat, sah ich nur noch den schlanken Körper der Löwin am anderen Ende der Lichtung in die Dunkelheit des Waldes verschwinden. Sarinas Worte hallten immer noch in meinem Kopf nach und der Drang, ihr nachzueilen war so stark, dass ich meine Hände zu Fäusten ballen musste. Meine Fingernägel pressten sich daraufhin unangenehm schmerzhaft in mein Fleisch, was mir jedoch half, auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden.

Ich konnte mir eine solche Gefühlsduselei jetzt nicht leisten. Wir hatten einen Auftrag und der musste so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden.

Also schüttelte ich einmal meinen Kopf, um die trüben Gedanken zu vertreiben, und marschierte dann mit festen Schritten auf Nevis zu, der sich mit Keniir gerade ein unerbittliches Blickduell lieferte. Nur konnten die Blicke, die sie jeweils dem anderen entgegenschleuderten, nicht unterschiedlicher sein. Während Keniir ganz offensichtlich versuchte, den Werwolf nur mit Hilfe bloßer Gedankenkraft auf seinem eigenen Speer aufzuspießen, entgegnete Nevis dem sogar eher mit euphorischer Anzüglichkeit. So sagten seine Augen eher: „Na los doch, ich lass mir gern etwas von dir in meinen Körper rammen! Zwinker, zwinker.", anstatt „Hilfe, du wirst gleich meine Eingeweide mit einer glänzenden, spitzen, wahrscheinlich vergifteten Speerspitze aufspießen."

„Nevis, hör auf zu flirten und beweg deinen Hintern hierher.", knurrte ich und unterbrach so das spannungsgeladene Duell zwischen den Beiden. Doch der Austauschschüler verdrehte nur die Augen, löste sich widerwillig und kam mir entgegengetrottet.

„Ich hatte ihn fast soweit.", schmollte er nicht besonders überzeugend.

„Verschwende deine Kräfte nicht mit solchen Lappalien und konzentriere dich lieber auf den Vollmond. Du wirst dich gleich kontrolliert verwandeln müssen, damit wir es rechtzeitig zur Fabrik schaffen und wenn du dabei austickst, können wir die ganze Sache gleich abblasen."

„Schon gut. Kann ich mich wenigstens hier verwandeln?" Er spähte unauffällig über seine Schulter. „Das würde den Elf auf die Palme bringen."

„Wohl eher auf deinen Rücken und dann mit jeder Waffe, die er am Leib trägt, direkt in dein Herz.", zischte ich wütend und wünschte mir schon, die Aufgaben anders aufgeteilt zu haben. Sarina konnte mit ihm besser umgehen. Die beiden schienen sich auf eine unerklärbare Art zu verstehen, die mir bis heute immer noch ein Rätsel blieb.

„Ist ja gut. War nur ein Scherz." Nevis verdrehte erneut die Augen.

„Ich gehe mich jetzt bedanken und verabschieden. Bleib hier und warte auf mich. Wir machen uns dann erst einmal zu Fuß auf den Weg, bis wir weit weg genug von der Sonnenquelle sind.", erklärte ich ihm das Vorgehen, zu dem ich mich letztendlich entschieden hatte. Andernfalls würden wir die Nerven der Elfen nur überstrapazieren und einen weiteren Krieg konnten wir uns nun wirklich nicht leisten.

Also biss ich die Zähne zusammen und ließ bei der Verabschiedung Keniirs abfällige Bemerkungen über den Werwolf über mich ergehen, bei denen ich ihm sogar manchmal insgeheim zustimmte.

Ich war mir der Geschichte der Elfen nur allzu gut bewusst und wusste, wie sie zu Werwölfen, Erben und sogar zu uns Gestaltwandlern standen. Der letzte Krieg hatte den damals unvorbereiteten Elfen viel gekostet und keiner von ihnen hatte, so auch Keniir vorhin, die Absicht, dies erneut geschehen zu lassen.

