19 - Windhosen
„Oder wills' du kein'n Ses mehr mit mir hab'n? Würd ich versteh'n, weil ich echt hässlich bin...", hauchte sie, während er ihr den BH auszog und schluckte, weil sie so wunderschön war.
Hastig riss er seine Augen von dem los, was sie an Anbetungswürdigem bot und schüttelte den Kopf, derweil er raunte: „Nein, Anna. Du bist schön. Aber ich denke, du solltest ein bisschen schlafen."
„Ich würd Ses mach'n, nur, damit du mich im Arm hälts'. Ich fühl mich so hässlich...", gab sie schluchzend zu und er fragte sich, wieso sie plötzlich wieder so mit sich haderte.
Er zog ihr das Shirt über den Kopf und murmelte: „Ich nehm dich auch ohne Sex in den Arm, einverstanden? Ich möchte nur schnell mich und das Bett umziehen, dann leg ich mich zu dir, ok?"
„Das machs' du?", fragte sie mit sich überschlagender Stimme und sah ihn zweifelnd an, während er ihr die Tränen von den Wangen wischte.
„Ja, Anna. Das mache ich. Ich liebe dich, ok?", stellte er leise fest und jetzt riss sie die Augen auf.
„Wie kanns' du das? Ich kann mich nich' lieb'n. Nur hass'n. Weil ich so unmöglich bin. Bin ich wirklich. Ich hab dir wehgetan, weil ich nich' mit dir geredet hab. Aber das ist so unmöglich, das kann mir keiner glaub'n. Nich' mal du...", sagte sie mit brüchiger Stimme und ihm fiel auf, wie erschöpft sie plötzlich klang.
Während er sich rasch umzog und dann begann, das Bett neu zu beziehen, erklärte sie weiter, wie hassenswert sie sei und er unterdrückte sein Kopfschütteln. Das wacklige Selbstvertrauen seiner Freundin war praktisch nicht mehr existent. Was war nur passiert? Was war so unglaublich, dass sie die Befürchtung hatte, er könne ihr nicht glauben?
Wenn sie nur genauere Aussagen machen würde! Aber er merkte deutlich, dass in ihrem Kopf genauso viel Chaos herrschte, wie sie mit ihrer Erklärung verbreitete. Klar war nur, dass sie sich quälte. Unfassbar. Er würde herausfinden, wieso. Aber jetzt musste er sie zuerst ein wenig auffangen, ihr zeigen, dass er zu ihr stand.
Ja, sie hatte ihn verletzt, dachte er, als er alles erledigt hatte und sich neben sie legte, um sie sofort in seine Arme zu ziehen. Aber Anna war echt völlig durch. Das war allein daran ersichtlich, dass sie augenblicklich wieder leise zu schluchzen begann, als sie das Gewicht seiner Gliedmaßen um ihren Körper fühlte und das Gesicht tief in der Umarmung an seiner Brust barg. Sie zitterte auch. Was war nur los? Er wollte ihr helfen. Aber er wusste nicht wie.
„Welcher Tag ist heute?", fragte sie plötzlich zittrig und er stutzte.
„Sonntag", erwiderte er automatisch, während sie heftiger zu weinen begann.
Was sollte das nun wieder? Er kam gar nicht mit. Aber sie sagte kein Wort dazu. Sie drängte sich nur noch mehr an ihn und er drückte sie an sich. Er spürte, wie sich ihre Finger in sein Shirt krallten und unterdrückte das fassungslose Kopfschütteln. Das würde sie missverstehen. Morgen würden sie miteinander reden.
Wenn sie wieder fit war und mit klarem Verstand etwas Ordnung in das Chaos in ihrem Kopf bringen konnte, dachte er, als er spürte, wie die Anspannung langsam aus ihr wich. Er drückte ihr automatisch einen Kuss in die Locken und hörte, wie sie zu schnarchen anfing. Das fand er sogar witzig. Seine Freundin schnarchte also, wenn sie sich betrunken hatte. Auch eine Erfahrung.
*
Als der Wecker am nächsten Tag schrillte, schreckte sie hoch und als sie in Flos verschlafenes Gesicht sah, kramte sie in ihrem Gedächtnis, wie er plötzlich wieder hierherkam. Er hatte sie verlassen? Aber er war mit den Worten verschwunden, sie solle es gutmachen. Doch sie träumte nicht. Er lag neben ihr und sie schmiegte sich in seine Arme. Also war zwischen dem Moment, als sie sich betrunken hatte und dem Aufwachen jetzt eine Menge passiert.
