21. Kapitel
»In zweihundert Metern rechts abbiegen«, unterbrach die monotone Stimme des Navis die Musik.
»Mach doch jetzt endlich das Navi aus! Hier kennen wir uns aus. Zumindest ich. Du vielleicht nicht so sehr. Du warst ja nur die letzten paar Wochen hier.« Meine Mutter tippte genervt ununterbrochen an das Autofenster. Seufzend stellte Jens das Navi aus. Ich spürte, dass meine Mutter mal wieder nur nach einem Grund suchte, um Jens anzuschnauzen. Sie wollte sich schützen. Sie wollte sich dagegen wehren, dass sie Jens so schnell einigermaßen wieder vertraut hatte. Sie brauchte einen Grund, um sich zu zeigen, warum Jens und sie nicht mehr zusammenpassten. Und ich verstand sie. Ich verstand sie wirklich. Ich konnte es so gut nachfühlen, wie sie sich fühlte, aber gleichzeitig hoffte ich auch einfach nur darauf, dass sie sich endlich wieder vollkommen auf Jens einließ. Auch für meine Mutter hoffte ich, dass sie so endlich wieder richtig glücklich werden konnte. Denn ich hatte sie immer an Jens erinnert. Auch wenn sie das nie so direkt gesagt hatte, wusste ich, dass das so war. Und wenn sie Jens verzieh, würden in ihr nicht sofort negative Gefühle aufkommen, wenn sie etwas mit Jens verband oder an ihn dachte. Oder mich sah.
Mein Handy klingelte. Automatisch wanderten meine Augen zu dem schwarzen Gerät. WhatsApp. Vielleicht Francesca, die sich erkundigte, ob wir gut angekommen waren. Sie wusste, dass wir um ungefähr 19 Uhr da sein würden. Und jetzt war es schon viertel nach. Kathas Mutter wusste es zwar auch, aber sie würde eher Katha als mir schreiben.
Ich entsperrte mein Handy. Mein Herz hörte für einen kurzen Moment zu schlagen auf. Cara.
Hallo...
Von Katharinas Mutter weiß ich, dass ihr bald da sein solltet. Ich bin bei ihr. Nur so zur Vorwarnung. Ich weiß, die Fahrt war für dich bestimmt ziemlich anstrengend. Aber ich denke, es ist gut, wenn wir das Gespräch bald hinter uns haben. Sonst schieben wir es nur unnötig immer weiter nach hinten. Also bis gleich.
Ich hatte die Nachricht abgerufen, aber ich antwortete nicht. Ich wusste nicht, was. Ich hatte mit dem Gespräch gerechnet, aber doch nicht so früh! Ich war mental noch gar nicht darauf vorbereitet. Aber Cara hatte wahrscheinlich Recht. Je schneller wir es hinter uns hatten, desto besser war es.
»Cara?«
Erschrocken drehte ich mich zu Katha und nickte dann bedächtig. Sie sagte nichts, sondern sah mich nur wissend und verständnisvoll an.
»Viel Erfolg dann bei dem Gespräch.« Sie stockte. Ich merkte, wie sie noch etwas sagen wollte. Aber sie schüttelte den Kopf. So unscheinbar, dass ich es fast nicht bemerkt hätte. Ich fragte nicht weiter nach. Die Anspannung in mir stieg je näher wir meinem Zuhause kamen. Niemand sprach mehr ein Wort. Und dann parkte Jens endlich. Ich atmete tief durch, schnallte mich ab und nahm Blickkontakt zu Katha auf. Sie lächelte mich ermutigend an. Mein Blick blieb einen Moment zu lang an ihren Lippen hängen. Ich fühlte mich an dem Abend im Club zurück versetzt. Verdammt! Ruckartig löste ich meinen Blick.
