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Hoffnungsvolle Versprechen

Die Trauerfeier fand zwei Wochen später bei grauem Himmel und Nieselregen statt. Auf dem Campus herrschte ein noch drückenderes Schweigen als schon in den vergangenen Tagen seit der Schlacht, was ich beinahe für unmöglich gehalten hatte. Doch das Wetter schien genau um unseren Gemütszustand zu wissen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, es trauerte mit uns um unsere gefallenen, für immer verlorene Freunde, Mitschüler, Krieger, Magier und Lehrer. Aber vielleicht war das sogar angebracht. Ein sonniger, warmer Frühlingstag hätte wahrscheinlich nur eine ungewollte Ironie über die Trauer und das Leid geworfen, das wir in unseren Herzen trugen.

Noch ein letztes Mal zupfte ich den Kragen meiner schwarzen Bluse zurecht, der unter einem ebenso dunklen, leichten Pullover hervorlugte. Müde Saphiraugen beobachteten dies im Spiegel und ich kam nicht umhin zu bemerken, dass mir diese kleine Bewegung immer noch offensichtliche Schwierigkeiten bereitete. Laut Mr. Masons ärztlichen Untersuchungen waren zwar all meine Verletzungen wieder geheilt, aber die gewohnte Mobilität und Flexibilität meiner Sehnen und Muskeln musste nach dem tagelangen Stillhalten- und liegen erst wieder langsam hergestellt werden. So brauchte ich für die simpelsten, minimalsten Bewegungen immer noch mindestens doppelt so viel Anstrengung und dreifach so viel Zeit.

Ich seufzte und mein Spiegelbild mit mir, als sich die eben sorgfältig glatt gestrichenen Falten rücksichtslos erneut bildeten.

Ich sollte es einfach lassen. . .

Ganz so als hätte er nur darauf gewartet, dass ich einen Laut von mir gab, klopfte es leise am Türrahmen und kurz darauf streckte Len seinen Kopf ins Bad.

„Bist du soweit?"

„Hm.", machte ich unbestimmt und wie von selbst fuhren meine Augen zu seiner Erscheinung im Spiegelbild. Der Alpha registrierte dies und fing meinen Blick mit seinen grünen Augen auf. Für einen Moment sahen wir uns nur an. Len trug ein schwarzes Hemd, das er in eine ebenfalls schwarze Anzughose gestopft hatte. Ein neuer, brauner Mantel hing bereits lose über seinen breiten Schultern und er hielt einen dunkelgrünen Wollschal in der Hand.

Er sah gut aus, doch in seinem Gesicht konnte ich lesen, dass er sich nicht im Geringsten so fühlte.

„Du siehst anders aus.", bemerkte er nach einem Moment des Schweigens. Er hatte mich ebenso intensiv gemustert wie ich ihn.

„Ich hoffe doch auf eine gute Art.", gab ich zurück und hob die Augenbrauen.

„Ich denke schon. Du wirkst ruhiger als ich dachte."

Er trat auf mich zu.

„Gefasster."

„Hm.", machte ich erneut und lehnte mich dankbar mit meinem Rücken an seinen Körper, der wie eine stützende, warme Wand nun hinter mir aufragte.

Ich fühlte mich weder ruhig noch gefasst.

Die junge Frau, die mir entgegenblickte, erschien mir genauso fremd wie im letzten Sommer, wo ich zum ersten Mal mit meiner neuen äußeren Erscheinung konfrontiert worden war.  Zwar sah ich im Gegensatz zu damals immer noch so aus wie immer, doch bemerkte zugleich, dass sich etwas an mir verändert hatte.

Prüfend fuhr mein Blick erneut über mein blasses, angespanntes Gesicht, das durch den festen Dutt in meinem Nacken seltsam streng wirkte. Meine sonstigen weichen Wellen hatte ich so eng wie möglich zusammengefasst und nach hinten gebunden. Somit simulierte ich wenigstens ein kleines bisschen das Gefühl von Stabilität, während alles andere um mich herum nach und nach auseinanderbrach und ins Ungewisse glitt.

Der Kragen meiner Bluse verrutschte noch mehr, als Len seine Arme von hinten unter meine schob und sie vor meinem Bauch sanft verschränkte. Fast augenblicklich durchflutete mich eine Welle Wärme und ich unterdrückte nur mühselig ein erleichtertes Seufzen, als sich der kalte Klumpen aus Furcht und Trauer in meiner Magengrube ein wenig löste. Er merkte sofort, wenn meine Gedanken wieder ihren eigenen Willen entwickelten und in Richtungen wanderten, die sie eigentlich meiden sollten.

