III.
Daleth, 7. Juli 2156
„Alles Gute zum Geburtstag!", schallte es im ganzen Raum. Endlich war ich zwölf Jahre alt! Mama, Papa und Lonan zerquetschten mich fast, als sie mich umarmten.
Ich war froh, meinen Geburtstag mit meiner ganzen Familien feiern zu können, Mama und Papa hatten sich extra für heute frei genommen. Großeltern hatte ich keine, meine Eltern waren beide Waisen gewesen, wie die meisten Geflügelten als Babys ausgesetzt. Das musste schrecklich gewesen sein, aber dafür war ich umso dankbarer, Eltern zu haben, die mich liebten.
„Was möchtest du zuerst, Geschenke auspacken oder Kerzen auspusten?", lenkte mich Papa ab. „Kuchen!", quietschte Lonan, bevor ich antworten konnte. Lonan, du Leckermaul. Auf seinem Kinn und seiner Wange klebte Schokolade, anscheinend hatte er schon von der Schokoglasur meines Geburtstagskuchens genascht.
Ich konnte ihm zwar nicht wirklich böse sein, aber trotzdem wollte ich zuerst meine Geschenke auspacken, musste er eben noch eine Weile auf den Kuchen warten.
„Hier, mein Vögelchen, das ist für dich." Mama überreichte mir feierlich ein im ersten Moment seltsam aussehendes Kleidungsstück. „Ist das etwa?" Mit einem Nicken bestätigte sie meine Vermutung, tatsächlich! Meine erste Fliegerkluft!
Es war ein spezielles Kleidungsstück für geflügelte Menschen mit Öffnungen für die Flügel am Rücken. Man kann es einfach über den Kopf ziehen, da es hinten offen ist und schließlich unter den Flügelansätzen zuknöpfen.
Die meisten Oberteile funktionierten zwar nach demselben Prinzip, doch dieses Outfit war aus einem speziellen dehnbaren enganliegenden Stoff gefertigt, und eignete sich perfekt zum Fliegen.
Überschwänglich fiel ich ihr um den Hals. Jetzt stand meinem ersten Flug nichts mehr im Weg! „Freut mich, dass es dir gefällt", lachte meine Mama, „probiere es später gleich an.
Lonan schenkte mir als nächstes ein selbstgemaltes Bild. Es zeigte eine flache Scheibe mit Häusern drauf und rundherum Wolken, unsere Stadt, und uns vier direkt daneben, vermutlich flogen wir gerade alle zusammen. Für einen Sechsjährigen war es sogar sehr gut erkennbar und ich drückte ihn ganz fest dafür. Einen kleinen Kuss auf die schokoverschmierte Wange bekam er auch.
Erwartungsvoll schaute ich nun meinen Papa an. Er hatte schon zuvor angekündigt, dass er etwas „ganz besonderes" für mich hatte. „Na, bereit für dein ganz großes Geschenk?" Natürlich! Ich warte doch schon die ganze Zeit!, hätte ich am liebsten gerufen, aber stattdessen nickte ich nur.
Papa verschwand mit einem geheimnisvollen Lächeln hinter der Tür und tauchte mit einer großen grauen Schachtel wieder auf. Als er sie auf den Boden abstellte, sah ich, dass münzgroße Löcher im Deckel waren und versuchte, reinzuschauen.
„Vorsichtig", mahnte Mama mich und Lonan, der natürlich auch neugierig den Finger reinsteckte. Überrascht quiekend zog er ihn wieder hinaus. „Da ist was drin, das hat meinen Finger abgeschleckt!" Ist das wieder nur einer seiner Scherze oder?
Ganz langsam, während mein Herz vor Aufregung hämmerte, hob ich den Deckel an. Etwas weißes, flauschiges lag zusammengerollt in der Kiste und schaute mich mit neugierig funkelnden Kulleraugen an. „So süüüß!", quietschte mein kleiner Bruder in den höchsten Tönen und ich hätte fast mitgemacht.
„Shh, sei leise", mahnte ich ihn, als ich sah, wie das kleine Wesen zusammenzuckte, bestimmt hatte es sich erschreckt. „Na, du, keine Angst", hauchte ich und streckte ganz langsam und vorsichtig die Hand nach dem Tier aus.
Im ersten Moment wich es kurz zurück, aber dann traute es sich doch und schnupperte an meinen Fingern, das kitzelte. Zusammengerollt sah es aus wie ein flauschiger Schneeball, jetzt breitete es weiße Flügel aus. Es war ein geflügeltes Kaninchen!
Naja, der Kopf erinnerte an ein Kaninchen, wenn er auch etwas schmaler war, die langen Ohren waren jedoch eindeutig. Nur der lange Schwanz passte nicht so recht ins Bild, aber schließlich hatte es ja auch Flügel. Zudem war es fast komplett weiß, aber nicht ganz. Die Ohren-, Schwanz- und Flügelspitzen waren schwarz.
„Das ist wirklich für mich?" Ich hatte mir schon immer ein eigenes Haustier gewünscht, aber es hieß immer, ich wäre noch zu jung. Mama und Papa nickten bestätigend, auch sie strahlten über beide Ohren. Das war der beste Geburtstag meines Lebens!
„Ich werde dich Snow nennen", verkündete ich freudestrahlend und nahm mein Flugkaninchen ganz vorsichtig in den Arm. Ich werde immer gut auf dich aufpassen!
Auch wenn ich in diesem Moment wunschlosglücklich war, musste ich natürlich die zwölf Kerzen meiner Schokotorte auspusten. Aber statt ganz normal zu pusten, drehte ich mich um, breitete meine Flügel aus und versuchte mit ein paar gezielten Flügelschlägen die Kerzen zum Erlöschen zu bringen.
Das funktioniert leider nicht so gut wie gedacht und frische Schokoladenglasur spritzte überall hin. Oh nein! Besonders Lonan, der direkt hinter der Torte gestanden hatte, sah nun noch schokoladiger aus als zuvor. Ups!
Unsicher schielte ich zu meinen Eltern hinüber. Sie würden doch nicht schimpfen, oder? „Das war mal ein Windstoß", lachte mein Papa bloß und wischte einen Schokofleck vom Tisch, nur um den Finger dann in den Mund zu stecken. Woher Lonan sein Leckermaul hatte, war klar.
Auch Mama schien nicht böse zu sein und zuckte einfach lachend mit den Schultern. Lonan hatte es natürlich nichts ausgemacht, mit Schokolade bespritzt zu werden, er schleckte sich einfach sauber.
„Also, die Kerzen sind aus, hast du dir etwas gewünscht?" Ich wünsche mir, dass mein erster Flug klappt und ich, wenn ich älter bin, zu allen anderen Städten fliegen kann. Auf Mamas Frage hin nickte ich aber nur, man durfte Wünsche schließlich nicht laut sagen, sonst gingen sie nicht in Erfüllung.
Nach diesem langen und wunderschönen Geburtstags-Tag kuschelte ich mich in mein Bett, Snow rollte sich auf dem Kopfpolster neben mir zusammen. Diese Nacht träumte ich davon, wie ich mit Mama, Papa, Lonan und Snow von einer schwebenden Stadt zur nächsten flog.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro