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44 | Aufopferung - Part II

Gähnend blicke ich auf die unzähligen Bildschirme um mich herum. Es nähert sich langsam vier Uhr morgens und mir fallen des Öfteren die Augen zu. Nur Amber und ich sitzen noch in der Mentorenzentrale. Bisher ist unsere Nachtwache ruhig. Wir haben Cato und Clove dabei beobachtet, wie sie Messer auf am Boden huschende Eidechsen geworfen haben, oder Marvel und Glimmer zugehört, die leise vom Kapitol geschwärmt haben. Alles in allem sehr bedeutungslos.

Oben im Geäst herrscht ebenfalls Ruhe. Katniss hat sich mit ihrem Schlafsack in einer Astgabel arrangiert und auf dem Nachbarsbaum schläft Rue, zusammengerollt wie ein Kätzchen, zwischen den Ästen.
Die ganze Zeit über hält mich einzig die Furcht vor dem Unbekannten wach. In meinem Magen ruht ein eisiger Knoten und bei jedem Geräusch schrecke ich auf, die Gedanken voller Horrorszenarien.

Solange Finnick da war, hat er mich festgehalten, mir gut zugeredet, doch nachdem sein Kopf zum fünften Mal gefährlich nah in Richtung Tischplatte gesunken ist, habe ich ihm befohlen, sich auszuruhen. Das gab einigen Protest, bis Amber vielsagend mit den Knöcheln geknackt hat. Dafür hat er versprochen, nicht länger als eine Stunde weg zu sein. Mittlerweile sind es zwei. Den Schlaf hat er sich verdient und ich habe nicht vor, ihn zu wecken. So oder so opfert er zu viel für mich.

Amber hält sich mit Kaffee wach, eine Tasse rabenschwarzer und übelriechender Flüssigkeit nach der anderen. Auch jetzt hat sie sich einen frischen Becher des dampfenden Getränks bei einem Avox geordert und nippt daran. Der Duft erfüllt die ganze Zentrale und dreht mir den Magen um.
Mit einem Seufzen reibe ich meine Augen und klicke mich zum hundertsten Mal in dieser Nacht durch die verschiedenen Kameraperspektiven. Wohin ich sehe, überall schlafen die Tribute. Die meisten haben notdürftige Unterkünfte gefunden, eine Höhle am Bach oder eine flache Erdkuhle. Am Füllhorn schläft ganz alleine der kleine Junge aus Distrikt drei, ein Schwert, halb so groß wie er, umklammert.

Ich sollte mich freuen, dass die Nacht ereignislos ist. Wenn der Morgen naht, werden wieder Trexler und Floogs übernehmen. Aber sobald es zu dem Kampf zwischen den Karrieros und Distrikt zwölf kommt, kann ich nicht einfach wegsehen. Dass es so kommen wird, ist unvermeidbar. Wenn nicht vorher das Jägerwespennest herabstürzt und alles auf den Kopf stellt. Solange Katniss sich nicht weiter daran zu schaffen macht, scheint es wenigstens stabil zu sein.

Marvel, der im Moment Wache hält, stupst Cordelia an die Schulter. Ihre Wachzeit ist gekommen. Müde reckt sich der Tribut aus Eins und lässt sich auf den Waldboden fallen. Glimmer ist schon länger eingeschlafen, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, den Kopf auf die Brust gesunken.
Cordelia dehnt sich einmal, ehe sie zu Peeta geht, der etwas abseits von den übrigen Karrieros mit dem Rücken zum Lager liegt. Bevor sie ihn wecken kann, setzt er sich bereits auf. Seine Augen funkeln im schwachen Mondlicht. Augenscheinlich hat er nicht geschlafen.

Überrascht mustert Cordelia ihn, wendet sich dann aber schweigend ab und lässt sich ein paar Handbreit neben ihm auf die trockene Erde fallen. Unter leisem Rascheln zieht sie zwei Konserven aus ihrem Rucksack und wirft eine davon Peeta zu.
Während sie ihr kaltes Mahl zu sich nehmen, schläft Marvel langsam ein. Cordelia wirft hin und wieder ein Auge auf ihre schlafenden Verbündeten, dann schaut sie hoch in die Baumkronen.

