Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

7 | Ein mysteriöser Ring

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so froh sein würde, beim Housekeeping arbeiten zu dürfen. Ich hatte die drei Kinder zwar zum Schluss ein wenig nachvollziehen können, aber ich war heilfroh, als ich mich nun endlich bei Francesco und Pablo befand und meinen normalen Job machen konnte. Herr und Frau Gremperich hatten mich um exakt 23 Uhr von meiner Schicht abgelöst. Als hätten sie die restliche Zeit damit verbracht vor der Kabinentür zu stehen, um dann auf die Sekunde genau um elf Uhr auf leisen Sohlen hereinzuschleichen. Zu dieser Uhrzeit hatten ihre Kinder schon längst geschlafen und ich hatte mich selbst dabei erwischt, wie ich auf der Couch im Wohnbereich mehrmals eingedöst und dann mit Schrecken wieder aufgewacht war.

Jedes Mal hatte ich mich vergewissert, dass die drei Kinder immer noch in ihren Betten lagen und nicht vielleicht Kraft getankt hatten, um sich wieder davonzuschleichen. Doch jedes Mal, wenn mein Kopf durch den kleinen Türspalt hindurchlugte, war alles so wie es sein sollte und die Jungs lagen seelenruhig in ihren Betten und schliefen tief und fest. Danach setzte ich mich wieder auf die Couch und schaute mir den dunklen Nachthimmel an. Die Sterne funkelten geheimnisvoll und das Rauschen der Wellen im Hintergrund beruhigte mich ungemein. Und irgendwann döste ich dann wieder ein.

Die Stille war so beruhigend, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, wie es war, wenn die Kinder laut waren oder wenn sie über einen ihrer Streiche lachten. Ich dachte auch an Tristan, der so lieb gewesen war und mir aus der Patsche geholfen hatte. Wäre er nicht gewesen, hätte ich die Kinder niemals gefunden. Zumindest nicht in diesem Leben. Es war ein Wunder gewesen, das Tristan auf die Idee gekommen war auf der Glasplattform nachzuschauen. Ich war ihm so dankbar. Doch auch wenn mir dieser Ausflug im Nachhinein sogar etwas Spaß gemacht hatte - ausgenommen meiner Panikattacken - war ich nun umso glücklicher das Babysitten fürs erste hinter mir zu haben. Meine weiße Uniform kam endlich einmal zum Einsatz.

„Du musst das Bad aufräumen, Solea.", trug mir Francesco auf und ich nickte kurz.

Ich ging mit schnellen Schritten ins Bad, nur um ein heilloses Durcheinander vorzufinden. Handtücher lagen verstreut auf dem Boden und an den Spiegelflächen hing noch der Wasserdampf der Dusche.

Auf dem Boden sammelte sich das Wasser in kleinen Pfützen. Ich schätzte dafür waren die Handtücher da. Um das Wasser ein wenig aufzusaugen. Es half anscheinend nicht sehr viel oder hier hatte tatsächlich jemand versucht den Untergang der Titanic nachzuspielen. Ich seufzte und machte mich daran die durchnässten Tücher vom Boden aufzusammeln und in den Wäschekorb zu schmeißen. Danach wischte ich erst einmal über den Boden und befreite die Spiegel von den Wassertropfen. Ich säuberte auch das Waschbecken und die Dusche und hängte der Familie mehrere neue Handtücher an den Ständer. Das Ganze dauerte mehr als eine Viertelstunde und Francesco und Pablo waren damit beschäftigt den Wohnbereich aufzuräumen.

Die Familie nahm es anscheinend nicht sehr genau mit Ordentlichkeit. Wir befanden uns gerade in einer der Suiten und Pablo hatte mir erzählt, dass hier eine Familie mit zwei kleinen Kindern untergebracht worden war. Die Familie war es offensichtlich nicht gewohnt, für sich selbst aufzuräumen, sondern ließ diese Aufgaben anderen zukommen. Der Wohnbereich sah beinahe noch schlimmer aus als das Bad, welches ich mir vorgenommen hatte und so kam es, dass ich danach auch noch Pablo und Francesco half, das Chaos aufzuräumen und die Wäscheberge in den Wäschekorb zu bugsieren.

Ich strich mir den Schweiß von der Stirn. Meine Uniform klebte mir bereits am Körper von der Anstrengung und meinen beiden Kollegen ging es nicht anders. Ihnen stand die Arbeit genauso ins Gesicht geschrieben wie mir und dabei waren wir noch nicht einmal zur Hälfte durch mit den Kabinen. Wir hatten gerade erst neun. Ab acht Uhr begannen wir mit der Schicht.

