sjór
Ich kann den Sturm riechen. Er überwiegt das Salz und bringt den rauen Wind an die Küste, der hungrig an meiner Kleidung zerrt. Diese ist immer noch klamm, doch würde es keine Rolle mehr spielen, wenn mich der Regen überraschen würde.
Donner grollt.
Automatisch beschleunige ich meine Schritte, noch bevor der Sturm über mich einbrechen würde, muss ich zu Hause sein. Meine Schritte sind mühsam. Schleichend machen sich die Folgen des Sturzes im Boot bemerkbar. Neben meinen Handinnenflächen, die immer noch brennen, schmerzen nun auch meine Rippen. Das Atmen fällt mir schwer und der raue Wind macht es nicht besser. Schmerzlich sehne ich mich nach einem warmen Bad und meinem Sofa vor dem warmen Kamin, doch bevor ich mich endlich ruhigens Gewissen hinlegen kann, muss ich alles vor dem Sturm sichern.
Endlich lasse ich die Kliffs hinter mir und der Leuchtturm zeichnet sich vor meinen Augen ab. Zu Hause.
Ja, mein zu Hause erscheint mir immer noch wie eine Festung, die kein Sturm zerstören kann. Uneinnehmbar thront der Leuchturm auf seiner Klippe und wacht über den Küstenabschnitt. Es ist alles wie immer, trotzdessen, dass sich die Blitze am Horizont abzeichnen.
Der Wind fegt mir ins Gesicht, als ich die Klippe besteige. Es führt nur ein kleiner Trampelfahrt zum Leuchturm, doch trotz des Windes finde ich genug Halt und kann mich an den Steinen festhalten. Mein Seesack, der alles Hab und Gut beinhaltet, was ich auf See brauche, drückt schwer auf meinen Rücken. Ich muss mich hinlegen. Nein, nicht bevor ich alles gesichert habe! Vorsicht ist besser als Nachsicht, denn ich weiß wie hart die Stürme an der Küste sein können.
Ich öffne die Tür und werfe meine Sachen in den Flur. Es riecht nach frischem Holz, wie immer, wenn ich Heim komme, doch ich schließe die Tür wieder und setze meine Kapuze auf. Es beginnt zu regnen. Der Sturmwolken lauern vor der Küste, als ich den Abhang hinunter stapfe. Ich muss aufpassen, dass ich nicht ausrutsche, denn die Erde ist feucht vom Regen. Unten, direkt an der Klippe, die dreizehn Meter über den Meeresspiegel ragt, liegen Schuppen und Stall. Bereits jetzt kann ich das Gemeckere von Ylva hören. Sie hat Angst vor dem Donner und beeile mich sie aus ihrer Box zu holen. "Alles ist gut!", versuche ich die Ziege zu beruhigen, doch ich kann ihr ansehen, dass ihr der Regen auf ihrem weißen Fell nicht Geheuer ist. Mit festem Griff umfasse ich den Strick und führe sie den Abhang hinauf. Der Wind zerrt an mir, droht mich wieder hinunter zu ziehen, doch er stemme meine Füße in die feuchte Erde. "Los, komm Ylva, ich bring dich ins Warme!"
Natürlich ist es seltsam eine Ziege bei Sturm in den Leuchturm zu holen, aber sie ist mehr als nur ein Nutztier fü mich. Sie ist eine Freundin und Zuhörerin geworden, außerdem bin ich kein Freund von Tierquälerei und das wäre es, wenn ich Ylva unten im Stall lassen würde, wo sie das Gewitter hören und spüren könnte.
Ylva meckert drauf los, lässt sich aber schließlich doch nach oben führen. Mit zitternen Fingern krame ich die Schlüssel hervor, bevor ich zusammenzucke, als der Donner über uns herein kracht. Bei allen Meeren, wenn ich mich nicht beeile, werde ich noch vom Blitz erschlagen.
Endlich habe ich es geschafft. Die Tür ist offen und ich betrete den Flur. Ylva ist hinter mir, sie hat ihren Kopf Richtung des Sturmes gedreht und blökt verzweifelt, als die Blitze über den Himmel jagen. Doch schießlich bewegt sie sich und ich kann die Tür schließen. Erleichterung macht sich in mir breit, auch wenn ich gleich nochmal in den Sturm hinaus muss. Immerhin ist Ylva sicher.
Ich führe die Ziege in den Keller, wo sich ihr kleines Lager befindet, was ich einmal für sie hergerichtet habe. Stroh, Wasser, genug zu Essen. Ich ziehe die Vorhänge zu, dann kann ich das Tier endlich zufrieden alleine lassen. Mir ist trotzdem unwohl bei der Sache nun noch einmal hinaus zu gehen, doch ich muss den Schuppen befestigen. Die alten Bretter sind morsch, doch wenn sie nachgeben, kann ich mir keine Neuen leisten. Ich habe bereits ein kaputtes Netz. Das reicht an finanziellen Sorgen. Erneut trete ich hinaus in den Sturm.
Die See scheint zu toben.
Wer auch immer den Wettergott verärgert hat, ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Ich wurde hier geboren und habe hunderte Stürme erlebt, doch heute baut sich die See wie ein schwarzes Monster vor mir auf. Es scheint zu wüten und sträubt sich gegen den Wind, ich habe tatsächlich Angst, dass die Wellen höher als die Klippe sein können. Einen Moment bleibe ich wie eingewurzelt stehen. Ich kann den Blick nicht von der tosende See nehmen, die zugleich schrecklich angsterfüllend und wunderschön ist.
Oh the sea, oh the sea.
Wenn sie mich nun verschlingen würde, würde ich meinen Frieden finden.
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