14 - Ahoi!
Wie auch schon die anderen Tage zuvor übertrifft sich Landon mal wieder selbst, denn für heute hat er eine Schifffahrt über den Ozean gebucht.
„Und wenn wir Glück haben, können wir wirklich Delfine und Wale sehen?", frage ich Landon aufgeregt, als wir an Deck gehen und uns einen Platz nahe an der Reling suchen.
Da es heute sehr heiß ist und die Sonne erbarmungslos auf uns niederbrennt, bin ich froh, dass es auf dem Wasser direkt fünf Grad Celsius kühler ist und ein leichter Wind durch die Luft wirbelt. Hier oben, wo uns die Spritzer der Wellen nicht mehr erreichen, lässt es sich bestimmt gut aushalten.
„Ganz genau", beantwortet Landon lächelnd meine Frage. „Ich selbst habe diese Schifffahrt zwar noch nie gemacht, aber von den Touristen weiß ich, dass man eigentlich so gut wie immer Delfine zu sehen bekommt."
Oh man, vor lauter Aufregung würde ich am liebsten kreischen!
Seit ich ein kleines Kind bin, wollte ich schon immer mal einen Delfin aus der Nähe sehen. Dass sich dieser Traum eventuell in der nächsten Stunde erfüllen könnte, fühlt sich total surreal an.
Vorher ist da allerdings noch eine Sache, die ich gerne klären würde ...
Während sich das Deck mit immer mehr Menschen füllt, überlege ich, wie ich Landon am besten auf das Lichterfest und unsere Küsse ansprechen kann. Einfach mit der Tür ins Haus fallen oder lieber um den heißen Brei herumreden?
Noch bevor ich mich für eine Option entscheiden kann, fragt mich Landon mit einem Hauch Besorgnis in der Stimme: „Geht es dir gut, Maila? Du siehst so nachdenklich und abwesend aus."
Wow, Landon ist ein sehr aufmerksamer und feinfühliger Mensch. Obwohl wir uns noch nicht lange kennen, kann er mich bereits wie ein offenes Buch lesen.
Ob mir das Angst macht? Nein, im Gegenteil: Ich sehe mich darin bestätigt, dass unsere Verbindung zueinander etwas ganz Besonderes ist.
Für einen kurzen Moment spiele ich mit dem Gedanken, Landon eine Notlüge auf die Nase zu binden, doch dann seufze ich ergeben und suche seinen Blick. Ein Schleier aus Ungewissheit und Besorgnis liegt über seinen braunen Augen. Abwartend schaut er mich an und greift nach meiner Hand; als wolle er mir Kraft spenden.
Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich Landon genau das frage, was mich schon den ganzen Tag beschäftigt.
„Bereust du es, mich geküsst zu haben?"
Kaum sind meine Worte laut ausgesprochen, erstirbt Landons Lächeln. Seine Augen verlieren ihren Glanz und sein Ausdruck wirkt traurig und enttäuscht.
„Wie kommst du denn auf solche Gedanken, Maila?", möchte er verständnislos von mir wissen. Seine Hand, die zuvor auf meiner lag, zieht er langsam wieder zurück.
Sofort breitet sich eine unangenehme Kälte in mir aus, die mich erschaudern lässt.
„Na ja", druckse ich verlegen herum, da ich es hasse, offen über meine Probleme zu sprechen. „Du hast heute so getan, als wäre gestern nichts zwischen uns vorgefallen."
Dieses Mal ist Landon derjenige, der seufzt. Er fährt sich einmal mit der Hand durch die Haare, bevor er meine Finger sucht und sie miteinander verschränkt.
„Ich dachte, wir haben uns am Hafen darauf geeinigt, uns auf diese Gefühlsreise einzulassen", beginnt Landon mit ruhiger Stimmfarbe zu sprechen. „Mir haben unsere Küsse richtig gut gefallen, Maila. Du bist eine tolle Frau und ich genieße es, meine Zeit mit dir zu verbringen."
Unsere Blicke verweben sich und sprühen Funken; Glücksfunken.
„Hätte ich mich denn wirklich anders verhalten sollen, nur weil wir uns gestern geküsst haben? In einer Beziehung würde das bestimmt für eine Menge Chaos und Drama sorgen; immerhin küsst man sich da täglich."