Zwar war es immer noch seltsam, einen Freund zu haben, der Gefühle beeinflussen konnte, doch nach einigen Unterhaltungen waren wir zu dem Schluss gekommen, dass seine Gabe in einigen Situationen durchaus nützlich sein konnte. So wie in dieser hier.

Len gab mir einen Kuss auf den Scheitel und ich schloss nur für einen kurzen Moment meine Augen, um mich nicht länger von der Fremden im Spiegel mit ihrer bekümmerten Miene begutachten zu lassen.

"Na los", flüsterte mir der Alpha leise ins Ohr. "Lass uns gehen."

"Okay", wisperte ich genauso leise zurück. Ich konnte mir zwar gut andere Beschäftigungen für einen verregneten Freitagnachmittag vorstellen, doch ich wusste, wie wichtig dieser heutige Anlass für Len war. Und für mich.

Es war die letzte Gelegenheit, sich noch einmal richtig von Mrs. Roberts zu verabschieden, obwohl ihre Leiche nie in dem Trümmerhaufen aus Gestein und Felsbrocken gefunden worden war. Nachdem das Feuer erloschen war, hatte sich eine Sondereinheit von Magiern daran gemacht, die Unordnung auf dem Schlachtfeld, sowie in und rundum der Burg zu untersuchen und zu beseitigen. Der Leichnam von Lens Tante blieb dabei verschollen. Man vermutete, dass das Feuer sie wohl vollständig verbrannt hatte. Deshalb würde es eine symbolische Gedenkplatte für sie und alle anderen Verschwundenen geben, die dann zu einem naheliegenden Friedhof gefahren werden, wo bereits die Urnen der Leute lagerten, welche man vor Ort gefunden hatte.

Ich löste mich widerwillig aus Lens warmer Umarmung und folgte ihm aus dem Bad, durch mein Zimmer und die Treppe hinunter in den Flur. Nevis stand fertig angezogen dort und tippte mit gerunzelter Stirn auf seinem Handy herum. Als er unsere Schritte hörte sah er auf.

"Hey Kleines, du siehst müde aus."

"Schön, dass heute alle mein Aussehen kommentieren wollen.", brummte ich und bückte mich, um meine Füße schwerfällig in meine Stiefel zu quetschen.

"Nevis", sagte Len mahnend. "Was hatten wir gesagt?"

"Jaja, keine Spitznamen mehr", seufzte der Werwolf.

"Keine Spitznamen mehr", bestätigte Len nickend, griff nach meinem Wintermantel und hielt ihn mir auf.

"Danke.", murmelte ich. Obwohl es bereits Ende Februar war, war es immer noch unglaublich kalt. Der Schnee war zwar geschmolzen, doch die Temperaturen kletterten am Tag nie über zwei Grad. Ich wünschte mir so sehr den Frühling, dass es beinahe wehtat. Vielleicht würde sich dann auch meine fortdauernde miese Laune ein Stück bessern.

"Sag mal", redete Nevis fröhlich weiter, als wir zu dritt bereits in die kalte Luft traten und ich mir vorsichtig die Kapuze über den Kopf stülpte. "was hältst du denn davon, wenn ich stattdessen dir Spitznamen gebe?"

"Nicht sehr viel.", beantwortete Len die Frage und schloss die Haustür hinter uns zu.

"Ach was . . . Miesepeter."

Mein Atem stand weiß vor meinem Gesicht, als ich hörbar ausatmete. Was war eigentlich neuerdings mit den beiden los?

"Miezekätzchen."

"Nevis!", warnte mein Freund, griff nach meiner Hand und bedachte währenddessen unseren Mitbewohner mit einem bösen Blick, der sich jedoch nicht im Geringsten beeindrucken ließ und nur grinsend mit den Augenbrauen wackelte.

"Mein Großer."

"Nevis!" Der Druck um meine Hand wurde stärker.

"Ja, Lennylein?"

Dem Werwolf traf ein Handschuh am Kopf und gleich darauf stürzte mein Freund hinterher.

"Hey, das ist meiner. Such dir gefälligst einen anderen.", beschwerte ich mich und meinte damit eher den Namen als den Handschuh. Denn der gehörte Len.