»Also...«, meine Mutter machte eine kurze Pause, bis sie weitersprach, »es hat mich gefreut, dass du mitgekommen bist, Katharina. Es war schön mit dir. Ich hoffe, es hat dir auch gefallen.«
»O ja. Es war wirklich super schön. Danke, dass ihr mich mitgenommen habt. Italien war wirklich toll und unsere Ausflüge natürlich auch«, lobte Katha. Ich merkte an ihren kurzen Pausen zwischen den Sätzen, wie sehr sie darum bemüht war, dass sie möglichst ausführlich antwortete, um ihre Dankbarkeit zu zeigen und höflich zu wirken.
»Aber gerne doch!«, erwiderte meine Mutter darauf nur und lächelte uns über den Spiegel an.
»Es war wirklich schön. Und wenn du dich mal wieder an einem Cover probieren willst, kannst du jederzeit auf mich zukommen«, schlug Jens nun vor. Katha bedankte sich und schließlich stiegen wir aus dem Auto. An Kathas Haustür stand schon ihre Mutter und hinter ihr - ich schluckte - hinter ihr stand Cara. Während wir in der einen Woche braun geworden waren, war sie noch immer blass. Zwar nicht so blass wie noch vor unserer Abreise, aber immer noch ziemlich blass. Zögerlich ging ich auf sie zu. Katha hielt sich hinter mir und begrüßte schließlich ihre Mutter. Meine Umgebung blendete ich ab diesem Zeitpunkt aus. Cara stand nun vor mir. Sie hatte sich leicht geschminkt und eines meiner Lieblingsoutfits an ihr angezogen: Das weiße Top mit dem schwarzen Rock und dem Gürtel, der an ihrer Taille lag und die beiden Kleidungsstücke miteinander verband.
Cara rang sich ein vorsichtiges Lächeln ab.
»Hey.«
»Hey«, erwiderte ich die kurze Begrüßung. »Du kannst schon mal in mein Zimmer gehen. Ich komme in ein paar Minuten nach. Davor hole ich noch meine Sachen aus dem Auto und verabschiede mich von Katha. Okay?«, vergewisserte ich mich noch mit zittriger Stimme. Cara nickte nur, trat einen Schritt zurück und ging schließlich zu meiner Haustüre, die meine Mutter mittlerweile geöffnet hatte.
Nun, als Cara aus meinem Sichtfeld verschwunden war, wandte ich mich zu Katha und zog sie in eine Umarmung. Sie erwiderte diese überrascht.
»Danke, dass du mitgekommen bist. Es war wunderschön mit dir«, wisperte ich an ihrem Ohr. Ehe sie antworten konnte, hatte ich mich schon wieder von ihr gelöst und war auf dem Weg zum Auto, um meinen Koffer aus dem Kofferraum zu holen.
Ich beeilte mich, fertig zu werden. Kurze Zeit später stand ich vor meiner eigenen Zimmertür. Meine rechte Hand hielt verkrampft meinen Koffer fest. Ich konnte es überhaupt nicht einschätzen, in welche Richtung das Gespräch mit Cara gehen würde. Und diese Unsicherheit ließ mich mich so unvorbereitet fühlen.
Meine Mutter lief an mir vorbei in ihr Schlafzimmer. Sie warf mir einen fragenden Blick zu. Kein Wunder, normalerweise stand ich auch nicht Ewigkeiten vor meiner eigenen Tür und traute mich nicht, mein Zimmer zu betreten. Ich kam mir so verloren vor. und genau deswegen öffnete ich jetzt einfach die Tür - ohne nochmal groß darüber nachzudenken. Mein erster Blick fiel auf mein leeres Bett. Cara saß nicht darauf? Ich ging zwei Schritte in den Raum, den ich das letzte Mal vor einer Woche betreten hatte.
Nun sah ich auch Cara. Sie hatte sich auf meinen Schreibtischstuhl gesetzt, was ziemlich untypisch für sie war. Aber wahrscheinlich war der Abstand, der somit zwischen uns herrschte, wenn ich mich auf mein Bett setzte, vorteilhaft.