Das war laut Frau Hoffenmeier die Zeit, zu der die meisten Passagiere entweder beim Frühstück oder schon unterwegs waren, also die beste Zeit für uns die Zimmer aufzuräumen, alles in Ordnung zu bringen und dabei möglichst ungesehen durch die Gänge zu streifen. Nur brauchte man bei einigen Kabinen länger als erwartetet. Bei den ersten Zimmern waren wir vor allem zu dritt schnell fertig gewesen. Einer machte immer die Betten, einer saugte Staub und wischte einmal über die Fenster und der letzte machte das Bad. Derjenige, der dann zuerst fertig war putzte schnell über den Balkon oder, wenn es sich um eine Innenkabine handelte, half seinen Kollegen. So kam man schnell zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Ab und zu sah auch Frau Braun, die liebenswürdige alte Frau mit den weißen Haaren, die zuständig für unser Deck war, vorbei und ermutigte uns.

Während wir von Zimmer zu Zimmer gingen, saugten wir gleichzeitig auch durch den Gang. Diese Aufgabe fiel schon nach ein paar Kabinen komplett mir zu, weil Pablo immer über das Kabel stolperte und Francesco meinte, dass allerlei Elektrogeräte in seinen Händen in kürzester Zeit kaputt gingen, was ich ihm sofort abkaufte. Ich hatte nur mit den Schultern gezuckt und den Staubsauger in die Hand genommen. Ich hatte kein Problem damit diese Aufgabe zu übernehmen. Francesco stöhnte.

„War das alles?", fragte er hoffnungsvoll und ich schaute mich in der Suite um. Es sah alles wieder ordentlich aus. Und es hatte auch lange genug gedauert. Besser wenn es nach einer halben Stunde auch sauber aussah. Ich konnte zumindest kein einziges Staubkorn entdecken. Pablo schien es genauso zu sehen.

„Das war's.", sagte er und seufzte.

„Dann auf zum nächsten Zimmer."

Er klatschte in die Hände und ich rieb mir den Nacken. Wir packten unsere Putzsachen und verschwanden aus der Kabine. Hoffentlich sah es nicht jeden Tag so aus, aber ich rechnete schon mit dem Schlimmsten. Francesco schloss die nächste Kabine auf und verschwand mit Pablo und dem Putzwagen in der Kabine. Ich nahm den Staubsauger in die Hand und schaltete ihn an. Ich ging ein Stück den Gang entlang und säuberte den Boden von Flusen und Krümeln und der Staubsauger rappelte zufrieden. Kaum zu glauben, wie viel Dreck an nur einem einzigen Tag zusammenkam.

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie es auf der MYSTERY aussah, wenn man mal eine Woche lang nicht sauber machte. Der Teppich war bestimmt das Paradies zum Nisten für Insekten kleinster Art. Bei dem Gedanken, was für Tiere mir in diesem Augenblick vielleicht entgegenblickten, schauderte ich und beeilte mich meine Umgebung zu säubern. Die mikroskopisch kleinen Augen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.

In meinem Augenwinkel sah ich plötzlich etwas aufblitzen und ich stoppte meine Arbeit. Ich stellte den Staubsauger an die Seite, damit Passagiere problemlos an mir vorbei gehen konnten und näherte mich dem glänzenden Gegenstand.

Beim näheren Hinsehen wurde mir klar, um was es sich handelte. Ein Ring. Er war klein, aber ich sah schon aus der Ferne, dass er aufwendig bearbeitet wurde und bestimmt auch nicht sehr billig gewesen war. Ich hockte mich auf den Boden und nahm ihn zwischen die Finger. Es war ein kleiner Ring aus Silber.

Mir würde er wahrscheinlich nicht mal auf den kleinen Finger passen. An der Seite waren mehrere blaue Edelsteine eingefasst und er glänzte mich verschwörerisch an. Er sah sehr teuer aus und ich drehte ihn in dem gedämpften Licht hin und her. Ich erkannte auch einen eingravierten Buchstaben auf der Innenseite. Ein schwungvolles E verzierte die Seite. E. Für was das wohl stand? Für welche Person der Ring wohl bestimmt war?

„Bist du fertig?"

Francescos Stimme ließ mich zusammenzucken und ich richtete mich auf. Den Ring ließ ich, ohne weiter darüber nachzudenken in meine Hosentasche gleiten.

„Was machst du da?", fragte Francesco und seine Augen verengten sich argwöhnisch.

Ich lächelte verlegen und schnappte mir den Staubsauger, auf den ich mich jetzt abstütze, während Francesco mich weiterhin misstrauisch beobachtete.

„Ich bin gerade fertig geworden.", sagte ich schnell und Francesco sah noch immer nicht ganz überzeugt aus. Dann drehte er sich um.

„Wir müssen noch die Betten machen, dann sind wir mit dem Zimmer durch.", sagte er.

