Mr. Schlafmütze und seine Kumpanen
Ich hatte das Gefühl unter Strom zu stehen. Begierig wanderten meine Augen hin und her, um jede Kleinigkeit aufzusaugen.
Tyler hatte eine schlichte, braune Hintertür angesteuert, die mir von allein nicht aufgefallen wäre. Verstohlen sah er sich nach allen Seiten um, doch die anderen Menschen hechteten vorbei und achteten gar nicht auf uns.
Der Prüfer legte seine rechte Hand in eine Einbuchtung des Holzes und zog mit der linken eine Art Ausweis aus seiner Hosentasche.
Mit einer ruckartigen Bewegung zog er die Karte durch den Türschlitz, dort, wo normalerweise der Riegel angebracht war. Ein leisen Klacken ertönte.
Hastig schob mich Tyler duch die geöffnete Tür, die uns auf einen weiteren Bahnsteig führte.
Ab hier ging erneut das Gewusel los.
Leute mit Koffern, Reisetaschen und Rucksäcken liefen geschäftig hin und her.
Man hörte Geschrei und Gelächter.
In der Luft lag der Geruch von Leder, Rost, Zigaretten und Öl.
Staunend blickte ich mich um.
Zwei Jungen liefen mit Schwert und Schild an mir vorbei. Verdutzt schaute ich ihnen nach.
Ein Mädchen rannte einer Katze hinterher und schrie: "Käse, komm her!"
Dabei machte sie mit ihren Fingern komische Bewegungen.
Käse?
Und wie heißt dann ihre Maus?
Fleischpastete?
Lächelnd wandte ich mich ab und ging staunend weiter.
Ich sah Eltern, die sich von ihren Kindern verabschiedeten, (manche mit mehr Emotionen als mir lieb war), warscheinlich noch andere Prüfer (da Tyler sie zu kennen schien und manchen zu winkte oder zu nickte) die mit ihren Schützlingen zu den Waggons eilten und Mädchen, die mehrmals aus den Wagen stöckelten, um ihre Millionen Koffer an sich zu nehmen und zurück in den Waggon zu steigen, nur um erneut wieder hinaus zu kommen und noch mehr Taschen zu holen.
Um ein Haar wäre ich gegen Tylers Rücken geprallt.
"So," sagte er und drehte sich zu mir um, "in 10 Minuten fährt der Zug los. Hier ist deine Fahrkarte." er hielt mir das Ticket entgegen. Ich nahm es und verstaute es vorsichtig in meiner Tasche.
"Ich muss los. Zu den Lehrern." seufzte er augenrollend.
"Steig am besten schon mal ein."
Damit machte er kehrt und lief in die Richtung des ersten Waggons.
Vorsichtig kletterte ich, mein Gepäck hinter mir herziehend, in den Zug, .
Anscheinend waren schon die meisten Schüler darauf gekommen, sich einen Platz in einem Abteil zu sichern. Denn, als ich mich durch den engen Gang schlängelte und versuchte niemanden auf die Füße zu treten, fand ich kein einziges, das leer war.
Die Schülerschaar stieg an und ich musste mich in das nächstbeste Abteil quetschen, um nicht einer Horde Riesenbarbies vor die Krallen zu fallen.
Ich seuftzte erleichtert.
Das Abteil war leer.
Nein, fast leer.
Am Fenster, den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt, saß ein Junge mit geschlossen Augen und versuchte höchstwahrscheinlich mich zu ignorieren. Er war vielleicht ein, zwei Jahre älter als ich und hatte goldblonde Haare, die ihm leicht gewellt in den Nacken und in die Stirn fielen.
Ich spürte, dass eine ungeheuere Kraft von ihm ausging.
Und das machte mich etwas nervös.
Der Junge öffnete schläfrig ein Auge und blinzelte mich müde, unter einer Haarlocke hindurch, an.
Seine Augen waren von einem kräftigen smaragdgrün.
