18 | Die Auserwählten - Part II
Gemeinsam verlassen die Mentoren anschließend die düstere Lagerhalle. Draußen scheint die Sonne von einem azurblauen Himmel herab und der Wind treibt eine leichte Brise vom Meer herüber. Finnick sieht das Wasser verheißungsvoll in der Ferne aufblitzen. Sehnsucht überkommt ihn. Er kann nicht länger warten, will jetzt sofort los, hinaus auf die Wellen. Zu lange schon ist er in Distrikt vier gefangen. Als er sich zu Annie umdreht, sieht er denselben Wunsch in ihren Augen.
„Ab zum Schiff, was?", fragt Amber sie beide belustigt. Scheinbar ist ihr Plan offensichtlich. Sie lacht leise, den Blick Richtung Horizont gewendet. „Beim nächsten Mal müsst ihr mich mitnehmen. Passt auf euch auf – und mögen die Wellen euch gewogen sein."
„Natürlich, Amber. Du bist auf der Peppersheep jederzeit willkommen", dankt Annie ihr.
Mit einem Winken verabschiedet Amber sich in Richtung des Dorfs der Sieger.
Finnick und Annie wenden sich in die andere Richtung, zum Hafen. Es ist bereits Nachmittag und der Distrikt füllt sich langsam mit Leben, als die Schule zu Ende ist. Fischer bringen die ersten Fänge in den Hafen und die Fabriken füllen sich für die Abendschicht. In all dem Trubel fallen die beiden Sieger nicht weiter auf.
Vor wenigen Tagen erst sind neue Siegerpakete aus dem Kapitol verteilt worden. Dank der kräftigenden Rationen herrscht eine fröhliche Stimmung allerorts. Selbst die Ärmsten haben genug zu essen. Vor zehn Jahren gab es im Distrikt bestimmt doppelt so viele Straßenkinder, überlegt Finnick. Dank stetig steigender Fangquoten und den vielen Annehmlichkeiten, die durch die Sieger in den Distrikt kamen, geht es ihnen nun bald so gut wie in Distrikt zwei.
Als sie den Hafen erreichen, kann Finnick schon von weitem die Peppersheep, Annies altes Familienschiff, ausfindig machen. Frisch lackiert glänzt der Rumpf in der Sonne. Das alte, mottenzerfressene Behelfssegel ist durch ein neues ersetzt worden. Es sticht aus der Menge der alten Kähne, an denen der Zahn der Zeit nagt, deutlich hervor. Sein eigenes Boot ist längst nicht so groß, aber er musste damit auch nie eine ganze Familie ernähren. Er hat es sich mehr als Zeitvertreib nach seinem Sieg gekauft. Im Übrigen ist er ein miserabler Hochseefischer.
„Na, was sagst du?", fragt Annie stolz als sie vor dem Schiff halt machen. „Alles die Arbeit von Survy und mir!"
Ehrfürchtig betrachtet Finnick das alte Schiff, das nun wie neu scheint. Für drei Jahre hatte sich niemand darum gekümmert, doch nun erstrahlt der grüne Rumpf in aller Pracht.
„Endlich etwas sinnvolles, was ich mit meinem Preisgeld anfangen konnte", erzählt Annie. „Die Farben habe ich im Kapitol abmischen lassen, extra langlebig und farbintensiv."
Die Lettern, die das Wort Peppersheep bilden, sind in einem prächtigen Gold gehalten – das einzige Zugeständnis an den Luxus, den Annie sich nun leisten kann.
Beeindruckt nickt Finnick. „Es ist wirklich schön geworden. Deinem Vater hätte es sicherlich gefallen."
„Das glaube ich auch. Heute morgen habe ich von ihm geträumt und er hat mir gesagt, dass er stolz auf mich ist." Verstohlen wischt Annie sich über die Augen, behält aber ihre Fassung. „Ich bin froh, dass Mags das Schiff gerettet hat. Jetzt kann ich mich endlich wieder selber um es kümmern." Sie streicht über den Bug, ehe sie die kleine Holzplanke erklimmt, die als Einstieg auf das Boot dient. „Also dann, bereit für eine Rundreise mit Kapitänin Cresta durch den schönsten Teil von Distrikt vier, Erster Maat Odair?"
Finnick lacht. „Aye-aye, meine Kapitänin!"
„Dann hol mal die Taue ein!"
Wenig später verblasst Distrikt vier hinter ihnen, als sie die Sicherheitskontrolle im Hafen passiert haben. Der kleine Schiffsmotor tuckert eifrig. Finnick sitzt direkt an der Bugspitze, seine langen Beine über die Bordkante geschwungen. Gischt spritzt ihm ins Gesicht. So fühlt er sich frei.
Annie ist am Steuerrad. Wie sie so dasteht, den Wind in ihren Haaren, die Augen fest auf den Horizont gerichtet, sieht sie aus wie eine Göttin. Sie brauchen nicht miteinander reden, um zu wissen, dass sie beide das Gefühl der rollenden Wellen genießen.
Eine ganze Weile fahren sie schweigend hinaus auf das weite Stück des Meeres, das zu Distrikt vier gehört. In der Ferne können sie andere Boote ausmachen, kleine Fischer die eifrig am Arbeiten sind. Sie sind so weit weg, dass sie nicht mehr sind als Schemen.
Auf dem Meer kann man sich wirklich alleine fühlen. Einzig die Wachtürme am Ende der Bucht halten die Erinnerung wach, dass niemand von ihnen frei ist. Im Abstand von 100 Metern riegeln die Bollwerke aus Beton und Metall ihr Stück Ozean von dem Rest des unendlichen Blau ab. Unsichtbar unter den Wellen verbergen sich Ketten aus Seemienen, die jede Flucht unmöglich machen.
Annie schaltet den Motor ab und Stille umfängt sie. Nur das leise Plätschern der Wellen, die am Schiffsrumpf lecken, bleibt. Sie setzt sich neben ihn, den Blick auf das ferne Land gerichtet.
„Hier", sie schiebt ihm ein kleines Paket zu, „Isla hat sogar an Proviant für uns gedacht."
Eingeschlagen in das Wachspapier liegen einige Stücke geräucherten Lachs auf Islas selbstgebackenem Brot. Grollend meldet Finnicks Magen sich zu Wort. Seit dem frühen Morgen hat er nichts mehr gegessen.
Kichernd beißt Annie in ihr eigenes Brot.
Es schmeckt wirklich ausgezeichnet. Selber ist er zwar ein passabler Koch, doch mit Isla kann er nicht mithalten.
„Also, was machen wir nun, da wir zumindest einen unserer Tribute kennen", fragt Annie ihn zwischen zwei Bissen.
Er hat beinahe schon vergessen, dass er bis eben den Tag damit verbracht hat, Kindern zuzusehen, die sich gegenseitig töten wollen. Das hat das Meer so an sich, es reißt einen fort aus der Düsternis des Alltags.
„Wir überlegen uns eine Strategie, wie wir am meisten Sponsoren sammeln können. Sprechen ein- zweimal mit dem Tribut, um mehr von ihr zu erfahren. Floogs Aufgabe ist es, unauffällig Informationen an Roan weiterzugeben, damit er weiß, für wen er Kleider designen muss. Amber und Trexler werden noch ein paar Mal in die Akademie gehen und beim Training ein besonderes Augenmerk auf sie richten, ihr einige Sachen beibringen, soweit sie können ohne aufzufallen. Früher ... haben Mags und ich immer gemeinsam überlegt was die Tribute in den Interviews erzählen sollen."
„Hmm." Geistesabwesend wirft Annie einige Brotkrumen hinaus auf das Wasser. Kreischend stürzen sich zwei Möwen herab. „Und was werde ich tun?"
Finnick beobachtet wie die Möwen sich lautstark um die Krümel streiten. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Du musst nichts tun, wir kriegen das alleine hin." Er spürt ihren kritischen Blick auf sich, sieht jedoch weiter zu den großen Vögeln hinüber.
