15 | Kristallblut - Part I
Gleißende Lichter und tosender Applaus empfangen uns in Distrikt eins. Nach den tristen Distrikten wie Zwölf, Elf oder Drei erscheinen mir die sauberen Straßen und Menschen in Festtagskleidung unwirklich. Es fühlt sich an, als wären wir bereits im Kapitol angelangt. Die Häuser sind ordentlich und selbst der Himmel zeigt sich in strahlend blauem Gewand.
Riven schreitet vor uns drein wie eine Königin, den jubelnden Menschen, die unseren Weg säumen, winkend. Ihre Krone fängt das Sonnenlicht ein und lässt sie in ihrem silbrig-weißen Seidenkleid erstrahlen. Fast kann es einen vergessen lassen, dass es immer noch Winter ist. Roan hat uns allesamt in beinahe sommerliche Outfits gekleidet, doch fast unsichtbare Strumpfhosen und Ärmel halten uns warm, während ein frischer Winterwind durch die Menge fegt. Kameras fangen jeden unserer Schritte ein. In Distrikt eins liegen die Menschen den Siegern zu Füßen, nicht nur ihren eigenen.
An meine eigene Siegertour kann ich mich kaum erinnern, auch wenn sie gerade einmal drei Jahre her ist. Als wir bei Distrikt eins angelangt sind, musste ich mehr Beruhigungsmittel im Körper gehabt haben, als eigenes Blut. Ich erinnere mich nur schemenhaft daran, dass Cece mich auf Bühnen zerrte und in meinem Namen die Dankesreden verlas.
Deshalb erscheint mir jetzt jede Straßenecke wie neu. Heute habe ich nur eine kleine Dose Morfix genommen, größtenteils um Cece zufriedenzustellen. Wenn es sich auf Dauer anfühlt als wäre man in eine dichten Nebel gehüllt, wird auch dieser Zustand früher oder später unerträglich. Bisher habe ich mich ja auch ganz gut geschlagen und tapfer jede Show über mich ergehen lassen, ohne hysterisch zu werden, wie Cece es immer sagt. Abgesehen davon hat Distrikt sechs mich ganz gut daran erinnert, was passiert, wenn man sein Leben in die Hände von Morfix legt.
Anders, als in den übrigen Distrikten, sind die Häuser in Distrikt eins sehr hell, mit großen Glasfronten und kleinen ordentlichen Gärten. Natürlich ist das nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, aber es ist doch ein krasser Unterschied zu den armen Stadtzentren in Orten wie Elf oder Zwölf.
Der große Festplatz ist ähnlich feierlich geschmückt wie bei uns daheim, mit zahlreichen Blumen und langen Stoffbannern.
Unter dem Applaus der Menge schreiten wir direkt auf die Bühne, anstatt wie sonst erst im Rathaus warten zu müssen. Ich frage mich welche Unterschiede zu den anderen Distrikten es wohl noch geben wird. Es ist jedenfalls schwer zu übersehen, dass Distrikt eins der Liebling des Kapitols ist.
Wir Mentoren nehmen auf gepolsterten Stühlen hinter Riven Platz. Dankbar lehne ich mich zurück, froh, dass heute der Fokus nicht auf mir liegt.
Immerhin ist die Atmosphäre nicht so düster wie in den Distrikten, wo Riven Tribute getötet hat. Diese deprimierenden Orte haben wir endgültig hinter uns gelassen.
Während Distrikt eins mich nur an Menschen denken lässt, die ich nur vergessen will, hatte Riven hier Verbündete. Ich frage mich, ob die Erinnerung an diese Tribute ihr vielleicht schmerzt. Wie sie so dasitzt, ihren Kopf hoch erhoben und lächelnd der Menge zuwinkt kann ich nicht ergründen, was in ihr vorgeht. Für einen Moment kreuzen unsere Blicke sich und sie wendet sich schnell ab.
Die Festlichkeiten schreiten mit allerlei Jubel voran. Er kann einen fast vergessen lassen, dass der Tod von 23 Kindern uns an diesen Punkt geführt hat. Unmittelbar vor der Bühne stehen reihenweise Jugendliche in einer Art weißer Uniform. Floogs, der meinen irritierten Blick sieht lehnt sich zu mir herüber.
„Das sind die Kinder aus der Akademie. Ein Platz in der ersten Reihe bedeutet, dass sie zu den besten Schülern dort gehören. Die Schüler werden jedes Jahr handverlesen."
Ich betrachte die schiere Menge an potentiellen Tributen. Selbst in der Blütezeit unserer Akademie hat Distrikt vier nie so viele Schüler gehabt.