Die Beiden verloren sich in einem mehr oder weniger spielerischen, jedoch durchaus freundschaftlichen Gekabbel, während ich mit gebührendem Sicherheitsabstand folgte. Amüsiert beobachtete ich das Hin- und Her und konnte so für einen Moment das vergessen, was in den nächsten Stunden auf uns zukommen würde.

Len und Nevis hatten in den vergangenen Wochen eine ungeahnte Freundschaft entwickelt, dessen Ursprung sich mir immer noch nicht so ganz erschloss und auch von keinem der beiden erklärt wurde. Ich musste wohl oder übel diese plötzlich aufkeimenden Anflüge von männlichem Zärtlichkeitsaustausch ertragen. Auch wenn das bedeutete, meinem Freund dabei zuzusehen, wie er sich mit einem Werwolf im Schlamm wälzte (Ich wünschte, ich könnte das im übertragenen Sinne meinen). Denn sowohl der Alpha, als auch der Austauschschüler hatten gemerkt, dass es sich gleich viel besser trainierte, wenn man mit seinem selbst ernannten Freind in die Arena trat.

"Ich finde eure Bromance ja unheimlich süß", rief ich nach zehn Minuten zu den beiden hinüber, die sich immer noch diskutierend und dabei wild gestikulierend über den mit Raureif bedeckten Rasen schubsten. "aber vielleicht solltet ihr euch mal wieder in die Welt der Erwachsenen und Vernünftigen begeben. Wir sind nämlich bald an der Akademie und ich will nicht mit zwei Kleinkindern dort auftauchen."

"Okay!", wurde zurückgebrüllt und nur einen Augenblick später machte Len kehrt und joggte mir entgegen. Nevis hechtete hinterher.

"Hast du gehört, Miezekatze?", keuchte der Werwolf, als beide bei mir angekommen waren, und stützte seine Hände kurz auf die Knie, um zu Atem zu kommen. "Sie findet uns süß zusammen."

"Bilde dir bloß nichts ein!" Dieses Mal war ich diejenige, die ihn warnend ansah. "Sonst erzähle ich Tai, dass sein Freund lieber mit meinem Freund abhängt. Und dann könnt ihr den geplanten Pärchenabend in einer neuen Konstellation genießen. Nämlich ohne uns."

"Autsch, kein Grund verletzend zu werden.", schnappte Nevis und rieb sich gekränkt die Brust.

"Wehe, du lässt mich mit ihm allein.", schmollte mein Freund und verschränkte seine Hand mit meiner.

"Das würde mir doch nie im Leben einfallen.", gab ich todernst zurück.

"Ich kann deinen Mundwinkel zucken sehen. Wehe, du lachst gleich."

"Was? Ich doch nicht."

Ich war über diese Ablenkung unheimlich froh, obwohl ich wusste, dass dieses Theater nur dem Zweck diente, der düsteren Trauerstimmung, die diesen Tag umhüllte und so gut wie jeden auf dem Campus in seinen unausweichlichen Bann zog, nur für einige Minuten zu entkommen.

Lange dauerte dies allerdings nicht.

Sobald die mit schwarzen Seidentüchern verhangene Fassade der Akademie in Sichtweite kam, wurden selbst meine beiden Begleiter still. In vereinter Schweigsamkeit schritten wir dem mächtigen Gebäude entgegen, dessen Anblick mir zum ersten Mal ein unbehagliches Gefühl bereitete. Von Weitem sah ich, dass sich bereits einige Leute vor der großen Treppe versammelt hatten und sich leise miteinander unterhielten.

Lens Finger verkrampften sich kaum merklich in meiner Hand und ich sah besorgt zu ihm hinauf. Sein Gesicht war eine einzige undurchschaubare Maske, deren Anblick mir einen leichten Stich versetzte. Dabei wusste ich doch, dass diese Methode für ihn wie ein Schutzmechanismus war. Trotzdem baute sich jedes Mal, wenn er sich dazu entschied, diese verschlossene Seite an ihm an den Tag zu legen, eine gewisse Distanz zwischen uns auf, deren Mauern sich erst wieder senkten, wenn er es wollte.

Aber wem konnte er es verübeln?