Ich nickte und folgte ihm in die Kabine. Ich konnte seine brennenden Blicke in meinem Rücken spüren, doch ich tat so als ob nichts wäre. Pablo begrüßte uns mit einem gehetzten Gesichtsausdruck.

„Los beeilt euch. Ich will heute auch noch fertig werden.", sagte er und ohne auf ihn einzugehen, machten wir uns wieder an die Arbeit. Es dauerte noch zwei Stunden, bis wir alles erledigt hatten.

Wir waren danach ziemlich fertig und obwohl die Arbeit schweißauftreibend war schlich sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht mit welchem ich Pablo und Francesco nun betrachtete. Die beiden sahen allerdings nicht so glücklich aus. Francesco rieb sich übers Gesicht und über die Augen.

„Irgendwer muss noch den Putzwagen wegbringen.", sagte er müde und nachdem ich in die erschöpften Gesichter der beiden Cousins sah, lächelte ich.

„Ich mach das schon.", versicherte ich den beiden und sie nickten mir dankbar zu.

Nachdem sie ganze zwei Schichten ohne mich hatten verrichten müssen, war das Wegbringen des Putzwagens wohl das Mindeste, was ich tun konnte. Ich schnappte mir den Wagen und schob ihn durch die Gänge. Um diese Uhrzeit war es ruhig. Die meisten Passagiere waren bereits auf dem Weg zum Mittagessen, deswegen konnte ich auch einfach summend durch das Schiff laufen, ohne zu befürchten gehört zu werden.

Ich musste einmal vom Anfang bis zum Ende, um die kleine Abstellkammer zu erreichen. Also schob ich einfach den Wagen langsam vor mir her, während ich mir die Gemälde an den Seiten im Vorbeigehen anschaute. Wie in den Mannschaftsunterkünften sahen die Gemälde und die Rahmen sehr hochwertig aus und ich verspürte das Bedürfnis über sie zu streichen. Auch wenn die Farbe der goldgefärbten Holzrahmen teilweise sogar schon abblätterte, aber das machte irgendwie ihren Charme aus.

Ich blieb stehen und stellte den Putzwagen an den Rand. Meine Finger streckten sich wie von selbst nach dem Gemälde vor mir aus und ich strich die Ornamente entlang. Plötzlich drangen leise Stimmen zu mir durch und ich spitzte die Ohren. Der Gang war leer, die Stimmen mussten also etwas weiter weg sein, der Schall im Inneren führte allerdings dazu, dass ich trotzdem jedes Wort verstand.

„...kann nicht sein. Ich hatte ihn eben noch.", flüsterte eine Männerstimme und seufzte leise.

„Denk nach. Wann hattest du ihn zuletzt gesehen?", fragte eine Frauenstimme energisch.

Es hörte sich beinahe so an, als würden sich die beiden Personen streiten. Ich runzelte die Stirn, gab mich jedoch nicht zu erkennen. Das Gespräch führte in eine interessante Richtung. Ich verstand ja, dass man auf einem Schiff, allein um Rücksicht auf die anderen Passagiere zu nehmen leise sprach, aber die flüsternden Stimmen kamen mir irgendwie merkwürdig vor. Die Männerstimme erhob seine Stimme.

„Ich weiß, dass ich den Ring eben noch hatte.", sagte er und meine Hand griff blitzartig an den Ring in meiner Hosentasche.

Konnte es sein, dass er genau diesen Ring verloren hatte? Das war nur wahrscheinlich. Er sprach von einem Ring, den er nicht mehr fand und ich hatte vor kurzer Zeit einen Ring gefunden. Es war nur merkwürdig, dass sie sich immer noch geheimnisvoll flüsternd unterhielten. Die Frau seufzte.

„Super gemacht, du hast gerade einen fünfhunderttausend Euro teuren Ring verloren.", sagte sie und ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke.

Fünfhunderttausend Euro? Eine halbe Million? Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer und mein Griff um den Ring immer fester. Der Ring hatte so schlicht ausgesehen, konnte es wirklich sein, dass wir von dem gleichen Ring sprachen? Ich wollte mich gerade bemerkbar machen und den beiden den Ring zeigen und fragen, ob es das war was sie suchten, als der nächste Satz mich mitten in der Bewegung zum Gefrieren brachte.

„Da habe ich mir ja wirklich den richtigen Kriminellen gesucht. Ich vertraue dir einen teuren Ring an und zum Dank verlierst du ihn auch noch.", sagte die Frau und mein Mund klappte auf. Kriminell?