„Eine noch größere Ehre ist es, später zum Dinner eingeladen zu sein, dort wird nur eine Handvoll von ihnen sein", ergänzt Floogs, „und die Jüngeren von ihnen dürfen Geschenke an die Siegerin überreichen."
Tatsächlich werden alle Geschenke an Riven von kleinen Jungen und Mädchen in eben dieser weißen Uniform überreicht. Teils sind sie nicht einmal alt genug, um in den Spielen mitzumachen, aber schon trainierter als ein volljähriger Tribut aus einem ärmeren Distrikt. In unserer Akademie dürfen erst Kinder ab zwölf Jahren trainieren.
Mir fällt auch auf, dass sie fast alle hellblonde Haare haben, ebenso wie die Jugendlichen im Publikum. Die wenigen Dunkelhaarigen stechen richtig aus der Menge hervor. Ob das wohl Absicht ist, damit sie dem Kapitol besser gefallen? Zumindest sind die meisten Sieger aus Eins, die mir in den Kopf kommen, auch blond.
Die anschließende Führung durch den Distrikt fällt auch aufwändiger aus als in jedem anderen Distrikt. Es ist egal welchen Ort wir betreten, überall ist es sauber, ordentlich und die Menschen sind wohlgenährt in hübschen Kleidern unterwegs.
Das Abendessen jedoch übertrifft alles. Mehr als 200 Gäste müssen geladen sein. Anstatt in einem stickigen kleinen Hinterzimmer des Rathauses, findet die Feier in einem prächtigen Saal statt. Wir ziehen uns in Räumen im Obergeschoss um, um über eine geschwungene Treppe hinab in den Saal zu schreiten – nur um erneut von tosendem Applaus empfangen zu werden. Bedienstete reichen uns kristallene Gläser zum Anstoßen.
Ganz wie Floogs es gesagt hat stehen gleich in erster Reihe sechs Jugendliche in strahlend weißer Uniform. Ihr blondes Haar schimmert golden im Kerzenlicht, bis auf das eines Jungen. Überhaupt sind alle von der gleichen, ebenmäßigen Schönheit. Es überrascht mich wenig, dass der Bürgermeister uns diese zukünftigen Tribute sogleich vorstellt. Passend zu ihrer glamourösen Erscheinung tragen auch sie Namen die an Gold, Edelsteine und Luxus erinnern.
„Unser Marvel und unsere Glimmer sind momentan die Favoriten für die Spiele im nächsten Jahr", sagt der Bürgermeister verschwörerisch. „Mal sehen ob Distrikt vier uns da Konkurrenz machen kann."
Alle lachen höflich, doch ich sehe den Ehrgeiz in den Gesichtern der beiden potentiellen Tribute aufblitzen. Unweigerlich springen meine Gedanken zurück zu Shine, meinem ganz persönlichen Albtraum aus Distrikt eins. Ob auch sie einst hier stand und dem Sieger ehrfürchtig Fragen zu den Spielen stellte, so wie die Tributkandidaten jetzt Riven befragen?
Kaum, dass ich den Gedanken zu Ende gebracht habe, sehe ich sie schon vor mir, strahlend schön in der weißen Uniform und mit den goldenen Locken. Doch auf ihren Lippen liegt wieder dieses fiese Grinsen, das Grausamkeit verspricht.
Ich weiß, dass sie nicht wirklich da ist, doch ihr Blick scheint mich zu durchbohren. Als würde sie mich wieder jagen wollen. Ein Schauer durchfährt mich. Mein Griff am Glas wird locker, das Kristallglas droht mir zu entgleiten. Hastig schließe ich die Augen und als ich sie wieder öffne ist Shine verschwunden.
„Annie?" Floogs berührt mich leicht am Oberarm.
Verwundert blicke ich mich um. Die Gruppe von Tributkandidaten starrt mich geschlossen an. Scheinbar habe ich einen Teil der Unterhaltung verpasst. Unsicher lächle ich, in dem Versuch die peinliche Stille zu überspielen.
„Ah, entschuldigt bitte, ich war in Gedanken", sage ich.
Rivens geringschätziges Schnauben ist für jeden zu hören. Allerdings schenke ich ihr nicht viel Aufmerksamkeit, da es mir in diesem Moment erscheint, als hätte ich Shine erneut in der Menge erspäht.