„Ich möchte aber helfen. Wenn wir dieses Spiel schon spielen müssen, dann will ich nicht untätig dabei sitzen und den Horror einfach nur ertragen."
Die Richtung, die dieses Gespräch eingeschlagen hat, gefällt ihm nicht. Am liebsten würde er sie immer noch vor den Spielen beschützen. Doch Annie hat ihm eindeutig klar gemacht, dass sie ihn diesen Kampf nicht für sich ausfechten lässt. Lieber gibt sie Snow seinen Willen, als dass sie Finnick um ihre Sicherheit betteln lässt.
Seit dem Ende der Siegestour haben sie das Thema nicht mehr angesprochen, vor allem weil er immer wieder davon ablenkt. Vermutlich versteht er ihre Beweggründe tief in sich drinnen, aber er schiebt das Wissen immer wieder von sich. Sie sollte es nicht akzeptieren wollen.
„Fin", flüstert sie und ergreift seine Hand. Ihre Finger winden sich zwischen die Seinen. „Sieh mich an", fordert sie mit sanftem Nachdruck.
Widerwillig blickt er in ihr Gesicht voller Sommersprossen.
„Ich weiß, dass es nicht einfach wird. Ich weiß, dass ich Albträume haben werde. Ich werde nachts nicht schlafen können und manchmal werde ich vergessen, wo ich bin, wer ich bin." Sie holt tief Luft. „Ein Teil von mir wird immer verrückt bleiben. Aber der normale Teil in mir weiß, dass ich trotzdem helfen kann. Einen Unterschied machen kann. Mags hat mir geholfen, nicht weil sie mir nützliche Kampftechniken beigebracht hat, sondern weil sie einfach für mich da war, als niemand sonst es war. Sie hat einfach nur meine Hand gehalten und mich daran erinnert, dass ich in der Arena nicht alleine sein werde, sondern dass die Mentoren in Gedanken immer bei mir sein werden." Das Meer scheint sich in ihren Augen zu spiegeln, als sie weiter spricht. „Ich glaube, das kann auch ich tun. Wenigstens etwas, um diese Welt erträglicher zu machen. Dein Talent ist der Kampf, das habe ich heute erst wieder gesehen, aber dann lass mich das Meine dazu tun, um unseren Tributen zu helfen."
Nicht zum ersten Mal in seinem Leben fragt Finnick sich, ob Annie nicht so viel weiser ist, als er selbst. Mit der freien Hand streicht er über ihre Wange. „Kapitänin Cresta, es ist wirklich bewundernswert, wie Sie selbst im Sturm Kurs halten können." Der folgende Kuss ist zart und salzig wie das Meer. Wieder ernst blickt er sie an. „Tut mir leid, dass ich dir nicht zuhören wollte bei der Siegestour. Ich ...", nachdenklich seufzend blickt er auf ihre ineinander verschlungenen Hände und realisiert erst jetzt den vollen Umfang seiner Ängste, „ich habe nur so Angst vor dem, was Snow dir alles antun könnte, wenn du erst einmal im Kapitol bist, in seiner Reichweite." Zögerlich blickt er ihr wieder in ihre Augen, die immer so voller Liebe sind. „Angst, dass er dich brechen will, um mir das Beste in meinem Leben zu nehmen. Für ihn sind wir nicht mehr als Figuren auf einem Schachbrett, es würde ihm nichts ausmachen, dir etwas anzutun, um mich leiden zu sehen."
Ohne, dass er es bemerkt hat, rollt plötzlich eine Träne über seine Wange. Annie lehnt sich vor und küsst sie fort. „Snow ist ein Arschloch", wispert sie. „Aber ich bin auch nicht so leicht kleinzukriegen. Mag sein, dass ich halb verrückt bin, aber eben nur halb. Er hat es also nicht geschafft, mich zu brechen." Sie lächelt schief.
Unwillig muss Finnick doch ein wenig lachen. Wie Johanna es einmal sagte - Snow hat sie wirklich ordentlich kaputt gemacht, wenn sie sich darüber freuen, nur zur Hälfte verrückt zu sein.
