Mein erster Ball . . .
title: while the world let go
-a rocket to the moon
Ich war gerade dabei, mir meine Gesichtsmaske abzuwaschen, als es unten an der Haustür klingelte.
"Nevis", schrie ich mit zusammengekniffenen Augen, da ich befürchtete von der weißen Paste zu erblinden, wenn ich sie öffnete. "Mach mal bitte die Tür auf!"
"Schon dabei!", wurde als Antwort zurückgebrüllt und ich hörte die eiligen Fußschritte, die die Treppe hinunter rasten.
Es war am Tag des Balls und Ruby, Aria, Grace und ich hatten uns gegen Vier verabredet, um uns gemeinsam fertigzumachen. Im Säugetierhaus war die Hölle los und so hatten wir uns ohne Umschweife für das Alpha-Haus entschieden, das ja glücklicherweise nur drei Leute beherbergte.
Während ich mir mit meinem Handtuch noch das Gesicht trocknete, hörte ich von unten schon aufgeregtes Gekicher und kurze Zeit später das Gepolter von acht Füßen, die die Treppe wieder hinauf stiegen.
Ich kam meinen Freundinnen im Gang entgegen, die mich mit strahlenden Augen und roten Wangen begrüßten. Jede von ihnen trug einen Kleidersack und eine Tasche, in der sich Schuhe, Schminke und diverse Frisierutensilien befanden.
"Bereit, Leute?", fragte ich verschwörerisch in die Runde, nachdem ich alle einmal fest umarmt hatte und bekam als Antwort ein aufgeregtes Quietschen.
"Na dann", begann Nevis und grinste uns kopfschüttelnd an "viel Spaß euch. Wir sehen uns in drei Stunden."
Doch niemand achtete mehr so wirklich auf ihn, da wir uns alle schnatternd in mein Zimmer verzogen und dann fest die Tür hinter uns schlossen.
"Wow!"
Meine Freundinnen drehten sich staunend im Kreis, um soviel wie möglich auf einmal in sich aufzunehmen. Immerhin war noch keine von ihnen seit meinem Umzug ins Alpha-Haus in meinem Zimmer gewesen. Wir hatten uns immer unten getroffen und nie einen Anlass gehabt, in die erste Etage zu gehen.
Als ich die drei so musterte, während sie neugierig jede Kleinigkeit im Zimmer betrachteten, wurde mir das erste Mal der große Unterschied zwischen mir als Alpha und ihnen als Säugetiere bewusst. Obwohl wir beste Freundinnen waren, hatten sie nie gefragt, ob sie nicht einmal mein Zimmer sehen könnten, da ich sie auch regelmäßig besuchte.
Obwohl wir beste Freundinnen waren, schwebte eine unausgesprochene Mauer an Distanz zwischen uns, die niemals gebrochen werden konnte. Dazu gehörte auch, nicht ohne Aufforderung in die Privatsphäre des Leittieres einzudringen.
Ich seufzte, als mir diese Gedanken kamen.
Schnell schüttelte ich meinen Kopf, da ich keine Lust hatte, mir den Abend von Dingen vermiesen zu lassen, die sowieso nicht ändern konnte.
Auffordernd klatschte ich in die Hände.
"So, wer ist die erste?"
In den folgenden Stunden wurde wie wild geföhnt, gelockt, toupiert, Haare in elegante Hochsteckfrisuren gezaubert, geschminkt, gepudert, ein abgesprungener Knopf an Grace' dunkelgrünem Jumpsuit genäht, gelacht, gekichert und laut zu den verschiedensten Liedern mitgesungen. Während Aria sich äußerst geschickt im Umgang mit Schminke herausstellte, war Ruby sehr nützlich, wenn es ums annähen oder umnähen von Stoffen ging. Grace hingegen hatte zwei linke Hände und hielt sich im Hintergrund.