Mein Herz sackte mir in die Hose. Ich trat so schnell wieder hinter meinen Putzwagen, dass ich im nächsten Moment beinahe befürchtete, der Lärm würde die beiden Gesprächspartner aufscheuchen. Zu meinem Glück tat sich nichts weiter. Offensichtlich konnte ich jedes ihrer Worte verstehen, aber sie keinen einzigen Laut von mir. Sonst wären sie nämlich schon längst verstummt. Ich atmete beruhigt aus, während ich weiter der brisanten Unterhaltung folgte. Mein Herz schlug mit jeder verstrichenen Sekunde schneller.

„Wir können ihn immer noch als vermisst melden.", sagte der Mann und die Frau lachte auf.

„Keiner von uns beiden und vor allem in unserer Stellung könnte erklären, wie er in den Besitz des Schmuckstücks gekommen ist. Gott, jeder Blinde sieht, dass das ein teurer Ring ist. Keiner von uns müsste hier arbeiten, wenn wir im Besitz von so etwas sind.", erklärte die Frau aufgebracht und der Mann schnaubte

„Genau das ist eigentlich der Plan dahinter. Ich will nicht für mein Leben lang auf diesem Schiff ackern, nur um nachher immer noch nichts zu haben.", sagte er und ich hörte, wie die beiden anfingen zu laufen. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich nicht auf mich zu bewegten, denn ich stand immer noch wie erstarrt bei meinem Wagen. Wenn sie jetzt um die Ecke kamen und mich sahen, würde mich mein geschockter Gesichtsausdruck sofort verraten.

Die beiden würden sofort wissen, dass ich die ganze Zeit gelauscht hatte. Meine Hand glitt in meine Hosentasche und ich vergewisserte mich, dass der Ring immer noch da war.

In meiner Hand wurde er plötzlich um einiges schwerer. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich den Ring sofort zurückgegeben, aber da es Diebesgut war, welches ich gerade in meinen Händen hielt, fiel diese Option schon einmal weg.

Ich musste wissen um wen es sich bei den beiden Personen handelte. Und ich musste sie irgendwem melden. Das wäre die nächste Frage. Zu wem konnte ich gehen? Immerhin befanden wir uns mitten auf dem Meer. Ich schluckte schwer, als mir dieser Fakt in den Sinn kam. Wir waren mitten auf dem Meer und hier trieben sich zwei Verbrecher herum. Wie sollte ich das auch nur irgendwem erklären, ohne, dass sie mich für vollkommen verrückt hielten? Wer rechnete denn auch damit, dass auf einem Kreuzfahrtschiff ein offensichtlich schon fündig gewordenes Diebespärchen seine Runden machte?

„Die Chance besteht immer noch, dass wir ihn wiederfinden.", sagte der Mann nun hoffnungsvoll.

„Das glaubst du wohl selbst nicht. Die Crew ist nicht ehrlich. Sie ist gierig. Wenn sie den Ring einmal unter die Finger bekommen, siehst du ihn nie wieder."

Die Frauenstimme klang kalt.

„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ein Passagier den Ring an der Rezeption abgeben würde."

Ich hielt den Atem an. Sie klangen jetzt viel näher als noch vor ein paar Augenblicken.

„Vielleicht sollten wir einmal nachschauen. Vielleicht hat ihn bereits jemand gefunden?" Die Männerstimme klang immer noch sehr hoffnungsvoll.

„Ich glaube nicht, dass es noch etwas bringt.", sagte die Frau hörbar wütend auf ihren Kollegen.

„Und was machen wir jetzt?", fragte der Mann und einige Sekunden blieb es still, sodass ich beinahe befürchtete, sie könnte mich doch irgendwie gehört haben. Nach kurzer Zeit fingen sie allerdings wieder an zu reden, was mich erleichtert aufatmen ließ.

„Du gehst zu deiner Arbeit und ich werde das Gleiche tun. Hör dich bei der Mannschaft um. Vielleicht hat doch jemand etwas mitbekommen.", sagte die Frau nun.

„Besser für dich wäre es.", meinte sie dann und der Mann stöhnte.

„Es tut mir ja leid.", sagte er aufrichtig.

„Ich werde dafür sorgen, dass wir den Ring bekommen werden. Und ich werde mich weiter an Bord umsehen.", versicherte er seiner Partnerin und ab da herrschte Stille. Ich blieb noch einige Minuten auf der Stelle stehen und lauschte. Aber bis auf das Meeresrauschen, die Wellen, die gegen das Schiff schlugen und ab und zu wieder ein Knarzen des Bodens war nichts weiter zu hören. Ich war wieder allein. Ich hatte die Luft angehalten und ließ sie nun nach und nach wieder ausweichen. Was hatte ich da bloß mit angehört? Ein kriminelles Paar, das sich auf dem Schiff umsah? Konnte das überhaupt wahr sein? Vor jeder Kreuzfahrt wurden die Daten der Reisenden überprüft. War es da nicht wahrscheinlich, dass gerade Menschen mit Vorstrafen gar nicht erst an Bord kamen? Andererseits, wenn diese beiden noch nie erwischt worden waren, konnte es natürlich auch kein Vorstrafenregister geben. So ein Mist aber auch. Irgendjemand auf diesem Schiff hatte offensichtlich nichts Gutes im Sinn und ich war gerade Zeuge dieser hinterhältigen Ideen gekommen. Einen Ring hatten sie bereits gestohlen. Den Ring, den ich immer noch in meiner verkrampften Hand festhielt. Ich erlöste das kalte Metall von dem Druck und atmete langsam ein. Meine Hände zitterten und meine Atmung ging etwas stoßweise, als wäre ich gerade kilometerweit gelaufen.

