jūra
Der Donner überrollt die Küste und verschlingt sie wie ein großes hungriges Tier. Ich kann hören, wie er an den alten Steinen des Leuchtturmes zerrt, doch ich weiß, dass er es nicht schaffen wird, sie zu lösen.
Der Wind ist erbarmungslos, doch als ich es endlich ins Trockene geschafft habe, kann ich aufatmen. Der Tag war anstrengend und noch immer sitzt die Enttäuschung tief, sobald der Sturm und die Nacht vorüber sind muss ich mir überlegen, was ich mit dem Netz anstelle. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit es zu flicken, doch ich bezweifle, dass ich die nötige Geduld besitze.
Die ganze Nacht heult der Wind. Das Glas der Fenster scheint unter seinem Druck zu vibrieren, ich kann die Regentropfen beobachten. Sie perlen am Glas ab, während sich hinter ihnen die Sturmwolken auftürmen.
Ich mag dieses Wetter, doch es lässt mich klein und unbedeutend fühlen - was ist schon ein Fischerssohn im Vergleich zu den Naturgewalten? Nichts. In der Tat.
Doch auch dieser Sturm weicht und ein neuer Morgen beginnt. Durch den Nebel kann ich die Sonne hervor blitzen sehen, die durch den Horizont bricht. Es ist noch früh, doch ich kann nicht mehr schlafen. Ich bin zu unruhig, als würde etwas auf mich lauern. Hinter der Tür, im Treppenaufgang - irgendetwas ist anders, doch ich kann mich nicht von solchen Gedanken ablenken lassen, es ist zu viel zu tun.
Die Morgenluft ist kühl und klar. Mein Atem schlägt kleine Wölkchen, als ich die Tür öffne und Ylva hinausführe. Sie hat den Sturm gut überstanden und macht sich freudig über das nasse Gras her. Anstatt sie wieder den Hang hinter zu bringen, entscheide ich mich dafür, die Ziege einfach grasen zu lassen. Frische Luft tut uns beiden gut.
Nachdenklich stemme ich die Hände in die Hüfte und lasse meinen Blick über den Hang schweifen. Der Sturm hat ganze Arbeit geleistet. Lose Bretter, Heubüschel und allerlei Kleinzeug hat sich über das Gras verteilt, doch darauf achte ich gar nicht. Mein Blick liegt auf der Gestalt, die unten am Hang sitzt.
Durch den Morgennebel halte ich sie zunächst für eine Einbildung, doch je näher ich komme, umso mehr zeichnet sich die menschliche Silhouette ab. Sie ist zierlich, wirkt im Gegensatz zum gewaltigen Ausblick des Meeres, klein und unbedeutend und doch strahlt sich eine Aura aus, die ich nicht beschreiben kann. Vorsichtig nähere ich mich ihr, ich will sie nicht erschrecken, denn durch den Regen ist die Erde feucht und glitschig - sie könnte den Halt verlieren.
Es ist eine Frau.
Das rotbraune Haar fällt ihr in dicken, schweren Locken über die schmalen Schultern. Ich verharre in der Bewegung. Nein, Fionn. Sie trägt nichts am Körper, du wirst dich ihr jetzt nicht nähern! Auch, wenn sie mir ihren Rücken zu gedreht hat, bemerke ich, wie die Röte in meine Wangen steigt. Ich merke, dass es mir unangenehm ist, dabei möchte ich doch nur helfen. Vielleicht hat sie sich verirrt und braucht Hilfe?
Dann dreht sie sich um. Meerblaue Augen mustern mich. Ihr Blick ist kühl wie die See, während ihre Züge etwas Majestätisches haben. Hohe Wangenknochen, zarte Haut, die mit Sommersprossen überzogen ist.
Sie ist wunderschön.
Ich kann nicht anders, als sie anzusehen und ich merke, dass ich starre. Sie auch. Eine schmale rotbraune Augenbraue zieht sich in die Höhe, schnell wende ich den Blick ab. Auch, wenn ihre Haare ihre Brust verdecken, möchte ich nicht, dass sie sich unwohl fühlt.
Sie wendet den Blick ab, fast bin ich enttäuscht. Vorsichtig hebe ich wieder den Blick und kann beobachten, wie ihre zarten Finger über ihre langen, nackten Beine streichen. Sie scheint zu frieren.
"Ich habe meine Schuppen verloren."
Ihre Stimme klingt wie das Meeresrauschen, dennoch ist sie klar und stark.
"Ich habe meine Schuppen verloren" , wiederhole ich in meinen Gedanken, versuche wieder ihre Stimme zu hören und konzentriere mich nicht auf den Sinn der Worte, sondern viel lieber auf ihren Klang. "Ich habe meine Schuppen verloren."
Und ich mein Herz.
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