"Hi, kann ich mich hierhin setzten?" fragte ich ihn.
Er schloss seine Augen wieder.
"Wenn du willst?" antwortete er mit einer Gegenfrage.
Seine Stimme ließ mich erschaudern.
Ohne eine Antwort hievte ich meine Taschen in die Gepäckablage.
Dann ließ ich mich, so weit wie möglich von ihm entfernt, auf die gegenüberliegende Bank fallen.
Jetzt saß ich an der Tür.
Verstohlen blinzelte ich einmal in die Richtung des Jungen.
Doch er lehnte noch immer regungslos an der Scheibe.
Ich hob meinen Kopf ein wenig und betrachtete den Fremden genauer.
Er sah extrem gut aus.
Er seuftzte.
"Mach ein Foto. Das hält länger."
Erschrocken starrte ich ihn an.
Er richtete sich auf und musterte mich gründlich.
Ich wurde unter seinem stechenden Blick unruhig.
Er deutete auf den Platz ihm gegenüber.
"Setz dich doch zu mir."
Ein weicher Ton belegte seine Stimme und bereitete mir so eine Gänsehaut.
Es klang wie eine Verführung.
Ich stand auf und setzte mich ihm gegenüber.
Er hielt mir seine rechte Hand hin.
Sie war sonnengebräunt und die Finger waren lang und schlank.
"Ich bin Len." stellte er sich vor. Ich hatte das Gefühl, als sei er darauf bedacht, mich nicht zu erschrecken.
Wie ein Idiot starrte ich seine Hand an.
Das war also Len.
Der Alpha.
Ich fragte mich, ob ich jetzt Angst haben sollte.
Doch irgendwie war ich dazu gar nicht in der Lage. Das Einzige, was ich fühlte, war Neugierde und... Faszination?
Also entschied mich dagegen.
Nichts mit Hornbrille und verwaschenen Klamotten.
Len, der mir immer noch abwartend die Hand entgegen streckte, war verdammt heiß.
"Sarina." entgegnete ich und schüttelte seine Hand. Sie war warm.
Als ich ihn anschaute, war sein Gesicht undurchdringlich.
Eine Maske.
Wie bei mir.
"Das erste Mal auf der Akademie? " fragte er abweisend und richtete seinen Blick wieder aus dem Fenster.
Sein Tonfall war neutral, als würde ihn das überhaupt nicht interessieren und er nur aus Höflichkeit gefragt hatte.
Was dachte der sich eigentlich?
Entweder er möchte es wissen, oder nicht!
Ich habe ihn ja nicht gezwungen mit mir zu reden.
"Hör mal, du brauchst nicht so zu tun, als interessierte es dich. Dann lass es einfach bleiben, okay?" sagte ich kalt.
Er wandte seinen Kopf und sah mich emotionslos an.
Dann zuckte er die Schultern.
"Wie du meinst." antwortete er und widmete sich wieder dem Treiben auf dem Bahnsteig.
Ich betrachtete zerknirscht die Kofferablage über dem Kopf des Alphas.
Er wollte nur nett sein erinnerte ich mich.
Plötzlich bereute ich meinen Ausbruch.
"Len -" weiter kam ich nicht.
Die Abteiltür wurde aufgerissen und im Rahmen standen zwei Jungen.
Beide warscheinlich in Lens Alter.
Ich rutschte wieder an die Tür, um den beiden Platz zu machen, die sich jetzt in das Abteil drängelten und sich auf die Bänke fallen ließen.
Mich würdigten sie keines Blickes.
Vielleicht sahen sie mich nicht einmal.
Sie begrüßten ihren Freund lautstark und klopften ihm auf die Schulter.
Der erste, der hinein gekommen war, saß zu Lens Rechten.
Der zweite, ihm gegenüber, auf der Bank, auf der ich saß.
Der neben Mr. Schlafmütze, sprich Len, sah etwas, nunja sagen wir.... gefährlich? aus.