Nicht in der Uniform, sondern in einem eleganten Abendkleid. Wie gebannt starre ich in die Menge und tatsächlich, es sieht aus wie Shine in der Ferne, nur älter. Als hätte sie die Spiele überlebt. Das kurze Aufflackern dieses Gedankens reicht aus, um mir doch noch das Glas aus den Fingern gleiten zu lassen. Klirrend schlägt es auf dem marmornen Boden auf, wo es in tausend Teile zerbricht. Einen Moment starre ich entsetzt auf die mit Scherben gespickte Pfütze zu unseren Füßen. Überraschte und erschrockene Blicke liegen auf mir und vertreiben Shine aus meinem Kopf.
Bestürzt lasse ich mich auf die Knie fallen, beschämt über mich selber. „Oh, oh nein, das tut mir so leid", stürzen die Worte aus meinem Mund, „das war ein Versehen, ich bin so ungeschickt!" Mit fahrigen Händen versuche ich so schnell wie möglich alle Scherben aufzusammeln, ohne darauf zu achten, wo hin ich greife. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Bediensteten mit einem Besen heraneilen, doch ich will ihm nicht mehr Arbeit machen. Jemand packt meine Unterarme und hält sie erstaunlich fest.
„Stopp, Annie, stopp!" Amber kniet vor mir. „Du tust dir weh", setzt sie leiser hinzu. Wie zum Beweis zieht sie meine rechte Hand hoch, auf der blutige Schnitte klaffen. Zunächst fühle ich nichts, obwohl Blut über mein Handgelenk rinnt. Erst als Amber mich kraftvoll auf die Füße zieht, dringt der Schmerz langsam in mein Bewusstsein.
Alle stehen um uns herum, starren uns an. Hunderte Fragen stehen in ihren Gesichtern, doch ich kann es mir selber nicht mehr erklären. Auf dem Marmor hat sich der Sekt mit den blutigen Scherben vermischt. Bei dem Anblick rebelliert mein Magen. Nur mit Mühe gelingt es mir Fassung zu bewahren, zumindest das Bisschen, was mir bleibt. An niemand bestimmten gewandt hauche ich noch einmal „Es tut mir so leid."
Eine Frau schiebt sich durch die Menge auf mich zu. Sie trägt das silbrig blaue Kleid, das ich eben noch an Shine gesehen habe. Doch von Nahem erkenne ich, dass es nicht Shine sein kann. Sie sieht ihr erstaunlich ähnlich, angefangen bei den hellen Locken, über die schmale Nase, zu der schmalen Figur, nur ist sie bestimmt sechs oder sieben Jahre älter. In ihren braunen Augen liegt Sorge und die schmalen Lippen verziehen sich nicht zu einem gehässigen Grinsen als sie mich anblickt.
„Darf ich mal sehen?", fragt sie höflich. „Ich bin Glista, Ärztin hier im Distrikt."
Nur zögerlich reiche ich ihr die verletzte Hand. Kühl umfasst ihre Hand das Handgelenk. Ihr Blick scheint die Wunde rasch zu analysieren.
„Keine Sorge, eure liebe Annie ist bei Glista in guten Händen. Sie ist eine unserer Besten, nicht umsonst ist sie die Leiterin der Klinik", lacht der Bürgermeister fröhlich. „Sie wird sie ruckzuck verarzten, solange räumen wir das kleine Missgeschick fort und es kann mit der Feier weiter gehen!"
Angestellte kehren bereits die Scherben zusammen. Finnicks besorgter Blick streift mich und er bedeutet mir mit einem Nicken, der Ärztin zu folgen. Auch Amber lässt mich jetzt los. Wankend bleibe ich stehen. Die Ärztin bahnt sich bereits einen Weg zu einer Tür am Rande des Saals. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
„Annie ist wirklich besonders – besonders verrückt", höre ich Riven noch sagen, ehe wir aus dem Saal verschwinden. Hinter mir erhebt sich neuerlich lautes Stimmengewirr und verschluckt die Antwort darauf. Ich werde in einen dunklen Flur und von dort in ein kleines Arbeitszimmer geführt.
Glista bedeutet mir, mich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch zu setzen, während sie in einem Schrank herum wühlt. Mit einem Verbandstäschchen unter dem Arm kommt sie schließlich zum Schreibtisch zurück.
„Zum Glück gibt es hier immer etwas Verbandsmaterial, falls sich mal einer am Papier schneidet", sagt sie lächelnd. „Dann lass mich mal vernünftig schauen."
Ich lege meine blutige Hand in ihre und sie beugt sich mit fachmännischem Blick darüber.
