Zurückkehrender Alltag
Vergleichsweise schnell ist Bepo zurückgekommen mit einem vollgepackten Koffer. Zu seiner Zufriedenheit hat Law festgestellt, dass Bepo alles eingepackt hat, worum Law ihn gebeten hat. Wie schon zuvor erwähnt: Auf seinen Assistenzarzt Bepo kann er sich verlassen. Mit einem schlichten Nicken bedankt er sich. Er lässt noch über Bepo an seine Kollegen ausrichten, dass er so schnell es geht zurück zu seiner Tätigkeit kommen will, und schickt ihn dann weg. Bepo hat sich mit derselben Pose eines Kadetten verabschiedet, der einen Befehl von seinem Vorgesetzten bekommen hat und verlässt daraufhin das Zimmer. Law ist ihm sehr dankbar, dennoch hat er nicht vor das reine Arbeitsverhältnis zwischen ihnen zu verändern. So wie es jetzt ist, ist es gut. Es funktioniert und niemand fragt ihn wegen seines Privatlebens aus. So schnell wie der Weißhaarige zurückgekommen war, kann sich Law ebenfalls sicher sein, dass dieser sich nicht unnötig in seiner Wohnung umgesehen hat. Er hat nicht nach irgendwelchen Geheimnissen gesucht, sich keine Fotos vom Arzt angeschaut, nicht seine Einrichtung inspiziert... Er ist ins Schlafzimmer, hat alle Sachen rausgesucht, und ist zurückgekommen. Andernfalls hätte Bepo das Ganze nicht in dreißig Minuten geschafft. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass ein Weg allein um die fünf bis zehn Minuten dauert, je nach Verkehrslage.
Zufrieden lächelt er, während er seinen braunen Lederkoffer mustert. Bepo hat ganze Arbeit geleistet, denn der Koffer wirkt ziemlich voll. Somit hat Law für die nächsten Wochen genug Wäsche, um auf die erniedrigenden OP-Kittel verzichten zu können.
Nach außen hin hätte allerdings keiner erkennen können, dass Law mit Bepos Arbeit zufrieden war. Nicht einmal das Lächeln hätte jemand deuten können. Kid würde es sehen...
Nicht schon wieder! Es ist zum Haare raufen, wie sehr sich der Rothaarige trotz Abwesenheit in seine Gedankenwelt geschlichen hat. Doch anstatt sich weiter seinen Gedanken an Kid hinzugeben, beschließt Law sofort mit seiner Rehabilitierung zu beginnen. Unter anderem natürlich, um den Gedanken an Kid vollständig zu verbannen, aber auch, damit er so schnell es geht die Demütigung hinter sich bringen kann, auf Hilfe angewiesen zu sein.
Das bedeutet für ihn zuerst, dass er versucht aufzustehen. Zwei Monate hat er seinen kompletten Körper nicht bewegt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass seine komplette Muskulatur total verkümmert sein muss. Und spätestens im Kampf um die Decke mit einem gewissen, unerträglichen Rotschopf, der ihm gehörig auf die Nerven geht, selbst wenn er nicht da ist, hat er sich eingestehen müssen, dass sein Körper lange nicht das tut, was Law von diesem verlangt. Um genau zu sein, hat er sich von der Muskelkraft betrachtet gesehen, hilflos gefühlt. Und wenn er sich seine Arme und Beine genau ansieht, dann bestätigt sich sein Verdacht. So dürr hat er sie nicht in Erinnerung. Er war zwar nie wirklich durchtrainiert, aber auch kein wandelndes Skelett. Da ist es kein Wunder, dass Kid so leichtes Spiel mit ihm hatte. So wie er zurzeit aussieht, könnte man denken, dass er eine Essstörung hat. Wieso hat Kid ihn dann so attraktiv gefunden, wenn er durch den Muskelschwund doch so abgemagert aussieht?
Schnell den Kopf schüttelnd tut er den Gedanken beiseite, bevor er ihn weiter ausleuchten kann und setzt sich vorsichtig auf. Jetzt ist nicht die Zeit, um in Gedanken zu versinken, egal um wen es sich handelt. Er muss sich auf seine Bewegungen konzentrieren. Er braucht seine volle Aufmerksamkeit, bei dem was er tut. Vor allem weil er durch die fehlende Muskulatur einen Fehler nicht zulassen darf, sofern er sich nicht noch etwas brechen möchte. Dass allein diese Bewegung des Aufsetzens nicht mit gewohnter Leichtigkeit zu bewältigen ist, nervt den Chirurgen. Auch wenn er den Grund dafür kennt. Aufzustehen kommt daher absolut nicht in Frage. Würde er sich auf seine Beine stellen, würden diese nachgeben. Und da auch die Armmuskulatur stark gelitten hat, würden diese ihn auch nicht davor bewahren umzufallen. Und die Gefahr sich mehr als nur ein Bein zu brechen ist viel zu groß. Will er dementsprechend schnell wieder auf die Beine kommen, fällt diese Option sofort und ohne Widerworte weg.