Es tat gut, einmal wieder nur zu viert Zeit zu verbringen, ohne sich dabei um irgendwelche Visionen, Werwölfe, vergessene Erinnerungen oder entführte Mitmenschen Sorgen machen zu müssen.
"Was denkt ihr, welche Farbe wird Codys Krawatte haben?", fragte Ruby uns aufgeregt, während sie mit wachsamen Blick in den Spiegel einen langen silbernen Ohrring an ihrem Ohrläppchen befestigte.
"Wenn er überhaupt eine trägt.", murmelte Grace in ihren nicht vorhandenen Bart. "Ich wette, sie würde ihm nur die Luft abschnüren."
Ich kicherte leise und Ruby verdrehte gespielt genervt die Augen. Aria, die gerade im Bad war, schrie laut "WAS?".
"So." Zufrieden drehte sich Ruby einmal vor dem Ganzkörperspiegel an meiner Kleiderschranktür. Sie trug ein nachtblaues, knielanges Kleid, das im Zusammenspiel mit ihren schwarzen, nun glatten Haaren, perfekt die helle silberne Farbe ihrer Augen hervorhob. Grace trat in ihrem Jumpsuit neben sie, der ihrer hochgewachsenen, schlanken Figur schmeichelte. Ihre kastanienbraunen Haare waren zu einer strengen Hochsteckfrisur frisiert und legte ihre hohe Stirn frei, die sonst immer nur hinter einem fransigen Pony versteckt war.
"Sane wird umfallen, wenn er dich sieht.", kicherte Ruby und zwickte ihr in den Oberarm.
Ich lächelte und beugte mich vor, um mir meine Wimpern zu tuschen. Ich war die Einzige, die noch nicht in ihrem Kleid steckte und als nun auch Aria in ihrem bodenlangen, zartrosa Traum den Raum betrat, packte mich das Verlangen. Schnell aber vorsichtig holte ich den Kleiderbeutel aus meinem Schrank und ging ins Badezimmer.
Als ich den Reißverschluss öffnete klopfte mir das Herz bis zum Hals.
Was, wenn es nicht mehr passt?
Ich hielt die Luft an und streifte mir den dunkelroten Stoff über. Für eine kurze Weile kämpfte ich noch mit dem Reißverschluss, doch nach einigen Versuchen hatte ich auch diesen Kampf gewonnen.
Meine ganze Luft entwich mir mit einem Mal, als ich mich aufrecht hinstellte. Meine Sorgen waren überflüssig gewesen.
Die Seide schmiegte sich immer noch wie eine zweite Haut an mich und fiel locker bis zum Boden. Die silberne Brosche funkelte hell und klar auf Taillenhöhe und die quergelegten Stofflagen versteckten die unerwünschte Rundungen der vergangenen Feiertage erfolgreich.
Schnell schlüpfte ich in meine hohen Schuhe und richtete meine gelockten, brustlangen Haare noch einmal, von denen ich ein paar obere Strähnen zusammengefasst und nach hinten gesteckt hatte. Nur noch ein paar vorwitzige, karamellfarbene Locken kringelten sich um mein Gesicht, wovon ich wusste, dass Len das besonders verrückt machte.
Im Spiegel sah mir eine makellose, junge Frau mit leuchtend türkisen Augen entgegen.
Verrückt, vor einem halben Jahr wäre ich vor diesem Anblick zurückgeschreckt.
Dann griff ich nach der Türklinke und öffnete langsam die Tür.
"Sarina", hauchte Ruby mit Augen so groß wie Untertassen, als ich unsicher aus dem Bad schritt "du siehst zum Niederknien aus."
Die anderen an ihrer Seite nickten sprachlos mit dem Kopf.
"Danke.", lächelte ich verlegen. "Das gebe ich gern an euch zurück."
"Na los, komm her." Ruby hakte sich bei mir ein und zog mich mit vor den Spiegel.
Zufrieden betrachteten wir uns.
"Also ich muss schon sagen", meinte Grace anerkennend und nickte stolz mit dem Kopf. "ich denke, wir werden die hübschesten Mädchen sein."
