Extra/Special - Klavier lernen mit Manu
Genervt schlage ich die Augen auf. Der Radiowecker spielt 'seven years'. Ich will nicht aufstehen. Liegen bleiben und weiterschlafen ist viel besser, trotzdem entschließe ich mich nach ein paar Minuten die Decke anstarren, dass ich ins Bad gehen könnte. Jetzt bin ich sowieso wach und mir ist langweilig.
"Manu.", sage ich und drehe mich um, damit ich den schlafenden Manu neben mir anschauen kann. Sein leises Atmen, zusammen mit dem Radiowecker, das ist Normalität. Manu schläft wie ein Stein. Ein unverschämt süßer Stein.
In der Nacht habe ich nicht so toll geschlafen, irgendwie hatte ich einen Albtraum, an dem ich mich nicht wirklich mehr daran erinnere, besonders schön war er auf jeden Fall nicht.
Ich schäle mich aus der Decke, mache den Radiowecker aus und die Jalousien hoch. Warmes Sonnenlicht scheint augenblicklich in den Raum. Manu schläft weiter, vollkommen ungestört. Ich schnappe mir mein Handy und laufe ins Badezimmer. Nachdem ich fertig mit Duschen bin, ziehe ich mich an: Kurze Jeans und ein rotes Top mit ein paar Blumen darauf. Bei diesem Wetter würde ich sagen, dass das eine ganz gute Auswahl ist. Hoffentlich. Meine Haare mache ich mit einem Haargummi zum Pferdeschwanz, als ich Schritte im Flur bemerke. Manu! Heute ist er aber ziemlich schnell aufgewacht. Schnell mache ich das Licht aus und verstecke mich hinter der Badezimmertür. Ich könnte ihn jetzt perfekt erschrecken, eine weitere Gelegenheit dazu, werde ich wahrscheinlich erst in einem Jahr oder so bekommen.
Ich spähe in den Flur, Manu geht in die Küche. Er hat mich nicht gesehen. Grinsend über meinen 'Erfolg', schleiche ich über den Boden hinter Manu her. Nur kein Geräusch machen, das wäre echt zu schade. Mein Opfer bleibt stehen, ich gehe hinter es, um dann mit einem lauten Aufschrei meine Hände auf seine Schulter zu legen und meine Beine um ihn zu klammern. Manu fährt herum, aber da ich auf seinem Rücken bin, kann er mich nicht sehen.
"Lana!" Ich schüttelte den Kopf, sage aber nichts.
"Lana, deine Fingernägel sind immer noch lackiert, denkst du, ich bin dumm?", ertappt er mich.
Ich fluche. Mist, das macht erstaunlich viel Sinn. Meine Nägel habe ich gestern gelb lackiert, den Nagellack hatte Manu mir selbst geschenkt. "Ok, ich bin's.", meine ich. Manu lacht auf und bewegt sich einen Schritt Richtung Küchenzeile.
"Weiß ich doch."
"Ich bleibe hier jetzt den ganzen Tag!", erkläre ich und lege meinen Kopf auf seine Schulter.
"Ne, Klammeräffchen.", sagt Manu und hält meine Beine fest, damit ich nicht herunterrutsche. "So stark bin ich nicht. Und ich brauche meinen Kaffee."
Ich schaue böse, aber Manu sieht meinen Blick natürlich nicht. "Du und dein Kaffee." "Ja, wir sind beste Freunde.", erklärt Manu mit seiner Tumorstimme, sodass wir beide wieder lachen müssen. Dann setzt er mich langsam auf dem Boden ab.
"Ich mach mir jetzt meinen wunderbaren, einzigartigen Kaffee." "Wie jeden Morgen.", ergänze ich den Satz und lasse mich auf dem Stuhl fallen. "Und danach machst du Frühstück." "Wie jeden Morgen." Leider macht Manu wirklich jeden Morgen Frühstück. Irgendwie hat sich das so eingebürgert und ich bin immer zu faul dazu. Außerdem, solche Algorithmen schaden schließlich nicht.
Ich nehme mir den Kugelschreiber und mache ihn in einem Rhythmus auf und zu. Manu macht Kaffee. Ich weiß, dass das ein bisschen dauern wird, also entschließe ich mich, mein Handy, das ich wegen der 'Ich-erschrecke-Manu-Aktion' im Bad vergessen habe, holen zu gehen. Danach setze ich mich wieder hin. Ich schaue erst auf Twitter, ob es irgendwelche wichtigen Neuigkeiten gibt und dann, was Sara mir auf WhatsApp geschrieben hat: Bin gerade am Meer, traumhaft... Und dazu einen Einhorn-Smiley, ein kleiner Insider zwischen uns. Ich schaue mir das Foto darunter an. Max und sie an einem Strand, Venice Beach, vermute ich, mit dem Meer im Hintergrund. Sara ist die nächsten zwei Monate noch in Amerika und die Sachen, die sie so schreibt, machen echt neidisch.
"Lana, ich habe eine Idee." Ich schaue auf. Manu steht mit einem Kaffee in der Hand da und lächelt mich an. Diesen Moment bitte einfrieren.
"Ok, was denn?"
"Ich zeige dir das Klavierspielen.", sagt Manu, der anscheinend ziemlich stolz auf diesem Einfall ist. Ich muss an die drei Videos denken, die er mal gemacht hat. Die, in denen er Klavier spielt. Die sogar ich kenne, weil Zombey mir mal den Link dazu gegeben hat, keine Ahnung wieso. Ich grinse erfreut. Das wird super! Manu kann das, eindeutig, und er will es mir beibringen!
"Jetzt?!", frage ich hochmotiviert und springe auf. Ich liebe Klavier, das ist so schön, aber ich kann es nicht spielen. Außer vielleicht 'Alle meine Entchen', weil wir das mal in der Schule mussten. Manu bestätigt das 'jetzt'.
"Und woher willst du ein Klavier herkriegen?" "Dafür habe ich schon gesorgt. Eigentlich ist es nur ein Keyboard, aber das sollte auch gehen. Weißt du, die unter uns haben nämlich eins und da habe ich mal gefragt, ob ich das für ein paar Tage ausleihen könnte." "Ach Manu, du bist der beste!"
Manu zieht eine Augenbraue hoch. "Ok, soll ich es dir zeigen?"
Begeistert nicke ich. "Auf jeden Fall!" Dass ich Hunger habe, vergesse ich in der Aufregung. Manu führt mich in seinen Aufnahmeraum. Statt den Computern steht dort das Keyboard, von dem er gesprochen hatte. Er hatte es also geplant! Manu ist der tollste Freund, den es gibt. Plötzlich fällt mir etwas Entscheidendes ein.
"Manu, ich dachte, du kannst keine Noten lesen.", bemerke ich verwirrt.
"Tja, du schon. Da hast du einen Vorteil. Aber dafür kann ich dir zeigen, wo du die Finger hinlegen musst." Ich lege den Kopf schief. Ok, da hat er recht. Ich kann Noten lesen, schließlich habe ich mal fünf Jahre Klarinette gespielt, bevor ich mit der Schule zu viel zu tun hatte. Mein Lehrer war eh nicht gut im Erklären.
"Also los!", sagt Manu und macht das Keyboard an. Den an den Rand des Tisches geschobenen Computer macht er an. Ein Tutorial für irgendein Lied.
"Das kann ich spielen.", meint Manu und deutet auf den Bildschirm. "Und das werde ich dir jetzt beibringen." Ich trete neben ihn und drücke wahllos eine Taste. Der Ton, der erklingt, ist sehr hoch. Und laut. Manu zuckt zusammen. "Sorry.", grinse ich und hebe entschuldigend die Hände. "War keine Absicht." Lüge, war Absicht. Das braucht aber keiner zu wissen. Manu schaut mich strafend an.
"Ich gehe gleich.", droht er und deutet zur Tür. "Nein, bitte nicht!" Hundeblick wirkt immer, Manu lacht nur.
"Der Anfang geht so." Dann drückt er langsam ein paar Tasten. Ich kenne das alle nicht, oder erkenne es einfach nur nicht. Aber es klingt schön, auch wenn es nur wenige Töne waren.
"Was muss ich machen?", frage ich.
"Mir nachspielen." Ich verdrehe die Augen, als Manu meine Hand nimmt und meine Finger vorsichtig auf die Tasten legt. "Die Hand etwas lockerer. Nicht so verkrampft." Ich befolge seine Anweisungen. Manu platziert meinen Daumen auf einer weißen Taste, die anderen Finger ebenso. Den kleinen legt er auf eine schwarze. Ich beobachte ihn dabei. Dann drückt er meinen Zeigefinger herunter, danach den Ringfinger. So spielt er die Melodie mit meinen Fingern nach, obwohl ich nicht weiß, was ich mache. Manu schafft das.
"Siehst du, so schwer ist es nicht.", sagt Manu, als er fertig ist. Natürlich ist das noch nicht das ganze Lied, sondern- ich habe mitgezählt- erst die ersten dreizehn Töne. Es hat sich irgendwie gut angefühlt.
"Du hast das gemacht, nicht ich." "Aber es waren deine Finger. Du musst es dir nur merken, wann du wo sein musst." Ich nicke langsam und nehme meine Finger von den Tasten. Ich lerne Klavierspielen. Mehr oder weniger, trotzdem, ich lerne es. Manu schaut mich aufmunternd an.
"Meinst du, du kannst das wiederholen?" Ich zucke mit den Schultern. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Statt einer Antwort, versuche ich mich zu erinnern, wo meine Finger lagen und sie wieder dahin zusetzen.
"So?" "Fast. Den Daumen einen nach links." Ich korrigiere meine Haltung und beginne den Anfang zu spielen. Alleine. Nicht zu fassen, aber ich spiele Klavier. Wenn Nick das hören würde, er würde staunen. Nick hat immer gesagt, ich wäre unmusikalisch. Mag stimmen, aber das macht mir nichts.
Zwanzig Minuten später kann ich ungefähr die erste Hälfte des Liedes auswendig spielen. Manu ist gerade in der Küche oder so, während ich weiterspiele. Mittlerweile weiß ich sogar, was welcher Ton ist, also die Notennamen. Irgendwann in der Schule hatten wir die auch mal gelernt, aber auf dem Klavier ist das immer noch etwas anderes. Theoretisch könnte ich auch mit den Noten spielen, aber das macht Manu ja auch nicht, also belasse ich es beim Auswendiglernen.
Etwas stolz trete ich zurück, nachdem ich es wieder gespielt habe. Ich könnte ein Foto machen und es auf Twitter stellen. Ja, ich glaube, das mache ich.
"Manu! Kommst du mal?", rufe ich. Manu kommt sofort, in der einen Hand hält er einen Yoghurt und einen Löffel. Er runzelt die Stirn, als er mich mit dem Handy in der Hand vor dem Keyboard sieht.
"Ja?" "Legst du deine Hand mal neben meine, ich will ein Foto machen." Er nickt und tritt neben mich. Wir legen unsere Finger auf die Tasten und ich drücke ab. Perfekt, jetzt habe ich ein Foto, mit den Fingern von Manu und mir. Eigentlich echt nicht schlecht.
Ich gehe schnell auf Twitter und schreibe: @GermanLetsPlay bringt mir gerade Klavier bei! Manu lächelt, als er sieht, was ich mache und reicht mir den Yoghurt. Erdbeeryoghurt, selbstverständlich. Ich vergöttere dieses Zeug, auch wenn da wahrscheinlich nur 0,1% Erdbeeren drin sind. Lecker schmeckt es trotzdem.
"Wie weit bist du gekommen?", erkundigt sich Manu.
"Bis da.", meine ich und zeige auf den Bildschirm. Er klatscht. "Wow, ist doch super!"
Ich nicke. "Ja, du kannst das echt total gut erklären." Manu's Blick wird weicher, dann gibt er mir auch den Löffel und setzt sich auf den Stuhl. "Dann kannst du mir deinen Fortschritt jetzt bestimmt zeigen."
"Okay, ich versuch's." Ich lege meine Finger auf die Klaviertastatur und fange mit den ersten Tönen an. Mein Tempo ist zwar noch nie so schnell wie das eigentliche Lied, aber dafür sind die Noten richtig. Mir gefällt es, Klavier zu spielen. Irgendwie macht das Spaß. Sehr viel Spaß.
Wir spielen noch etwa eine Stunde weiter, dann kann ich das Lied komplett spielen. Manu ist wirklich ein guter Lehrer. Wir können das Keyboard ein paar Tage bei uns lassen, dann muss Manu es zurückgeben. Die Zeit will ich auf jeden Fall nutzen, das nehme ich mir fest vor.
Wir sitzen gerade auf dem Sofa und schauen irgendeine Serie. Es ist schon etwas später, draußen ist es bereits dunkel. Ich kuschele mich unter meiner Decke an Manu, er legt einen Arm um mich. Es war ein toller Tag, wirklich. Seit langem habe ich mich nicht mehr so über etwas gefreut.
"Gehen wir kurz nach draußen?", fragt Manu mich und lächelt mich an. Ich küsse ihn und nicke.
"Gerne. Ich nehme mein Longboard mit, in Ordnung?" "Klar, wir müssen ja nicht weit weg, nur eben schnell an die frische Luft." Gesagt, getan. Ich ziehe mir eine warme Jacke über, hole mein Longboard und folge Manu die Treppe nach unten. Wir setzen uns auf die Steinmauer des Nachbarhauses. Es ist stockduster, alleine die Straßenlaternen und der Mond über uns spenden etwas Licht. Manu und mein Schatten zieht sich dank des Lichts direkt hinter uns fast über die ganze Straße. Mir fällt auf, wie leise es ist. So still wie seit langem nicht mehr.
Ein paar weit entfernte Autos und laute Stimmen aus einem der Häuser in der Nähe, die aber bloß gedämpft zu und dringen. Das ist alles. Mehr nicht. Aber es reicht mir.
"Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn wir heiraten würden.", sagt Manu und im Halbschatten erkenne ich, wie er grinst. Er meint es nur scherzhaft. Seine grünen Augen leuchten.
"Das wäre merkwürdig.", gebe ich als Antwort. Ja, es wäre merkwürdig. Mein Blick geht zu dem Ring an Manu's Finger, den ich ihm geschenkt hatte, als Zombey und Chessie 'geheiratet' haben. "Wenn sollten wir es so machen wie Zimbel.", sage ich gespielt völlig ernst. "Oder in Minnekraft."
Wir lachen, ich stehe auf, lege mein Longboard auf den Bürgersteig und fahre los. So langsam, dass Manu neben mir gehen kann. "Ja, in Minecraft wäre das echt lustig."
Dann schweigen wir. Es ist wieder still. Dieses Mal zu still, also sage ich: "Ich fühle mich wie endlos
Happy-End." Manu schaut mich fragend an. "Alles ist super.", füge ich hinzu.
"Ja, du hast recht. Gerade ist wirklich alles gut." Ich lächele und nehme Manu's Hand.
"Wie heißt unsere Geschichte?", fragt er plötzlich, unerwartet. Wie unsere Geschichte heißt? "Manuel und Lana?", schlage ich vor. "So wie Romeo und Julia?" Manu antwortet kurz nicht.
"Mmh, das ist langweilig." "Dann eben...", ich überlege einen Moment. "Mein Manu." Ja, gar nicht so mies. Mein Manu, das ist ein perfekter Name. Das Zirpen der Grillen unterbricht die Stille. Und das, obwohl der Garten hinter uns klein ist. "Mein Manu? Also aus deiner Sicht? Das ist ganz schön besitzergreifend.", beschwert er sich dann. Pech, damit muss er leben. Ich grinse.
"Ja. Mein Manu."
Ja, ist vielleicht ein bisschen lang geworden... (über 2100 Wörter :D)
Ich veröffentliche gleich noch ein Kapitel mit Infos und einer Songfiction, könnte ganz wichtig sein.
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