Ich war ohnehin beeindruckt, wie professionell und sachlich er in den letzten Wochen die anstehenden Angelegenheiten geregelt hatte, obwohl ich wusste, wie es ihm innerlich wirklich ging. Er hatte schnell gelernt, sich an seine neue Position anzupassen. Bereits nach dieser kurzen Zeit bewältigte er eine ganze Reihe an Aufgaben, die Mrs. Roberts bisher übernommen hatte, nun aber ihm zufielen. Natürlich unterstützte ihn dabei immerzu und stets verlässlich ein Kreis ausgewählter Magier und Lehrer. Selbstverständlich versuchte auch ich mein Bestes, fand mich jedoch auffällig häufig in einer Situation wieder, wo ich mich so hilf- und ahnungslos fühlte, dass ich ernsthaft daran zweifelte, ob mein Dasein als Alpha wirklich seine Berechtigung hatte.

"Also", unterbrach ich meine eigenen Gedanken, die schon wieder gefährlich in die falsche Richtung liefen. "seid ihr bereit, Jungs?"

"Wird schon schiefgehen.", murmelte Nevis und ich hakte mich bei ihm unter. Len nickte stumm.

"Na dann . . ."

Und mit diesen wagen, in der Luft schwebenden Worten steuerten wir auf die Akademie zu, die uns mit ihren Schattentüchern eher an eine Geisterburg erinnerte, als an die Festung einer magischen Gemeinschaft, die erst kürzlich ihrer drohenden Vernichtung entkommen war.

◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

In der Eingangshalle stand kaltes Buffet auf langen Tischen, die wohl ursprünglich aus dem Speisesaal stammten. Doch kaum jemand interessierte sich für die Speisen und Getränke, und auch mir wurde bei dem Anblick ein wenig übel. Ich konnte jetzt nichts essen.

Nicht jetzt.

Nicht hier in der Halle, wo einige dutzend Schüler tagein tagaus ihrer Wege gegangen waren und es nun nie wieder tun würden.

Suchend glitt mein Bick über die kleinen Grüppchen von schwarz gekleideten Personen, die sich bereits versammelt hatten. In ein paar Minuten würde es hier so voll sein, dass meine Chancen, jemanden meiner Freunde zu erblicken, gegen Null gingen. Ich wollte wenigstens ein paar von ihnen noch begrüßen, ehe wir uns in den großen Saal begaben, wo die Gedenkfeier stattfinden würde. Dort hätte ich dann keine Gelegenheit mehr, da ich mit Len und meinen Eltern etwas weiter vorn platziert war.

"Suchst du jemanden?". fragte Nevis, der meine gerunzelte Stirn bemerkt hatte.

"Ja, eigentlich schon. Kannst du jemanden von den anderen sehen? Oder bin ich einfach nur zu klein?"

"Hm", machte der Werwolf und ließ seine eisblauen Augen über die Köpfe der Gäste schweifen.

"Sarina, ich bin gleich wieder da. Ich muss nur Seth mit dem Rollstuhl helfen.", informierte mich Len mit einem kurzen Blick auf sein Handy.

"Klar, geh nur. Ich schreib dir eine Nachricht, falls wir uns hier wegbewegen sollten."

"Okay, danke. Ansonsten sehen wir uns drinnen."

Ich nickte zustimmend und er gab mir im Gegenzug einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich um und verschwand in der immer mehr anschwellenden Menge. Für einen kurzen Moment sah ich ihm bekümmert hinterher. Sein Gang war immer noch so schleichend schwer, wie an jenem Morgen auf der Krankenstation.

"Hey! Hey Tai!", rief mein Mitbewohner plötzlich und wedelte mit beiden Armen in der Luft herum. Mein Blick zuckte augenblicklich wieder nach vorn und tatsächlich sah ich die vertraute Gestalt von Nevis' Freund in der Menge auftauchen.

"Ach, da steckt ihr. Wir haben euch schon überall gesucht.", begrüßte der Asiate uns kopfschüttelnd. "Habt ihr Seth gesehen? Er meinte, er ist noch bei Mr. Mason, aber ich weiß nicht, für wie lange noch."

"Len ist gerade auf dem Weg zu ihm. Sie kommen gleich.", klärte ich ihn über die Situation auf.

"Ah, okay. Dann könnt ihr ja schon mal mitkommen. Die Anderen warten schon."