Für einen Moment sagte niemand etwas, bevor jeder in schallendes Gelächter ausbrach.
"Nein, vergiss es.", prustete Ruby. "Wenn du meine Schwester und Emily siehst, wirst du deine Meinung ändern. Scarlet war und wird immer das schönste Mädchen der Schule sein. Den Titel als Ballkönigin kann ihr niemand entreißen."
Dann warf sie mir einen abschätzenden Blick zu.
"Obwohl, Sarina hätte wahrscheinlich eine Chance." Dann überlegte sie, schüttelte den Kopf und wandte sich letztendlich mit entschuldigendem Blick zu mir um. "Nein, entschuldige Süße. Das wird wohl nicht passieren."
Ich winkte ab.
"Vergiss den Titel. Ich war noch nie auf einem Ball. Das wird auch so großartig."
"Das wird es ganz bestimmt.", kicherte meine beste Freundin und drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange. "Also," Fragend sah sie in die Runde. "seid ihr bereit?"
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Ich war auf halbem Weg zur Treppe, als mir noch etwas wichtiges einfiel.
"Geht schon mal vor zu den Jungs und wartet unten auf mich. Ich bin gleich wieder da.", informierte ich meine Freundinnen und eilte zurück in mein Zimmer. Zielstrebig steuerte ich auf meinen Schreibtisch zu, zog eine Schublade heraus und griff nach dem kleinen hölzernen Kästchen, das in der oberen linken Ecke stand.
Ich öffnete den Deckel und schon blitzte er mir entgegen.
Der tropfenförmige Anhänger mit dem Edelstein und dem eingravierten Alpha lag ganz oben auf einer Ansammlung von kleinen Polaroidfotos. Ich griff behutsam nach ihm und verstaute die Schachtel wieder in der Schublade.
Dann legte ich mir die Kette um und drehte den Anhänger nach vorn, sodass er sich perfekt in die Mulde zwischen meinen Schlüsselbeinen schmiegte.
Ich straffte noch einmal die Schulter, atmete kräftig aus und schritt dann mit erhobenen Kinn los.
In den nächsten Sekunden spielten sich die verschiedensten Gedanken in meinem Kopf ab.
Wie wird wohl Len reagieren?
Sah ich lächerlich aus?
Was, wenn er es nicht gut findet?
Oh Gott, was hatte Len eigentlich an? Sollte ich mich mental darauf vorbereiten?
Ich unterdrückte erst einen hysterischen Lachkrampf und dann eine Panikattacke, während ich mich immer mehr der ersten Treppenstufe näherte.
Eins, zwei, drei . . .
Gleich war ich an der Hälfte der Wendeltreppe. Ab da an konnte man nach unten in den Flur sehen.
Mit rasendem Herzen stieg ich immer weiter hinab; machte einen Bogen; sah meine Freundinnen mit ihren Begleitern dicht beieinander stehen . . .
Während Ruby hochkonzentriert die dunkelblaue Fliege an Codys Hals richtete, flüsterte Sane Grace etwas ins Ohr, Paul und Aria drehten sich gerade um, um sich in die Küche zu verziehen, aus der Nevis ihnen mit vollen Backen entgegenkam. Keine Ahnung, was er schon wieder zu essen gefunden hatte.
Doch das alles nahm ich nur nebensächlich wahr. Meine volle Aufmerksamkeit galt nur einer einzigen Person.
Er stand da. Am Fuße der Treppe.
In einem schwarzen Anzug, einem blütenweißen Hemd, von dem der erste Knopf noch offen stand. Die ebenfalls schwarze Krawatte hing lose um seinen Hals.
Die Hände hatte der Alpha in seine Taschen gesteckt, doch in dem Moment als ich in seinem Sichtfeld erschien, fielen sie schlaff an die Seite.
Lens Locken waren notdürftig mit ein wenig Haargeel gebändigt. Aber man sah, dass er es nicht wirklich versucht hatte.
