hav
Gischt und Salz, meine Schatten auf der hohen See, verwandeln sich in Wärme und Abendsonne, als ich in den Hafen einfahre. Der Sturm hatte seinen letzten Atem getan, um sich schließlich in hellen Wolken zu verlieren.
Es ist nicht mein Tag, meine Woche oder gar mein Jahr. Ganzgleich was es auch ist, ich bin deprimiert. Viel zu deprimiert, um dem Hafenwart ein Lächeln zu schenken. Das Loch im Netz zerfrisst mich mehr als den dummen Stoff selbst - meine Existenz ist dahin.
"Kein Glück?"
"Diesmal nicht", ich sehe Jós nicht in die Augen, um meinen Scham zu verbergen. Versuche mich an ihm vorbei zu drücken, doch er hält mich am Arm fest. "Zeig mir das Netz, das sieht ungewöhnlich aus." Natürlich sieht es ungewöhnlich aus, schließlich hat es ein großes Loch! Doch ich habe nicht das Recht meine Wut und Enttäuschung an Jós auszulassen. Er ist ein guter Mann, der mir das eine oder andere Mal aus der Patsche geholfen hat.
Nachdenklich betrachte ich mein Boot, was nun ruhig im Hafenbecken liegt. "Zunächst dachte ich, ich hätte den Fang meines Lebens gemacht, aber der Fisch war stärker und konnte das Netz durchschneiden", erklärte ich kurzerhand und zuckte die Schultern. Noch immer brennen meine Hände von den Riemen, die sich in mein Fleisch geschnitten haben. Ich ignoriere den Schmerz, indem ich meine Fingerkuppen in die Handinnenflächen presse. Schmerz gegen Schmerz.
Jós sieht zunächst das Netz an, dann durchbohren mich seine sturmgrauen Augen prüfend. Der Hafenwart sieht mich an, als hätte ich ihm gerade weis gemacht, dass ich ein Kelpie gefangen hätte.
Dann lacht er leise, fast atme ich erleichtert aus. "Du willst mir wirklich erzählen, dass das ein Fisch war?", meinte er nur und drückt das Netz gegen meine Brust. Etwas perplex greife ich den Stoff, er fühlt sich rau an.
"Was soll es bitte sonst gewesen sein? Ein Waljunges? Nein warte! Ein Waljunges mit Messer?" Tatsächlich quäle ich mich zu einem kleinen Lachen.
Jós' Miene bleibt jedoch hart. Früher, als ich noch ein Kind war, hatte ich immer geglaubt, dass er ein Meeresgott war, der sich für das Leben der Menschen entschieden hatte. Doch warum sollte ein Gott das menschliche Leben vorziehen?
Um wirklich zu begreifen, was leben heißt.
Die Antwort meiner Mutter hatte mich überrascht. In meinen Augen war Jós von der See verstoßen worden, so dass er nun als Hafenwart unter den Menschen leben musste.
Die Hirngespinste eines Kindes...
"Da draußen lauert viel mehr als nur ein paar Fische und Meeressäuger", brummt Jós nach einer halben Ewigkeit. Es klingt fast wie eine Drohung, aber auch ich bin mit der See aufgewachsen. Auch ich weiß, dass es die eine oder andere Überraschung da draußen gibt und doch ziehe ich nur eine Augenbraue hoch. "Kann auch einfach nur ein miesgelaunter Thunfisch gewesen sein", mit diesen Worten schultere ich das Netz, klopfe dem Hafenwart auf die Schulter und mache mich auf den Heimweg.
Ich bin müde. Freue mich auf mein Bett und doch lassen mich Jós' Worte nicht in Frieden. Immer wieder flüstern sie auf mich ein.
Keine Drohung, eher eine Warnung.
Die Frage war nur, vor was er mich warnen wollte.
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