Ich ließ das Gespräch noch einmal in meinen Gedanken Revue passieren und an einer Stelle stutze ich. Hatte die Frau nicht gesagt, sie sollten wieder an die Arbeit zurückkehren? Es war nur wahrscheinlich, dass sie damit die Arbeit auf dem Schiff meinte. Das hieß, dass die beiden zur Crew gehörten. Ich schnappte automatisch nach Luft. Ich hatte ihnen möglicherweise schon einmal gegenübergestanden und wusste es nicht. Die Stimmen waren mir nicht bekannt vorgekommen. Vielleicht meinten sie auch nur die Arbeit im Sinne von ihren Machenschaften, aber wie sollte sich der Junge sonst unter dem Personal umhören, wenn er nicht selbst Teil davon war?

Ich ging in Gedanken das Personal durch. Alle mit ihren freundlichen Augen und lustigen Geschichten, mit denen sie ihre Freunde aufmunterten, wenn sie einen schlechten Tag hatten. Ich konnte mir auf Anhieb niemanden von der Mannschaft vorstellen, der auch nur ansatzweise zu so etwas fähig war. Das war einfach unvorstellbar.

„Entschuldigung, darf ich mal?" Eine Männerstimme ganz nah neben mir ließ mich beinahe bis an die Decke springen. Mein Herzschlag beschleunigte sich rasant von null auf hundert. Ich starrte den Mann vor mir aus großen Augen an und er erwiderte den Blick verwirrt.

„Entschuldigung. Ich müsste nur einmal vorbei.", meinte er und zeigte auf den Putzwagen, der mitten im Weg stand. Mein Herz beruhigte sich wieder. Einen Augenblick lang hatte ich befürchtet der Mann könnte einer der Kriminellen sein, aber er schaute mich nur verwirrt an. Ich schüttelte den Kopf.

„Natürlich, entschuldigen Sie.", sagte ich abwesend und stellte den Wagen zur Seite.

„Kein Problem.", sagte der Mann kopfschüttelnd und ging dann seines Weges den Gang entlang.

Ich schluckte und ging dann mit schweren Schritten und dem Putzwagen zu der kleinen Abstellkammer. Nachdem ich den Putzwagen mit zitternden Händen wieder befüllt hatte, machte ich mich auf dem Weg zur Küche. Mittlerweile hatten wir zwei Uhr, ich hoffte also, dass es dort jetzt nicht mehr so voll war, wie am Tag zuvor. Die Gänge kamen mir an diesem Tag dunkler vor. Vielleicht lag das aber auch an dem, was ich erfahren hatte. Ich schüttelte den Kopf. Ich musste diese Gedanken einfach loswerden. Im Inneren der Kantine war tatsächlich nicht so viel los wie am Vortag.

Ich sah Pablo und Francesco schon von Weitem und sie winkten mir zu. Als ich mich zu ihnen auf den Weg machte, bemerkte ich eine dritte Person am Tisch. Tristan. Konnte ich ihm von den Verbrechern erzählen? Ich musste einen geeigneten Zeitpunkt finden, um ihm von diesen Neuigkeiten zu berichten, entschied ich. Ohne die beiden Italiener.

„Hey.", sagte ich und bemühte mich vergnügt zu klingen. Andererseits war mein Teller war nur halb beladenen, was sicher ein Indiz dafür war, dass es mir nicht gut ging. Der Appetit war mir in der letzten Stunde redlich vergangen. Meinen Freunden schien das nicht aufzufallen.

„Na, wie geht es unserem Kindermädchen heute?" Tristan grinste mich breit an. Ich erschauderte sichtlich.

„Erinnere mich bloß nicht daran.", sagte ich kopfschüttelnd.

Ich hatte die letzten Stunden tatsächlich keine Sekunde lang über Tick, Trick und Track nachgedacht. Und auch nicht an die verhängnisvolle Versteckjagd am Abend. Ich hatte die Erlebnisse erfolgreich in meinen Hinterkopf verbannt. Tristan schmunzelte.

„Nimm es dir nicht so schwer zu Herzen. Das wäre jedem passiert.", beteuerte er und Pablo und Francesco hoben die Köpfe.