„Ich vergesse wirklich immer, wie stark du bist." Er zieht Annie fest an sich und gibt ihr einen Kuss auf das Haar.
Den Rest des Tages verbringen sie weit draußen auf dem Meer, eng beieinander und weit weg von ihren Sorgen. Erst als die Sonne sich tief rot färbt, kehren sie in den Distrikt zurück, ein paar kleine Fische im Gepäck. Die warme Erinnerung an diesen Tag und viel mehr noch Annie – wie sie das Schiff steuert, ihr Haar im Wind wehend und ein Lachen auf den Lippen - bewahrt Finnick in seinem Herzen, bis zu dem Tag der Ernte.
Der Erntetag ist wie immer ein heißer Sommertag, an dem die Hitze sich noch unerträglicher anfühlt als ohnehin schon. Unpassend zu dem prächtigen Sommerwetter entspricht die Stimmung im Distrikt jedoch eher der eines regnerischen Herbsttags.
Bereits am Morgen treffen die Mentoren sich mit Cece im Rathaus. Draußen wird die Bühne aufgebaut, während sie drinnen die letzten Details durchgehen. Für diese Ernte hat Cece sich in ein Limetten-grünes Ensemble gekleidet, nur ihre hellorangen Korkenzieherlocken sind unverändert. Sie ist aufgeregt, plappert die ganze Zeit davon, dass sie es gar nicht erwarten kann ihre neue ‚Heldin' endlich kennenzulernen. Noch bevor sie Cordelia überhaupt je gesehen hat ist sie schon überzeugt davon, dass sie es in sich hat Siegerin zu werden.
Niemand wagt es ihren Enthusiasmus zu bremsen, doch den Mienen seiner Leidensgenossen nach würde jeder von ihnen ihr nur zu gerne den Mund verbieten.
Da ist es beinahe schon eine Erleichterung, als sie endlich auf die Bühne gebeten werden, damit die Ernte beginnen kann. Auch Riven und Mags stoßen zu ihnen, letztere noch wackelig auf den Beinen und gestützt von zwei Friedenswächtern.
Finnick bietet ihr mit einem Lächeln seinen Arm an und sie stützt sich dankbar auf ihn. Er ist froh, dass sie dieses Jahr nicht dabei sein muss. Mags hat sich einen ruhigen Sommer in jedem Fall verdient. Isla wird auf sie aufpassen, das weiß er. Trotzdem hasst er es, dass sie nun ohne Mags Weisheiten auskommen müssen. Nach fast einem ganzen Leben voller Hungerspiele hat niemand so viel Erfahrung wie sie.
Als würde sie seine dunklen Gedanken spüren tätschelt sie ihm liebevoll den Handrücken. Etwas Unverständliches kommt aus ihrem Mund, doch er muss gar nicht verstehen was sie sagt, um zu wissen, was sie ihm sagen möchte. Das alles wieder gut wird, wenn sie nur dafür kämpfen.
Wie in jedem Jahr hält der Bürgermeister eine ermüdende Rede darüber, warum ihr Distrikt die Strafe durch die Hungerspiele verdient hat. Von den dunklen Tagen ist die Rede, obwohl sich kaum noch einer an diese erinnert.
Finnick glaubt, dass die Tage, in denen sie leben, die wahren dunklen Tage sind. Der Krieg muss schlimm gewesen sein, doch der jährliche Tod von 23 Kindern und Jugendlichen ist genauso barbarisch. Aber wie alle anderen macht er gute Miene zum Spiel. Lächelnd beklatscht er Cece, als diese auf die Bühne stolziert um die Namen zu ziehen.
Vor lauter Anspannung scheint die Luft zu knistern. Die meisten dort unten wissen nicht, dass sich ein Mädchen freiwillig melden wird. Sie glauben, dass es vielleicht in diesem Jahr sie selber treffen wird. Und ein Junge wird es dieses Jahr werden, der seiner Familie entrissen wird. Er kann nur hoffen, dass es nicht wieder ein Zwölfjähriger wird. Je jünger sie sind, desto schlimmer ist es, nur ihren Sarg nach Hause bringen zu können.