Ich stellte meinen Koffer in die Mitte des Raums und schloss die Tür. Ich fühlte mich beobachtet, ließ mir davon aber nichts anmerken. So als ob nichts wäre, setzte ich mich auf mein Bett. Ich musterte Cara. Cara musterte mich. Wir sagten kein einziges Wort. Mindestens drei Minuten lang. So lange kam es mir jedenfalls vor. Das Geräusch, das die Stille, die schwer auf uns lag, unterbrach, war Caras Seufzen. Dann setzte sie an, etwas zu sagen.
»War der Urlaub schön?«
Verblüfft starrte ich sie an. Mit solch einer Frage hatte ich nicht gerechnet. Ich nickte nur. Ich wollte jetzt keinen Smalltalk darüber halten, sondern so schnell wie möglich wissen, was Sache war.
»Das freut mich«, erwiderte Cara zaghaft. »Also, ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie vereinbart«, griff sie danach noch auf, da sie anscheinend verstanden hatte, dass das das Einzige war, über das ich im Moment mit ihr reden wollte. Oder eher musste. Je nachdem, wie man es betrachtete.
Abwartend sah ich Cara an. ich wollte ihr nicht jede Kleinigkeit aus der Nase ziehen. Und zugegebenermaßen hatte ich ihr noch nicht verziehen, auch wenn ich sie vermisste. Cara strich sich eine ihrer Strähnen hinters Ohr.
»Und es fiel mir nicht leicht. Aber ich denke, ich kann mich damit abfinden, wenn du deinen Vater«, sie malte mit ihren Fingern Anführungszeichen in die Luft, »wieder in dein Leben lässt. Irgendwie werde ich es schon hinbekommen.«
Ich gab ihr keine Reaktion. Das war's? Nur das? Ohne Entschuldigung? Und nicht mal dem Ansatz von Einsicht und Bereuen? Das war wirklich alles, was sie zu sagen hatte? Anscheinend spiegelte sich in meinem Gesicht meine Unzufriedenheit wider, denn Cara setzte zu einem weiteren Versuch an, sich zu erklären. Hoffte ich zumindest.
»Ich denke mal, es tut mir leid?«, schob sie noch hinterher. Skeptisch zog ich die Augenbrauen nach oben.
»Das war so ziemlich gar nicht überzeugend«, bemerkte ich trocken. Cara schaute danach nur auf den Boden, bis sie mich nach einigem Schweigen wieder ansah.
»Ich weiß, tut mir leid.« Ehrlichkeit spiegelte sich in ihren Augen.
Ich konnte mir ein hysterisches Lachen nicht verkneifen.
»Das ist jetzt doch nicht dein Ernst! Du bekommst eine viel überzeugendere Entschuldigung für so etwas hin als für die eigentliche Sache? Merkst du nicht auch, dass da etwas gewaltig falsch läuft?« Ich musste mich zusammenreißen. Ich durfte hier jetzt nicht durchdrehen. ich sollte einfach nur Ruhe bewahren. Das konnte doch nicht so schwer sein.
»Ich weiß, aber das hier fällt mir gerade echt nicht so leicht.«
»Mir auch nicht«, bemerkte ich in einem emotionslosen Tonfall. Ich wunderte mich, wie ich diesen hinbekommen hatte, obwohl ich innerlich mit den Tränen kämpfte.
