I
Tränen der Zwischenwelt
Warm umhüllte mich das Wasser, lullte mich ein, ließ mich für kurze Zeit vergessen, warum ich hier gerade in der Wanne lag, mit einem Messer in der linken Hand. Doch dann kamen die Erinnerungen zurück und sofort traten mir Tränen in die Augen. Tränen, die ich immer alleine vergossen hatte. Tränen, die ich in der Anwesenheit anderer unterdrückt hatte. Tränen, die davon deuteten, dass ich nicht so stark war, wie ich immer getan hatte.
Meine Hände fingen an zu zittern, als immer unterdrückte Schluchzer meine Kehle verließen und meinen ganzen Körper zum Beben brachten. Die Erinnerungen strömten auf mich ein, ich sah, wie meine Klassenkameraden mich schlugen, traten, mir Kaugummi in die Haare spuckten, meine Sachen zerissen und mich immer wieder lächerlich machten. All dies geschah hinter dem Rücken der Lehrer, welche auch nicht bemerkten, wie ich mich mit der Zeit immer mehr zurückzog, nicht mehr aufzeigte und teilweise nicht mehr zum Unterricht erschien. Ich interessierte sie nicht.
Schleim lief mir aus der Nase, doch ich scherte mich nicht darum. Wenn ich erst einmal tot war, konnte es mir egal sein, wie ich aussah.
Zitternd, aber doch entschlossen, setzte ich die Klinge an meinen rechten Unterarm. Leicht drückte ich sie in mein Fleisch, ein Tropfen Blut sammelte sich an dem Loch. Doch ich spürte keinen Schmerz. Ich drückte die Klinge tiefer und zog sie mit einem Ruck über meinen Arm, zurück blieb ein langer Schnitt, aus dem das Blut nur so floss. Und jetzt spürte ich auch den Schmerz. Er brannte sich tief in meinen Arm, ließ mich einen Moment aufkeuchen und zweifeln, ob ich es wirklich durchziehen konnte. Doch bevor noch mehr Zweifel aufkommen konnten, ob das hier das Richtige war, wechselte ich das Messer in meine rechte Hand, welche es zwar schwach umfassten, das Messer aber dennoch hielten.
Noch immer heulend setzte ich die Klinge an meinen anderen Unterarm und zog sie einmal quer über meine Pulsader. Auch da schoss sofort das Blut aus der Wunde und Schmerz zog sich hinauf bis in meine Schulter.
Kraftlos öffnete ich die rechte Hand und das Messer fiel mit einem leisen Platschen in das Wasser. Dem Messer folgten meine Arme und kaum hatten meine Arme das Wasser berührt, färbte es sich blutrot, Wellen blutiges Wasser schlugen gegen den Badewannenrand.
Langsam schloss ich die Augen und lehnte mich an den Rand, versuchte den Schmerz zu ignorieren, während ich auf die erlösende Dunkelheit wartete, die zu meinem Glück nicht allzu lange auf sich warten ließ.
Dankend gab ich mich ihr hin, tauchte in die Schwärze ein, empfing sie wie einen alten Freund, den ich nach Jahren wieder sah.
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