Peeta folgt ihrem Blick und schüttelt knapp den Kopf, als wolle er ihr sagen, dass sie abwarten sollen. Darauf reagiert Cordelia bloß mit Achselzucken und schiebt sich noch einen Löffel Bohnen mit Soße in den Mund. Schließlich nickt sie in Richtung der schlafenden Karrieros und hält fragend drei Finger in die Höhe.
Wieder schüttelt Peeta den Kopf und weist auf ihre Waffen, dann hoch zu Katniss und zeigt seine leeren Hände.

Eine Weile überlegt Cordelia, ehe sie mit ihrem Finger ein Fragezeichen auf den Waldboden malt und wieder zu Katniss und den Waffen deutet. Die Erde ist hart, aber man erkennt es gerade so.
Dieses Mal weist Peeta auf die im Sitzen eingeschlafene Glimmer, die den schimmernden Bogen neben sich abgelegt hat.

Ein hartes Scheppern von Keramik auf Glas lässt mich herumfahren. Amber hat ihre Kaffeetasse etwas zu fest auf dem Glastisch abgestellt.
„Ein Bogen", murmelt sie nachdenklich und fährt sich über das Kinn. „Das Flammenmädchen kann schießen? Nicht schlecht, wenn nur der Bogen nicht in den Händen der Falschen wäre."
Amber hat erkannt, was auch Cordelia und Peeta wissen – es gibt momentan keinen Weg, den Bogen unbemerkt zu Katniss zu bringen. Und ohne Waffe hat sie nichts, außer einem kleinen Messer und einer ordentlichen Portion Glück. Das Publikum wird es gar nicht abwarten können, zu sehen, ob sie es schafft, den Bogen in die Finger zu bekommen.

„Mir gefällt das gar nicht", spricht Amber aus, was ich denke. „Aber sie müssen noch warten. Zu dritt hätten sie vielleicht eine Chance, vor allem wenn sie Cato zuerst ausschalten."
„Und wenn das Nest vorher fällt?"
„Dann kann nur Glück sie alle retten. Katniss eingeschlossen. Das Risiko ist groß, dass sie selber gestochen wird." Amber nimmt einen tiefen Schluck Kaffee. „In meiner Arena haben sie die Wespen auch eingesetzt. Als Kind aus Distrikt vier hatte ich nie von ihnen gehört, also bin ich meinen Verbündeten geradewegs in die Falle gefolgt. Der Tribut aus Distrikt zwei war kräftig wie ein Bär, aber nach den ersten Stichen ist er einfach zu Boden gegangen." Ihre Stimme driftet ab. „Noch heute weiß ich nicht, was damals Wirklichkeit war und was Halluzination vom Gift."
Sie wirft mir ein sarkastisches Lächeln zu und Kälte läuft meinen Rücken herab. Ich wickle mich enger in die Strickjacke.

Cordelia scheint sich mit ihrer Lage vorerst abgefunden zu haben, aber sie ahnt schließlich nichts von dem Jägerwespennest über ihnen. Sie teilt etwas von ihrem Wasser mit Peeta und beschließt offensichtlich, dass sie nicht länger in Zeichen kommunizieren brauchen, denn Marvel schnarcht derweil laut.

„Also, Peeta", sagt sie leise, „wie ist Distrikt zwölf so? Ich weiß gar nichts über euch."
Er lächelt, so wie jemand, der sich an einen schönen, aber schmerzhaften Moment erinnert. „Manche würden sagen Zwölf ist grau. Und doch gibt es in all dem Kohlenstaub auch immer einen Flecken Farbe, eine Blume, die aufblüht, eine Hoffnung, die nie stirbt."

So wie ich Distrikt zwölf auf der Siegestour kennengelernt habe, erinnere ich mich tatsächlich nur an eine graue Einöde, Armut und ausgemergelte Leute. Doch so wie Peeta seine Heimat beschreibt, klingt es wie Poesie.
„Ich mag die Farbe des Sonnenuntergangs dort. Ich mag es, wenn wir uns in der Schule versammeln, um gemeinsam zu singen. Ich gehe gerne auf den Markt und spreche mit den Leuten dort. Und wenn wir feiern, dann richtig." Während er spricht, wandert sein Blick ins Blätterdach, als hoffe er, dass Katniss ihm ebenfalls zuhört.
Ich weiß es allerdings besser, sie schläft tief und fest.