Mir gefiel das.
Er gefiel mir.
Ich musste einen kurzen Moment innehalten, um mir vor Augen zu führen, dass diese makellose Person dort, mit diesen tiefen, dunkelgrünen Augen, deren Blick nur mir galt, auch wirklich nur mein war.
Ein leicht rosa Schimmer legte sich über die Wangen meines Artgenossen, als ich die letzten Stufen hinunter schritt. Bei der vorletzten Stufe reichte mir Len eine lange, schlanke Hand.
Warm.
Noch ein letzter Schritt, dann stand ich vor ihm.
"Hey."
"Hey.", meinte er. Ich sah zu ihm auf.
Unsere Blicke begegneten sich und ein Kribbeln schoss durch meinen gesamten Körper, als Len mich intensiv musterte. Der Griff um meine Hand wurde stärker.
"Was denkst du?", fragte ich unsicher, als er immer noch nichts sagte und mich weiterhin nur anschaute. "Denkst du ich sehe läch-"
Weiter kam ich nicht.
Len hatte sich mit einem Mal nach vorne gebeugt und seine Lippen stürmisch auf meine gepresst. Ich gab ein erschrockenes Geräusch von mir, nur um mich gleich darauf glückselig zu entspannen.
Meine Arme wanderten ganz von allein zu seinem Nacken und Lens Hände zu meiner Hüfte. Ich schmiegte mich fest an ihn, während unsere Lippen im Einklang miteinander harmonierten.
Doch so schnell wie es gekommen war, war es auch schon wieder vorbei, als mein Freund sich mir sanft aber bestimmt entzog. Unsere Stirnen lagen aneinander und Len hob vorsichtig seine Hände an meine Wangen.
"Sarina", flüsterte er leise.
"Ja?", hauchte ich zurück.
"Ich konnte es dir neulich nicht sagen, aber . . ." Er machte eine kurze Pause. "du bist wunderschön."
Mein Herz schwoll an und um ihm den Blick auf mein erhitztes Gesicht zu verwähren, schloss ich ungestüm meine Arme um seinen Hals.
"Musst du gerade sagen.", murmelte ich spielerisch in sein Ohr. "Du siehst umwerfend gut aus in diesem Anzug. Ich dachte schon, ich falle von der Treppe, als ich dich gesehen habe."
Len gluckste leise.
"Ich hätte dich mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung wiederbelebt."
"Danke für deine großzügige Aufopferung.", neckte ich ihn und gab ihm einen schellen Kuss auf den Hals, bevor ich mich von ihm löste.
"Sind dann alle soweit?", erkundigte sich Len mit erhobener Stimme und wir versammelten uns alle im Flur, um uns unsere Mäntel anzuziehen. Wir Mädchen schlüpften in unsere Winterstiefel und nahmen die Ballschuhe in die Hand, während die Jungs gleich in ihren Schuhen blieben.
Wir verließen in einer aufgeregt plappernden, geschlossenen Gruppe das Haus und machten uns bibbernd auf den Weg über den Campus zur Akademie. Je näher wir dem hell erleuchteten Gebäude kamen, desto mehr Schüler schwirrten in festlichen Kleidern um uns herum.
Plötzlich spürte ich eine warme, große Hand, die sich verstohlen um meine kalte schloss.
Verwundert sah ich zu Len auf, doch wir erreichten schon die Treppen und ich war nun damit beschäftigt, nicht auf den zarten Stoff meines Kleides zu treten.
Es würde ein aufregender Abend werden.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
"Herzlich Willkommen liebe Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen zu dem diesjährigen Winterball. Ich freue mich sehr, dass heute so viele hier erschienen sind.", eröffnete Mrs. Roberts die Feier mit einem strahlenden Lächeln. "Ein besonderer Dank gilt natürlich dem wundervollen Ballkomitee, das die heutige Veranstaltung erst möglich gemacht hat. Ihr habt einiges an Arbeit geleistet."