»Ach man, warum ist das nur so schwer?« Cara stützte ihre Arme auf ihren Oberschenkeln ab und lehnte sich nach vorne. Ich erwiderte darauf nichts. Es war sowieso eine rhetorische Frage. »Okay, machen wir es kurz: Ich habe es eingesehen - mehr oder weniger. Ich kann dich verstehen, aber ich kann auch meine Sicht darüber verstehen. Ich sehe diese als richtiger an. Aber ich akzeptiere auch, dass du nicht meiner Meinung bist. Ich werde diesbezüglich versuchen, verständnisvoller dir gegenüber zu sein. Versprochen. Am Anfang wird es mir wahrscheinlich noch ziemlich schwer fallen, aber mit der Zeit wird das bestimmt besser werden. Ich bin nicht mehr dafür, dass du Jens aus deinem Leben verbannst, aber ich würde mich natürlich total darüber freuen, wenn du das doch tust. Ich weiß, das ist verdammt scheiße von mir. Ich weiß das, aber ich kann irgendwie nichts dagegen tun. Ich weiß auch nicht, warum mir das so schwer fällt. Es ist einfach so. Irgendwie. Wie gesagt, ich werde mein Bestes geben, etwas dagegen zu tun. Aber ich will, dass du weißt, dass ich dich nicht verlieren will. Aber vor allem will ich dich nicht als meine feste Freundin verlieren. Das wäre die Hölle. Jeder macht mal Fehler. Klar, ich habe einen riesigen Fehler gemacht. Aber ich habe ihn eingesehen, so ungefähr, und ich würde alles dafür tun, diesen Fehler zu beseitigen. Denn ich will dich wirklich auf gar keinen Fall verlieren. Was sagst du dazu?« Damit war Caras Monolog beendet. Doch ich war nicht in der Lage, auf diese Frage zu antworten. Ich war nicht einmal in der Lage, irgendetwas von mir zu geben, so sehr hatte mich Caras plötzliches Geständnis überrascht. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich wusste nicht, was ich dazu denken sollte. Ich wusste rein gar nichts. Ich wusste nur, dass ich aus Caras Worten hauptsächlich herausgehört hatte, dass sie es zwar einsah, aber noch immer auf ihrer Meinung beharrte. Und dass sie mich nicht verlieren wollte. Trotzdem hatte sie mich nicht überzeugt. Ich wusste nicht, warum. Es hätte mich doch überzeugen sollen! Caras flehender Blick, der auf mir lag, löste in mir nicht die Emotionen aus, die dafür angebracht wären. Mir machte der Gedanke daran, dass es hier und jetzt mit unserer Beziehung vorbei war, nichts aus. Gar nichts. Okay, ein bisschen schon, aber dieser Teil war erschreckend gering. So gering, dass ich von mir selbst schockiert war. Warum machte mir das nur nichts aus? Das war doch wirklich etwas seltsam. Nicht nur etwas. Warum zur Hölle machte mir das nur nichts aus? Warum ließ ich es nicht einfach gut sein und versuchte, es Cara zu verzeihen?
»Du, Cara, äh ...«, fing ich unsicher an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und auch wollte. Mein Gehirn war ein einziges Chaos. Ein viel zu großes. Abwartend sah mich Cara an. Ich war ein schlechter Mensch. Cara hatte sich entschuldigt. So lange und sich so ... so bemüht. Und ich fand, dass es immer noch nicht genug war. Dazu war ich auch noch erleichtert darüber.
»Ja?«, hakte Cara schließlich nach.
»Ich ... ich, es tut mir leid«, sagte ich frustriert.
»Was tut dir leid?«, fragte sie weiter.
»Das Ganze hier. Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob das mit uns überhaupt noch Sinn macht. Ich will dich nicht verlieren. Auf gar keinen Fall. Aber ich merke immer mehr, dass mir eine Freundschaft reicht.« Ich wollte noch mehr dazu sagen, aber ich konnte nicht. Ich wusste nicht, was. Ich wusste es einfach nicht. Ich war schlichtweg überfordert.
Cara stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Sie war sprachlos. Lange Zeit starrten wir uns einfach nur an. Ich merkte, wie Cara die Tränen kamen. Ich stand auf und ging zu ihr. Ich nahm Augenkontakt mit ihr auf, ob es in Ordnung war. Sie sah mich nicht abwehrend an. Also legte ich meine Arme um Cara und drückte sie an mich. Sie rührte sich nicht, bis ich sie schluchzen hörte. Dieser Laut zerriss mir das Herz. Doch ich spürte, dass meine Entscheidung die einzig richtige war.
»Das heißt, du machst mit mir Schluss?«, brachte es Cara auf den Punkt. Ich nickte. »Das ist doch jetzt nicht dein Ernst!«
»Doch, das ist es«, widersprach ich ihr und merkte in diesem Moment, was für eine große Last von mir abfiel. Ich wusste nicht einmal, dass diese die letzten Monate über existiert hatte, aber sie war jetzt weg. Einfach so. Es war befreiend. Ich verstand mich selbst kaum. Was war nur los mit mir? War es wegen Katha? Egal was, es war falsch von mir. Viel zu falsch. Deswegen war es auch die richtige Entscheidung. Cara hatte mich nicht verdient. Überhaupt nicht.