Doch genau deswegen zeugte es von einem erstaunlichen Maß an Hilfsbereitschaft und eigentlich unverdientem Vertrauen, uns in dieser Angelegenheit beizustehen. Auch wenn ich mich eher fragte, ob sie nicht vielleicht eine Risikoabschätzung gemacht und dann nur widerwillig ein Kompromiss geschlossen hatten, uns, anstatt der Hybriden, zu unterstützen. Gestaltwandler und Elfen waren zumindest durch den großen Rat vertraglich miteinander verbunden und ein Bündnis mit dem Feind würde einem Verstoß gegen das Abkommen gleichen, sodass sie wohl oder übel nun darauf vertrauen mussten, dass wir nichts damit am Hut hatten und man es wirklich auf uns abgesehen hatten.

Es half auch nicht viel, dass wir entgegen eben dieser Vorstellung und dieses Vertrauens mit einem theoretischen Feind anbandelten und ihn mit zur Schöpfungsstelle ihrer Magie und Kraft nahmen. Ich wusste, dass uns dies nicht gut darstellte, aber es blieb uns nicht genug Zeit, den Elfen das näher zu erläutern. Vor allem, da ich ebenso wie sie, immer noch nicht zu hundert Prozent von Nevis' Unschuld überzeugt war. Doch das zu erwähnen, würde nur unnötige Konflikte hervorrufen.

Deswegen verbeugte ich mich nur, richtete der Königin meinen Dank aus, tat dasselbe bei Keniir, der nicht damit gerechnet hatte und deswegen nur ein wenig überrumpelt, jedoch immer noch griesgrämig vor sich hin grummelte, bevor ich mich mit steifen Schultern umdrehte und Nevis entgegenstiefelte, der immer noch wie befohlen an derselben Stelle stand und das Geschehen mit zusammengekniffenen Augen beobachtet hatte.

„Hast du mir was mitgebracht?"

„Nein?" Ich runzelte die Stirn.

„Schade, ich dachte, er hätte dir einen besonders rostigen Dolch mitgegeben, den du mir in seinem Auftrag in irgendein Körperteil stechen sollst."

„Das nicht, aber du kannst gern noch einmal eine Kostprobe von dem goldenen Feenstaub aus dem Keller haben, wenn du willst."

Nevis' Augen glitzerten belustigt in der Dunkelheit.

„Na sieh mal einer an, der Alpha kann doch lustig sein."

„Gewöhn' dich lieber nicht daran."

Er erwiderte darauf nichts und drückende Stille breitete sich daraufhin zwischen uns aus. Man hörte nur unsere Füße, die ab und zu mal auf einen am Boden liegenden Ast traten und plötzlich fiel mir auf, dass in diesem Teil des Waldes komischerweise überhaupt kein Schnee lag. Musste wohl an der Elfenmagie liegen.

„Len?"

„Hm?"

„Du kannst mich nicht besonders gut leiden, oder?"

Mein Blick schnellte zu dem Jungen hinüber, dessen schneeweiße Haare im Dunkeln zu leuchten schienen.

„Nicht unbedingt, tut mir leid.", antwortete ich ehrlich.

Doch Nevis nickte nur.

„Aber ich kann viele Leute nicht besonders gut leiden, musst du wissen. Sarina mochte ich am Anfang auch überhaupt nicht. Und jetzt-"

Ich zögerte.

„Jetzt liebst du sie.", vollendete der Werwolf mit einem geheimnisvollen Lächeln meinen eigenen Satz und ich verstummte.

Er hatte mich durchschaut. Natürlich liebte ich sie. Ich liebte dieses Mädchen mehr als alles andere auf der Welt, auch wenn ich es ihr noch nicht gesagt hatte.

Weil sie es nicht wollte.

Der Ausdruck, der in ihren Augen lag, als sie mich das letzte Mal angesehen hatte, ließ mich immer noch nicht los. Sie hatte es gewusst, weil wir es beide spürten, doch die Worte hatte sie mir verwehrt. Sollte es wirklich- . . . Sollten heute Nacht unschöne Wendungen einkehren, würde ich es nicht ertragen können, dass unser Abschied so gewesen war. Dass ich ihr nicht mitteilen konnte, was sie mir bedeutete. Dass ich sie liebte.

Dass sie meine Gefährtin war.