Ich nickte und schluckte einmal schwer, bevor ich mich zusammen mit Nevis in Bewegung setzte, um dem Tiger in den Saal zu folgen. Als ich ihn betrat, kam ich nicht umhin, erleichtert aufzuatmen. Meine Befürchtungen, die dunklen Tücher von draußen könnten auch hier drinnen mit ihren wabernden Schatten für noch mehr Trostlosigkeit sorgen, waren unbegründet gewesen. Der riesige Raum sah bis auf die fehlenden langen Tische so aus wie immer und nur die Möblierung war für die heutige Veranstaltung angepasst worden. Etliche Stühle standen in Reihen und zeigten allesamt nach vorn zu der leichten Erhöhung an der Stirnseite des Saals, wo normalerweise der Lehrertisch stand. Anstatt dessen befand sich dort ein einsames Rednerpult mit einem Mikrofon, das vor einem Meer aus duftenden, farbenfrohen Blumenbouquets, warm leuchtenden Kerzen und anderen Kleinigkeiten wie Notizzetteln mit Abschiedsgrüßen, kleinen steinernen Tierfiguren, Waffen wie Messern oder kleinen Schwertern und selbstgemachten Schmuck, fast unterging. Der Anblick dieses provisorischen Gedenkschreins bescherte mir eine Gänsehaut und erneut bemühte ich mich, den Kloß in meinem Hals keine weitere Beachtung zu schenken.

Wir steuerten auf eine kleine Gruppe Schülern zu, die ich mit nur einem Blick erkannte: Ruby, Aria, Grace, Paul, Cody und Emily. Mir wurde bei der geschrumpften Anzahl nur umso schmerzlicher bewusst, welche Verluste wir zu beklagen hatten, und mit einem einzigen Blick in ihre Gesichter, war ihnen das ebenso klar. Die Augen der Mädchen sahen verdächtig rot aus, als sie uns bemerkten und zuschauten, wie wir ihnen entgegenkamen, während die Jungs ebenfalls unnatürlich blass wirkten. Allesamt hatten sie tiefe Ringe unter den geschwollenen Augen und das müde Lächeln, das ich von Ruby bekam, wirkte mehr gezwungen als aufrichtig.

Mein Herz krampfte sich zusammen.

"Hey", flüsterte ich und sobald ich bei meiner besten Freundin angekommen war, fiel sie mir schon um den Hals und vergrub das Gesicht an meiner Schulter. Ein leises Wimmern entfuhr ihr.

Tröstend strich ich ihr über den Rücken. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie elend ihr wohl zumute sein musste.

"Hast du deinen Eltern schon ihre Plätze gezeigt?", fragte ich leise und sie nickte stumm. "Gut. Mach dir keine Sorgen. Ich bin sicher, die Feier wird schön."

Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte, doch Ruby schien das nicht zu stören. Sie nickte nur erneut mit dem Kopf und löste sich dann aus unserer Umarmung. Trotzdem blieb sie eng an meiner Seite, während ich begann, mich leise mit den anderen zu unterhalten.

"Da sind sie.", sagte Cody nach ein paar Minuten und mein Kopf drehte sich automatisch zu der Stelle, auf die Lens bester Freund zeigte. Das Herz rutschte mir bis in die Kniekehlen, als ich meinen Artgenossen und Seth auf uns zusteuern sah. Der sonst so aufgeweckte, fröhliche junge Mann saß zusammengesunken in einem Rollstuhl, der viel zu groß für ihn wirkte. Sein linkes Bein steckte in einem weißen Gips und ruhte auf einer Fußablage, die so vor dem Rollstuhl befestigt war, dass das Bein nur in einem gestreckten Zustand abgelegt werden konnte. Seth wirkte seltsam mager, beinahe abgehungert, und seine Haut gräulich und trocken. Der Fakt, dass er in nur einer Nacht seine Freundin, einen seiner besten Freunde und beinahe das eigene Leben verloren hatte, hatte unverkennbare Spuren bei ihm hinterlassen. Die Trauer und Verzweiflung, die er ausstrahle, konnte ich beinahe körperlich spüren.

Es war das erste Mal, dass ich ihn seit der Schlacht sah. Da war er blutüberströmt in meinem Schoß ohnmächtig geworden. Hätte ich mich damals nicht auf den Weg ins Krankenlager gemacht, wären wir heute mit einiger Sicherheit einen weiteren engen Freund weniger.

Ich löste mich behutsam von Ruby und eilte hinüber zu Len.

"Wie geht es ihm?", fragte ich den Alpha leise.