„Da hast du dich wirklich ordentlich am Glas geschnitten. Achtung, das brennt jetzt leider", erklärt sie und kaum, dass sie ein Desinfektionsmittel aufgetragen hat, spüre ich stechenden Schmerz. Glista behält meine zuckende Hand fest im Griff. „Ich fürchte ich muss ein paar kleine Splitter aus den Wunden ziehen, bevor ich sie verbinden kann."
Sie schenkt mir ein kleines Lächeln. Auf ihrem Gesicht, das dem Shines so ähnlich ist, sieht es falsch aus. Vermutlich meint sie es nur gut, aber die unheimliche Ähnlichkeit beunruhigt mich trotzdem.
Als sie zu merken scheint, dass ich nichts erwidern werde, wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Konzentriert zieht sie mit einer Pinzette winzige Stücke des Glases aus meiner Hand. Ich beiße mir fest auf die Innenseite der Wange, um keinen Laut von mir zu geben. Für heute bin ich genug aufgefallen.
„Es tut mir Leid, falls ich dich erschreckt habe", sagt sie urplötzlich. „Das war nicht meine Absicht. Scheint so, als würde ich meiner Schwester doch ähnlich sehen."
Mit einem kleinen Ruck zieht sie einen weiteren Splitter aus der Wunde und ich vergesse ganz, meine Lippen zusammen zu pressen. Ein kläglicher Schmerzlaut entweicht mir. Ich starre sie an.
„Wie meinst du?"
Sie lächelt noch einmal. „Na, ich vermute mal, dass mein Anblick dich erschreckt hat, weil ich meiner Schwester Shine so ähnlich sehe." Jetzt treffen unsere Blicke sich. „Leider wart ihr ja nicht gerade ... Freunde." Bedauern liegt in ihrem Blick. „Es muss hart für dich sein", setzt sie nach einer kleinen Pause hinzu.
Sprachlos blicke ich die Ärztin an, wie sie die letzten Splitter entfernt und dann umsichtig meine Hand säubert. In meinem Kopf herrscht Chaos. Wenn sie wirklich die Schwester von Shine ist, warum ist sie dann so freundlich zu mir? Sollte sie mich nicht hassen? Immerhin ist Shine nie aus der Arena heimgekehrt, wegen mir. Mein Gesicht scheint meine Gedanken widerzuspiegeln, denn Glista bedenkt mich mit einem sanftmütigen Lächeln.
„Bevor du fragst, nein, ich mache dir keine Vorwürfe."
Sie streicht eine hellviolette Creme auf meine Schnitte. „Die Creme wird dafür sorgen, dass die Wunden schnell verheilen. Dann bleiben auch keine Narben zurück."
„Du hättest allen Grund mich zu hassen", sage ich tonlos. Manchmal hasse ich mich sogar selber.
Glista wickelt einen Verband um meine Hand. „Weißt du, nicht alle in Distrikt eins sind gleich." Mit einer kleinen Schere schneidet sie das Ende ab. „Wir wollen keine Feinde sein." Ein Klebestreifen fixiert den Verband und ihr Lächeln wird melancholisch. „Genauso wie ihr, tun wir nur alles für unser Überleben." Sie fängt an das Verbandszeug wegzuräumen. „Ich glaube das ist nur natürlich. Also mach dir lieber nicht zu viele Gedanken."
Ich erwidere ihr freundliches Lächeln kurz. Dank ihrer klaren, sanften Art kann man ihr wirklich nicht böse sein, selbst wenn sie mich so stark an Shine erinnert. In meiner Hand pocht es dumpf, als die Creme ihre Heilwirkung entfaltet. Anscheinend eines der Wunderwerke direkt aus dem Kapitol.
„Vermutlich erinnerst du dich nicht mehr an mich, aber ich war da bei deiner Siegestour." Glista verschließt die Verbandstasche. „Ich habe nur ahnen können, wie sehr sie dich mit Morfix vollgepumpt haben." Ein Seufzen entrinnt ihr. „Spätestens da konnte ich keinen Hass mehr auf dich empfinden. Du hast gelitten, viel mehr als Shine. Shine wusste, worauf sie sich eingelassen hat. Sie hatte ihre Gründe und ich habe sie geliebt. Wir sind nicht alle Monster. Aber am Ende muss jeder für sich kämpfen." Kurzzeitig sieht sie gedankenverloren aus. Dann reißt sie sich aus ihren Gedanken und räumt das Verbandszeug weg. Lediglich die Salbe wirft sie mir zu. „Die wird niemand hier vermissen, aber du kannst sie gebrauchen. Wenn du die Stellen heute Abend noch einmal eincremst, wird man morgen kaum noch etwas sehen."