Zu seinem Glück sieht er einen Hocker mit Rädern, der auf der Gegenüberliegenden Seite des Raumes steht. Wahrscheinlich ist der für den Fall, dass ein Arzt den Privatpatienten natürlich auf seinem Zimmer behandelt, egal aus welcher Station dieser kommt. Doch anstatt die Schwester zu rufen, um ihm zu helfen oder zumindest den Stuhl zu bringen, beschließt Law sich den Hocker selber zu holen.
Dafür entfernt er die längst durchgelaufene Infusion von seinem Katheter und schließt diesen, um sich freier bewegen zu können. Dann lässt er das automatische Bett heruntersinken, soweit es möglich ist, um daraufhin so elegant es eben für ihn möglich ist sich sitzend auf den Boden niederzulassen. Zu seiner Überraschung tut er sich dabei kaum weh, sodass wahrscheinlich nur ein blauer Fleck am Oberarm hinter bleiben wird, da er sich an der metallenen Bettkannte gestoßen hat. Auf dem Hintern robbend macht er sich langsam zu dem Hocker auf. Niemand müsste ihm sagen, dass die Bewegungen dumm aussehen, dass weiß er selber. Er weiß aber auch, dass seine Knochen leicht brechen können, wenn verkümmerte Muskeln versuchen 110 Pfund zu tragen. Zumindest schätzt Law sein derzeitiges Gewicht auf diese. Am Hocker angekommen stellt er die Bremsen der Räder ein, ehe er sich langsam hochhievt. Es dauert eine halbe Stunde, bis Law mit der kompletten Aktion fertig ist und letztendlich auf dem Hocker sitzt. Etwas ungeschickt löst er die Bremsen und schiebt mit seinen Beinen den Hocker zurück zu seinem Bett. Beziehungsweise daneben. Er öffnet den Koffer und beginnt damit seine Sachen in den in die Wand eingebauten Schrank zu räumen. Ein komplettes Outfit legt er sich aufs Bett, um es nachher anzuziehen. Dieses besteht aus einem schwarzen Tank Top, einem braunen Mantel mit orangenen Streifen und dem Schriftzug „Corazon" auf dem Rücken und einer Jeans im Leopardenstil. Dazu eine gelbe Boxershorts und ein Paar Socken. Jedoch zieht er sich nicht auf dem Hocker an, sofern er unangenehme Unfälle vermeiden will. Lediglich die Boxershorts stülpt er sich unter Mühen über, damit er den Kittel von seinem Körper nehmen kann. Dieses Ding hat ihn seit der einen Nacht umso mehr gestört. Daher ist er glücklich das Ding in die Ecke pfeffern zu können. Nicht die feine, englische Art, aber das hat seiner Seele gut getan das Ding abzulegen.
Als er die Hälfte ausgepackt hat, was für jemanden mit normaler Muskulatur ungewöhnlich lange gedauert hätte, kommt eine Schwester mit dem Mittagessen herein. Erschrocken sieht diese Law und stellt schnell das Tablett ab. „Doktor, wieso haben Sie keine Schwester gerufen? Wir hätten Ihnen doch geholfen." Sie will grade Law unter die Arme greifen, um ihn wieder ins Bett zu bringen, als dieser plötzlich den Arm mit ausgestreckter Handfläche hebt.„Ich brauche keine Hilfe, danke."
„Sie wissen selber, dass Sie sich ausruhen müssen..." versucht die Schwester zu protestieren.
„Rein Körperlich gesehen müssten alle Wunden nach acht Wochen verheilt sein. Und sollte dem nicht der Fall sein, wird sich mein neuronales Nervensystem in Form von Schmerz schon melden."
„Aber..."
Mit einem nüchternen Blick würdigt der Blauhaarige der Schwester zum ersten Mal eines Blickes seitdem diese den Raum betreten hat. „Meine Muskeln bauen sich nicht vom Rumliegen wieder auf. Mir geht es gut und wenn Sie wollen unterschreibe ich Ihnen irgendeinen Wisch, der bestätigt, dass ich auf eigene Verantwortung und gegen ärztlichen Rat handle." Damit widmet sich Law wieder dem ausräumen des Koffers.
„Wollen Sie nicht zumindest warten, bis der Orthopäde eintrifft?" fragt die Schwester zuletzt.
Law schüttelt den Kopf. „Meinen Koffer auszupacken wird meiner Muskulatur kaum schaden. Sie tun so, als würde ich 200 Pfund stemmen wollen. Dennoch werde ich die deutlich effektiveren Übungen mit dem Orthopäden durchführen. Danke für Ihre Fürsorge." Natürlich wieder eine reine Höflichkeitsfloskel, aber diese scheint die Schwester zu beruhigen. „Wenn Sie Hilfe brauchen..."
„Rufe ich Sie sofort. Danke." unterbricht Law die Schwester und drängt sich selber zu einem kleinen Lächeln. Es erzielt seine Wirkung, denn die Schwester verlässt den Raum und Law widmet sich wieder seiner Arbeit.
Am Ende ist er erschöpft, als er sich zurück ins Bett hievt und er erhofft sich dadurch einen starken Muskelkater am nächsten Tag. Das würde zumindest bedeuten, dass seine Armmuskeln überdurchschnittlich gearbeitet haben und er langsam Armmuskulatur aufbaut.
Am Nachmittag kommt auch der Physiotherapeut und macht gezielte Übungen mit ihm, um ebenfalls die Muskulatur aufzubauen. Dabei geht er das Ganze viel langsamer an, als Law es sich wünscht. Doch als Arzt weiß er, dass zu viel Belastung ebenfalls schlecht sein kann und er ist sich sicher, dass die Schwester ihm von seiner Einräum-aktion erzählt hat. Denn selbst für einen schonenden Anfang war das, was sie gemacht haben, viel zu wenig. Er hat nämlich lediglich die Beweglichkeit von Laws Gliedmaßen getestet und ihn einfache Bauchübungen machen lassen. Quasi eine Vorstufe von Rumpfbeugen. Er sollte seinen Oberkörper anspannen und nur minimal anheben. Aber so, dass sein Rücken zumindest zum Teil noch auf dem Bett liegen bleibt. Und das war's. Law muss sich seinem Schicksal beugen und belässt es dabei. Er könnte zwar die Übungen alleine fortführen, aber das könnte seinem Körper schaden, wenn der Therapeut nicht die Bewegungen überwacht. Ein Herzchirurg hat eben nur Ahnung von einem Muskel und den muss er nicht trainieren.
Nach einer Woche werden die Übungen anspruchsvoller. Law bewegt seine Arme und Beine komplett und macht Muskelübungen ohne Gewichte. So sollen seine Arme und Beine sich wieder an die Bewegung gewöhnen. Das meint zumindest der Physiotherapeut zu ihm. Und je einfacher es Law fällt, umso eigensinniger wird er und drängt den Arzt dazu intensivere Übungen mit ihm zu machen. Zwar würde der Physiotherapeut dies nicht freiwillig machen, doch die Drohung Law würde dann alleine weiter machen scheint zu wirken und wieder gegen ärztlichen Rat darf er die Übungen nicht nur intensivieren sondern auch länger machen, sodass er anfangs starken Muskelkater bekommt. Um genau zu sein ist sein Ziel jeden Tag Muskelkater zu kriegen und nicht so viel Sport zu machen, wie sein Körper gewohnt ist. So weiß er, dass er etwas geschafft hat und fühlt sich am nächsten Tag nicht nutzlos. Von dem Muskelkater erzählt er dem Doc nichts, denn das eigentliche Ziel ist es langsam Muskeln aufzubauen und nicht wie ein Verrückter zu trainieren. Da Laws Knochen aber komplett verheilt sind, können diese das starke Training ab. Um genau zu sein werden sie vom schnellen Muskelaufbau sogar gestärkt.
Die Gehübungen sind die größte Herausforderung für Law, da beide seiner Beine dieser Übung unterliegen und er sich dementsprechend beim Gehen abstützen muss. Da er das wirklich nicht lange durchhalten kann macht er heimlich abends noch ein paar Kräftigungsübungen für die Beine, um ebenfalls so Muskeln aufzubauen.
Nach nervigen fünf Wochen hat sich Laws Muskulatur mehr oder minder regeneriert und er kann das Krankenhaus verlassen. Privat soll er noch einen Therapeuten aufsuchen, um sich vollständig erholen zu können. Gegen jegliche Vernunft entscheidet er sich dazu direkt wieder arbeiten zu gehen. Dementsprechend gibt er Bepo Bescheid, dass er am morgigen Tag wieder zur Arbeit kommen möchte. Mittlerweile konnte er Kid komplett aus seinen Gedanken verbannen. Viel zu sehr war er damit beschäftigt seinen Körper auf Vordermann zu bringen. Direkt nach der Entlassung ruft er sich ein Taxi, um sich nach Hause fahren zu lassen. Er will sein geliebtes Auto erst wieder abholen, wenn seine Beine stark genug sind, um ohne Gehhilfen zu laufen. Schließlich hat er keine Lust nochmal im Krankenhaus zu landen. Den Zettel hat er bei seiner Entlassung, ohne ihm wirkliche Beachtung zu schenken, in seine Hosentasche gestopft.