Offenbar, und sie wusste nicht was. Sie hatte einen völligen Filmriss. Sie konnte nur in seine Augen starren und traute sich nicht, sich zu freuen, dass er da war. Aber sie konnte nicht verhindern, dass Hoffnung aufkeimte. Darauf, dass er vielleicht bleiben würde. Dass er sie doch nicht verließ. Obwohl sie das verdient hätte.
„Hey, guten Morgen, Anna. Was macht der Kopf?", fragte er nuschelig und sie schluckte, weil heißes Verlangen nach ihm in ihr aufstieg.
„Geht so. Welcher Tag ist heute?", erkundigte sie sich und sah, wie er die Stirn runzelte.
„Montag. Wieso?", hakte er nach und das Begehren kühlte sich augenblicklich ab.
Stattdessen wurde ihr eiskalt und die Brust zog sich zu. Sie hatte also einen Filmriss von zwei Tagen. Super, sie hatte das wertvolle Wochenende verloren. Sie war noch nicht bereit. Sie konnte das nicht.
„Hey, Anna. Was ist los? Du zitterst...", hörte sie und wurde in die Gegenwart gerissen.
„Ja. Mir ist kalt. Ich ... seit wann bist du wieder da?", fragte sie, da sie den Gedanken an die Arbeit lieber noch ein wenig von sich schob.
„Gestern Abend. Ich hatte dir geschrieben, dass ich spontan zu meiner Ma gefahren bin, aber die Nachricht ging nicht mehr durch...", erklärte er und sie stutzte.
„Ging nicht mehr durch?", wiederholte sie irritiert und er nickte.
„Du hast wohl mit deinem Telefon den Spiegel im Bad eingeworfen. Zumindest ist beides kaputt. Du hast einen Blackout, oder?", erkundigte er sich kaum hörbar und sie schluckte.
„Ich hab mit meinem Handy den Spiegel im Bad zerschmettert?", sprach sie nach und sah, wie er nickte und sie betroffen musterte, also fügte sie an: „Oh. Ja, äh, ich, hm, ich war nicht ich selbst, befürchte ich. Ich dachte, du hast mich verlassen ... hm."
„Das hatte ich gar nicht vor. Aber ich verstehe, wie du darauf gekommen bist", erwiderte er und sie nickte, ehe sie fassungslos auf das Chaos starrte, das sie in diesem Raum verbreitet hatte.
Sie musterte die Schnapsflaschen, die Zigarettenstummel und die leeren Verpackungen von Essen in jeglicher Form und merkte, wie ihr Schamesröte ins Gesicht schoss. Heilige Scheiße, sie hatte offenbar völlig die Kontrolle verloren! Sie konnte sich noch erinnern, dass sie eine unverschämt hohe und unvernünftige Bestellung bei einem Supermarkt getätigt und diese entgegengenommen hatte. Wie sie sich ins Bett gelegt und angefangen hatte zu trinken und zu essen. Aber dann wurde es dunkel. Oh je, das war nicht gut.
Ihr Blick flog wieder zu Florian, der sie forschend musterte und sie musste sich räuspern, ehe sie murmelte: „Ich hab gewütet."
„Hm. Ja. Du warst offensichtlich ziemlich durch. Ich hätte dich wohl nicht alleinlassen sollen. Aber als du mich angelogen hast, hab ich rot gesehen. Ich wollte dich nicht anschreien, wegen Streitkultur und so und darum bin ich losgelaufen. Na ja, ich bin nach einer Weile am Bahnhof gelandet und da hab ich entschieden, in den Zug nach Regensburg zu steigen. Wie gesagt, ich hab dir geschrieben, dass ich am Sonntag wieder zu Hause bin, aber die SMS hast du nicht mehr bekommen, denk ich", erklärte er und sie nickte schwach.
„Doch an eine endgültige Trennung hab ich keine Sekunde gedacht, Anna. Was du nicht wissen konntest, weil du die Nachricht nicht erhalten hast. Aber wir müssen reden. So geht das nicht weiter. Irgendwas bringt dich seit längerem gewaltig aus dem Tritt und ich will wissen was. Doch das hat Zeit bis heute Abend. Wir sollten aufstehen. Du musst zur Arbeit", sagte er und sofort wurde ihr wieder flau.
