Kapitel 4
Tatsächlich waren schon viele Schüler angekommen. Ich mischte mich unter die Ravenclaws, um nicht aufzufallen. Einige warfen mir dennoch leicht irritierte Blicke zu, aber niemand sprach mich an. Je näher wir jedoch der Großen Halle kamen, umso mehr verloren sie das Interesse an mir. Neben mir lief ein Mädchen, etwa in meinem Alter, das mir von der Seite her immer wieder ein paar Blicke zuwarf. Sie hatte sehr kurze, braune Haare und unglaublich helle blaue Augen. Ich war schon kurz davor, ihr einen entnervten Kommentar an den Kopf zu werfen, da sprach sie mich auch schon an.
"Hey". Sie begrüßte mich mit einem netten Lächeln, ich blieb jedoch misstrauisch.
"Hi"
Die Schülerin ließ sich jedoch von meinem abweisenden Gesichtsausdruck nicht beirren und redete weiter. "Ich hab dich hier noch nie gesehen. Woher kommst du?"
Kurz spielte ich mit dem Gedanken, sie einfach zu ignorieren, da schüttelte ich den Kopf. 'Du wirst hier wahrscheinlich ziemlich lange bleiben!', warf ich mir vor. 'Du kannst es dir nicht mit jedem einzelnen verscherzen. Außerdem scheint sie ja ganz nett zu sein' Ich lächelte sie an.
"Ich war vorher in Beauxbatons, habe dann aber die Schule gewechselt. Wie heißt du?"
"Johanna Broadmoor", stellte sie sich vor. "Und du?"
"Lilith Weasley" Wir schüttelten uns kurz die Hände. Dann setzten wir uns an den Ravenclawtisch, was mir erneut verwunderte Blicke einbrachte.
"Hat dich der Hut schon nach Ravenclaw geschickt?", wurde ich von einer schwarzhaarigen Schülerin gefragt. Sie hatte Gesichtszüge, die an einen Habicht erinnerten, und sie kam mir vage bekannt vor. Auch einige andere Ravenclaws hörten uns zu.
"Ich bin heute etwas früher angekommen und der Hut hat mich gleich im Schulleiterbüro ausgewählt.", erklärte ich. Die Augen der Schwarzhaarigen weiteten sich.
"Du warst im Büro von Professor Dippet, echt? Wie sieht es da aus?", wollte sie neugierig wissen. Auch die anderen machten keinen Hehl mehr daraus, dass sie zugehört hatten.
"Na ja... " Ich versuchte in etwa, das Büro so zu beschreiben, wie ich es vorhin gesehen hatte, nicht das, in dem Dumbledore immer gesessen hatte, wenn wir trainiert hatten.
"Es gibt nicht viele, die da mal drin waren", erklärte die Schwarzhaarige. Dann stellte sie sich vor. "Ich bin Amelia Bones"
Ich tat es ihr gleich. "Lilith Weasley" Die anderen Zuhörer nannten nun ebenfalls ihre Namen. Barty Crouch war dabei, Myrte und Griselda Marchbanks ebenfalls. Ich freute mich, dass ich so viele Namen kannte. Bevor sie neue Fragen stellen konnten, betraten die Erstklässler die Große Halle. Sie sahen genauso aus, wie ich mich bei meinem ersten Besuch von Hogwarts gefühlt hatte: Es war eine Mischung aus Ehrfurcht, Nervosität und Begeisterung, die sich auf ihren Gesichtern abzeichnete. Der erste Schüler, der ausgewählt wurde, war Ludo Bagman.
"Hufflepuff!", rief der Hut laut in die Stille. Der junge Bagman, sichtlich erleichtert, setzte sich neben einen älteren Jungen, der ihm einen Platz freigehalten hatte. Sie sahen sich so ähnlich, dass ich Johanna darauf ansprach. "Das ist Otto, sein Bruder.", erklärte sie. "Der beste Treiber der Gryffindors." Sie verzog das Gesicht. Ich beschloss, sie später darauf anzusprechen, und wandte den Kopf wieder den Erstklässlern zu. Bellatrix war dabei, Rodolphus Lestrange ebenfalls. Mein Blick folgte ihnen zum Slytherintisch. Und da sah ich ihn.
