~I~
,,Momoka! Momoka!"
Die Rufe meiner Fans drangen an meine Ohren, bis ich mit einem lauten Krachen die Wasseroberfläche durchbrach, nachdem ich den kühlen Startblock verlassen hatte und im tiefen Blau wie ein Pfeil durch das Wasser schoss. Das kühle Wasser nahm mich herzlich auf und trug mich voran. Es machte mir Platz, sodass ich ungehindert beschleunigen konnte.
Ein Blick nach links und rechts verriet mir, dass ich bereits jetzt einen großen Vorsprung erzielt hatte und die anderen Schwimmerinnen weit hinter mir lagen.
Auch dieses Rennen würde ich gewinnen, da war ich mir sicher. Der Weltmeistertitel würde erneut mir gehören!
Mein Kopf näherte sich wieder der Oberfläche und ich begann nun, meine Arme in schnellen, regelmäßigen Bewegungen zu rotieren, während ich im schnellen Tempo mit den Beinen schlug.
Der Lärm der Zuschauer drang wieder zu mir hinunter und erfüllte mich mit Freude. Das Schwimmen war mein Leben - und würde es auch immer sein.
Schon seid ich klein war fühlte ich mich nirgends so wohl wie hier. Das Wasser war mein zweites Zuhause und auch der einzige Ort, an dem ich mich frei fühlen konnte. Ich bemerkte, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen schlich, als ich ein letztes Mal meine ganze Kraft bündelt und die entscheidende Bahn entlang schwamm. Meine rechte Hand streckte ich weit nach vorne und schon kurz darauf, berührte sie den gefließten Rand des Beckens, worauf lauter Jubel und schrille Pfiffe aus Richtung des Publikums erklangen.
,,Meine Damen und Herren, das diesjährige Rennen der Weltmeisterschaft im 400m Freistil in Australien ist entschieden! Bereits zum dritten Jahr in Folge, holt sich unsere bezauberne Momoka Takira, auch bekannt als der blaue Pfeil, den verdienten Sieg! So eine Siegesserie gab es schon lange nicht mehr! Ich bitte sie nun erneut um einen kräftigen Applaus für unsere Siegerin!"
Der Applaus drang wie durch Watte an meine Ohren. Ich konnte kaum fassen, dass ich bereits zum dritten Mal in Folge die Weltmeisterschaft gewonnen hatte. Es war so realistisch gewesen und doch eine riesige Überraschung für mich. Durch diesen Sieg war ich meinem Traum von einer Teilnahme bei Olympia wieder ein Stück näher gekommen. Um dort teilzunehmen, musste ich jedoch noch stärker werden! Aber ich wusste, dass ich das schaffen würde. Ganz egal, wie lange es noch dauert.
Grace, meine Trainerin, kam auf mich zugestürmt und zog mich in eine feste Umarmung, sobald ich das Becken verlassen hatte und mir meine Badekappe sowie Taucherbrille vom Kopf zog, sodass mir meine schwarzen Haare über die Schultern fielen.
Unter Tränen gratulierte sie mir mittlerweile zum dritten Mal zu meinem Sieg und auch hier flüsterte ich wieder ein Danke in ihr Ohr und drückte sie fester an mich. Nur durch sie war mir all das hier erst ermöglicht worden. Hätte sie mich damals im Schwimmbad meiner Heimat in Gold Coast nicht entdeckt, würde ich vermutlich immernoch dort in unserer Wohnung hocken und meinem Traum von einer berühmten Schwimmerin nachgehen. Ohne jegliche Aussicht auf Erfolg.
Mittlerweile waren auch die anderen Teilnehmer aus dem Becken gestiegen und unterhielten sich mit ihren Trainern, die weiter abseits des Beckens gestanden hatten und sich nun zu uns gesellten. Ich sah einige lachen, andere weinen. Viele waren frustriert darüber, dass sie nicht gewonnen hatten oder dass etwas schief gelaufen war. Aber allein darauf, dass sie es bis hierher geschafft hatten, sollten sie stolz sein. Schließlich schaffte es nicht jeder, die Normzeiten zu bewältigen, die für die Teilnahme an diesem Wettkampf nötig waren.