„Ladies first!" verkündet Cece freudestrahlend. Höflicher Applaus brandet auf. Sie versenkt ihre Hand mit den krallengleichen Fingernägeln in die Glaskugel, wackelt ein bisschen mit den Fingern um die Spannung anzuheizen, und schnappt sich dann einen Zettel. „Der weibliche Tribut aus Distrikt vier für die 74. Hungerspiele wird – Erissa Worth!"
Ihre Worte verklingen in der Stille, die sich über den Festplatz gesenkt hat. Die Kameras suchen ein Gesicht in der Menge – und da finden sie es, eine blasse Fünfzehnjährige die fassungslos auf Cece starrt. Cece strahlt sie an, kostet diesen Moment regelrecht aus. Sie weiß, was gleich kommen wird.
Wenn Cordelia sich freiwillig meldet dann soll es aufsehen erregend werden, die Blicke der Sponsoren im Kapitol auf sich ziehen. Noch besser würde es Cece wohl gefallen, wäre das gezogene Mädchen noch jünger.
Unten auf dem Platz hingegen erlebt Erissa Worth wohl gerade die schlimmsten Minuten ihres Lebens. Mit zittrigen Knien geht sie einige Schritte vorwärts Richtung Bühne, wo Cece die Hand nach ihr ausstreckt.
„Einen riesigen Applaus bitte für unseren weiblichen Tribut", fordert sie.
Es dauert einen Moment, bis die Zuschauer aus ihrer Starre aufwachen. Einer fängt zögerlich an und plötzlich applaudieren alle für das unglückliche Kind. Von Cordelia ist nichts zu sehen. Finnicks Augen suchen die Reihen nach ihr ab, doch er kann sie zwischen den vielen Jugendlichen nicht entdecken. Was, wenn sie es sich anders überlegt hat? Schließlich gibt es keine Verpflichtung für sie, sich wirklich zu melden. Vor seinem inneren Auge stürzt ihr über die letzten Wochen sorgsam aufgebautes Kartenhaus schon in sich zusammen.
Erissa Worth scheint gerade all ihren Mut zusammen nehmen zu wollen, um die Bühne zu erklimmen, als doch noch Bewegung in die Reihen kommt. Entschlossen schreitet Cordelia zwischen den Leuten hervor. Alle Augen schießen zu ihr, auch die Flehenden von Erissa. Cordelia läuft direkt auf sie und die Bühne zu. Kurz vor ihnen macht sie Stopp. Sie steht aufrecht, das Kinn empor gereckt. Kaum merklich zittert ihre Unterlippe, als sie ruft:
„Ich melde mich freiwillig!"
Ein weiteres Mal senkt sich Stille über den Platz. Cece lässt den Moment wirken, ehe sie aufgeregt ruft: „Sieht so aus, als würde jemand anderes gerne deinen Platz einnehmen, Erissa!"
Ein lauter Schrei der Freude entweicht dem Mädchen und sie wirft sich Cordelia ungestüm an den Hals. Verdutzt stolpert diese ein paar Schritte rückwärts, als das Mädchen sie innig umarmt.
„Ich überlasse ihr meinen Platz!" platzt es aus der Fünfzehnjährigen heraus. Bevor noch jemand etwas sagen kann, lässt sie von Cordelia ab und rennt über den Platz, an der Absperrung vorbei in Richtung ihrer Eltern.
Nun ist es an Cordelia mit wackeligen Schritten die Bühne zu erklimmen. Sie ist eindeutig nervös. Dennoch bemüht sie sich, zu lächeln. Mit dem Mikrofon in der Hand tritt Cece zu ihr.
„Meine Liebe, was für eine schöne Überraschung! Verrate uns doch wie du heißt und wie alt du bist."
„Ich bin Cordelia Tidemore, Siebzehn Jahre."