„Du klingst, als hättest du damit abgeschlossen und würdest nicht zurückkehren", bemerkt Cordelia.
„Ja, da hast du recht. Ich denke nicht, dass ich zurückkehren werde. Aber das sollte dich nicht stören – ein Gegner weniger für dich."
Sie zuckt mit den Schultern. „Wenn du meinst. Ich versteh's nur nicht. Ich will unbedingt zurück. Sonst ... wäre alles umsonst gewesen." Ihre Unterlippe zittert leicht beim Sprechen. „Wer weiß, ob wir überhaupt eine Chance haben."
Bedrücktes Schweigen ergreift die Lichtung.

„Ich glaube mein Mentor würde sagen, dass du nicht daran zweifeln darfst, sonst stehst du bereits mit dem ersten Bein im Grab." Peeta zieht eine Grimasse. „Haymitch ist manchmal sehr direkt. Trotzdem hat er irgendwo recht."
„Komisch, ich hab eine Mentorin, die hätte was ähnliches gesagt." Cordelias Gesicht hellt sich wieder auf, bis ihr etwas einfällt. „Vermutlich wäre sie nicht sehr stolz auf mich gerade. Wegen allem, was ich getan – oder eben nicht getan – habe."
Ich werfe einen Seitenblick zu Amber, die zwar mit verschränkten Armen dasitzt, aber trotzdem getroffen aussieht. „Oh Cordelia", seufzt sie, „ich bin sogar sehr stolz auf dich."

„Wieso sollten sie nicht stolz sein?", fragt Peeta sanft.
Frustriert schüttelt Cordelia den Kopf. „Ach, es ist so viel."
„Warum erzählst du es nicht? Manchmal hilft es schon, es sich vom Herzen zu reden."
Wenig überzeugt zieht sie eine Grimasse. „Damit ich nachher schlecht dastehe bei allen Zuschauern?" Sie deutet auf die Bäume um sie herum, in denen unzählige Kameras verborgen sind.
Peeta zuckt mit den Schultern. „Oder du gewinnst ihre Zuneigung. So oder so dachte ich bloß, dass es dir dann besser gehen könnte. Egal was das Publikum denkt."

„Na vielleicht hast du recht." Cordelia nimmt einen tiefen Atemzug. „Jemand hat meinen Mittribut getötet, im Füllhorn. Es kann nur jemand von ...", sie deutet in Richtung der schlafenden Karrieros, „denen sein. Ich fühle mich wie ein Monster, weil ich trotzdem geblieben bin. Aber wo sollte ich schon alleine hin?" Tränen glitzern in ihren Augen, als sie den Kopf in den Nacken legt. „Ich hatte Edy so viel versprochen ..."
„Das macht dich noch lange nicht zum Monster. Du versuchst nur, zu überleben. Ich bin ja schließlich auch hier und nicht dort." Peeta sieht in Richtung Blätterdach. „Wir alle wollen überleben und schützen, was uns am Herzen liegt. Beides gleichzeitig geht allerdings nicht."

„Aber wird mir je irgendwer vergeben? Könnte Edy das?"
„Ich kannte ihn nicht, aber ich würde dir vergeben." Peetas Stimme ist fest und entschlossen.
Überrascht sieht Cordelia ihn an. „Hm", grummelt sie leise. „Ich hoffe, meine Mentoren können das auch. Sie haben Edy geliebt. Und ich habe versagt, ihn zu beschützen. Dabei weiß ich nicht einmal, ob ich bereit gewesen wäre, für ihn zu sterben. Ich will doch einfach nur leben."

Ich nehme einen tiefen Atemzug, der von einem Stechen in der Brust begleitet wird. Diese Ängste und Sorgen kenne ich aus meinen Hungerspielen. Obwohl ich Pon um jeden Preis retten wollte, hat der Gedanke an den eigenen Tod mich Nacht für Nacht gequält.

Nachsichtig lächelt Peeta. „Das ist normal. Sich selber aufgeben kann man nur für einen Menschen, der so außergewöhnlich ist, dass er unsere ganze Welt verändert. Du musst die Person mehr lieben als dich. Und selbst dann werden immer Zweifel an diesem Entschluss bleiben. Wir Menschen wollen überleben, um jeden Preis."