Grace trocknete ihre Tränen, während wir nebeneinander unter tosendem Applaus in den Tunnel verschwanden, der uns in unseren Raum führte. Dort angekommen, setzte ich mich auf eine der vielen Bänke und lehnte meinen Kopf an die Wand, während ich mich ein wenig ausruhte.
Wenig später kam Grace zu mir und drückte mir ein Glas Wasser in die Hand, das sie unterwegs besorgt hatte. Ich leerte es in einem Zug aus, während sie mich stolz anblickte.
,,Ich bin so stolz auf dich, weißt du das?"
Ihre lieben Worte überrumpelten mich und ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Aber scheinbar war dies auch gar nicht nötig, denn sie war noch nicht fertig.
,,Damals, als ich dich in Gold Coast gesehen hatte, wusste ich, dass ich dich trainieren möchte. Deine Art zu schwimmen und die Leidenschaft in deinen Augen, hat mich sofort verzaubert. Und als du mich dann strahlend angeblickt hast, als ich dir gesagt habe, dass ich dich privat trainieren möchte, weil du einfach unglaublich bist! Diesen Moment werde ich niemals vergessen. Du bist noch so jung und hast es aus eigener Kraft so weit nach oben geschafft!"
Mir stand der Mund offen und ich spürte, wie sich Tränen den Weg zu meinem Kinn hinunter bahnten.
,,Danke Grace, für alles. Ohne dich hätte ich es niemals geschafft!" Ich kam mir so vor, als würde ich mit meinen Worten eine Stelle aus einem Buch zitieren, die man so normalerweise niemals gesagt hätte. In manchen Augen, mögen diese Worte viel zu formell und übertrieben erscheinen, doch sie waren gerade genau das Richtige gewesen.
Eine angenehme Stille legte sich über uns, die aber plötzlich unterbrochen wurde, als die Stimme des Moderators aus den Lautsprechern erklang, die Verkündete, dass die Siegerehrung anstand.
Ich schnappte mit meine Trainingsjacke sowie die passende Hose und zog mir alles über meinen Badeanzug, der schon etwas getrocknet war.
Meine Schritte beschleunigten sich, als ich den Tunnel erneut entlanglief und das helle Licht am andere Ende sah.
Grace stand schon neben den Schiedsrichtern und lächelte mir zu. Ich erwiderte es und lief auf das Podest zu, als mein Name erklang. Mir wurde eine goldene Medaille umgehangen und wenig später bekam ich auch einen gigantischen Blumenstrauß in die Hand gedrückt.
◇◇◇
Ich hob meine Hand zum Abschied und guckte nocheinmal über die Schulter zurück zu Grace, die winkend mit dem Blumenstrauß neben ihrem Auto stand. Den Blumenstrauß hatte ich ihr geschenkt, so wie jedes Jahr. Es war schön anzusehen, wie sie sich immer wieder aufs neue freute, wenn ich ihr Blumen schenkte.
Ich setzte mir meinen Motorradhelm auf den Kopf und überprüfte, ob er auch gut saß und setzte ich mich auf das Leder, das den Sattel beschrieb, stellte meine Füße hoch und griff mit meinen Händen um den Lenker.
Das Motorrad düste den steilen Berg hinab, der mich zu meiner momentanen Bleibe, eine kleine, bescheidene Wohnung am Rande Sydneys, führen würde.
Plötzlich blendete mich ein starkes Licht, ich geriet ins schleudern und merkte, wie sich die Welt um mich herum drehte. Ich bekam panik. Mein Puls beschleunigte sich immer weiter, als ich bemerkte, wie meine Hände langsam den Halt am Lenker verloren.
Auf einmal war da nichts mehr, an dem ich mich festhalten konnte. Kein Leder, keine Griffe, kein Metall. Nur die stickige Luft, die mir peitschend um den Kopf flog. Vor Schreck riss ich meine Augen weit auf und auch mein Mund beschrieb eine große Öffnung. Ein Schrei erklang von weit her. Vielleicht war es auch mein eigener...
Der Aufprall, betäubender Schmerz, dann wurde alles schwarz.
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