Der Saal brach in tosenden Applaus aus und ich konnte nicht anders, als meiner Direktorin zuzustimmen.
Der Speisesaal, der sonst eng mit Tischen und Stühlen versehen war, war heute Abend bis auf die meterlange Buffettafeln an den Fenstern leer. Der ganze Raum hatte sich in eine riesige Tanzfläche verwandelt, während Tische und Stühle in weiße Stofflagen gehüllt an den Rändern des freien Feldes zum Hinsetzen, Ausruhen und Essen einluden. Des Weiteren standen Armleuchter neben dem silbernen Gedeck auf den Tischen und überall lagen kleine Kiefernzweige mit . . . war das echter Schnee? als Dekoration verteilt.
Meterlange, schimmernde Vorhänge waren vor den Fenstern angebracht und sorgten im Zusammenspiel mit dem leicht bläulichen, gedämmten Licht für eine gemütliche, aber auch etwas magische Atmosphäre.
Es war wirklich beeindruckend.
"Nichtsdestotrotz, hier ein paar kleine Warnungen: Bitte lasst die Bowle unangetastet, den Schnee in seiner natürlichen Umgebung und die oberen Stockwerke leer. Außerdem gilt wie immer die Regel, Mädchen und Jungen haben separate Toiletten, bitte nicht auf der Treppe zur Akademie rauchen, kein Alkohol und keine Schlägereien. Vielen Dank." Mrs. Roberts klimperte einmal mit den Wimpern und entlockte somit einigen Schülern ein nervöses Husten oder ein Auflachen (Len zählte übrigens auch dazu).
"So, da jetzt alle formalen Sachen bereits geklärt sind würde ich sagen, wir fangen jetzt einfach an!"
Jubel breitete sich aus und Mrs. Knight erschien neben der Direktorin. In ihrer Hand hielt sie einen gelblichen Umschlag.
Die Schüler um mich herum recken die Hälse, bemüht, nichts, was sich dort vorne abspielte, zu verpassen.
Irritiert zupfte ich Len am Ärmel, der sich gleich darauf zu mir hinunterbeugte.
"Was passiert jetzt?", flüsterte ich leise.
"Achso, das habe ich vergessen, dir zu erzählen.", erwiderte er mit einem leichten Grinsen. "Jedes Jahr wird eine Umfrage von den Schülern veranstaltet, die das erste Tanzpaar zur Eröffnung des Balls bestimmt. Das lustige dabei ist, dass es sich dabei um eine Lehrerin und einen Lehrer handelt. Letztes Jahr waren es Mrs. Knight und Mr. Richman. Ich bin gespannt, wer es dieses Mal ist."
Das Gemurmel unter den Schülerreihen war mittlerweile verstummt.
"Wie jedes Jahr . . . hier nun die Auserwählten für den ersten Tanz. Meine Damen und Herren, von der Schülerschaft nominiert und gewählt, Kandidat der Männer: Mr. Mason!", verkündete die Professorin für Verwandlung und der Schularzt trat überrascht aus den Reihen der Lehrer hervor. Er trug ein dunkelgraues Hemd, eine schwarze Krawatte und sah im Gegensatz zu seinem gewöhnlichen Arbeitsoutfit, dem Arztkittel, sehr viel legerer aus. Alle jubelten ihm zu, als er die Mitte des Raumes ansteuerte.
Ein wenig unbeholfen stand er nun auf der Tanzfläche und ließ seinen Blick über die Reihe von Lehrerinnen schweifen, die alle ein wenig nervös an ihren Haaren und Kleidern zupften.
"Wer mag wohl die Glückliche sein, Ladies?", zwitscherte Mrs. Knight und blinzelte ein paar Mal schelmisch. "Wir werden es gleich erfahren."
Sie zog den zweiten Zettel aus dem Umschlag, öffnete ihn, las, hob den Blick, senkte ihn wieder, las noch einmal . . .
"Ihr kleinen-"
Sie lächelte zittrig.
"Nun ja, hier die Kandidatin für die Frauen: niemand geringeres, als unsere wundervolle Schuldirektorin, Mrs. Roberts!"
Im ganzen Saal brach lauter Jubel aus und ich prustete versehentlich los. Len neben mir war in eine Art Schockstarre gefallen.
Ich sah das Gesicht der Direktorin, das ein wenig blass geworden war, jedoch auch den Ansatz eines liebevollen Lächelns trug. Sie seufzte einmal schwer und zuckte mit den Schultern.
Dann raffte sie den dunkelgrünen, samtigen Stoff ihres eleganten, bodenlangen Kleides zusammen und betrat die Tanzfläche. Mit jedem ihrer Schritte wiegte sich der lange geflochtene Zopf leicht hin und her und ich konnte, wie auch der Rest der Schülerschaft, nicht meine Augen von ihr lösen. Ihr Auftreten hatte etwas Kraftvolles und Einschüchterndes, sodass außer dem Geräusch ihrer hohen Absätze auf dem Parkett nichts zu hören war. Jeder hielt gespannt den Atem an, als Mr. Mason seine Tanzpartnerin in Empfang nahm.
Seine eine Hand fand den Weg zu ihrer Taille, die andere in ihre rechte, während meine Mentorin ihre linke Hand auf der breiten Schulter des Arztes ablegte.
Sie sahen sich an, lächelten und schon startete die Musik.
Es spielte etwas Klassisches, ein leichter Walzer.
Mühelos und nahezu andächtig glitt das Paar über die Tanzfläche. Sie harmonierten perfekt miteinander. So perfekt, dass man hätte meinen können, dass dies nicht der erste Tanz war, den sie beide bestritten. Alle Bewegungen waren aufeinander abgestimmt und niemand trat dem anderen auf die Füße.
Als das Stück sich dem Ende neigte, bemerkte ich, wie die vorderen Reihen unruhig wurden. Anscheinend verspürten die meisten schon das Bedürfnis, sich tänzerisch zu betätigen.
Ich schüttelte nur den Kopf und drückte mich ein wenig weiter nach hinten, um näher an das Buffet heranzukommen.
Die Musik verklang, der Tanz endete.
Mrs. Roberts versank in einem höflichen Knicks, während Mr. Mason sich verbeugte. Der Saal brach in tosenden Applaus aus und die beiden Lehrer hatten nicht einmal die Chance, sich ganz zurückzuziehen, da schon die ersten Schüler auf die Tanzfläche strömten, um dem kommenden Lied beizuwohnen.
Für mich das Signal, mich Richtung Essen durchzuschlagen.
Als der nächste Song startete, hatte ich mir schon einen Teller geschnappt und lief nun auf und ab, um mir so schnell wie möglich etwas zu Essen zu krallen.
"Hey Sarina", hörte ich meinen Namen plötzlich.
Ich sah auf und erkannte Tai, der in einem schwarzen Anzug auf mich zu steuerte.
Lächelnd kam ich ihm entgegen.
"Na du, wie geht's dir?"
"Super", erwiderte der Asiate breit grinsend. "Wieso tanzt du nicht?"
"Ist das nicht offensichtlich? Ich habe Hunger."
"Ah, ja. Ich sehe schon." Er deutete auf meinen vollen Teller. "Sieht lecker aus."
"Nimm dir doch auch was", schlug ich vor, wurde jedoch unterbrochen, als sich ein Arm auf meiner Schulter ablegte.
"Entschuldige Kleines, aber Tai muss leider passen. Er hat nämlich eine sehr wichtige Verabredung."
Nevis war wie aus dem Nichts hinter mir aufgetaucht.
"Nevis", brachte Tai keuchend hervor und schaute den heimlichen Werwolf nur mit weit geöffneten Augen an. Genervt seufzte ich und wand mich unter ihm, sodass sein Arm wieder an seine Seite fiel.