„Wiescho? Wasch ischn paschiert?", fragte Pablo mit vollem Mund und Francesco sah ihn anmaßend an. Er schluckte sein Essen herunter und räusperte sich.

„Was ist denn passiert?", fragte er noch einmal augenrollend und Francesco nickte zufrieden. Ich seufzte.

„Es gab nur ein paar Probleme mit den Gremperich Kindern, nichts weiter.", sagte ich. Pablos Augen wurden groß und Francesco verschluckte sich an seinem Essen.

„Die Gremperich Kinder? Meine Güte. Du tust mir leid.", sagte Francesco. Pablo sah mich weiterhin schockiert an.

„Mit denen ist nicht zu spaßen. Das sind noch nicht einmal richtige Kinder. Die kommen direkt aus der Hölle.", ergänzte Francesco. Also war ich doch nicht die Einzige, die diesen Eindruck gehabt hatte.

„Ich habe sie gestern noch bei den oberen Decks herumlungern sehen. Die drei waren sehr komisch und haben die ganze Zeit um die Ecken geschaut, als ob der Teufel persönlich hinter ihnen her war." Das war bestimmt zu der Zeit, in der sie mir davongelaufen waren.

„Das wäre dann wohl ich." Die Italiener zogen eine Augenbraue in die Höhe.

„Sie sind mir fortgelaufen.", gestand ich und die beiden Cousins nickten verstehend. Tristan kannte die ganze Geschichte bereits. Da ich die Kleinen in keinster Weise vermisste, war ich froh, dass die Hausdame respektive Hausdrache an diesem Morgen nicht noch einmal zu mir gekommen war und mir mitteilte, dass ich erneut auf die drei Jungs aufpassen durfte. Das war der schlimmste Tag in meinem Leben und ich war nicht scharf darauf ihn kaum 24 Stunden später zu wiederholen. Tristan lachte.

„Es war doch sogar ganz witzig.", bemerkte er und ich schnaubte.

„Ja, sehr lustig." Tristan klopfte mir auf den Rücken.

„Mach dir nichts draus, Solea. Das hätte selbst Frau Hoffenmeier passieren können. Die drei haben ihren Ruf schließlich nicht umsonst." Ich zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Welchen Ruf denn?", fragte ich neugierig.

„Na, von den drei kleinen Teufeln. Die drei waren schon öfter hier und sind dem Personal nicht ganz unbekannt. Sie haben uns schon so einige Male in Atem gehalten.", lachte Tristan, aber mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.

„Das heißt, ihr wusstet alle, wie die Jungs drauf sind?", fragte ich verblüfft und die Italiener und Tristan nickten stumm mit dem Kopf.

Ich konnte es nicht fassen. Sie hatten von den Streichen gewusst und mich mit keiner Silbe vorgewarnt. Ich schob beleidigt die Unterlippe nach vorne. Das hieß wiederum, dass Frau Hoffenmeier auch Bescheid wusste. Sie hatte mir die Kinder also mit voller Absicht aufgehalst. Und sie hatte auch noch von entzückenden Kindern gesprochen! Von wegen! Sie hatte genau gewusst, was die Jungs auf dem Kerbholz hatten. Stellte sich mir nur die Frage, warum sie ausgerechnet mich auf dem Kieker hatte. Ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, dass ich sie jemals angegangen war oder irgendwie schlecht geredet hatte. Zumindest nicht, wenn sie in der Nähe war und es hören konnte. Ich war schließlich nicht lebensmüde.

Ich biss die Zähne zusammen, als ich näher darüber nachdachte. Ich konnte mir nicht vorstellen, womit ich die Hausdame je verärgert haben sollte oder ihr Anlass gegeben hatte, mich nicht zu mögen.

„Hallo, Erde an Solea." Pablo wedelte wie wild mit der Hand vor meinem Gesicht herum. Tristan und Francesco beobachteten mich belustigt. Ich erwachte aus meiner Starre.

„Ja, was?" Ich zog verwirrt eine Augenbraue in die Höhe. Francesco kicherte.

„Wir haben nur gerade gesagt, dass wir auf unsere Kabinen gehen wollten." Pablo zeigte auf die leeren Teller und auch mein Blick senkte sich auf meinen mittlerweile leeren Teller.

Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich das Essen immer weiter in mich hinein geschaufelt hatte und ich zuckte kurz zusammen. Ich wusste nicht einmal mehr, was ich überhaupt gegessen hatte. Was solls. Die beiden Cousins erhoben sich von ihren Plätzen und auch Tristan und ich standen auf. Wir brachten gerade unsere Teller weg, als sich Mia uns in den Weg stellte.