„Ja. Ich muss in die Arbeit", wiederholte sie automatisch und fing seine Irritation auf, weil sie wohl komisch klang.
Um einer morgendlichen Diskussion auszuweichen, schob sie sich eilig aus dem Bett. Sie überblickte nochmal beschämt das Chaos, das sie hinterlassen hatte, und holte sich fix frische Büroklamotten. Dann lief sie hastig ins Bad, um unter die Dusche zu steigen. Doch als sie in dem fensterlosen Raum Licht machte, starrte sie erschrocken auf das Durcheinander, das sie hier verursacht hatte.
Es stank hier, was kein Wunder war. Sie hatte offenbar gekotzt, dabei nicht ganz getroffen und das verbreitete diesen ekelhaften säuerlichen Geruch. Scheiße, wie peinlich. Hastig begann sie die Spuren dieses Wochenendes aus ihrem Bad zu entfernen, während sie darüber nachdachte, wie Flo sich gefühlt haben musste.
Ihr Blick blieb an den Einzelteilen ihres Handys und dem zerdepperten Spiegel hängen, ehe sie unter die Dusche stieg und sich eine kurze Auffrischung genehmigte. Sonst würden die in der Arbeit gleich sagen, dass sie miefte. Oh Gott, was dachte Flo jetzt nur? Wer wollte schon jemanden, der so austickte? Das war peinlich. So richtig.
Sie verließ die Kabine und erkannte, dass ihr Kopf gewaltig dröhnte. Was kein Wunder war. Sie hatte auf die Schnelle einige geleerte Schnapsflaschen gezählt. Selbst schuld. Sie trocknete sich ab und dachte, dass es gar nicht so uncool war, dass der Spiegel kaputt war. So musste sie sich wenigstens nicht ansehen. Nicht näher. Sie kam immer mieser bei diesem Vorhaben weg. Sie schlüpfte in die Bluse und die Hose und zog den Bauch dabei ein. Scheiße, hoffentlich saß die nicht zu eng.
Sie spannte ein wenig um ihren Hüftring, aber das wurde von der Bluse verdeckt, oder? Fuck. Sie musste sich unter Kontrolle bekommen. Sonst verlor sie Florian vielleicht doch noch. Sie räumte ihre Sachen auf und verließ das Bad, um in die Küche zu gehen. Dort hielt Flo ihr schon eine Tasse Kaffee entgegen und ein Müsli wartete auf dem kleinen Tisch, wo sie immer frühstückten, wenn sie in Eile waren. Ihr Magen war ein einziger Knoten. Sie konnte nichts essen. Was nicht schlimm war. Sie hatte offenbar am Wochenende genug Kalorien für eine Woche oder einen Monat getankt.
„Das Bad ist wieder sauber", sagte sie befangen und fing seinen verdutzten Blick auf.
„Ok. Ich hätte das schon gemacht", stellte er fest und sie schüttelte hastig den Kopf.
„Nein, äh, du musst ja nicht meinen Dreck...", widersprach sie und wich einen Schritt zurück, als er auf sie zutrat.
Sie bemerkte, wie er die Stirn runzelte und schluckte, als er sie noch irritierter ansah, ehe er erklärte: „Sonst machst du das, Anna. Meinen Dreck beseitigen. Du bist die Ordentliche, ich der Dreckspatz. Also..."
„Ja, aber es ist ein Unterschied, ob man nur durchputzt, weil es gemacht werden muss. Oder ob man die Kotze des anderen aufwischen soll, die er hinterlassen hat, weil er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte und sich betrinken musste. Ich ... äh ... es ist mir peinlich, ich ... hätte mich nicht ... so aufführen dürfen, äh...", stammelte sie und als er diesmal einen Schritt auf sie zuging, wich sie nicht aus.
Sie sah kurz Erleichterung über seine Züge fliegen, ehe er sie in seine Arme schloss und murmelte: „Schon ok. Damit komm ich klar. Damit, dass du dich derartig gequält hast, nicht so. Aber ich mach dir keine Vorwürfe, Anna. Ich will nur wissen, wieso es dir so schlecht geht. Ich verstehe es schlicht nicht. Vor ein paar Wochen war alles ok. Du hast gewirkt, als würdest du langsam aufblühen und jetzt ... musst du offenbar im Geheimen essen, bis dir übel wird. Das hat einen Grund und den möchte ich erfahren. Ich sorge mich um dich."