„Ich erwarte natürlich nicht, dass solche drastischen Maßnahmen notwendig sind, um das Eis wenigstens nur ein bisschen zwischen uns zu brechen.", riss mich Nevis aus meinen Gedanken und mir war im ersten Moment nicht klar, was er meinte, bis ich nur verlegen grinsend den Kopf schüttelte.

„Vergiss es. Mein Herz ist schon vergeben."

„Natürlich.", lachte er und mit einem Mal kam er mir ein Stück weit sympathischer vor.

„Aber jetzt mal ernsthaft", sagte ich nach einiger Zeit in die wieder entstandene Stille hinein. „Ich hasse dich nicht. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich sagen kann, dass ich dich sogar nicht nicht mag. Aber zu sagen, ich würde dich mögen, ist auch nicht gerade der richtige Ausdruck."

Ich zögerte, um zu überlegen.

„Ich glaube, unsere ganze Kennlerngeschichte war ein wenig ungünstig. Erst die Sache mit Ruby, dein Umzug ins Alphahaus, der nicht mit mir abgesprochen wurde, dann deine bescheuerten Spitznamen für Sarina, die mich" Ich warf ihm einen säuerlichen Seitenblick zu "übrigens immer noch dermaßen aufregen, dass ich am liebsten Keniirs Hassclub beitreten würde. Auch diese ganze Verratsgeschichte, die immer noch in meinem Kopf herumspukt und mir keine Ruhe lässt-

„Mit der ich aber wirklich nichts zu tun habe!", fuhr er aufgebracht dazwischen und ich kniff nur die Augen zusammen.

Ich wollte ihm glauben. Wirklich.

Aber ein Teil von mir sträubte sich immer noch so immens dagegen, dass ich nicht alle meine Sorgen so einfach über Bord werfen konnte.

Also seufzte ich nur.

„Ich weiß nicht. Es gibt so viele Faktoren, die mich einen gewissen Abstand zu dir wahren lassen. Aber ich versuche wirklich, mich zu bessern."

Der Austauschschüler neben mir schnaubte nur abfällig.

„Verstehe."

„Schmollst du etwa?"

„Was? Nein!"

„Du siehst aber so aus."

„Ach, vergiss es!"

Er wandte den Kopf ab und stapfte ein wenig fester als notwendig mit den Füßen über den mittlerweile von Raureif überzogenen Waldboden.

Sofort wurde ich wieder aufmerksam und sah mich genauer um.

„Wir sollten nun weit genug weg sein. Das Einflussgebiet der Elfen scheint zu schwinden.", teilte ich angespannt meine Beobachtungen mit und auch Nevis schien sich nun aufmerksam umzuschauen.

„Siehst du irgendwo eine Stelle, wo sich der Wald lichtet? Ich glaube, es wäre für mich einfacher, wenn ich unter direktem Licht des Vollmondes stehen würde.", flüsterte er und ich fragte mich, warum er auf einmal so leise war. Immerhin hatte er nur fünf Meter zuvor lautstark mit mir diskutiert.

Aber ich verkniff mir eine hämische Bemerkung.

Sarina wäre stolz auf mich.

„Da vorn?" Mein Zeigefinger deutete nach links, wo es deutlich heller war als in dem Teil, wo wir standen. Nevis folgte meinem Blick und nickte, bevor er sich auf den Weg ins silberne Licht machte. Ich folgte ihm angespannt.

Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Vorstellung davon, was nun folgen würde. In der Akademie hatte ich schon etlichen Schülern zugesehen, wie sie sich zum ersten Mal in ihr Tier verwandelten. Dabei wurde jedes Mal die eigentliche Transformation durch das verschwommene Luftflimmern versteckt, das dem bei besonders starker Hitze im Sommer glich und nur eine abgeschwächte Form dessen darstellte. Somit waren jedes Mal nur die gequälten Geräusche, der sich wandelnden Metamorphen zu hören, während man als Zuschauer nur auf eine Stelle bunten Flimmerns starrte.

Doch der eigentliche Verwandlungsprozess des menschlichen in den tierischen Körper blieb bei jedem versteckt.

Als ich allerdings so aufmerksam an einen Baum gelehnt Nevis betrachtete, wie er sich regelrecht in dem satten Licht des Mondes zu baden schien, während es sich in seinen weißen Haaren verfing und die immer noch für ihn eigentlich ungewöhnlich bleiche Haut zum Glühen brachte, wurde mir klar, was für ein Geschenk es war. Denn niemand wollte das sehen, was ich gleich zu sehen bekommen sollte.