Einem Geistesblitz folgend klatsche ich in die Hände, was ausnahmsweise Amber aufschreckt. „Warum schickst du ihr nicht ein Sponsorengeschenk? Jetzt sofort?"
Mit großen Augen verfolgt sie, wie ich aufspringe und vor ihr im Raum aufgeregt hin und her laufe. „Sie muss wissen, dass wir – du – an sie glauben! Ich meine ... in meinen Spielen hat Finnick mir einfach nur etwas Kleines zu essen geschickt, aber der Zettel darin, die Botschaft, war es, die mich durchhalten ließ. Vielleicht gibt es ihr neue Hoffnung, wenn sie weiß, dass wir ihr gerade zuhören!"

Amber springt auf, läuft um den Tisch herum und drückt mich überraschend fest an sich. „Annie, das ist eine super Idee!"
Hastig macht sie sich daran, die Liste mit den Sponsorengeschenken und unseren finanziellen Mitteln aufzurufen.
„Also, wir haben noch ein wenig auf der hohen Kante." Sie fährt mit ihrem Finger die Liste entlang. „Gegessen haben sie ja gerade erst, hm ..."

Ich beuge mich über ihre Schulter. Die Aufreihung der Lebensmittel scheint endlos. Anfangen tut es mit Brot aus dem eigenen Distrikt, das am günstigsten ist und geht bis zu kompletten Festmahlen wie im Kapitol für schwindelerregende Summen.
„Vielleicht ein kleiner Nachtisch?", werfe ich ein. „Etwas, das sie in der Arena auf keinen Fall bekommen kann?"
„Oh, das ist teuer."

Beim Anblick der vielen Möglichkeiten läuft mir fast das Wasser im Mund zusammen. Das ausgefallene Abendessen macht sich bemerkbar. Eine der preiswertesten Optionen ist ein kleines Schälchen Erdbeeren mit einem Sahnehäubchen. Ich tippe darauf. „Das finde ich nicht schlecht."
„Hmmm", brummt Amber zustimmend, „ja, warum nicht. Ich hoffe Floogs reißt mir dafür morgen nicht den Kopf ab, aber wir haben jetzt keine Zeit, das Okay aller einzuholen."

Ohne Zögern bestellt sie das Schälchen mit einem kleinen Zettel dazu, auf dem nicht mehr steht als: Wir sind sehr stolz auf dich. – A. Viel Platz lässt uns das Kapitol nicht für aufmunternde Worte.

Es dauert kaum zwei Minuten, da sehen wir den silbernen Schirm zwischen den dunklen Bäumen herab segeln, direkt vor Cordelias Füße.
„Sieht so aus, als hätten deine Mentoren etwas dazu zu sagen", schmunzelt Peeta.
Selbst im Mondlicht erkennen wir, wie Cordelia leicht errötet. „Manchmal vergesse ich, dass sie auch zusehen."
Beim Anblick der Erdbeeren staunen beide Tribute nicht schlecht.

„Da siehst du mal, wie viel du ihnen wert bist", meint Peeta aufmunternd. „Das muss ziemlich teuer sein."
„Wahnsinn. Danke euch", flüstert Cordelia völlig überwältigt und hält dann Peeta das Körbchen hin. „Nimm dir, das kann ich unmöglich alleine essen."
Gemeinsam genießen sie das Geschenk. Stück für Stück lassen sie sich die Beeren auf der Zunge zergehen.
Amber und ich hocken gebannt vor dem Bildschirm, Schulter an Schulter.

„Ich hab ganz vergessen, wie lecker eine Erdbeere ist", seufzt Cordelia, bei ihrer letzten Frucht angelangt. „Oder diese hier schmecken einfach besonders gut."
Peeta betrachtet die glänzende Erdbeere in seiner Handfläche, perfekt geformt, mit makelloser Haut. „Ich weiß nicht einmal, wann ich zuletzt eine gegessen habe. Ich hab sie immer nur auf unseren Erdbeerküchlein drapiert. Kaum zu glauben, dass ein Bäckersjunge nie einen einzigen Kuchen gegessen hat, oder?"
„Nun, kaum zu glauben, dass ein Mädchen aus Distrikt vier nie Boot gefahren ist, oder?" Sie sieht ihn melancholisch an. „So ist das Leben wohl."