"Ihm geht's gut. Ich bin zwar unfähig zu laufen, aber nicht taub.", bekam ich eine säuerliche Antwort von Seth zurück. Bei dem Tonfall zuckte ich kaum merklich zusammen.

Lens Freund seufzte.

"Tut mir leid, Sarina. Komm her." Er streckte seine Hand aus und ich ergriff sie vorsichtig. "Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mich bei dir zu bedanken."

Er warf mir ein schiefes Lächeln zu und der warme Glanz, der dabei in seine braunen Augen trat, sorgte dafür, dass eine Welle der Erleichterung meinen Körper überrollte.

"Ich würde dich ja gern umarmen, aber dann könnten meine Nähte reißen. Und ich bin sicher, dass wir alle für die nächsten Jahre genug Blut gesehen haben."

"Ich bin nicht sicher, ob ich darüber lachen kann.", warf Len von hinten ein, doch ich grinste nur erschöpft. Irgendwie verlieh mir dieser Kommentar wenigstens ein bisschen das Gefühl von unwirklicher Realität.

"Ich glaube, es geht los.", sagte Emily und ich sah mich um. Der Saal füllte sich zunehmend und auch der Lautstärkepegel stieg rasant an.

"Leute", ergriff Len noch einmal das Wort und alle Augen richteten sich auf ihn. "Ich weiß, dass ihr viel durchgemacht habt. Wir alle haben viel gesehen, erlebt und gespürt, das wir nie im Leben erwartet hätten. Es gibt wahrscheinlich noch eine endlose Anzahl an Fragen, die beantwortet, Dinge, die verstanden und Gefühle, die verarbeitet werden müssen. Habt Geduld damit. Es wird wahrscheinlich eine Weile dauern, aber wir werden das gemeinsam durchstehen, nicht wahr?"

Mein Freund sah in die Runde und begegnete zaghaftem Kopfnicken.

"Auch wenn Scarlet, David und Mrs. Roberts nicht mehr bei uns sein können, heißt es nicht, dass wir sie vergessen oder dass sie uns nicht mehr wichtig sind. Sie haben ihr Leben für eine gute Sache gegeben -für uns und die Zukunft der magischen Welt, die noch vor kurzer Zeit auch ihre war. Alle drei haben dafür gekämpft und ich bin mir sicher, dass sie wissen, dass ihr Opfer nicht umsonst gewesen ist."

"Danke, Len." Ruby war die erste, die das darauffolgende Schweigen in unserem Kreis mit dünner Stimme brach. Ich drückte ihre Hand und Len warf ihr ein mitfühlendes Lächeln zu.

"Auch, wenn es im Moment nicht so erscheint, aber irgendwann wird es einfacher. Vielleicht nicht morgen oder nächste Woche oder nächsten Monat. Aber irgendwann. Und dann werden wir uns erinnern, auf die Trauer von heute zurückblicken und sie wird sich anders anfühlen. Nicht weniger schmerzhaft, aber anders. In welche Richtung dieses Gefühl dann geht, liegt ganz bei euch. Also gebt nicht auf. Irgendwann wird es einfacher. Versprochen."

Mit diesen Worten beendete er seine kleine Rede und die Zuversicht, die in seiner Stimme mitschwang, spürte ich bis in den letzten Winkel meines Körpers. Meinen Freunden ging es nicht anders, denn als ich in die Runde sah, schmückte ein und derselbe Ausdruck ihre Gesichter. Der Wunsch, Lens Worten mehr als alles andere auf der Welt glauben zu wollen, spiegelte sich nicht nur in ihren Augen. Er hing beinahe greifbar vor uns in der Luft.

Und als wir schließlich unsere Plätze einnahmen, ließ er mich auch nicht mehr los. Nicht, als Mrs. Knight die Eröffnungsrede hielt, nicht, als das Schulorchester zu einem sanften Wiegenlied anstimmte und wir uns andächtig lauschend in den leichten Klängen verloren. Auch nicht, als Len zu ein paar ehrwürdigen Worten über seine Tante ansetzte, wir uns erhoben, um dem abschließenden Segen eines Priesters unsere volle Konzentration zu schenken oder als wir uns mit roten, nassen Augen und schmerzenden Herzen langsam auf den Weg aus dem Saal machten, um unseren Liebsten Lebewohl zu sagen.