Landon lacht und ich stimme mit ein. Dann erkläre ich ihm: „Ich war einfach nur total verunsichert. Ich wusste ja nicht, wie du über gestern Abend denkst. Es hätte ja auch sein können, dass du den Abend vergessen willst und deshalb einem Gespräch aus dem Weg gehst."
Vorsichtig platziert Landon seine Hände an meinen Wangen. Während er mir tief in die Augen schaut, malt er mit seinem Daumen kleine Kreise auf meine Haut.
„Nur damit es keine Missverständnisse mehr gibt: Ich habe dich gerne geküsst und würde es jederzeit wieder tun. Du bist die einzige Frau, die mich gerade interessiert", sagt Landon mit solch einer Aufrichtigkeit, dass mir schwindelig wird. „Trotzdem finde ich, dass wir es langsam angehen lassen sollten. Wenn der Moment passt, können wir uns sehr gerne küssen, aber ansonsten würde ich ungerne etwas erzwingen."
Mit jedem Wort, das Landons Lippen entflieht, wird mein Herz leichter. Die Gewissheit, dass er mich mag und weiterhin kennenlernen möchte, ist wie Balsam für meine Seele.
Ich muss dringend lernen, meinen Kopf auszuschalten, denn sonst erschaffe ich mir immer wieder irgendwelche Probleme, die eigentlich gar nicht existieren.
Na ja, kein Mensch ist perfekt, richtig?
Mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen sage ich zu Landon: „Das klingt nach einem hervorragenden Plan. So machen wir es!"
„Sehr gut", erwidert er zufrieden. „Dann kannst du ja jetzt endlich in meinen Arm kommen und die Fahrt genießen, oder?" Kaum sind seine Worte verklungen, kuschele ich mich an Landons Oberkörper und inhaliere seinen himmlischen Eigengeruch.
Für ein paar Sekunden halte ich meine Augen noch geschlossen, um diesen innigen Moment ausschließlich mit meinem Herzen zu fühlen, bis ich meine Lider wieder aufflattern lasse und überrascht feststelle, dass das Schiff bereits über den Ozean gleitet.
Ein Blick in Richtung Festland verrät mir, dass wir schon seit mehreren Minuten unterwegs sein müssen, denn Sunhaven wird immer kleiner. Ich erkenne noch vereinzelte Umrisse von den Hotelanlagen, aber ansonsten ist alles zu einem bunten Farbklecks verschwommen.
Das Schiff tuckert gemächlich über das Wasser, bis es irgendwann seinen Motor ausschaltet und sich nur noch von dem Wellengang treiben lässt.
Voller Faszination beuge ich mich über die Reling und beobachte einen bunten Schwarm aus verschiedenartigen Fischen dabei, wie er sich ein paar Zentimeter unter der Wasseroberfläche fortbewegt. Es ist echt beeindruckend, mit welch einem Anmut sie durch das Meer gleiten.
„Pass bitte auf, Maila", nehme ich auf einmal Landons Stimme hinter mir wahr. „Nicht, dass du gleich über Bord gehst und ich dich retten muss."
„Keine Sorge", gebe ich schmunzelnd zurück. „Ich würde mir einfach einen Delfin suchen und mich von ihm zurück nach Sunhaven bringen lassen."
Damit sich Landon wieder entspannen kann, rutsche ich einen halben Meter von der Reling weg und betrachte die Fische nur noch aus der Ferne.
Das Meer glitzert und reflektiert die goldenen Sonnenstrahlen. Wellen brechen an dem Schiff und spritzen beinahe bis aufs Deck empor. Vereinzelte Möwen kreisen über unseren Köpfen, der Geruch von Meersalz liegt in der Luft und eine sanfte Briese Wind spielt mit unseren Haaren.
Ich liebe es, mich so frei und losgelöst zu fühlen. Landon an meiner Seite zu haben, ist wie die Kirsche auf der Sahnehaube!
Ich beobachte gerade eine Möwe dabei, die sich im Sturzflug einen Fisch aus dem Meer erbeuten möchte, als plötzlich ein aufgeregtes Kinderquietschen auf der anderen Seite des Schiffes ertönt. „Mami! Mami!", ruft ein Mädchen. „Guck mal! Da ist ein Delfin!"
Direkt beschleunigt sich mein Herzschlag und mein Körper füllt sich mit einem aufgeregten Kribbeln.
Passiert das gerade echt oder ist das bloß ein wunderschöner Traum?