"Ich verstehe schon. Na los, nimm deinen verrückten Typen mit auf die Tanzfläche. Komm mir aber nachher nicht damit, dass du Hunger hast. Dann wird nämlich alles hier weg sein."
"Ja, ja, Alpha. Halt mal die Luft an.", scherzte Nevis, griff sanft aber bestimmend nach der Hand des Tigers vor mir und zog ihn mit sich. Tai warf mir nur hilfesuchende Blicke zu.
Kichernd schüttelte ich den Kopf.
Diese beiden waren schon ein seltsames Paar.
◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆
Ich fand Len wie erwartet an einem der Tische. Er unterhielt sich gerade mit Seth, als ich mich neben ihm niederließ.
"Hier." Ich schob ihm den zweiten Teller zu, den ich neben meinem eigenen noch mitgebracht hatte.
"Danke." Überrascht sah er mich von er Seite an, doch ich ging nicht darauf ein und steckte mir eine Boulette in den Mund.
"Sie spielen nachher ein langsames Lied. Kommt ihr dann mit?", erkundigte sich Seth und klaute sich eine Pommes von Lens Teller.
"Klar doch.", stimmte ich zu und entlockte meinem Freund somit einen erschrockenen Huster. "Wieso nicht? Immerhin sind wir deswegen heute hier."
"Super!" Seths dunkelbraune Augen begannen zu leuchten, ehe er sich abwandte und Scarlet, die soeben neben ihm aufgetaucht war, seine Aufmerksamkeit zu schenken.
"Ach Lennylein, mach nicht so ein Gesicht.", flötete ich fröhlich, als ich den Ausdruck auf Lens Gesicht bemerkte. "Es wird doch wohl in deiner Macht liegen, drei Minuten mit deiner Freundin zu tanzen."
Die Gespräche am Tisch verstummten.
Ich blickte in die Gesichter meiner Freunde, die allesamt Len und mich erstaunt anstarrten. Der Alpha vergrub sein Gesicht in den Händen.
Ich räusperte mich.
"Überraschung?"
Ruby war die erste, die in schallendes Gelächter ausbrach.
"Sarina, du bist echt unglaublich." Sie wischte sich imaginäre Tränen aus den Augenwinkeln. "Na ja, es dürfte aber für niemanden hier noch eine Überraschung sein, nicht wahr?"
Meine Freunde lachten zustimmend.
"Herzlichen Glückwunsch!", prostete David uns mit seinem Glas zu.
"Danke, David."
Der Abend verflog nur so. Ehe ich mich versah, war es schon kurz vor zwölf und der Zwölftklässler, der für die Musik zuständig war, kündete den ruhigen Teil des Abends an. Manche Lehrer waren schon gegangen und einige Schüler der Unterstufe ebenfalls.
"Na los Leute, schnappt euch euren Liebsten oder eure Liebste und dann ab auf die Tanzfläche."
"Darf ich bitten?"
Len war aufgestanden und hielt mir seine rechte Hand entgegen. Sein Mund hatte sich zu meinem heißgeliebten, schiefen Lächeln verzogen, sodass ich ihn für einen kurzen Moment nur mit rasendem Herzen ansehen konnte.
"Gerne.", sagte ich dann letztendlich etwas heiser und streckte meine Hand aus. Beiläufig konnte ich sehen, wie Ruby und Cody, Grace und Sane, Aria und Paul und der Rest mit ihren Verabredungen unserem Beispiel folgten.
Wir stellten uns auf und das Licht wurde ein wenig gedämmt. Fast alle Schüler befanden sich nun in der Mitte des Raumes und ich hörte es von überall her aufgeregt flüstern und kichern.
Der erste Ton erklang und ab diesem Moment an, war ich wie gebannt.
Mein Herz raste wie wild und ich traute mir nicht, Len in die Augen zu sehen.
Andächtig lauschte ich den Klängen und wiegte mich sanft im Rhythmus hin und her.