Len hatte mich bereits darüber informiert, dass der Friedhof nur ein paar Meilen von der Akademie entfernt sein würde und es daher kein Abschied für immer sein musste. Doch für mich war es das. Seitdem ich Mrs. Roberts dort auf der Burg hatte sterben sehen, war auch ein Teil von mir nicht wieder ganz zurückgekehrt. Diese Tatsache spürte ich jeden Tag.

Ich musste endlich loslassen.

Sonst gäbe es nie einen ordentlichen Abschluss für mich.

Mit diesem Gedanken im Kopf umklammerte ich die Hand meines Freundes noch fester und lehnte meine Wange an seine Schulter. Wir standen oben auf dem Absatz der großen Treppe und sahen hinab auf den Parkplatz, auf dem einige Leute bereits damit beschäftigt waren, die Gedenkplatten, Blumen und Geschenke in mehrere schwarz lackierte Autos zu laden. Schweigend beobachteten wir das Gewusel aus dunklen Jacken, Mänteln und Umhängen.

Der Anblick hatte etwas seltsam Lebendiges und entzog sich mit dieser Tatsache somit auf vollkommen irritierende Weise dem heutigen Kontext, was ich jedoch als seltsam tröstend empfand.

Wenige Minuten später schlugen Autotüren, Motoren erwachten brummend zum Leben und Kies knirschte, als sich die Fahrzeuge in Bewegung setzten. Wie kleine glänzende Käfer reihten sie sich in eine Reihe ein und krochen dann gemeinsam über die Hauptallee Richtung Haupttor, das das Grundstück der Akademie markierte. Sie entfernten sich immer weiter, wurden kleiner, bis sie nur noch wie winzige schwarze Punkte in der Ferne wirkten, die schließlich abbogen und sich damit vollständig unseren Blicken entzogen.

"Wir sollten reingehen. Es fängt wieder an zu regnen.", sagte ich nach einigen Minuten, in denen wir nur stumm auf die Stelle gestarrt hatten, wo die Autos verschwunden waren. Vorsichtig sah ich hoch zu Len.

Auf seiner Haut glitzerten bereits einige Regentropfen.

"Okay", brachte er mit brüchiger Stimme hervor, doch als er den Kopf wandte, um mir zu zuzulächeln, war es echt und aufrichtig. Ich konnte instinktiv fühlen, dass auch ihm eine kleine Last von den Schultern gefallen war.

"Hoffentlich ist noch etwas von dem Buffet da."

"Ich bin sicher, irgendetwas wird sich noch finden." Wir drehten uns um und schlenderten auf die große Eingangstür zu. "Vielleicht hat dir dein Vater ja etwas aufgehoben."

"Ich will aber kein rohes Fleisch."

Der Alpha lachte und der tiefe Klang seiner Stimme verursachte ein warmes, glückliches Kribbeln in meinem Innern, das sich langsam seinen Weg durch meinen gesamten Körper bahnte.

"Das kann ich dir leider nicht garantieren."

"Na toll."

Und obwohl der Beginn des heutigen Tages alles andere als Glück und Hoffnung versprochen hatte, fühlte es sich plötzlich so an, als würden sich -ganz im Widerspruch zum ewig grauen Himmel über uns- die Wolken bald ein wenig lichten. Denn wenn ich eines gelernt hatte, dann, dass es am Ende immer irgendwie weiterging.

Der Frühling würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Da war ich mir sicher.

Und ich war gespannt, was er uns bringen würde.

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Heyho Leute,

das Jahr neigt sich dem Ende zu und dieses Buch mit ihm. Ich darf hiermit offiziell verkünden, dass es sich bei diesem Kapitel um das vorletzte handelt. Der Epilog wird nur in wenigen Minuten folgen. 

Danke an alle, die bis jetzt durchgehalten und Jahr für Jahr geduldig auf Kapitel gewartet haben. Ihr wisst gar nicht wieviel mir das bedeutet <3

Bevor ich mich aber von euch verabschiede . . .

Wie fandet ihr das Kapitel?

Ich musste mich an einer Stelle ein bisschen zusammenreißen, nicht gleich loszuheulen. Verrückt, dass man zu fiktiven Charakteren eine so enge Bindung aufbauen kann ^^'

Abe nun gut, Meinungen, konstruktive Kritik, Verbesserungsvorschläge sind wie immer willkommen!

Bis gleich ;)

PPS: Wusstet ihr, dass es Möblierung heißt und nicht Möbilierung? Wieso wusste ich das nicht? ^^'

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