„Ich beiße nicht, versprochen.", sagte Nevis noch leise in meine Richtung, ohne den Kopf zu drehen und mir blieb nichts Anderes übrig, als wortlos zu nicken.

Das erste krachende Knacken kam von seiner Wirbelsäule, die ihn mit einer einzigen Verformung in die Knie zwang, bevor ein langer Schweif aus seinem Steißbein hervorschoss. Zitternd wimmerte Nevis auf dem kalten Boden auf, während sich seine Finger in das reifbedeckte Laub gruben, bis sie durch die wachsenden Klauen mehr Halt fanden und es für ihn einfacher wurde, sich durch die dazugewonnene Stütze dem Schmerz entgegenzustämmen. Ich sah atemlos mit an, wie aus Armen und angewinkelten Knien kraftvolle, gebogene Beine mit riesigen Pranken wurden und spitze Ohren seitlich aus dem Schädel des nun schon halb verwandelten Wolfsmenschen schossen.

Meine Finger krallten sich fester in die Rinde des Baumes, an dem ich noch immer bewegungslos stand. Unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren.

Eine Mischung aus Jaulen und menschlichem Wimmern schallte durch den Wald, als aus dem bereits verformten Gesicht des Jungen, eine Schnauze hervorbrach. Gebannt beobachtete ich schließlich, wie sich das weiße Fell des Wolfes verdichtete, bis es ebenmäßig voll und seidig den gesamten Körper des riesigen Tieres vor mir bedeckte.

Dann war es vorbei.

Ich wagte nicht zu atmen, da ich keine Ahnung hatte, was als nächstes passieren würde. Ich hoffte nur, dass wie versprochen Nevis' menschliche Seite die Oberhand in diesem Giganten übernommen hatte.

Der ponygroße Wolf zitterte jedoch immer noch vor sich hin und nach einer beweglosen Minute, in der ich so lautlos wie möglich versucht hatte zu atmen, wurde ich unruhig. Wir hatten einen Zeitplan einzuhalten.

Also tat ich das, was wahrscheinlich das Dümmste war, was man, nachdem man einem Werwolf in einer Vollmondnacht dabei zugesehen hatte, wie er sich verwandelte, machen konnte.

Ich räusperte mich.

Der Kopf des Wolfes fuhr sofort herum, doch die Augen waren groß und offen und ein Gefühl der Erleichterung überkam mich. Ich machte einen Schritt auf Nevis zu und noch bevor ich bei ihm angekommen war, schlichen meine Löwentatzen leise über den Waldboden.

Wir standen uns nun gegenüber, Schnauze um Schnauze, und ich gab ein tiefes, fragendes Geräusch von mir. Ärgerlicherweise konnte ich nicht wie bei Sarina mit ihm über Telepathie kommunizieren, weswegen wir uns nun mit Lauten und Körpersprache miteinander verständigen mussten. Doch das schien kein Problem zu sein.

Nevis nickte einmal mit dem Kopf und ich setzte mich trabend in Bewegung. Wenn wir das Tempo noch ein wenig steigerten und dann beibehielten, würden wir es rechtzeitig zum abgemachten Zeitpunkt zur Fabrik schaffen.

Ich hörte Nevis trotz seiner Größe und Schwere nicht kommen und so zuckte ich leicht zusammen, als plötzlich etwas Weißes in meinem Augenwinkel auftauchte. Doch er quittierte dies nur mit einem belustigten Schnauben.

Verärgert zog ich das Tempo an und wenig später rannten wir Seite an Seite aus dem Wald heraus und auf das Grünland, wo in wenigen Stunden der allesentscheidende Kampf stattfinden sollte.

Nach einer guten Stunde fing mein Körper an zu schwächeln. Ich sah zu Nevis, dessen massiger Körper neben mir jedoch keine Müdigkeit zu verspüren schien. Seine kräftigen Beine holten mit derselben Kraft und Ausdauer aus, die mich schon am Anfang unseres Laufes ein wenig beeindruckt hatten. Es gefiel mir nicht, ein wenig zurückfallen zu müssen, aber wenn ich so weitermachte, würde ich die restliche Nacht nicht überstehen.