Damit ist ihr Gespräch vorbei und jeder von ihnen hängt wieder den eigenen Gedanken nach. Die Nacht verstreicht schleichend langsam und irgendwann vor dem Morgengrauen dämmert Cordelia ein. Nur Peeta bleibt wach und liegt mit offenen Augen auf seinem Schlafsack, die Hand griffbereit an seiner Waffe.
Amber holt sich den nächsten Kaffee und ich fange wieder an, die Bilder aus der Arena anzusehen, Tribut für Tribut. Ich bin bei der dreizehnten Runde, als sich Katniss regt.

Langsam befreit sie sich aus ihrem Schlafsack und entdeckt, dass ihre schlimme Verbrennung über Nacht zu leuchtend rosiger Haut verheilt ist. Mit neuer, grimmiger Entschlossenheit, schiebt sie sich ihr Messer zwischen die Zähne und erklettert erneut die Baumkrone.
Am Boden schläft alles. Nur bei Peeta bin ich mir nicht sicher. Er hält zwar die Augen geschlossen, doch seine Hand ist etwas zu fest um den Schaft des Speers geschlungen.

Zur Untätigkeit verdammt sehe ich zu, wie Katniss damit fortfährt, den Ast durchzusägen. „Es ist so weit." Bedrückt rufe ich das Bild von dem Flammenmädchen auf dem großen Bildschirm auf. „Diesmal wird sie es schaffen."
Missmutig schwenkt Amber die letzten Reste ihres Kaffees in ihrer Tasse hin und her. Ihr Blick fällt auf Cordelias Vitalzeichen. Sie schläft tief und fest. „Verdammt!", flucht sie laut. Scheppernd landet ihr Becher auf dem Tisch. „Wir müssen doch was tun können."

Zweifelnd sehe ich sie an. „Aber wir dürfen nicht in das Geschehen eingreifen. Und jetzt – nicht einmal ein Sponsorengeschenk wird sie aufwecken." Das hat das Kapitol wirklich geschickt gelöst. Das leise Klingeln der Fallschirme und ihre sanfte Landung sorgen dafür, dass sie unauffällig sind – und genau deswegen eignen sie sich besonders schlecht, um die Tribute zu warnen. Und trotzdem sind sie laut genug, um aufmerksamen Feinden die Position zu verraten.

Amber starrt mit mahlendem Kiefer auf die sägende Katniss. Ich sehe, wie ihre kräftigen Schultermuskeln sich verspannen. „Ich wecke die anderen", murmelt sie. „Falls ... falls es zu Ende geht." Sie tippt auf ihrem Tablet herum, um den anderen einen Alarm zu schicken. Noch während sie schreibt, ertönt hinter uns ein Geräusch wie ein Gewehrschuss.

Ich sehe zuerst Katniss erschrockenes Gesicht und dann – den brechenden Ast mit dem Jägerwespennest. Unaufhaltsam rast er dem Erdboden entgegen. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen zerplatzt das Nest auf dem Boden. Augenblicklich explodiert Brummen und Surren überall um uns herum. Der ganze Raum scheint erfüllt vom Kriegsschrei der tobenden Jägerwespen.

Ängstlich quieke ich auf. Schon breitet sich das Gefühl von hunderten Insektenleibern auf meinem Körper aus. Galle steigt mir die Kehle empor.
Aus der Arena dringen grauenvolle Schreie. Binnen Sekunden hüllen die glänzenden Wespen die Karrieros ein. Wild um sich schlagend schreckt Cordelia aus dem Schlaf auf. Die Anzeige mit den Vitalwerten spielt völlig verrückt. Alle Zahlen färben sich rot.

Ich sehe ihr hilflos zu. Jeder Stich in ihre blasse Haut hallt in meinem Herz nach.
Sie versucht, zu rennen, doch die Wespen sind schneller. Ihre schwarzen Körper begraben alles unter sich. Im Todeskampf zuckend fällt Cordelia zu Boden.
Das Kapitol zeigt uns den letzten Rest ihrer Menschlichkeit, ein zugeschwollenes braunes Auge, in dem der Überlebenswille erlischt, als das Gift sich seinen Weg durch sie bahnt. Ein Kanonenschuss schneidet durch die Schmerzensschreie.

Mit den Fäusten schlage ich voller Frustration auf den Bildschirm vor mir. Es darf nicht sein. Ich hatte es versprochen. Und erst jetzt, beim Anblick ihres toten Körpers, begreife ich, wie sehr ich wollte, dass sie nach Hause zurückkehrt.
Stoßweise atme ich ein und aus. Schmerz und Trauer streiten sich wie alte Freunde in mir. Ich darf nicht aufgeben. Tias schrecklich fröhliches Grinsen verhöhnt mich in Gedanken. Nein. Ich kehre nicht zurück in diesen Albtraum!