Eine Narbe teilte seine rechte Augenbraue und eine weitere verlief schräg von seiner linken Schläfe zum Kinn.
Er hatte schwarze Haare und einen muskulösen Körperbau.
Die Augen waren das Merkwürdigste an ihm.
Seine Pupillen waren schmal und die Iris in einem komischen Gelbton.
Wie die bei einer Katze oder einem Krokodil.
Reglos starrte er nun aus dem Fenster, während der andere sich angeregt mit Len unterhielt.
Er schien auf irgendetwas zu warten.
Oder vor irgendetwas auf der Hut zu sein.
Regungslos und mucksmäuschenstill.
Der andere schien genau das Gegenteil zu sein.
Wie schon gesagt, unterhielt er sich gerade mit Len, wobei er eigentlich nur redete und seinen Gesprächspartner überhaupt nicht zu Wort kommen ließ.
Die rostbraunen Haare waren verwuschelt, so, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen.
Er hatte dunkelbraune Augen, die vor Energie gerade zu explodierten. Neben seinen beiden Freunden wirkte er seltsam schlaksig.
Ich musste mir bei seiner aufgeladenen Persönlichkeit ein Schmunzeln verkneifen.
Dieser Typ war mir von Anfang an sympathisch.
Hätte ich diese Situation im Winkel eines Außenstehendens betrachtet, wäre mir vielleicht aufgefallen, dass ich mit einer der beliebtesten Cliquen der Phoenix- Akademie in einem Zugabteil saß.
Doch ich musterte die drei nur gründlich und versuchte erfolglos zu erraten, welche Tiere sie wohl waren.
Langsam setzte sich der Zug in Bewegung.
Ich nahm mir ein Buch aus meiner Tasche und verschanzte mich dahinter.
Ich versuchte so gut es ging das Gelächter der Jungs zu ignorieren und konzentrierte mich auf meinen Lesestoff.
Es ging ganz gut... bis ich meinen Namen hörte.
Langsam ließ ich das Buch sinken und schaute in drei verschiedene Augenpaare.
Gelb, grün und braun.
"Ist was?" fragte ich.
Der mit den wirren Haaren grinste mich an.
"Hi, ich sehe dich zum ersten Mal. Du bist neu, oder?" sagte er unbeschwert.
Ich musste lächeln.
"Ja, bin ich. Ich komme in die Zehnte." erwiderte ich.
"Cool. Ich bin Seth und gehe in die Elfte." mit diesen Worten rutschte er näher an mich heran und hielt mir seine Hand hin.
Ich ergriff sie herzlichst.
Aber Halleluja, ich wette diesem Typen liegen alle Mädchen zu Füßen.
Genauso die anderen beiden.
Wie die Kerle aussahen, müssten reihenweise Mädchen in Ohnmacht fallen, wenn sie nur ein paar Meter von ihnen entfernt stehen.
Gut, dass ich dagegen immun bin.
Len musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.
"Len kennst du sicher schon," sagte Seth und wies auf ihn, "und das ist Cody." Er deutete auf den Schwarzhaarigen.
Unsicher sah er seinen Kumpel an, ob dieser auch die Absicht hatte, mir die Hand zu geben.
Hatte er nicht.
Cody nickte mir nur kurz zu und verfiel dann wieder in seine Starre.
Gerade wollte Seth wieder zu einer erneuten Redeflut ansetzten, als die Tür aufgerissen wurde.
Als ich sie sah, wusste ich, dass es für mich Zeit war, zu verschwinden.
Ich hatte mich schon gefragt, wie lange es noch dauern wird, bis sie hier auftauchen.
Seth machte ein gequältes Gesicht, als die erste sich auf seinem Schoß platzierte.
Die beiden anderen Mädchen warfen mir Todesblicke zu und setzen sich auf die Schöße der beiden anderen.
" Entschuldigung. " murmelte ich und verließ fluchtartig das Abteil.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro