Motivationslosigkeit
Als Law gegen späten Nachmittag seine Wohnung erreicht, fühlt sich sein Körper schwer und müde an. Jeder Muskel scheint ihm weh zu tun. Jeder weitere Schritt kostet ihn mehr Überwindung, als ein Stück Brot zu essen. Wobei man an dieser Stelle erwähnen muss, dass Law nichts mehr verabscheut als Brot. Eine schreckliche Erfindung Europas, die mit den Engländern leider auch ihren Weg nach Amerika gefunden hat. Jeder andere würde jetzt sagen ‚Dann iss es doch nicht, wenn es dir nicht schmeckt', jedoch ist es schwer zum Frühstück etwas anderes außer fettigen Pancakes, deftigen oder übersüßten Donuts oder eben irgendwelchen Sandwiches zu finden. Zumindest für jemanden, der wie Law nicht die Zeit hat selbst zu kochen. Durch seinen Job als Arzt wird seine Küche nur selten benutzt und sieht dementsprechend auch noch nagelneu aus.
Kraftlos lässt sich der Blauhaarige auf sein Ledersofa fallen und versinkt sich die Schläfe reibend in dem gemütlichen Möbelstück förmlich. Er spürt wie sich das Leder seiner Körperform anpasst um einen idealen Komfort zu bieten. Er lässt in Gedanken den heutigen Tag Revue passieren und wird sich erst jetzt bewusst, wie viel an nur einem Tag passiert ist. Da ist es kein Wunder, dass sich sein Körper so schwer anfühlt. Dabei fällt ihm auf, dass es gefühlt den ganzen Tag nur um Kid ging. Nein, eigentlich hatte er den Idioten vergessen. Hätte er diesen Zettel nicht gefunden, dann wäre sein Leben wie zuvor. Hätte er die Hose nur gewaschen, bevor er den Zettel gefunden hätte. Bei der Polizei hätte er sich auch im Nachhinein erkundigen können, wohin sein Auto abgeschleppt worden ist. Dann hätte er Kids Adresse nicht gefunden, wäre nicht so blöd gewesen ihn zu besuchen und sein Leben würde weiterhin in gewohnten Bahnen ablaufen.
Und dennoch, als er den Gedanken hegt Kid einfach zu vergessen, spürt er ein leichtes Unbehagen in seiner Magengegend. Als ob sein Körper nicht wollte, dass er ihn vergisst. Nein, als ob sein Körper sich weigern würde ihn zu vergessen. Der Chirurg kann es sich selbst nicht erklären und dennoch überkommt ihn die leise Vorahnung, dass selbst wenn der Zettel auf irgendeine Weise vernichtet worden wäre, Kid seinen Weg zurück in seine Gedankenwelt gefunden hätte. Und auch wenn er sich im ersten Moment darüber ärgert, so scheint dieser verfluchte, minimale Teil seines Unterbewusstseins sich darüber zu freuen. Die Liebe ist wirklich ein absolut überbewertetes Gefühl und wenn es nach Law ginge, würde er das limbische System aus seinem Gehirn entfernen und dafür sorgen, dass diese Hormone mit Suchtpotential nicht mehr gebildet werden können. Das sollte man bei allen Menschen machen, denn dann würde man auch zum größten Teil nicht mehr Drogenabhängig werden. Schließlich hat ‚verliebt sein' dasselbe Suchtpotential wie Kokain, weswegen Menschen es so schwer fällt eine Trennung zu überwinden. Das ist nichts weiter, als ein kalter Entzug. Und eine Sucht reicht Law voll und ganz. Und zwar die, die ihm hilft auch nach 24 Stunden ohne Schlaf konzentriert bei der Arbeit zu sein.
Leider weiß er ebenso, dass man das limbische System nicht einfach entfernen kann, ohne einen Hirntod heraufzubeschwören. Und da hängt der Chirurg doch zu sehr an seinem Leben. Das größte Problem wäre jedoch, dass die vier größten „Liebeshormone" Dopamin, Adrenalin, Testosteron und Serotonin für den menschlichen Körper essentiell sind.
Zum einen wird zum Beispiel aus Dopamin Noradrenalin gebildet, was bei Stresssituationen ausgeschüttet wird und dem Menschen warnt, dass er eventuell nicht vor einem heranfahrenden Zug stehen bleiben sollte. Zudem ist Dopamin DAS Glückshormon des Körpers. Wenn ein Mensch sich freut oder etwas geschafft hat, stößt dessen Körper ungemein viel Dopamin aus. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass ein Mensch ohne oder mit zu wenig Dopamin unweigerlich in Depressionen verfällt. Denn nichts anderes sind Depressionen. Eine zu geringe Ausschüttung an Dopamin. Somit wurde schon länger erklärt, wieso Drogenabhängige nach einem kalten Entzug oftmals depressiv geworden sind. Der Körper kann bei externer Beifügung ‚verlernen' selbst Dopamin zu produzieren, da es bereits in genügender Konzentration aufgenommen wird.
Adrenalin wird ausnahmsweise nicht im limbischen System, sondern in der Nebennierenmark produziert und ist als Stresshormon bekannt. Jedoch wissen die wenigsten, dass es noch eine andere Funktion hat, als nur einen Menschen vor Nervosität in den Wahnsinn zu treiben. Es bewirkt auch eine schnellere Umwandlung von gespeichertem Fett in den für die Zellatmung essentiellen Glycerin beziehungsweise Acetyl-Coenzym A gespalten wird. Heißt im Klartext: Ohne Adrenalin könnte der Mensch Fett nur Anlagern und würde beim Sport an Atemnot leiden.
Testosteron ist das Geschlechtshormon, was entgegen des Glaubens der meisten Menschen nicht nur im männlichen Organismus vorkommt, sondern ebenso im weiblichen. Nur eben in einer meist geringeren Konzentration. Und da Testosteron nicht nur für die Reifung der Sexualhormone, sondern auch für den Muskelaufbau sorgt, ist es ebenfalls wichtig.
Und zuletzt Serotonin, welches beim Wegfallen nahezu denselben Effekt hat wie Dopamin. Alles in allem hat Law keine andere Wahl als zu akzeptieren, dass er mit dieser Art Sucht versuchen muss richtig umzugehen. Er darf ihr nicht mehr nachgeben, so wie heute Nachmittag, ansonsten wird das Verlangen nach ihr immer Größer. Und eines weiß der Blauhaarige genau: Er lässt sich von keiner Droge (bis auf Koffein) in seinem Verhalten beeinflussen. Egal ob diese natürlich und im Körper produziert wird oder eben extern hinzugefügt wird.
Das Ganze klingt so sehr wissenschaftlich, jedoch realisiert Law, dass er quasi nur auf Fachchinesisch gesagt hat ‚Liebe ist voll doof'. Wäre seine Beine nicht gefühlt zehn Tonnen schwer, würde er aufstehen und sich irgendwie Ablenken. Und wenn er sich eine neue Dissertation eines Fachkollegen durchließt. Jedoch fällt es ihm schwer überhaupt seine Augen aufzuhalten. Der Tag war einfach zu viel für ihn und er ist zumindest froh, dass der Rothaarige vor dem Einschlafen nicht abermals Stundenlang in seinem Kopf herumschwirrt, sondern er schnell in einen tiefen Schlaf versinkt.
Als Law wieder aufwacht, fühlt er sich deutlich besser als am Tag zuvor. Sein Körper fühlt sich zum ersten Mal seit langem an, als sei er leicht wie eine Feder und seine Muskeln fühlen sich zart an wie geklopftes Schweinefilet. Er genießt regelrecht das Gefühl seine Arme zu bewegen, um das lockere Gefühl in den Schultern aktiv zu spüren. Sein ganzer Körper scheint sich einfach für den langen und erholsamen Schlaf zu bedanken. Als er sich aufsetzt und die seidene, graue Bettdecke sich von seinem Körper schält, begrüßen ihn die warmen Sonnenstrahlen des Sonnenaufgangs. Tief atmet er ein als wolle er die Wärme durch die Luft in sich aufnehmen. Seine Tattoos glänzen im gleißenden Licht der Morgensonne und umspielt seine Muskeln nahezu perfekt. Kurz streckt sich der Blauhaarige, ehe er aufsteht, um sich fertig zu machen. Noch mit leicht verschlafenen Blick streift er seinen Kalender, auf dem er einen kurzen Blick riskiert. Erst jetzt bemerkt er einen roten Schriftzug auf dem heutigen Datum. Nachdem er sich kurz die Augen gerieben hat, um die Müdigkeit aus ihnen zu vertreiben, kann er den roten Schriftzug als 'Urlaub' identifizieren. Kurz runzelt er die Stirn und sieht noch einmal genau hin, jedoch ist die ganze Woche mit Urlaub markiert. Er hatte ganz vergessen, dass er sich diesen genommen hat, kann den aber auch gut vertragen. Deutlich entspannter, da er nicht unter Zeitdruck steht, macht er sich auf zu seinem Kleiderschrank und holt eine schwarze Jogginghose mit gelben Punkten an den Seiten heraus. Zu seiner Verwunderung ist es für diese Jahreszeit erstaunlich warm in der Wohnung und so entschließt er sich, ein T-Shirt wegzulassen. Noch leicht von der morgendlichen Müdigkeit beeinflusst schlürft er über den Flur zu seinem Badezimmer. Dort stellt er sich kurz auf die Waage, um festzustellen, dass er an Muskelmasse zu und an fett abgenommen hat. Er wusste gar nicht, dass seine Waage den Fettanteil seines Körpers messen konnte, aber es stellt ihn dennoch ganz zufrieden diese Fähigkeit entdeckt zu haben. Er wäscht sein Gesicht und als er das Handtuch aus dem Gesicht zieht, erschrickt er nahezu vor seinem Spiegelbild. Er hatte schon ganz vergessen, wie er ohne Augenringe aussieht und dennoch kann er keine im Spiegel entdecken. Er ist so verwundert von sich selbst, dass er sich mehrmals bedacht über die sonst so angeschwollen Tränensäcke streicht, ehe er realisiert, dass diese wirklich zurückgeschwollen waren. Er muss heute ausnahmsweise mal keinen verzweifeln Versuch starten die dunklen Furchen unter seinen Augenlidern weg zu retuschieren. Zwar wundert es ihn etwas, da er selbst nach den zwei Monaten die er im Koma lag die Augenringe nicht verloren hat, aber beschweren kann er sich da nicht. Sein Gesicht sieht nicht nur frischer aus, sondern es spiegelt sein erleichtertes Inneres wieder.
So gut gelaunt war er lange nicht mehr. Mit einem leichten Grinsen im Gesicht läuft Law in seine Küche, um sich einen frischen Kaffee zu machen. Es ist wirklich sehr lange her, dass Law auch privat gelächelt hat. Selbst vor sich selbst zeigt er normalerweise ungern Gefühle, weil er danach meist nur noch schlechtere Laune kriegt. Er mag zwar seinen Job, aber der Gedanke an seine Patienten im wachen Zustand lässt ihn meistens in eine Art Loch aus schlechter Laune fallen, da die Patienten entweder minderintelligent oder hochnäsig sind. Und beides bereitet ihm Gänsehaut. Doch nun wo alles so perfekt läuft und er zudem Urlaub hat, kann er sich den Luxus eines Lächelns gönnen.
In der Küche angekommen steigt ihm direkt ein herber Geruch in die Nase. Eine Augenbraue hebend sieht er sich um und bemerkt, dass der frische Kaffee bereits gekocht in der Tasse auf dem Küchentisch steht und nur darauf wartet von ihm getrunken zu werden. Nun wundert sich der Blauhaarige doch, was das zu bedeuten hat und nimmt eher skeptisch die Tasse mit dem noch dampfenden Inhalt in die Hand. Leicht nippt er an dem dunklen Getränk, kann jedoch qualitativ keinen Mangel feststellen. Dennoch würde er gerne wissen, wer den Kaffee gekocht hat und so trinkt er noch einen großen Schluck von seinem Lieblingsheißgetränk, ehe er sich von der Küche wieder in den Flur aufmacht.
Als er jedoch den Türrahmen durchquert entdeckt er rote Rosenblätter auf dem Boden. Verwirrt folgt er der gelegten Spur zurück in sein Schlafzimmer und fragt sich, ob er diese auf dem Weg zum Bad einfach übersehen hat oder jemand es geschafft hat in der kurzen Zeit so eine Spur zu legen.
Das letzte Rosenblatt liegt vor der geschlossenen Schlafzimmertür und irgendwie überkommt Law ein beklemmendes Gefühl, welches überhaupt nicht zu dem sonst so guten Start in den Tag passt.
Vorsichtig drückt er die Türklinke herunter und öffnet die Tür. Zu seinem Entsetzen stellt er fest, dass ein halbnackter Kid auf seinem Bett liegt und sich lasziv rekelt. „Ich hab auf dich gewartet, Schatz." flüstert er dem Blauhaarigen erotisch zu.
Law überkommt eine Wut und er ist kurz davor komplett auszurasten, als er plötzlich ganz viele Bilder an der Wand entdeckt, auf denen die beiden Männer abgebildet sind. Die zwei bei einem Candlelight Dinner, beide zusammen auf einem Selfie mit dem Eifelturm im Hintergrund, wie sich die beiden küssen, und das schlimmste: Ein Hochzeitsfoto. Law bemerkt richtig, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht schwindet.
Plötzlich ziehen ihn die starken Hände Kids zu sich und mit einer dunklen, lasziven Stimme raunt der Rotäugige: „Du willst es doch auch."
Ein lautes, penetrantes Klingeln lässt Law aufschrecken. Sein Körper fühlt sich kaputter als je zuvor an. Mit schweren Augenlidern, die er kaum aufbekommt, sieht er sich um und weiß zunächst nicht, wo er ist. Erst als er die Lehne der Couch ertastet, erinnert er sich, dass er gestern auf der Couch eingeschlafen ist. Übermüdet ertastet er das kleine, vibrierende Ding in seiner Hosentasche, was er beim Herausziehen als Handy identifiziert. Genervt zieht er den Balken über den Bildschirm und würde das kleine technische Wunderwerk am liebsten gegen die nächste Wand schleudern. Er fühlt sich, als hätte er sich gestern seinen Kopf mit mindestens vier Flaschen Wodka zu gedröhnt. Nur schwer kann er sich dazu durchringen endlich aufzustehen. Hätte er keinen zu großen Stolz, würde er jetzt im Krankenhaus anrufen und sich für heute krankschreiben lassen.
Unter lauten und gequältem stöhnen steht der Arzt auf und streicht sich durch sein verwuscheltes Haar.
Jedoch trauert er der Leichtigkeit seines Körpers aus seinem Traum nach. Er fühlt sich grade, als hätte sein Körper eine Plasma Explosion vom nahen miterlebt UND er hätte auf Reiszwecken gepaart mit Brennnesseln geschlafen. Sein Kopf pocht leicht und völlig entnervt macht er sich auf den Weg zum Badezimmer. Ein Blick in den Spiegel reicht ihm, ehe er beschließt jeden Spiegel am heutigen Tag zu vermeiden. Seine Augenringe sind tiefer und dunkler als jemals zuvor und seine Muskeln fühlen sich so verspannt an, dass man glauben könnte, er wäre ein eingerostetes Getriebe. Seine Haare kriegt er heute nicht mehr gebändigt, egal wie viel Gel er benutzt, um die Frisur irgendwie noch zu retten, seine Haare sind absolut nicht zu bändigen. Zudem deckt er seine tiefen Augenringe mit etwas Make Up ab, um etwas gesünder und frischer zu wirken. Er möchte nicht wieder von seinen Kollegen sorgenvoll durchlöchert werden. Leider hilft das Make Up nur mäßig gut, aber er sieht zumindest nicht aus, als sei er grade von den Toten auferstanden. Das ist zumindest ein kleiner Erfolg an dem jetzt schon absolut beschissenen Tag.
So schnell er kann zieht er sich seine Sachen an und bemerkt bereits ohne Waage, dass er wieder abgenommen hat. Genervt rollt er mit den Augen, da er eigentlich versucht Muskelmasse aufzubauen, um seinen Körper nicht völlig zu ruinieren.
In der Küche stellt er die Kaffeemaschine an und schnuppert schon ganz gierig dem herben Geruch seines Lebenselixiers nach. Gleich zwei Tassen trinkt er hintereinander weg und fühlt sich trotzdem gerädert.
Nachdem er seine zwei Tassen seines Lebenselixiers zu Ende getrunken hat, macht er sich Schlussendlich auf den Weg zur Arbeit. Als er sein Auto geparkt hat und auf die Drehtür zugeht, bemerkt er eine Person, die er unter keinen Umständen sehen wollte. Das knallige Rot weckt in ihm direkt das Bedürfnis abzuhauen.
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