Der Wolf, der nun an mir vorbeigezogen war, drehte seinen Kopf ein wenig, um nach mir zu sehen. Aber ich blickte nur stur geradeaus.

Das fehlte mir noch.

Mich von diesem Werwolf unterkriegen zu lassen.

Doch dann erinnerte ich mich an eine Sonderstunde im zweiten Schuljahr, wo mir Sylvia alles über diese sonderbare und vor allem überaus seltene Form von Werwölfen beigebracht hatte.

Durch das Vermischen zweier Arten gelten Erben teilweise selbst als eine Art Hybrid. Ausgestattet mit unermesslicher Kraft, Ausdauer und Stärke sind sie im Kampf nur schwer zu besiegen. Das Gestaltwandlerblut, das zwar vom Wolfsfbiss abgeschwächt, aber trotzdem noch vorhanden ist, trägt zu diesen besonderen Eigenschaften bei. Im Gegenzug ist es diesen Kreaturen jedoch nicht vergönnt, sich außerhalb der Vollmondzeit verwandeln zu können, da sie den Mond als Katalysator für ihre Kräfte benötigen. Deshalb hatte Nevis auch unter direktem Mondlicht stehen müssen. Außerdem erleben Erben wie Werwölfe jedes Mal dieselben Schmerzen, egal, wie lange sie sich schon verwandeln. Gestaltwandler nicht, da diese mit der Zeit in der Lage sind, kontrolliert und schmerzfrei die Verwandlungen zu vollziehen.

Mit diesen Informationen im Hinterkopf fühlte ich mich gleich ein wenig besser. Schließlich sollte man sich niemals mit etwas Unvergleichlichem vergleichen, da dies nur zur eigenen Selbstzweifeln führen würde.

Angespornt durch diesen Gedanken ließ ich mich für die nächsten zehn Minuten zurückfallen, ehe ich wieder zu Nevis aufschloss. Gerade in dem Moment, als wir wieder Kopf an Kopf (oder eher gesagt, Kopf an Schulter, da dieser Wolf ungemein riesig war) nebeneinanderher über einen leichten Hügel jagten, tauchten mit einem Mal vereinzelte Lichter am Horizont auf.

Lutumy.

Unser Ziel war zum Greifen nah und sowohl Nevis', als auch meine Beine begannen plötzlich, sich noch schneller und unaufhaltsamer zu bewegen.

Und während wir den Lichtern der Stadt so entgegenpreschten, stellten sich mit einem Mal Gefühle von Entschlossenheit und Kampfeslust ein, die ich die letzten Tage noch erfolgreich unterdrückt hatte. Aber jetzt konnte ich das heisere Brummen in meiner Kehle nicht mehr zurückhalten, als wir auf die spärlich asphaltierte Straße stießen, die in die Stadt hineinführte.

Direkt auf den Beginn einer unvorhersehbaren, wolkenverhangenen Nacht zu.

◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

"Du bist spät dran.", begrüßte ein verwahrlost aussehender Typ Nevis barsch, nachdem dieser auf den Hinterhof der Fabrik gelangt war, wo Sarina einst einen Werwolf für mich losgeworden war.

"Musste mir den Alpha vom Hals schaffen.", brummte der Austauschschüler zurück und kam mit einigem Sicherheitsabstand vor dem bärtigen, muskelbepackten Mann zum Stehen. Die Erwiderung darauf klang wie verächtliches Grunzen und Nevis' Blick schnellte nur für den Bruchteil einer Sekunde zu der Mauer, auf der ich in Rabengestalt hockte, um das Geschehen im Auge behalten zu können. Mein schwarzes Gefieder verschmolz regelrecht mit der herrschenden Dunkelheit, die besonders in diesem Teil Lutumy's wie eine schwere Decke alles zu umhüllen schien, und somit als ideale Tarnung diente. Außerdem waren Raben hier keine Seltenheit, was wir nun zu unserem Vorteil wussten.