Cara sprang mit großer Wucht vom Stuhl auf und funkelte mich mit dem bösesten Blick an, den ich je bei ihr gesehen hatte.
»Das ist doch wirklich das Letzte! Man darf nicht mal einen klitzekleinen Fehler machen. Und selbst wenn man sich dafür entschuldigt und es besser machen will, ist das immer noch nicht genug!«, fauchte Cara schon fast. Ich versuchte ruhig zu bleiben.
»Genau das ist doch das Problem. Du willst es gar nicht besser machen. Du fühlst dich dazu nur gezwungen, weil du mich nicht verlieren willst. Aber ich hab dich doch immer noch gern. Du kannst es immer noch besser machen und wir können trotzdem noch befreundet bleiben«, versuchte ich, Cara zu beruhigen. Sie sah mich fassungslos an und in genau dem Moment klopfte es an meiner Türe. Überrascht sah ich in die Richtung und Cara setzte sich wieder.
»Ja?«, erwiderte ich auf das Klopfen hin. Und schon öffnete sich schwungvoll die Tür. Tamina streckte den Kopf ins Zimmer.
»Dürfen wir reinkommen?«, fragte sie vorsichtig. Ich bejahte überrascht. Das ließ sich Tamina nicht zweimal sagen und sie stieß die Tür auf. Ich stand auf und schon wurde ich in eine feste Umarmung gedrückt, zu der Celina wenige Sekunden später auch schon dazustieß. Ich schloss die Augen. Ich hatte die beiden vermisst. Cara räusperte sich geräuschvoll und wir wichen auseinander.
Mit verschränkten Armen und wütendem Blick stand Cara vor uns.
»Hi«, brachte Tamina heraus.
»Ich dachte, ich sei dir wichtig. Aber da das offensichtlich nicht so ist, bist du mich jetzt los. Ganz. Für immer!«, donnerte Cara mir mit verletzter Stimme, die leicht zitterte, entgegen.
»Cara ...«, setzte ich an, doch sie schüttelte nur heftig den Kopf, wandte sich von mir ab und verschwand aus dem Zimmer. Die Tür schlug sie zu. Ein Beben erschütterte das Haus. Dann hörte ich ein Schluchzen.
»Ich bin gleich wieder da«, murmelte ich den Zwillingen zu und rannte dann Cara hinterher. Als ich die Treppen herunterkam, schloss sie gerade die Haustür hinter sich. Obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, ging ich zu genau dieser und öffnete sie wieder. Ich blickte mich um, doch ich sah Cara nirgendwo. Wahrscheinlich war sie in irgendeine Straße abgebogen, um aus meiner Sichtweite zu kommen. Wie versteinert blieb ich in der Tür stehen. Ich bewegte mich nicht. Ich bemerkte nur jetzt, wie schnell ich atmete. Ich wollte nicht, dass es so eskalierte. Ich wollte Cara nicht weh tun. Und ich wollte sie nicht verlieren. Ich wollte sie nicht verlieren, verdammt nochmal! Ich sank auf den Boden. Genau auf die Stelle, wo meine Mutter ewig lang nach Jens' erstem Auftauchen gesessen hatte. Genau wie sie stützte ich meinen Kopf auf meinen Händen ab. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Aber ich wusste, dass ich das auf jeden Fall irgendwie wieder in Ordnung bringen wollte. Ich musste es. Cara war mir ans Herz gewachsen, auch wenn ich gemerkt hatte, dass ich sie nicht auf diese Art und Weise mochte, wie sie mich. Ich kannte Cara gut genug, dass sie erstmal Zeit brauchte, das zu verarbeiten. Genauso wie sie die Zeit, in der ich im Urlaub war, gebraucht hatte, um sich darüber klar zu werden, ob sie meine neue Familiensituation akzeptierte oder nicht.
