III
Nachdem ich wieder zu Hause angekommen war, verlief mein Leben erstaunlich normal. Ich aß mit meiner Familie zu Abend, als wäre nichts gewesen. Nicht einmal tauchte die Frage auf, wie mein Nachmittag verlaufen war. Gut, ich hätte ihnen auch nichts Spannendes erzählen können, denn offiziell saß ich ja in meinem Zimmer. Und für die Schule gelernt, das hatte ich natürlich auch gemacht.
Dass ich eben das nicht getan hatte, bekam ich am nächsten Vormittag direkt zu spüren. Doch der Französischtest interessiert mich überhaupt nicht. Den ganzen Schultag verbrachte ich damit, auf die Bonbons und das nächste Abenteuer hinzufiebern. Als es endlich so weit war, verspeiste ich das nächste Bonbon, ohne zu zögern. Es war, als hätte ich die Augen nur eine Sekunde geschlossen, wie ein kurzer Wimpernschlag, bis plötzlich mein ganzer Körper vibrierte und ich mich plötzlich inmitten von wildem Geschreie befand. Um mich herum hüpften Unmengen an Mädchen herum, die sich vor lauter Glück nicht im Zaum halten konnten. Auf der Bühne sang und tanzte eine bekannte Sängerin und während ich ihre Lieder im Radio schon als mittelmäßig nervig einstufen würde, war ein Konzert einfach eine ganz andere Sache. Obwohl ich keine von den jungen Frauen kannte, ließ ich mich einfach von der Stimmung mitreißen. Erst vorsichtig und dann immer ausgelassener fing ich an mich zur Musik zu bewegen, mit all den vielen Frauen, die sich untereinander auch nicht zu kennen schienen. Song für Song tanzten wir zusammen, ohne dass wir müde wurden. Hier störte es keinen, dass ich vielleicht die falschen Klamotten trug oder dass ich die Liedtexte nicht mitsingen konnte. Hier wollten alle einfach nur Spaß haben. Das Gefühl purer Freude breitete sich in meinem Körper aus, ein breites Grinsen konnte ich nicht mehr unterdrücken, musste ich aber auch nicht. Ich vergaß die Zeit, konzentrierte mich auf nichts und ließ mich einfach treiben. Lied für Lied improvisierte ich die Songtexte, die ich nicht kannte und versuchte mich passend zu Beat zu bewegen.
Umso überraschter war ich, als plötzlich eine Halbzeitpause angekündigt wurde. Die hellen Lichter, die von der Bühne erstrahlten, erloschen mit einem Mal und es lief seichte Hintergrundmusik anstelle der lauten Popmusik. „Komm!", forderte mich plötzliches ein hübsches Mädchen auf. An ihrem pinken Cowboy-Hut klebte eine Menge Konfetti, dass vor der Show definitiv noch nicht da gewesen war. „Wohin?", fragte ich überrascht, denn ich kannte dieses Mädchen nicht. Abgesehen von den Tanzeinlagen auf diesem Konzert, hatten wir uns noch nie getroffen, wir hatten noch nicht mal ein Wort miteinander gewechselt. Und trotzdem folgte ich ihr widerstandslos, als sie mich wortlos mit nach vorne zog. Das Stadion hatte sich im Zuge der Halbzeitpause ein bisschen geleert, sodass man sich tatsächlich fortbewegen konnte. „Also ich hoffe für dich, dass du eine Plastiktüte dabeihast, weil wir sammeln hier Konfetti ein", sagte das Mädchen plötzlich. Ich hatte natürlich keine Plastiktüte dabei. Wie auch, ich konnte ja nicht vorher wissen, dass ich hier landen würde. Trotzdem half ich in den fünfzehn Minuten, die die Pause andauerte, fleißig dabei mit, das Konfetti aufzusammeln. Zwischen all den bunten Konfetti-Schnipseln fand ich zwischendurch auch mehrere weiße Zettel. Die meisten waren leer, doch auf dem einen, stand in Großbuchstaben ein Wort: „FREUDE". Und ich war mir sicher, dass mich dieser Zettel hatte finden sollen. Später tanzten wir weiter. Genauso unbeschwert wie davor. Ab und zu warfen die anderen ein bisschen Konfetti in die Luft, ich begnügte mich damit, das Konfetti aufzufangen. Immer wenn es mir nicht gelang, lachte ich so laut, dass ich dachte, die anderen würden sich erschrecken oder mich seltsam finden, doch nichts passierte. Und nach dem Konzert, als wir alle schweigend, aber glücklich nebeneinanderher liefen, erfuhr ich sogar ihre Namen. Ich hatte kein Plan, wo ich eigentlich hinlaufen musste, also folgte ich der Gruppe an Mädels, bis sie an einem Parkhaus ankamen. „Schön, dich kennengelernt zu haben", sagte eines der Mädchen plötzlich und drehte sich zu mir. „Ja", stimmte ihr die andere Freundin zu, „Auf Konzerten trifft man immer die besten Leute, stimmts?" Die anderen Mädchen nickten und ich war zu überrumpelt, um irgendwas zu sagen. Also umarmte ich einfach alle der Mädchen einmal der Reihe nach und verabschiedete mich dann, bevor ich mich umdrehte und in die Nacht hineinlief, bis ich mich zurückverwandelte.
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