"Komm mit." Der Mann drehte sich schwerfällig um und schlurfte los in Richtung Fabrikgebäude. Hastig folgte Nevis ihm, während seine nackten Füße auf dem Boden kein einziges Geräusch von sich gaben. Der Werwolf trug im Moment nur einen verschlissenen, grauen Pullover und eine Jeans, die ihm locker um die Hüften saß. Wir hatten bei der Verwandlung in Wald ganz vergessen, dass anders als bei Metamorphen, Werwölfe sich nicht mit ihren Anziehsachen verwandelten, weswegen Nevis' ursprüngliche Sachen nun zerfetzt im Unterholz lagen.

Wenigstens hatte er jedoch bei seiner Rückverwandlung daran gedacht und mir den Anblick seines nackten Körpers erspart. Somit hatte ich ihm nur die Klamotten, die er eigentlich ziemlich vorsorglich mitgenommen hatte, um die Ecke in eine zwielichtige Seitenstraße reichen müssen, in der er sich erst nach einigen missglückten Versuchen zurückverwandeln konnte. Deswegen auch die leichte Verspätung.

Leise glitt ich von meinem Beobachtungsposten und schwebte den beiden hinterher zur Fabrik. Die zerbeulte Tür öffnete sich mit einem hohen Quietschen, als der Mann sie ohne Weiteres aufstieß und mit einem hässlichen Krachen auf der anderen Seite gegen die steinerne Wand krachte. Erleichterung durchströmte mich, als ich feststellte, dass unser Fluchtweg keinen Schlüssel erforderte.

"Mach sie hinter dir zu.", brummte er an Nevis gewandt und dieser wartete gerade noch so lange, bis ich unauffällig an ihm vorbei ins Innere geschlüpft war.

Dort erwartete uns bodenlose Schwärze und ich verfluchte meine Augen. Als Großkatze wäre das kein Problem gewesen, aber als Rabe stellte sich dies als ungeahnte Schwierigkeit heraus. Ich musste deshalb umso strenger an mich halten, nicht ein lautes Krächzen auszustoßen, als eine große Hand urplötzlich meinen gefiederten Körper packte und mich kurzerhand in die Kapuze eines (zugegeben recht streng nach Hund riechenden) Pullovers stopfte.

"Kein Wort zu Sarina hierüber, klar?", murmelte Nevis fast lautlos. "Ich hab nur Schiss, dass ich aus Versehen auf dich drauftrete und zermatsche."

Mein zustimmendes Krächzen klang genauso verärgert wie ich mich fühlte.

Der Mann führte uns durch den engen Gang, der nach etwa drei Minuten Fußweg an einer weiteren Tür endete. Aber auch da war nichts weiter notwendig, als diese mit einem leichten Stoß zu öffnen.

Dann hörte ich Nevis nach Luft schnappen. Er hatte gerade in diesem Moment den dahinterliegende Raum betreten und ich lugte vorsichtig aus der Kapuze. Der Anblick, der sich mir bot, rief in mir augenblicklichen Ekel hervor und ich musste angestrengt die in mir aufsteigende Übelkeit unterdrücken.

Wir standen auf einer Plattform, von der man einen guten Überblick auf die große Halle hatte, die von innen größer war, als man von außen vermutete. Einige notdürftig an der oberlichtlosen Decke befestigten LED-Lampen verströmten kaltes, steriles Licht und erhellten nur spärlich den Raum. Doch das war vielleicht auch gut so.

Die Halle vor uns war in zwei sichtbare Hälften geteilt, die bis zum anderen Ende von einer Wand aus verschiebbaren Trennwänden auseinandergehalten wurden. Auf der rechten, beleuchteteren Seite befanden sich allerlei Labortische, Regale und Vitrinen mit Reagenzgläsern, Messbechern und -kolben, Glasgefäßen und Bechergläsern, von denen einige leer, andere mit gelber, brauner oder roter Flüssigkeit gefüllt waren. In manchen von ihnen schwammen auch seltsam aussehende, fleischige Klumpen, wo ich sogar auf die Entfernung sicher sagen konnte, dass sie einmal lebendig oder Teil eines Lebewesens gewesen waren.