Selbst wenn Harry ihn nicht beschrieben hätte, ich hätte ihn auf Anhieb erkannt. Die tiefschwarzen Haare, das Gesicht, das ein bisschen nach Milchbubi aussah. Gleichzeitig strahlte er aber schon jetzt so viel Macht und Autorität aus, dass auch die Neuen sofort merken mussten, dass sie, würden sie sich über ihn lustig machen, es auf ewig bereuen würden. Seine Augen wanderten über die Schüler und ich wandte schnell den Kopf ab, bevor seine Aufmerksamkeit auf mich gelenkt wurde.
Johanna war meinem Blick gefolgt. Als sie bemerkte, wen ich angesehen hatte, stupste sie mich an. "Hey, wenn du das Jahr unbeschadet überstehen willst, bring Riddle ja nicht gegen dich auf!" Warum sie flüsterte, war mir zuerst nicht ganz klar. Dann sah ich aber, dass sie alle jetzt schon wahnsinnige Angst vor ihm hatten.
"Was ist denn so schlimm daran, wenn man jemanden anguckt?", wollte ich wissen. Sie versprach, mich nach dem Essen darüber aufzuklären. Das brachte mich dazu, aufzusehen. Ohne dass ich es bemerkt hatte, waren alle Schüler ausgewählt worden. In diesem Moment erschien das Essen vor uns und mir fiel auf, dass ich seit heute Morgen nichts gegessen hatte und ich langte ordentlich zu.
Während des Essens wurde ich von Johanna und Amelia über die Lehrer informiert. "Professor Dippet kennst du ja schon. Der da neben ihm ist Professor Dumbledore. Er ist sein Stellvertreter und unser Lehrer für Verwandlung. Weiter links sitzt Professor Merrythought, sie ist unsere Lehrerin in Verteidigung gegen die dunklen Künste."
"Und wer ist das da, der da am Rand?" "Das ist Professor Kesselbrand, Pflege Magischer Geschöpfe. Neben ihm sitzt unser Kräuterkundelehrer, Professor Beery. Sieh zu, dass du nie in ein Gespräch zwischen Dippet und Kesselbrand platzt!", warnte Amelia. Ich runzelte die Stirn.
"Wieso?"
"Professor Dippet hält ihn für zu waghalsig. Er ist eben ein Lehrer, der... interessante Tiere bevorzugt, wie er sagt." Unvermittelt musste ich grinsen. Das erinnerte mich doch an jemanden! "Er ist noch nicht lange hier und die beiden geraten sich dauernd in die Haare. Ehrlich gesagt hat Professor Dippet aber auch Recht. Kesselbrand liebt gefährliche Tiere, wie Thestrale und Acromantulas und so weiter..."
"Ach was, Spinnen sind doch zum Knuddeln!", widersprach Johanna grinsend. Amelia verdrehte die Augen. "Tu nicht so, ich weiß, dass du eine Spinnenphobie hast!"
Das brachte mich auch zum Lachen. "Willkommen im Club!"
"Das sind zutiefst missverstandene Tiere!", behauptete Amelia gespielt gekränkt. Während die beiden sich weiter kabbelten, sah ich wieder zum Lehrertisch. Ich war positiv überrascht, dass Professor Flitwick bereits unterrichtete. Na gut, es war keine große Überraschung, Professor Binns hier zu sehen. Er war nicht viel jünger als der Fast Kopflose Nick.
Nach einiger Zeit verschwand das Essen und Professor Dippet stand auf. "Bevor ihr euch in die Schlafsäle geht, habe ich noch ein paar Dinge zu sagen. Die neuen Erstklässler habt ihr bereits kennengelernt, doch wir haben dieses Jahr einen weiteren Neuzugang bekommen. Lilith Weasley war vorher auf einer anderen Schule und ist dieses Jahr nach Hogwarts gekommen. Ich verlasse mich darauf, dass ihr ihr helft, sich hier einzuleben."
Verdammt, damit hatte ich nicht gerechnet. Einen Moment lang spürte ich alle Blicke auf mir ruhen und überwand mich zu einem kurzen Winken. Dann sprach der Schulleiter weiter und die Aufmerksamkeit wandte sich von mir ab. "Auf Bitten des neuen Hausmeisters Appolyon Pringle habe ich eine Liste für Gegenstände, die verboten werden, anfertigen lassen."
Die allgemeine Begeisterung war spürbar. Die meisten schienen Pringle schon jetzt zu verwünschen. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht ganz so schlimm wie Filch war.