„Hat es euch denn geschmeckt?" Ich hätte fast aus Reflex die Augen verdreht, als sie ihre Frage wie immer nur an Tristan richtete. Er räusperte sich.

„Ja, es war alles sehr gut.", sagte er und wollte sich schnell wieder zum Gehen wenden, aber Mia hielt ihn an seinem Arm fest. Wie schon bei der ersten Begegnung im Speisesaal ignorierte sie uns restliche Anwesenden geflissentlich und hatte nur Augen für Tristan. Pablo, Francesco und ich verfolgten das Schauspiel interessiert. Tristan musste diese Blicke bemerkt haben, denn seine Wangen färbten sich leicht rosa.

„Willst du denn nicht noch ein Kuchenstück?", fragte Mia hoffnungsvoll und zeigte hinter sich auf eine ganze Reihe voller süßer Köstlichkeiten. Tristan grinste verlegen.

„Danke Mia." Genannte lächelte beim Klang ihres Namens übertrieben.

„Ich muss schließlich auf meine Figur achten.", sagte er und klopfte sich auf den nicht existenten Bauch. Mia machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Aber Tristan, darüber musst du dir doch keine Sorgen machen."

„Naja..." Ihm war sichtlich unwohl, aber Pablo und Francesco taten keinen Versuch ihn aus seiner Situation zu retten. Entschlossen trat ich einen Schritt nach vorne und griff nach seinem Arm. Tristans Augen weiteten sich überrascht.

„Wir müssen dann auch weiter.", sagte ich und lächelte Mia übertrieben an. Mias Mundwinkel zogen sich in die Tiefe. Es war nicht sehr viel, aber genug, um zu bemerken, dass sie enttäuscht war.

„Oh.", sagte sie niedergeschlagen und ich hätte beinahe Mitleid gehabt, aber schon eine Sekunde später lächelte sie breit.

„Dann sehen wir uns später." Sie war in null Komma neun Sekunden wieder gut gelaunt. Schneller als der Tesla Roadster von null auf hundert beschleunigte.

„Kommt bald wieder.", flötete sie uns hinterher und ich zog den mehr als verwirrten Tristan hinter mir aus der Tür. Pablo und Francesco folgten uns lachend. Tristan schüttelte den Kopf.

„Was war das denn?" Ich lachte.

„Ich habe dich gerade aus den Händen von - wie hast du sie noch genannt? - Double-M gerettet." Die beiden Cousins konnten sich vor Lachen gar nicht mehr halten. Tristan stellte sich aufrecht hin.

„Ich hatte alles im Griff.", sagte er übermütig, aber das ließ mich nur noch mehr lachen.

Das sah allerdings nicht so aus.", entgegnete ich und Tristan schnaubte.

„Du kannst froh sein, dass Solea dir geholfen hat. Du wärst sonst noch nicht draußen gewesen.", brachte Pablo kichernd hervor und Francesco nickte eifrig.

„Du hättest dich allein nie herausreden können.", stimmte auch er seinem Cousin bei und Tristan kratzte sich am Hinterkopf.

„Vielleicht habt ihr Recht.", sagte er.

„Danke, Solea." Meine Augenbrauen schnellten in die Höhe. Hatte er sich gerade bei mir bedankt? Das war allerdings etwas Neues. Ich lächelte ihn an.

„Keine Ursache.", sagte ich schnell, da man solche Verhaltensänderungen durchaus belohnen sollte. Tristan grinste.

„Auch wenn es nicht nötig gewesen wäre.", sagte er nun wieder übermütig. Ich rollte mit den Augen.

„Hat dir die Unterhaltung über deine Muskeln so sehr gefallen?", neckte ich ihn und Tristan wurde prompt rot wie eine Tomate.

„Lassen wir das Thema lieber.", murmelte er und wir gingen lachend zum Treppenhaus. Eigentlich hätten wir auch einen der Aufzüge nehmen können, allerdings war ich in der Zeit, die ich schon hier verbrachte, kein einziges Mal mit dem Aufzug gefahren. Ich wusste selbst nicht warum, aber meinen drei Begleitern schien es auch nichts auszumachen die Treppe zu nehmen. Es ging wahrscheinlich schneller als die Aufzüge.

„Wir gehen auf unsere Kabinen.", sagten die beiden Cousins. Pablo gähnte tatsächlich und ich kicherte. Es war unglaublich, wie schnell er müde wurde.

„Ach verdammt! Ich habe noch was vergessen." Tristan schlug sich gegen die Stirn.

„Ich muss noch was an der Rezeption klären.", fuhr er fort und wollte schon nach oben gehen, als ich ihn aufhielt.

„Ich komme mit.", sagte ich und Tristan schaute mich ungläubig an.

„Ich war lange nicht mehr bei Mr. Henry.", erklärte ich dann und der Junge nickte, wenn auch nicht ganz überzeugt.

