II
Unruhig strich sich Yuna ihre Schürze zurecht, eilte zu dem kleinen runden Tisch und rückte abermals die Teller gerade.
„Liebes, es ist alles perfekt. Setzt dich doch." Die Stimme Großmamas strahlte Ruhe aus und senkte den rasenden Herzschlag ein wenig.
Laut atmete die junge Frau aus und ließ sich auf den alten Hocker fallen.
„Erzähl, Liebes, wie war er?" Die grünen Augen der älteren Dame funkelten.
„Ach Großmama, er ist ein Mann wie jeder andere. Mach dir nicht zu viele Hoffnungen, er ist definitiv nicht mein Typ."
„Sag niemals nie, Liebes." Großmama zwinkerte und stand daraufhin ächzend auf. „Ich werde mich hinlegen. Der Tag war heute in der Näherei wieder sehr anstrengend."
Bedauernd folgten Yunas Blicke ihrer Großmutter, die sich schlürfend aus der kleinen Küche entfernte. Nicht mal einen Bissen hatte sie angerührt und Sorgen plagten die Enkelin. Welcher Tag war nicht anstrengend für die nun 70-Jährige?
Ein dröhnender Gong riss die Brünette aus ihren Gedanken und sie begann nervös ihren Schürzenstoff zu kneten.
Nun fielen ihr alle Makel der kleinen Küche auf. Die vergilbte Tapete auf der Betonwand, der verrußte Ofenherd, die ungleichmäßige Maserung der wenigen Schränke und die drei wackelnden Stühle, die um den mittig platzierten Holztisch standen.
Verdammt, wo war dieser Mann? Es hatte vor zwanzig Sekunden zum Abendbrot gegongt und er war nicht pünktlich.
Genau in diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
Wie von Eiswasser übergossen, sprang Yuna auf und eilte zur Tür.
Mit Schwung öffnete sie diese und dort stand er. Mit feuerroten Haaren, die in alle Richtungen abstanden.
„Kommen Sie doch herein."
„Mit Vergnügen", lautete seine Antwort, bevor er einen großen Schritt machte und neben ihr stehen blieb.
Etwas verdattert schloss sie die Tür, die ein protestierendes Knarzen von sich gab.
„Vielen Dank, dass Sie..."
„Lass das doch sein, so formal, da muss ich von kotzen."
Yuna blieb die Spucke weg.
Was soll das werden?
Doch er lächelte sie kühn an, mit einem Lächeln, das den linken Mundwinkel höher wandern ließ.
Dann wirbelte er herum und stolzierte wie selbstverständlich in die Küche.
„Schöne Hütte hier."
„Wa-?" Brachte Yuna zustande, die ihn mit offenem Mund beobachtete.
Eigentlich wollte sie ihm gerne ‚Was nimmst du dir eigentlich heraus?' an den Kopf werfen, aber sie setzte ein Lächeln auf.
„Setze dich doch." Forderte sie ihn mit bemüht ruhiger Stimme auf.
Er tat wie geheißen und begutachtete anschließend das dampfende Gericht vor ihm.
Mit sicheren Handgriffen füllte sie die weißen Teller, die schon bessere Tage gesehen hatten.
Noch bevor sie ihm ‚guten Appetit' wünschen konnte, schob er sich eine große Gabel Reis in den Mund.
„Mmh, lecker!" In den noch vollen Mund landete eine weitere Portion.
Mit einem leisen Seufzen legte die junge Frau ihre kühlen Finger an ihre Stirn.
Doch obwohl sein unmanierliches Verhalten alles andere als respektabel war, zupfte ein feines Lächeln an ihren Lippen.
„Wo ist das Klo?" Kam prompt der nächste Satz, der sie innerlich aufschreien ließ. Wo war dieser Flegel aufgewachsen?
„Das Zimmer direkt nebenan", murmelte sie erschöpft.