"Die ganze Liste ist sowohl im Hausmeister- als auch im Schulleiterbüro einsehbar. Ich möchte euch bitten, das im Notfall auch zu tun. Über die Quidditch- Auswahlspiele werdet ihr am schwarzen Brett informiert. Nun wünsche ich euch eine gute Nacht!"
Wir standen auf und meine neuen Freunde 'zeigten' mir den Weg zum Ravenclaw- Gemeinschaftsraum. Er sah ganz genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte und kurz bekam ich einen Anflug von Heimweh. Normalerweise würde ich jetzt mit Luna und Cho hier sitzen. Dann riss ich mich zusammen. Das war doch albern. In spätestens einem Jahr würde ich sie wiedersehen. Ich musste mich auf meine Aufgabe konzentrieren.
"Kommst du?", fragte Johanna. Sie stand an der Treppe zu den Schlafsälen und hatte sich zu mir umgedreht. Als mir aufging, dass ich gerade eine ganze Zeit lang nur hier gestanden und ins Feuer gestarrt hatte, wurde ich rot. "Klar!"
Ich teilte mir den Schlafsaal mit Johanna, Amelia und Griselda Marchbanks. Sobald die anderen beiden im Badezimmer verschwunden waren, wandte ich mich Johanna zu. Sie sah mich fragend an. "Was ist jetzt mit diesem Riddle?", fragte ich.
Sie verzog das Gesicht, sah sich schnell um, setzte sich zu mir auf das Bett. Sie flüsterte mehr, als dass sie sprach. "Hör zu, ich weiß auch nur sehr wenig über ihn. Es wird gesagt, er wurde von Dumbledore nach Hogwarts gebracht. Er beherrscht Zauber, die unsere UTZ- Absolventen nicht einmal kennen, geschweige denn beherrschen und, na ja... " Sie zögerte.
"Was denn?", hakte ich nach.
"Sagen wir mal so: Wenn er etwas will, bekommt er es auch. Egal, was er dafür tun muss, skrupellos ist bei ihm noch untertrieben! Sogar die Lehrer haben eine Menge Respekt vor ihm, außer-" "Dumbledore", murmelte ich.
"Was? Woher weißt du das?", fragte sie misstrauisch.
"Ich bin ihm in Dippets Büro begegnet, und er hat einfach so eine Ausstrahlung...", versuchte ich mich herauszureden. "Außerdem haben wir selbst in Beauxbatons von ihm gehört, musst du wissen."
"Ach so." Ihre Stirn glättete sich wieder. "Dann musst du mir aber auch einmal etwas erklären!"
"Okay, was?" Ich stellte mich innerlich darauf ein, das sie etwas zu meiner früheren Schule fragen wollte. Den ganzen Abend schon hatte ich damit gerechnet.
"Ich habe dich hier noch nie zuvor gesehen, aber du kennst einige der Lehrer, nicht nur weil du von ihnen gehört hast. Du wirkst, als würdest du Dumbledore schon ewig kennen, und selbst in Beauxbatons können sie noch nicht so viel von ihm gehört haben. Bei einigen Schülern hatte ich auch den Eindruck, dass du sie kennst, sie dich aber nicht. Und jeder der Neuen hat am Anfang Fragen zu Riddle gestellt, aber jeder von ihnen war spätestens dann total überrascht, als er oder sie gehört hat, dass sogar die Lehrer sich nicht trauen, etwas zu unternehmen. Jeder hat gefragt, wieso sie ihm das durchgehen lassen und wie er denn so gut im Zaubern sein kann. Und jetzt kommst du und wirkst sogar, als hättest du das erwartet! Ich habe dich hier noch nie gesehen, also sag mir bitte, wie du das machst!"
Ich war komplett sprachlos. War ich tatsächlich so unvorsichtig gewesen, dass Johanna nach wenigen Stunden schon merkte, dass etwas nicht stimmte? Dann musste ich seufzen. Ich hatte keine andere Wahl, als es ihr zu erzählen. Ich kannte sie noch nicht lange, aber ich war mir sicher: sie würde nicht eher Ruhe geben, bis ich ihr die Wahrheit erzählt hätte. Außerdem, musste ich zugeben, wenn meine Tarnung so schnell auffliegen konnte, brauchte ich dringend jemanden, der mir half. Erneut seufzte ich und sah auf.
"Du musst schwören, dass du das niemandem erzählst", machte ich ihr klar. Sie nickte und wartete gespannt.
Im selben Tonfall wie sie vorhin begann ich zu erklären: "Also, es ist so..."
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