Ich kneife mir sicherheitshalber in die Handfläche, nur um festzustellen, dass das hier die Realität ist.
„Ganz ruhig, Maila", lacht Landon. „Die Delfine kommen gleich bestimmt auch auf unsere Seite." Ich bin so nervös, dass ich nichts auf seine Behauptung erwidern kann. Mein Blick klebt wie festgetackert auf der glitzernden Wasseroberfläche und sucht vergeblich nach Delfinen.
„Mami! Da ist noch einer!"
Ungeduldig rutsche ich von links nach rechts. Am liebsten würde ich einfach aufstehen und auf die andere Seite des Schiffes rennen, doch Landon hält mich behutsam am Handgelenk zurück. „Du musst geduldig sein", schmunzelt er über mein angespanntes Verhalten.
„Tja, nur blöd, dass Geduld nicht unbedingt zu meinen Stärken zählt."
Ich kann an Landons Atmung hören, dass er noch etwas auf meine Aussage entgegnen möchte, allerdings gehen seine Worte in meinem ungläubigen Schrei unter.
Nur fünf Meter entfernt von mir schwimmt tatsächlich ein Delfin an der Wasseroberfläche. Als würde er spüren, dass mehrere neugierige Augenpaare auf ihn gerichtet sind, vollführt er einen kunstvollen Sprung in der Luft und taucht danach wieder im türkisfarbenen Meer ein.
Begeistert klatsche ich in die Hände.
Das aufgeregte Murmeln um mich herum verrät mir, dass ich zum Glück nicht die Einzige bin, die gerade total aus dem Häuschen ist.
Wie ein kleines Kind, das auf den Weihnachtsmann wartet, klammere ich mich an der Reling fest und suche sehnsuchtsvoll den Ozean nach meinen Lieblingstieren ab.
„Oh mein Gott!", entflieht mir ein leiser Freudenschrei, als ich drei weitere Delfine entdecke. Erst schwimmen sie gemütlich durch das Wasser, doch dann springen sie nacheinander in die Luft und zeigen uns ihre beeindruckenden Kunststücke.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das bloß einbilde, aber je lauter wir klatschen, umso häufiger zeigen uns die Delfine, was sie können.
Der Anblick, der sich mir gerade bietet, ist einfach nur magisch. Die Sonne färbt sich langsam orange und taucht das Meer in einen goldenen Schleier aus Glitzerpartikeln. Überall springen Delfine aus dem Wasser, die mit ihrem Gesang die Luft erfüllen und mit ihren akrobatischen Darbietungen für Begeisterung und Faszination sorgen.
Zu gerne würde ich diesen besonderen Moment in einem Einmachglas einfangen, aber stattdessen bleibt mir nur die Möglichkeit, diese Erinnerung auf ewig in meinem Herzen abzuspeichern.
Ich kann nicht genau sagen, wie lange uns die Delfine eine atemberaubende Show liefern, doch viel zu schnell verschwinden sie wieder im Meer und ziehen weiter. Das ist für den Kapitän das Zeichen, das Schiff zurück zum Hafen von Sunhaven zu lenken.
Auf der Rückfahrt halten Landon und ich Händchen und kuscheln miteinander. Unsere Nähe fühlt sich gut und vertraut an. Landon ist aktuell alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.
Als wir uns eine Viertelstunde später wieder am Festland befinden, kauft uns Landon zwei Milchshakes am Hafen. Gemeinsam setzen wir uns auf eine Steinmauer und schauen sehnsuchtsvoll auf das funkelnde Meer hinaus.
Kaum zu glauben, wie viel ich schon erlebt habe ...
„Danke, dass du jeden Tag zu etwas Besonderem machst", lächele ich Landon ehrlich an. „Ohne dich hätte ich hier vermutlich nur halb so viel Spaß."
Bei meinen Worten nehmen Landons Wangen einen sanften Rotschimmer an. Es ist niedlich, wie verlegen er plötzlich ist.
„Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich noch mehr Zeit mit dir verbringen, Maila", seufzt er nach wenigen Sekunden.
„Wie gut, dass der Tag noch nicht zu Ende ist", erwidere ich zwinkernd.
„Soll das etwa eine Anspielung sein?"
„Nein", lache ich. „Das soll eine Einladung sein. Um acht im Lost, okay?"
„Okay."
Dass mein Herz schon jetzt vor Aufregung und Vorfreude schneller klopft, ist ein gutes Zeichen, oder?
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