Geflieste, einst weiße Arbeitsflächen schimmerten bräunlich im Licht von schwach glimmenden Lampen, die mit ihren langen, verstellbaren Hälsen bedrohlich über den Platten aufragten. Neben ihnen standen oftmals Beistelltische, auf denen so viel unterschiedliches, metallisch glänzendes Werkzeug lag, dass ich nicht einen zweiten Blick riskieren wollte. Schon allein die Vorstellung, was Spritzen, Zangen, Scheren und Pipetten aller Art und Größe zusammen mit Skalpellen, kleinen Bohrern, Sägen und Schraubstöcken auf einer gemeinsamen Ablage zu suchen hatten, verursachte mir so ein flaues Gefühl im Magen, dass ich den Blick abwenden musste. Nur am Rande bemerkte ich die in den Boden und die Wand eingelassenen metallischen Fesseln, die man überall sah, wo man hinschaute.

Wozu diese gebraucht wurden, beantwortete mir die linke Hälfte der Halle.

Riesige rostige Käfige erstreckten sich eng aneinandergereiht über den gesamten verfügbaren Platz. Mit Entsetzen scannten meine Augen die kleinen Gefängnisse und machten in manchen Zellen reglose, haarige Körper aus, die in den Ecken oder auf dem Boden lagen. Und das anscheinend schon sehr lange, da der faulige, erstickende Geruch nach verwesendem Fleisch, Exkrementen und Tod allgegenwärtig war.

Bis auf diese Leichen schien sich jedoch nichts mehr in den Käfigen zu befinden. Das Labor hatte eindeutig aus ihren Fehlversuchen gelernt, denn die Anzahl der Toten war um einiges geringer, als die Zahl der leeren Käfige. Wenn man davon ausging, dass in jedem Käfig um die fünf bis zehn Hybriden zusammengepfercht waren und allein nur in jedem vierten gerade einmal ein oder zwei Tote lagen, addierte sich der Rest auf eine beachtliche Summe auf.

Mir wurde eiskalt und ich piekte Nevis mit dem Schnabel in den Nacken, damit er mich absetzte. Ich wollte mich weiter umschauen, für den Fall, dass wir in dieser ausgestorbenen Fabrik doch nicht so allein waren, wie es momentan den Anschein machte.

"Au, ist ja gut.", zischte der Werwolf nach dem zweiten verärgerten Stich in den Nacken und schaute sich verstohlen nach dem Mann um, der jedoch mittlerweile eine Treppe hinuntergestiegen war, die links neben der Plattform nach unten führte.

Schnell griff er in die Kapuze, wo er mich grob zu fassen bekam, und hob mich auf das instabil aussehende Geländer, das wahrscheinlich nur dem Schein der Sicherheit diente.

"Bleib in der Nähe. Vielleicht brauche ich dich.", sagte er leise zu mir und ich nickte nur einmal, bevor ich mich abstieß und im Segelflug lautlos durch die Halle glitt.

"Junge, wo bleibst du denn?", hörte ich den Typ noch unwirsch knurren, dann war ich außer Hörweite.

Mein Erkundungsflug dauerte nicht länger als zehn Minuten. Immer mal wieder hielt ich Ausschau nach Nevis, doch dieser stand schon seit einer geraumen Weile vor einer Tür am anderen Ende der rechten Hallenseite, hinter der der Mann verschwunden war und ich den Vorratsraum mit dem Tageswandlerserum vermutete. Er hatte Nevis zuvor einen riesigen, braunen Beutel in die Hand gedrückt und dann angeschnauzt, ihm unter keinen Umständen zu folgen. Also blieb dem Werwolf nichts Anderes übrig, als zu warten.

Mittlerweile hatte ich mir einen ganz guten Überblick geschafft. Die vielen Labore, sowie die Käfige ohne bereits Verstorbene waren allesamt leer. Die ganze Fabrik wirkte wie ausgestorben und aus einer anderen Zeit, obwohl die frischen Blutspuren in den vorderen Laboren eher das Gegenteil bezeugten. Offenbar hatte hier nicht einmal wenige Stunden zuvor noch Hochbetrieb geherrscht.

Doch nun waren sie fort. Losgeschickt, um uns auf dem Schlachtfeld das Leben zu nehmen.