Dankbarkeit erfüllt mich. Ich starre auf meine frisch verbundene Hand. Glista hätte dies nicht tun müssen und ich hätte es auch nie von ihr erwartet. Tatsächlich habe ich Distrikt eins immer wie einen Feind gesehen, obwohl ich nur Shine kannte, die mich hasste. „Vielen Dank, Glista."
„Gerne."
Wir halten beide inne, blicken uns an. Die Feier wartet auf uns, doch ich würde lieber nicht gehen. Auch Glista sieht unentschlossen aus.
„Trotzdem tut es mir leid, mit Shine. Ich wäre lieber nicht ihre Feindin gewesen." Ich weiß nicht warum, doch es ist mir wichtig ihr das zu sagen.
Sie nickt. „Ich weiß. Nun denn, viel Erfolg Annie. Möge das Glück stets mit dir sein."
Der Rest der Feier fliegt an mir vorbei und ehe ich mich versehe, sind wir bereits wieder im Zug. Kaum haben wir Distrikt eins verlassen, erreichen wir auch schon das Kapitol. Zumindest erscheint es mir so. Aber zwischen den beiden Orten liegt schließlich auch nicht viel Strecke.
Die Festlichkeiten in der Villa von Präsident Snow sind das Highlight der gesamten Tour. Hunderte geladene Gäste werden auf unsere Ankunft warten. Tatsächlich verschlingen die Vorbereitungen für die Feier den gesamten Vormittag. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, warum das Styling so lange dauert, doch als wir endlich alle fertig beisammen stehen ist die Sonne am Horizont bereits wieder versunken.
Gegen meinen Willen stecke ich nun in dem samt-schwarzen Kleid mit verführerisch hohem Schlitz. In meine sorgsam arrangierten Haaren, die in leichten Wellen meinen Rücken herabfließen, ist der Blumenkranz, den ich im Zug gebastelt habe, eingeflochten. Schlussendlich habe ich mich für weiße Lilien entschieden, zusammengebunden mit einem dunkelroten Band. Aber das wahre Highlight des Kranzes sind die dornigen Stiele der Rosen, ihrer stinkenden Blüten beraubt. Sie winden sich unauffällig durch den Kranz, fallen erst auf den zweiten Blick richtig auf. Snow will, dass ich ihm seine Rosen präsentiere, aber das bekommt er nicht von mir.
Vermutlich ist es eine dumme Entscheidung, aber da mich auch niemand von dem Kranz abgehalten hat, werde ich ihn tragen. Wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, werde ich Präsident Snow ohnehin nicht begegnen. Finnick mag noch Hoffnung darauf haben, dass er Riven an meiner statt als Mentorin berufen wird, doch ich weiß tief in mir drinnen, seitdem ich Snows Brief gelesen habe, dass ich der Aufgabe nicht entgehen kann.
Er will mich in dieser Rolle sehen und deshalb wird es so geschehen. Ich werde nicht auch noch zu ihm gehen, um nach Gnade zu betteln.
Über die zwölf Tage Siegestour, die hinter uns liegen, habe ich versucht, all meinen Mut zu sammeln, um wenigstens heute die stärkste Version meiner Selbst zu zeigen. Sollen ruhig alle sehen, wie ich mich hoch erhobenen Hauptes meiner Aufgabe stelle. Es kann mir nur helfen. Zum Glück ist meine Hand beinahe verheilt und nur feine Linien erinnern an die tiefen Schnitte, obwohl sie gestern noch frisch waren. Mit einem Verband an der Hand wäre es ein anderer Eindruck.
Gemeinsam geben wir Sieger schon ein verrücktes Bild ab. Riven trägt etwas, das wohl dem letzten Schrei im Kapitol entspricht. Es ist sehr bauschig, sehr glitzernd und sehr golden. Die arme Amber hingegen steckt in einem rosa Albtraum, der so überhaupt nicht zu ihrem breiten Kreuz passen will.
Die Männer mit ihren Anzügen haben es definitiv am Besten getroffen, auch wenn die merkwürdige Lederoptik von Floogs Anzug ebenfalls zum Schreien aussieht.
Viel Zeit um einander zu bewundern – oder auszulachen – bleibt uns nicht, denn Cece scheucht uns schon in das Hovercraft, das uns bis vor den Palast fliegt.
Nach längerer Pause nun endlich das nächste Kapitel! Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr hattet Spaß beim Lesen. Die Siegertour ist eine ganz schöne Tortur für die arme Annie, aber das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluss. Was glaubt ihr, passiert im Kapitol? Glaubt ihr, Annie kann Snow entgehen? Wir kennen den Fiesling ja alle ...
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