So ruft er sich am nächsten Morgen wieder ein Taxi, um sich zur Arbeit fahren zu lassen. Was soll er auch zu Hause? Es hat sich nichts verändert, außer dass die Wohnung etwas muffig gerochen hat. Kein Wunder, wenn sie so lange leer gestanden hat. Als er mit seinen Gehhilfen das Krankenhaus betritt, nimmt ihn zuerst keiner wirklich wahr. Er passt schließlich perfekt in das Bild eines Patienten. Erst als er an der Rezeption vorbei „läuft", wenn man das wacklige Gehen mit Krücken so nennen kann, erkennt ihn die Empfangsdame seiner Station und begrüßt ihn überschwänglich. Er nickt ihr nur zu und hofft, dass es dabei bleibt, jedoch kommt die Rothaarige Dame von dem Tresen hervor und schlingt ihre Arme um den schmalen Körper des Arztes. Ihr Gesicht vergräbt sich dabei in Laws Brust, da dieser mehr als elf Zoll größer ist. „Ich freue mich so sehr, Sie zu sehen! Wir haben uns alle Sorgen gemacht!" ruft sie in dessen Brust hinein.
Law, der solche herzhaften Begrüßungen nicht leiden kann, rollt lediglich mit den Augen. Um höflich zu bleiben, rattert er seine üblichen Floskeln herunter und fügt noch hinzu: „Ich würde die Umarmung erwidern, aber ich bin grade in meinen Bewegungen eingeschränkt." Als die Frau von ihm ablässt deutet der Blauhaarige auf seine Krücken und sie nickt nur lächelnd. „Kein Problem. Ich weiß doch, wie sehr Sie sich freuen." gibt sie in einem leicht ironischem Unterton von sich und streckt ihm frech die Zunge raus.
„Wo wir dabei sind, ich möchte bitte keine böse Überraschung in der Mittagspause erleben. Also bitte keine ‚Willkommen zurück'-Feier in irgendeiner Art."
„Versprochen." gibt sie zwinkernd von sich und begibt sich wieder hinter ihren Empfangstresen. Law begibt sich derweil weiter und auch wenn er durch die Krücken etwas länger braucht, wundert er sich, dass er auf der Station keinerlei Personal ausmachen kann. Erst als er den Pausenraum betritt, fliegen plötzlich Luftschlangen und Konfetti durch die Luft und im Chor ruft die gesamte Station: „Überraschung!". Genervt muss Law feststellen, dass bereits alles für so eine derartige Feier vorbereitet wurde.
„Ich habe versprochen, dass es in der Mittagspause keine Feier gibt." ertönt die fröhliche Stimme der Empfangsdame hinter ihm. Und auch die Assistenzärzte, wie auch Ärzte und Schwestern strahlen ihn an.
Genervt massiert sich Law mit einer Hand seinen Nasenrücken, während er sich mit der anderen umso mehr auf eine Krücke stützt und fragt genervt: „Woher wusstet ihr, dass ich heute wieder komme?"
„Bepo hat es uns erzählt." ertönt die Stimme von Shachi, einem weiteren Assistenzarzt mit hellbraunen Haaren.
„Entschuldigung." brummt Bepo und die Schwester Monet, eine Dame mit grün Haaren und nahezu orangenen Augen fügt hinzu: „Und Nami hat daraufhin alles organisiert." Womit sich die Kette schließt und Law wieder zu der frechen Empfangsdame blickt. „Gern geschehen:" antwortet sie auf das ausbleibende ‚Danke' des Chirurgs und grinst frech.
Law seufzt leise bevor er sich förmlich bedankt, seinen Kittel holt und die in Feierlaune gestimmten Kollegen hinter sich lässt, um auf sein Büro zuzusteuern.
„Du könntest wenigstens mit uns Kuchen essen." schmollt Nami. Erst als Law „Später vielleicht." antwortet gibt sie sich zufrieden und alle kehren an ihren Arbeitsplatz zurück. Nach diesem Spektakel kehrt für Law relativ schnell der gewohnte Alltag zurück, so wie er ihn mag. Mit der gleichen Routine, den meist gleichen Operationen und denselben Visiten, die er mit seinen Assistenzärzten durchführt. Erst als er sich dazu entschließt sein Auto abzuholen, wird er schmerzlich an etwas erinnert, was er fast komplett hatte vergessen können. Als er in seiner Hosentasche kramt, tritt jegliche Erinnerung plötzlich wieder ein. So als sei es erst gestern gewesen. Auf dem Zettel mit der Adresse der Werkstatt steht in schlecht leserlicher Handschrift ebenfalls die Adresse des Mannes, der ihm vor ein paar Wochen noch genötigt hatte.
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