Ich setzte mich auf ein hochgelegenes Fenstersims nahe der Tür, wo Nevis stand und beobachtete ihn aus meinen wachen Knopfaugen.

Er schien gelassen.

Sein Körper war entspannt und das ständige Auf- und Abgelaufe rührte wahrscheinlich nur von der Kälte und Langweile, anstatt angespannter Nervosität.

Vielleicht war ich zu hart mit ihm umgegangen. Immerhin gab er sich wirklich Mühe und ich durfte nicht zulassen, dass sich meine Konzentration von Misstrauen vernebeln ließ. Denn diese Mission war viel zu wichtig, um sie nur wegen solch argwöhnischen Vermutungen zu vermasseln.

Also wandte ich den Blick von Nevis ab und fixierte stattdessen die Tür, hinter der es plötzlich laut wurde. Ein tiefes Knurren ertönte, dann ein hohes Kreischen und ein metallenes Scheppern.

Mit einem gewaltigen Schwung wurde die Tür aufgerissen, die erneut mit so einer Wucht gegen die Wand schlug, dass man schon den Putz bröckeln sah, ehe der Mann wieder hinaustrat und verärgert seine Hände rieb. Sie klebten voll Blut.

"Du!", schnauzte er Nevis an, der sofort zusammenzuckte. "Mitkommen! Wir brauchen doch deine Hilfe. Die Kleine will einfach nicht hören."

Mit diesen Worten und einer herrischen Handbewegung deutete er dem Austauschschüler an, ihm tiefer ins Innere der Fabrik zu folgen.

"Wen meinen Sie?", fragte Nevis vorsichtig und ich sah, wie er versuchte an dem Typ vorbeizuschauen.

"Ronnet und Willas."

"Nein, ich meinte, wer den Ärger macht."

Die Beiden setzten sich in Bewegung und ich wollte mich schon von dem Fenstersims gleiten lassen, doch die Antwort, die Nevis gegeben wurde, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren.

"Ach, diese kleine Blonde. Dawson heißt sie, oder so . . ." Die Stimme des Mannes wurde immer dumpfer, da sie mittlerweile in den Durchgang getreten waren und die kalten Wände des Mauerwerks jeden Ton verschluckten, je weiter sie sich von der Haupthalle entfernten, wo ich immer noch regungslos hockte.

"Sie haben sie zum Sterben zurückgelassen, aber das dumme Ding ist hartnäckiger als gedacht. Schau, gebissen hat sie mich."

Sein gehässiges Gelächter hallte in meinen Ohren.

"Anscheinend will wohl ein Teil von ihr beweisen, dass sie durchaus die Mutter eines Alphas ist."

Das gewaltige Brüllen, das daraufhin das Gelände mitsamt seinen Gemäuer erbeben ließ, sodass die Fensterscheiben gefährlich in ihren Rahmen klirrten, übertönte alles andere, was er vermutlich noch sagte.

Denn das war der Zeitpunkt, an dem ich explodierte.

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Heyho, Cherry ist zurück!

Und das mit einem sehr ungewöhnlichen Pärchen.

Interaktionen zwischen Nevis und Len machen mir immer wieder Spaß zu schreiben . . . Was sagt ihr zu #Lavis?

Könnt ihr eigentlich Lens Argwohn ihm gegenüber verstehen?

Ansonsten sind wir der Fabrik ein ganzes Stück weit näher gekommen. Klingt ja alles richtig gemütlich da . . . Nicht.

Funfact: Ich musste meinen Schreibplan um ein weiteres Kapitel erweitern. Der Cliffhanger hat nämlich gerade so gut gepasst xD

Wer hatte eigentlich Lens Mutter noch auf dem Schirm? Ist es eine Überraschung, dass sie jetzt wieder plötzlich auftaucht?

Ansonsten konstruktive Kritik, Verbesserungsvorschläge, Wünsche etc. sind immer Willkommen!

Passt auf euch auf und bleibt gesund <3

Eure Cherry

PS: Ich musste echt googeln, was alles für Geräte in Laboren herumstehen. . . Ich hatte nämlich keine Ahnung, wie da so das ganze Equipment heißt.

PPS: Kommt eigentlich irgendjemandem der letzte Satz bekannt vor? (;

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