„Ich hab in der Arbeit einen Fehler gemacht und das hat mich fertiggemacht...", sagte sie und dachte sich, dass es zumindest nicht komplett gelogen war.
Florian sah sie lange an und erwiderte dann: „Deswegen hast du dir nicht mehr anders zu helfen gewusst, als zu essen?"
Sie nickte und er fügte an: „Dir ist aber klar, dass jeder mal einen Fehler macht und das in der Ausbildung praktisch dazugehört, weil man sonst nicht lernen kann? Ich weiß, du bist oft perfektionistisch, aber darum hast du dich fertiggemacht?"
„Ja, ich ... ich muss heute zum Chef und meinen Fehler einräumen, das ... das baut mich nicht auf...", erklärte sie und wich seinem Blick aus, sodass er einen Finger unter ihr Kinn schob.
„Es zeugt von Stärke, wenn man Fehler zugeben kann. Bekommst du Ärger?", fragte er und sie schluckte.
„Ja", gab sie zu und hoffte, dass sie damit das Thema beendet hatte.
„Ich glaube, es wird nicht so schlimm, Arielle. Weißt du, wenn du gleich zu ihm gehst und gestehst, dass etwas schiefgelaufen ist, ist er schon milder gestimmt, verstehst du? Das nimmt ihm praktisch bereits den Wind aus den Segeln...", erwiderte er und sie nickte, weil sie nicht zugeben wollte, dass das bei ihrem Chef mit Sicherheit nicht passieren würde.
Er würde sie nach allen Regeln der Kunst fertigmachen, dachte sie und merkte, wie sofort noch mehr Übelkeit in ihr aufstieg. Herr Wiesent würde darauf herumreiten, wie dumm und hässlich sie war und wie wenig man ihr zutrauen konnte. Er würde kein Blatt vor den Mund nehmen und sie so richtig herunterputzen. Sie wusste es. Sie wollte weg. Schon jetzt wollte sich die altbekannte Panik in ihr breitmachen.
„Hey. Es wird sicher nicht so schlimm, Anna", murmelte Flo und drückte ihr einen sachten Kuss auf die Lippen.
‚Er würde es nie verstehen. Ihm so ist eine solche Denke so fremd', erkannte sie und sagte: „Ja. Ich muss los. Damit ich ihn sofort erwische und den Fehler zugeben kann. Kann ich so gehen? Ist die Hose zu eng?"
Sie schluckte, als sie merkte, dass sie Florian jetzt doch mehr oder weniger gesagt hatte, dass sie Angst hatte und bemerkte, wie er sie anstarrte, ehe ein Lächeln um seine Mundwinkel zuckte.
„Das ist eine gefährliche Fangfrage", sagte er und sie schluckte.
***
Sie wurde kalkweiß und stammelte sofort, sie gehe sich umziehen. Ok, der Scherz war gründlich in die Hose gegangen, aber wieso reagierte sie so überzogen auf ihn, fragte er sich, während er sie festhielt, als sie aus dem Raum eilen wollte.
„Hey, das war ein Joke, Anna. Du siehst gut aus. Wie immer", sagte er und bemerkte den Zweifel in ihren Augen.
„Du hast gar nicht richtig hingesehen", erwiderte sie und schlug sich die Hand vor den Mund, als hätte sie das nicht sagen wollen.
Also lehnte er sich zurück und musterte sie, ehe er nickte und meinte: „Die Hose sitzt so, wie sie sein sollte. Nicht zu eng, nicht zu weit. Du siehst hübsch aus, Anna."
Sie nickte nur und er hoffte, er hatte ihre Zweifel ausräumen können. Er war sich nicht sicher, denn jetzt machte sie sich endgültig von ihm los und meinte, sie müsse los. Sie benahm sich komisch. Erst wich sie ihm aus, dann lieferte sie ihm eine Erklärung, von der er instinktiv annahm, sie war nur die halbe Geschichte.
Dann wurde sie leichenblass, weil er einen Scherz machte. Das passte so gar nicht zu ihr und das ging nun schon so lange. Er würde mit ihr reden am Abend. Er ließ sich einen Kuss auf die Lippen drücken und beobachtete, wie sie fix in ihre Schuhe schlüpfte, sich verabschiedete und die Wohnung verließ. Irgendwas war hier faul. Das sagte ihm sein Bauchgefühl.
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