Laut schabten die Stuhlbeine über den Boden und geschwind war er um die Ecke verschwunden.
Yuna prustete eine Strähne aus ihrem Gesicht und starrte auf ihre Portion, die sie noch nicht angerührt hatte. Er hingegen hatte bereits den Teller bis auf den letzten Krümmel geleert.
Tief einatmend griff sie nach ihrer Gabel und genoss jeden Bissen.
Nicht mehr lange und er ist endlich weg.
Verdammt, warum versetzte dieser Gedanken ihr einen Stich ins Herzen? Sie sollte sich freuen, dass dieser unhöfliche Junge bald wieder aus ihrem Leben trat.
Doch stattdessen begann das köstliche Reisgericht fade zu schmecken.
Plötzlich hielt sie inne. Wo blieb er denn so lange?
Sicherheitshalber wollte sie überprüfen, ob er noch da war. Auch wenn es ihr unangenehm war, klopfte sie sacht an der Tür zum Badezimmer. „Geht es dir gut?"
Peinlich berührt räusperte sie sich, als ihr bewusst wurde, dass sie seinen Namen nicht kannte.
Doch aus dem Bad drang kein Laut. Ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit.
Im selben Augenblick strich ein feiner Windhauch ihre Wange. Mit aufgerissenen Augen wirbelte sie herum und stellte erschrocken fest, dass der Schrank ein Spaltbreit von der Wand entfernt war.
Verdammt! Das darf nicht wahr sein!
In Sekundenschnelle zog sie den Schrank beiseite und trat durch die Öffnung in der Wand. Sofort schlug ihr der süße Duft von Rosen und Kirschen entgegen.
Einzelne Sonnenstrahlen, die sich durch die Ebenen gebannt hatten, schimmerten auf der Wasseroberfläche des kleinen Teichs in der Mitte. Davor saß der Rotschopf im knöchelhohen Gras.
„Verdammt, was machst du bitteschön hier?"
„Oh, das ist nicht das Klo, oder? Da hab' ich mich vertan."
Empört stampfte Yuna zu ihm und baute sich vor ihm auf. Wut strömte wie kochendes Wasser durch ihre Blutbahnen.
„Was nimmst du dir eigentlich heraus?!"
Er wendete seinen Kopf und ihre Blicke trafen sich. Seine faszinierenden Augen funkelten ihr entgegen. „Mir gefällt's, wenn du wütend bist."
„Wie bitte?" Ungläubig starrte sie ihn an. Verwirrt ließ sie die Arme sinken.
Was ist falsch mit diesem Mann?
Doch schnell fing sie sich und ihr rationaler Teil übernahm.
„Wie hast du die geheime Tür gefunden?"
„Ach, ich hatte so'n Gefühl."
„Ein Gefühl?!"
Völlig überrumpelt ließ sie sich neben ihn fallen.
„Großmama hat diesen Garten angelegt. Damals, bevor es Valtarun gab." Yuna verstand nicht, warum sie ihm das erzählte.
„Ravi."
„Bitte?" Verdutzt blickte sie in seine Augen und glaubte für einen Moment einen Schatten auf ihnen liegen zu sehen.
Doch dann grinste er sie an und streckte ihr seine Hand entgegen. „Ich heiße Ravi."
Ihr Körper verselbstständigte sich und sie griff nach seiner Hand, deren Berührung auf ihrer Haut kribbelte. „Yuna."
„War mir eine Ehre, My Lady."
Dann richtete er sich auf, um wie morgens auf dem Markt zu verschwinden und ließ die Brünette mit ihren Gedanken alleine.
Völlig überfordert blickte sie ihr Spiegelbild an.
„Verdammt. Was passiert hier?", flüsterte sie.
Sie konnte ihn nicht einschätzen. Würde Ravi es den Aufsehern verraten? Und wie hatte er den geheimen Garten überhaupt gefunden?
Es war wie in einem Fiebertraum.
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