Dann wurde ich unvermittelt ein wenig näher gezogen. Mein Gesicht ruhte kurz vor Lens Schulter, die ich noch immer leicht umklammerte. Die Hände meines Artgenossen lagen dagegen nun fest um meine Hüfte. Sein Mund schwebte nur Zentimeter von meinem Ohr entfernt.
"Sarina", hauchte er. Die feinen Härchen in meinem Nacken und auf meinen Unterarmen stellten sich beim Klang seiner Stimme auf.
"Ja?"
"Ich bin glücklich."
Mein Herz setzte für einen Schlag aus.
"I-ich auch.", stotterte ich unbeholfen zurück.
"Das ist schön." Man konnte sein Lächeln geradezu hören. "Weißt du, das ist der erste Ball seit ungefähr drei Jahren, an dem ich teilnehme."
"Wieso? Was ist mit den vergangenen Jahren?", flüsterte ich erstaunt und löste mich ein wenig, um in seine Augen zu sehen.
Mein Freund zuckte mit den Schultern.
"Ich bin nicht hingegangen."
"Ja, aber warum?"
Er schwieg einen Augenblick. Dann zog er mich wieder enger an sich.
"Vielleicht", wisperte er "hat mir einfach die Richtige gefehlt."
Ich kniff ihn in die Seite.
"Au!" Er zuckte kichernd zusammen und erntete dafür ein paar vorwurfsvolle Blicke der Schüler um uns herum.
"Geschieht dir recht.", brummte ich verlegen in sein Jackett und spürte das tonlose Lachen in Lens Brustkorb.
"Sarina, du bist wirklich-"
Das laute, klirrende Geräusch von berstendem Glas ertönte. Mädchen kreischten gellend auf und die Musik brach mit einem durchdringenden, hässlichen Piepen ab.
Len und ich fuhren blitzartig auseinander, sowie all die anderen Tanzpaare, die sich panisch in alle Richtungen zerstreuten. Ich musste mich bemühen, in dem Durcheinander meinen Freund nicht aus den Augen zu verlieren.
"Len!", schrie ich und packte ihn am Handgelenk. "Was ist hier los?"
"Ich weiß nicht!", brüllte er zurück.
Doch als wir es endlichen sahen, gefror uns das Blut in den Adern.
_____________________________
*räusper*
ÜBERRASCHUNG! Cherry updatet doch noch im Jahr 2018!
Tut mir leid, Leute :( Ich habe es echt nicht auf die Reihe bekommen.
Hoffentlich freut ihr euch jetzt trotzdem ^^'
Ich werde zusehen, dass das nächste Kapitel nicht so lange dauert... Immerhin schreibe ich nächste Woche meine letzten zwei großen Klausuren... dann habe ich bestimmt ein bisschen mehr Zeit...
Hoffentlich
Egal.
Kommen wir zum Kapitel.
Wie hat es euch gefallen?
Es ist ganz schön viel passiert, nicht wahr? Ich hatte zwischendurch auch ein paar Schwierigkeiten, die letztendlich meinen Schreibplan dezent über den Haufen geworfen haben... aber naja
Es gibt eigentlich nicht viel zu sagen...
Außer vielleicht über Nevis und Tai ^^ Die beiden mausern sich zurzeit zu meinem Lieblingspärchen.
Und natürlich der Schluss. Habt ihr irgendwelche Theorien? ;)
Das oben angefügte Lied ist übrigens eines meiner Lieblingssongs. Ihr könnt es euch ja mal anhören, wenn ihr wollt. Es hat ganz gut zu der Tanzszene von Len und Sarina gepasst.
Das wars von mir aus. Konstruktive Kritik, Wünsche, Verbesserungsvorschläge etc. sind immer willkommen.
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.
LG
Cherry
PS: Mittwoch, 17.10.2018 -definitiv der Tag, an dem ich dieses Jahr mit am glücklichsten war #A.r.m.Y
PPS: I purple you <3
PPPS: Gute Nacht.
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