„Ach, wunderbar", quiekt Cece freudig, „sag, warum hast du dich freiwillig für Erissa gemeldet?"
Mithilfe der Mentoren hatte sie sich einen eleganten Satz für diese Frage überlegt. Wie bei jedem Freiwilligen vor ihr, scheint ihr Kopf nun allerdings leer gefegt zu sein. Die wohlüberlegten Worte sind zwangsläufig Geschichte, als sie dennoch zu sprechen beginnt. „Natürlich will ich Ruhm für meinen Distrikt erringen. Ich will dem Kapitol zeigen, was Distrikt vier so alles drauf hat – Nicht nur Distrikt eins kann aufeinanderfolgende Sieger haben."
Immerhin ordentlich, darauf werden sie aufbauen können.
„Schön gesagt, meine Liebe. In der Tat, Distrikt vier ist nicht zu unterschätzen! Dann bitte einen riesigen Applaus für Cordelia, unseren freiwilligen Tribut!"
Distrikt vier respektiert seine freiwilligen Tribute, daher bekommt Cordelia einen ordentlichen Jubel. Dank der Unterstützung ihrer Leute scheint sie ein wenig aufzutauen und winkt in die Menge.
„Es ist Zeit für die Jungen", verkündet Cece. Getragen von dem Hochgefühl in der Menge, nun da sie eine Freiwillige haben, versenkt Cece erneut ihre Hand. „Der männliche Tribut aus Distrikt vier für die 74. Hungerspiele ist – Varian Steed!"
Erneut suchen die Kameras die Menge ab. Finnicks Herz zieht sich zusammen, als sie auf einen schmächtigen Jungen halten, der ein viel zu großes Hemd trägt. Unmöglich, dass er älter als zwölf ist. Sein blondes Haar ist beinahe durchscheinend in der Sonne.
Ein Blick zu Annie zeigt Finnick, dass sie ebenso schockiert ist. Ein Zwölfjähriger in der Arena, das ist, als würde sich alles wiederholen.
Mitfühlend beobachtet sie, wie der kleine Junge sich zwischen den Leuten hervor schiebt und zögerlich in Richtung Bühne geht. Seine Schritte sind langsam, er scheint förmlich darauf zu warten, dass jemand hervorspringt, um auch ihn zu erlösen. Nur, dass es niemanden gibt.
Als er auf der Bühne steht merkt auch er, dass keiner mehr kommen wird. Cece bittet erneut um Applaus, der dieses Mal deutlich weniger enthusiastisch ausfällt. Wo eben noch ausgelassene Stimmung herrschte kippt die Laune nun wieder. Gebannt starrt die Menge auf den Jungen neben der kräftigen Cordelia, eine unfaire Kombination.
Langsam aber sicher füllen die Augen des Kindes sich mit Tränen. Ein Blick aus hellgrauen Augen trifft Finnick, erfüllt von Angst. Wenn er könnte, er würde sich freiwillig melden für den Kleinen.
„Auch wenn sich noch keiner gemeldet hat, gibt es vielleicht einen Freiwilligen?" fragt Cece trotzdem noch einmal nach, in dem Versuch die Stimmung zu heben.
Das Rauschen des Windes ist die Antwort. Betretene Blicke derer, die die Ernte überstanden haben. Selbst wenn es ein Zwölfjähriger ist möchte niemand seinen Hals riskieren.
„Verdammt!" erschallt es plötzlich aus einer der hinteren Reihen, „Ich melde mich freiwillig!"
Köpfe schnellen herum. Wütend stapft ein Junge nach vorne, die Hände zu Fäusten geballt. Er stellt sich vor die Bühne und ruft noch einmal. „Ich melde mich freiwillig!"
Die rotblonden Locken sind unverkennbar. Es ist Edy aus der Akademie. Finnicks Herz sinkt noch tiefer.
Überraschung, es meldet sich noch jemand freiwillig! Ob Edy sich das gut überlegt hat? Schreibt mir doch mal eure Meinung in die Kommentare, ich würde mich freuen!
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