»Malena?«, drang Taminas besorgte Stimme zu mir durch und ich sah zu ihr auf. Celina stand hinter ihr und hatte diesen Blick, den sie immer hatte, wenn es um Dinge ging, die uns belasteten. Ich stand auf und versuchte mich an einem Lächeln.
»Schön, dass ihr endlich da seid. Tut mir leid wegen gerade eben. Cara und ich haben momentan so unsere ... Unstimmigkeiten. Na ja, wie war die Anreise?«, erkundigte ich mich. Zum einen, um das Thema zu wechseln und zum anderen, weil es mich auch wirklich interessierte.
Tamina sah mich kurz prüfend an, bis sie schließlich anfing zu erzählen, und erstmal nicht mehr damit aufhörte. Während wir uns unterhielten, gingen wir wieder zurück in mein Zimmer.
» ... und das war alles«, beendete Tamina die Erzählung. Die Zwillinge und ich saßen im Schneidersitz auf meinem Bett. »Ah, es ist so schön, dich endlich wieder richtig zu sehen!«, meinte Tamina und strahlte mich an. Ich stimmte ihr zu. Celina lächelte mich lediglich an.
»Cara haben wir ja jetzt schon kennengelernt. Jetzt wollen wir aber Katharina auch endlich sehen, meinte Tamina schließlich und sah mich erwartungsvoll an. Ich warf einen schnellen Blick auf mein Handy.
»Es ist eigentlich schon ziemlich spät und sie ist recht müde. Aber ich wollte ihr sowieso noch Gute Nacht sagen. Also könnt ihr sie kurz sehen. Und morgen können wir ja vielleicht etwas zu viert machen«, schlug ich vor und die Zwillinge nickten eifrig. Es versetzte mir einen kleinen Stich im Herzen, dass wir nicht zu fünft etwas machen würden. Dass sie Cara nur als aufbrausenden Mensch gesehen hatten und sie so in Erinnerung behalten würden. Dass sie Caras positive Seiten nicht sehen konnten. Wie liebevoll sie zu Nala war, obwohl es nicht einmal ihr eigener Hund sondern der ihrer Oma war. Wie fürsorglich sie sich um ihre Oma kümmerte. Wie viel Spaß man mit ihr haben konnte. Und noch so vieles mehr.
Ich stand auf, ging ans Fenster und klopfte daran. Die Zwillinge kamen zu mir und in Kathas Zimmer bewegte sich etwas. Dann erschien sie am Fenster und öffnete dieses. Ich tat es ihr gleich.
»Hi«, begrüßte sie uns und ich lächelte.
»Hi zurück«, Tamina beugte sich über das Fenster, »Ich bin Tamina. Ich hoffe, Malena hat dir das brav erzählt.«
Katha lachte kurz auf und nickte dann.
»Ja, das hat sie«, bestätigte sie es noch einmal und Celina ging näher zum Fenster. Ich ging ein paar Schritte zurück, um den beiden Platz zu machen.
»Und ich bin Celina, Taminas Zwillingsschwester. Die Ältere von uns«, erklärte sie in dem Tonfall bei dem sie immer zwinkerte.
»Schön, euch kennenzulernen«, erwiderte Katha daraufhin. Ich merkte, dass sie unsicher war, wie sie das Gespräch weiterführen sollte. Außerdem hatte ich ihren Versuch gesehen, ein Gähnen zu unterdrücken.
»Wir wollten dir nur kurz Gute Nacht sagen. Hast du morgen Lust, etwas mit uns zu machen?«, erkundigte ich mich bei ihr. Und Katha nickte begeistert. »Perfekt«, kommentierte ich. »Dann bis morgen! Wir geben dir dann noch Bescheid.«
»Gute Nacht!«, sagten wir alle vier im selben Moment und lachten gleich darauf. Ich fühlte mich leicht hier mit den Dreien. Die Schwere des Streits mit Cara war wie mit dem Wind, der durch das offene Fenster in mein Zimmer wehte, verflogen.
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