Amber bückt sich zu mir, ihr Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse verzerrt.
„Hör auf", fährt sie mich an und packt so fest meine Schultern, dass ihre Fingernägel sich schmerzhaft in die Haut bohren. „Es ist vorbei, Annie. Vorbei! Bitte. Bleib bei mir." Ihre Stimme ist so schrill, dass sie in den Ohren schmerzt.

Ich registriere, dass sie mich schüttelt, doch meine Augen kleben auf dem Bildschirm. Es darf nicht vorbei sein!
Mit einem erstickten Grollen, das irgendwo aus dem Unterbewusstsein stammt, stoße ich sie von mir. Alles stürzt zusammen und es fühlt sich an wie freier Fall, ohne, dass je der Aufprall kommt. Ein Schleier aus ungeweinten Tränen raubt mir die Sicht, sodass ich Amber nicht kommen sehe.

Plötzlich ist sie wieder an meiner Seite und zieht mich fort von dem Bildschirm, auf den ich einschlage. Sie schreit etwas, aber ich verstehe sie nicht. Das Tosen des Sturmes in den Ohren ist so laut, das alles andere in Bedeutungslosigkeit versinkt. Wie eine Marionette, der die Fäden gekappt werden, sinke ich zu Boden. Ich schließe die Lider, nur um wieder das Bild von Cordelias Leiche vor meinem inneren Auge zu sehen.

Von weit weg höre ich Ambers Flehen. Ihre Worte hageln auf mich ein, ebenso wie ihre Hände an mir zerren. Ohne sie zu beachten krümme ich den Oberkörper zusammen und endlich gibt sie nach, sodass ich die Arme über den Kopf schlagen kann. Das Tosen des Sturms aber wird lauter. Er zieht mich in seine Dunkelheit hinein, raubt mir die Sinne und nur Verzweiflung bleibt zurück.

Ich bin wieder ein kleines Mädchen, das sich angsterfüllt am Mast ihres Bootes festkrallt, während Welle um Welle über ihr zusammenbricht. Panisch umklammere ich meine Knie, damit ich mich selbst spüre. Wütendes Wasser verschlingt alle Gedanken, bis nur der Wille zu Überleben bleibt und ich kämpfe, um jeden einzelnen Atemzug. Es kostet ungeheuerliche Anstrengung, nicht zu schreien oder weinen.

„Atme, Annie, atme", streicht ein Flüstern durch das Meerestosen. Rasselnd füllt die Luft meine Lungen. Jeder Luftzug bringt mich näher an das zarte Meeresflüstern heran, das mir Frieden verspricht. „Du bist nicht alleine."
Ich sinke tief herab unter die rasenden Wellen, dem Meeresgrund entgegen. Dort wartet Geborgenheit. Auch wenn oben der Sturm tobt, hier spüre ich nichts davon. Eine sanfte Umarmung umfängt mich und dann schlägt die Trauer über mir zusammen.

Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem Bett in meinem Zimmer. Das Licht ist gedimmt und auf dem großen digitalen Fenster wiegt sich geräuschlos das künstliche Meer. Mit halb geöffneten Augen verharre ich und genieße die Ruhe.
Nichts, außer dem Atem von Finnick, ist zu hören. Ich weiß einfach, dass er es ist, spüre seine Anwesenheit in meinem Rücken.

In kleinen Wellen verlässt mich das Gefühl der Geborgenheit und die schreckliche Wirklichkeit drängt sich vor. Aber ich bin nicht bereit, es gehen zu lassen, sondern kuschle mich tiefer in die weiche Matratze.
Meine Hand tastet über die Decke, bis sie Finnicks findet. Wortlos halten wir einander fest.

Und damit heißt es, Abschied zu nehmen von Cordelia. Ich hoffe, ich konnte ihr wenigstens einen würdigen Abschied bereiten (und endlich konnte ich Peeta richtig ausschreiben! Ich liebe ihn :D).

Nächste Woche gibt es ausnahmsweise urlaubsbedingt kein neues Kapitel – seht es einfach als Trauertag für die gefallenen Tribute an ;)

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