Die Bar war gut gefüllt. Perry fand einen Tisch im hinteren Teil, bestellte sich ein Bier und wartete. Von seiner Position aus konnte er die Tür gut sehen. Immer wieder ging diese auf, aber nie war Marc darunter. Als er schon fast gehen wollte, sah er ihn. Marc sah aus, wie Perry ihn in Erinnerung hatte. Nur die kurzen dunklen Haare waren nun, von feinen grauen Strähnen durchzogen. Suchend sah Marc sich um, dann entdeckte er Perry, bahnte sich einen Weg durch die anderen Besucher der Bar und blieb lächelnd vor dem Tisch stehen.
»Hey Perry!«, sagte er. Dieser stand auf und umarmte den anderen etwas unbeholfen.
»Marc! Schön, dass du gekommen bist«, sagte Perry und wies auf den freien Stuhl.
»Willst du ein Bier?«, Marc winkte ab.
»Nein, ich bin mit dem Wagen da. Eine Cola bitte!«, rief er der Kellnerin zu, die zustimmend nickte.
»Schön dich zu sehen Perry!«, sagte er und wandte sich wieder seinem Gegenüber zu.
»Ich war wirklich überrascht von dir zu hören. Ich meine wir haben seit ... seit 5 Jahren nicht gesprochen«, sagte Marc und in seiner Stimme klang keinerlei Vorwurf. Verlegen kratze sich Perry am Hinterkopf.
»Ja ... es ... es tut mir leid, ich dachte, du würdest nicht mir reden wollen«, sagte er.
»Na ja anfangs war ich schon wütend und enttäuscht, aber das Leben geht weiter Per«, sagte Marc, holte seine Brieftasche hervor, zog ein Foto aus Selbiger und reichte es Perry. Das Bild zeigte Marc zusammen mit einem anderen Mann, der einen circa einjährigen Jungen auf dem Arm hielt.
»Das ist mein Mann Anton und unser Sohn Taylor«, sagte er und Perry sah auf.
»Du siehst, mir geht es gut, aber wenn ich dich so sehe, dann denke ich, dir eher weniger, also erzähl mir von ihm!« Perry schluckte schwer und fasste die letzten Wochen grob zusammen. Marc sagte nichts, stellte keine Zwischenfragen, hörte nur zu.
»W-warum hat es bei uns damals nicht funktioniert?«, wollte Perry am Ende seiner Erzählung wissen. Marc sah ihn an und lächelte.
»Das willst du wissen? Per, wir waren an unterschiedlichen Punkten in unseren Leben. Ich wollte ein Haus, Hochzeit, Kinder und du warst schon überfordert, wenn wir gemeinsam ein neues Möbelstück gekauft haben. Ich kenne deine Vergangenheit und wusste, dass es schwer sein würde dich zu na sagen wir, zu binden, und es hat eben nicht funktioniert. Du bist weggelaufen und irgendwie hab ich es verstanden«, sagte er.
»Marc ich, verdammt ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich kann nicht schlafen. Ich bin vollkommen am Ende und ich weiß einfach nicht, was ich fühle!«, sagte Perry und rieb sich die roten Augen. Dann spürte er Marcs Hand auf seinem Arm.
»Per, sieh mich an! Ich sag dir, was du fühlst. Du liebst ihn und auch wenn dieses Wort für dich nach Zuckerwatte und Herzchen klingt, du musst dich dem stellen!«
»Ich hab dich auch geliebt!«, sagte Perry irgendwann leise.
»Nein, nicht so wie ihn. Ich hab dich genau beobachtet, als du über ihn gesprochen hast. So hast du mich nicht geliebt und hey, das ist okay. Ich sag dir auch, warum du nicht schlafen kannst. Du sorgst dich um ihn, so sehr, dass du keine Ruhe findest, wenn er nicht da ist.«
»Und jetzt? Ich will es nicht wieder versauen!«, fast schon flehend sah Perry, Marc an. Dieser schwieg eine Weile.
»Was ist mit diesem Psychologen ... ähm ... Dr. Clarkson?«
»Carston! Ich weiß nicht, ich war seit mehr als vier Jahren nicht mehr dort!«
»Warum?«, wollte Marc überrascht wissen.
»Ähm, ich brauchte ihn nicht mehr«, sagte Perry ausweichend.
»Mhm, vor vier Jahren kam J.D. an die Klinik, oder?«, Perry nickte.
»Na schön, aber nach den Sitzungen bei ihm, warst du immer ... mhm ... sehr aufgeräumt. Frag ihn doch mal um Rat, denn eines weiß ich, wenn du nicht bald schläfst, landest du noch in einem deiner Klinikbetten«, sagte Marc und leerte seine Cola. Perry schwieg und trank ebenfalls sein Bier leer, dann nickte er.
»Vielleicht hast du recht«, sagte er schließlich.
»Hatte ich das nicht immer?«, fragte Marc lächelnd.
»Na ich weiß nicht, die Idee mit dem Batiken war...«
»Einmalig und sehr kreativ«, fiel Marc, Perry ins Wort.
»Ja genau, das meinten meine Kollegen auch, als ich eine Woche mit blauen Händen rumlief und allen erzählen musste, ich sei beim Casting für die Blue Man Group in die engere Auswahl gekommen«, sagte Cox nun und lachte. Marc stimmte ein.
»So, genau so, will ich dich sehen!«, sagte dieser, als sie sich beruhigt hatten.
»Danke Marc!«, sagte Perry.
»Nichts zu danken. Komm, ich fahre dich«, sagte Marc.
Als sie vor Perrys Wohnung hielten, zog Marc eine Visitenkarte aus seiner Jackentasche.
»Hier, damit wir uns so schnell nicht wieder aus den Augen verlieren und ich erwarte eine Einladung zur Hochzeit«, sagte er grinsend. Kopfschüttelnd griff Perry nach der Karte.
»Danke für alles Marci«, sagt er und stieg aus dem Auto.
»Nichts zu danken Per«, sagt dieser, startete den Wagen und fuhr davon, nicht ohne noch einmal den Arm zum Gruß aus dem Seitenfenster zu heben.
Perry betrat die leere Wohnung und seufzte. Er warf seine Schlüssel auf die Kommode und setzte sich auf die Couch, auf der noch immer J.Ds Shirt lag. Marc hatte recht, was ihre Beziehung anging. Sie waren an unterschiedlichen Punkten im Leben gewesen. Aber hatte sich denn in seinem Leben so viel geändert? Nachdenklich nahm Perry das Shirt in die Hand. Ja, es hatte sich etwas geändert. J.D. hatte ihn geändert, nicht erst seit der Sache mit seinem Bruder, es hatte angefangen, als er an die Klinik kam. Damals fand Perry ihn zwar nervig und aufdringlich, aber er hatte etwas in ihm ausgelöst, hatte ihm geholfen, über die Trennung von Marc hinwegzukommen. Aber das alles wurde ihm erst jetzt klar, jetzt wo es vielleicht zu spät war. Stöhnend stand er auf. Er musste schlafen, sein Kreislauf machte sich immer häufiger bemerkbar. Er fühlte sich ausgelaugt und konnte sich kaum noch richtig konzentrieren. Auch deswegen war er zu Bar nicht mit dem Wagen gefahren. Er ging ins Bad, zog sich um und ließ sich ins Bett fallen. Ihm fielen die Augen zu, aber er fand nicht in den Schlaf. Resigniert machte er die Nachttischlampe wieder an. Perrys Blick fiel auf das Buch, das dort lag. Es war der erste Teil von Harry Potter. Er hatte es tatsächlich J.D. zu Liebe angefangen zu lesen, da dieser die Bücher liebte. Perry griff danach und schlug es auf, das Polaroid von ihm und J.D. landete auf seinem Schoß. Er hatte es als Lesezeichen benutzt und einfach vergessen. Nachdem J.D. gegangen war, dachte Perry, er hätte es mitgenommen. Sanft strich er darüber und legte es wieder auf den Nachttisch. Es hatte keinen Sinn, wenn er wirklich am nächsten Tag mit dem Psychologen reden wollte, dann musste er versuchen, etwas Schlaf zu finden. Seufzend löschte er das Licht, griff nach dem zweiten Kissen, nahm es in den Arm und wartete auf den erlösenden Schlaf.
»Hey Vanillebär, willst du noch ein Bier?«, fragend sah Turk, J.D. an der auf der Couch saß und auf den Fernseher starrte.
»Nein, lass mal«, sagte dieser und Turk ließ sich wieder neben ihn auf das Sofa fallen.
»Sag mal, schläfst du genug?«, wollte er nun wissen und sah J.D. skeptisch an.
»Ähm ... ja, warum fragst du?«, wollte dieser wissen und machte den Fernseher aus.
»Alter, deine Augenringe reichen dir schon ans Kinn!«
»Turk mir geht's gut! Ja, ich hab Probleme mit dem Einschlafen, mir geht zu viel durch den Kopf, aber das vergeht auch wieder.«
»Bist du sicher? Ich meine ja nur, in zwei Tagen ist Cox' Urlaub vorbei und dann...«
»...dann Turk komm ich klar. Wir sind beide erwachsen und diese Trennung ist kein Weltuntergang. Es war ja nicht mal eine Beziehung!«
»Jaja belüg dich nur selber. Aber J.D. ich will nicht, dass du dich von dem Kerl so runterziehen lässt, bitte das ist er nicht wert!«, sagte Turk eindringlich.
»Ich sollte jetzt schlafen, ich habe morgen Frühschicht«, sagte J.D. traurig. Seufzend stand Turk auf.
»Okay, dann gute Nacht, wir sehen uns zum Mittagessen?«
»Ja, gute Nacht Turk und danke«, Turk nickte und ging leise ins Schlafzimmer, in dem Carla und Isabella bereits schliefen.
J.D. machte sein Bett auf der Couch. Turks Worte hallten in ihm nach. Würde es wirklich kein Problem werden, wenn Perry wieder kam? Konnten sie dorthin zurück, wo sie waren, bevor die Sache anfing? Mit verschränkten Armen hinter dem Kopf, lag J.D. auf der Couch und alles, an das er denken konnte, waren Perrys Arme um seine Hüften. Er drehte sich auf die Seite und zog die Beine an. Es dauerte lange, ehe er in einen unruhigen Schlaf fiel.
Sein Wecker am nächsten Morgen klingelte ihn erbarmungslos aus dem Bett. Er hatte wieder schlecht geschlafen. Immer wieder schreckte er nachts hoch und wusste nicht mal warum. Müde schleppte sich J.D. ins Bad und kochte sich dann einen schnellen Kaffee. Er wollte weder Turk noch Carla oder Isabella wecken. Sie konnten noch eine Weile schlafen. J.D. nahm sich seine Jacke und verließ das Haus. Inzwischen war der Winter auch an der Westküste angekommen. Es war frisch und der Wind ließ ihn zittern, J.D. lief zur Bushaltestelle, seit sein Roller Sascha nach einem Zusammenstoß mit dem Hausmeister, nur noch Schrottwert hatte, war er auf den Bus oder auf Turk angewiesen. Als er noch bei Perry gewohnt hatte, hatte dieser ihn immer gefahren, egal ob er Dienst hatte oder nicht. Jetzt in den frühen Morgenstunden und bei gefühlten fünf Grad sehnte er sich nach der Wärme des Porsches. So in Gedanken, bemerkte J.D. den Van erst, als er bereits direkt vor ihm stand. Die Seitentür wurde aufgeschoben und der junge Arzt blickte in den Lauf einer Pistole.
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