„Klar, komm mit."

Insgeheim witterte ich meine Chance, ihm von der Sache mit dem Ring zu erzählen. Meine Entdeckung durfte ich nicht für mich behalten. Wenn mir jemand helfen könnte, dann war es wohl Tristan.

So trennten wir uns schließlich von den Cousins und ich ging mit Tristan die Stufen hinauf, genau in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ich lächelte verlegen.

„Gibt es einen bestimmten Grund, warum du mitkommen wolltest?", fragte Tristan mich geradeheraus und ich lächelte schwach. Er hatte eine gute Menschenkenntnis. Dass ich Mr. Henry vermisste, hatte er mir nicht eine Sekunde lang abgekauft.

„Ehrlich gesagt... ja.", gab ich zu und Tristans Augen lagen abwartend auf mir, als hätte er nichts anderes erwartet. Ich sollte weitererzählen, aber ich war mir nicht sicher, wie ich diese sensible Angelegenheit bloß anschneiden konnte. Ich seufzte und entschied mich schließlich dazu einfach All-In zu gehen.

„Ich habe auf dem Gang etwas mitbekommen.", fing ich langsam an und Tristan beobachtete mich immer noch ruhig, während wir die Treppen hinaufstiegen. Ich zögerte etwas. In meinem Kopf hatte ich alle Sätze zusammengelegt, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich die Worte nicht aussprechen sollte.

Ich beschuldigte ihn und seine Familie förmlich damit, Kriminelle auf das Schiff zu lassen. Zugegeben, sie konnten nichts dafür, aber bei so einer exklusiven Kreuzfahrt konnte man doch davon ausgehen, dass alle Passagiere und Crewmitglieder mehrfach durchleuchtet wurden, oder? So zumindest stellte ich mir das vor und es war auch das, was mich bei meiner Bewerbung mitbekommen hatte. Schon als ich mich beworben hatte, kamen laufend neue Briefe in denen neue Unterlagen angefordert wurden, inklusive polizeiliches Führungszeugnis. Ich hatte es zwar damals für unnötig befunden diese Informationen preiszugeben, aber da ich nichts zu verheimlichen hatte und wenn mein Arbeitgeber dann zufrieden war, sollte es mir recht sein.

Ich strich mir über die Haare, als ich bemerkte, dass Tristan sich neben mir immer weiter zu mir vorbeugte, als würde ich ihm ein brisantes Geheimnis ins Ohr flüstern wollen, was so gesehen ja sogar der Wahrheit entsprach.

„Es ist so, dass... Ich war beim Putzen auf dem Gang und hab plötzlich Stimmen gehört. Ich habe mir nichts dabei gedacht, aber dann haben die beiden angefangen über einen Diebstahl zu reden. Ich habe dann nichts mehr weiter geputzt, natürlich, ich wollte ja nicht bemerkt werden und zum Glück haben sie mich auch gar nicht gesehen- Oh Gott was wäre bloß passiert, wenn sie mich entdeckt hätten? Immerhin habe ich so das ganze Gespräch belauscht. ", sprudelte es aus mir heraus und Tristans Augen wurden dabei immer größer.

Jetzt war ich voll in Fahrt. Die Worte strömten nur so aus mir heraus.

„Und sie planen noch mehr Diebstähle. Das war nicht nur der Ring, den sie gestohlen und ich gefun-"

„Okay, stopp.", Tristan war stehen geblieben und hielt mich an den Schultern fest. Überrumpelt kam ich ebenfalls zum Stillstand. Tristan schüttelte den Kopf.

„Jetzt mal ganz ruhig. Wer hat über einen Diebstahl geredet und was für ein Ring?", fragte er und ich seufzte.

„Eine Frau und ein Mann haben sich darüber unterhalten. Sie sprachen davon, dass sie einen Ring gestohlen hatten, der allerdings jetzt weg ist und sie planen noch weitere Diebstähle. Und zwar hier an Bord.", sagte ich etwas aufgebracht darüber, dass er den Ernst der Lage nicht begriff und sich immer noch dieses Grinsen auf seinem Gesicht abzeichnete.

Ich an seiner Stelle wäre aus allen Wolken gefallen. Ich war eindeutig mehr geschockt gewesen als er. Er ließ seine Arme ruhig von meinen Schultern sinken.

„Ach, Solea.", sagte er ruhig und ich runzelte die Stirn. Er konnte gar nicht so gelassen auf diese neue Information reagieren. Sein Verhalten wurde immer sonderbarer.

„Du hast dich bestimmt verhört.", sagte er dann und mir wurde schlagartig bewusst, dass er nur so gelassen reagierte, weil er mir in erster Linie gar nicht erst glaubte. Ich knirschte mit den Zähnen.

„Du glaubst mir nicht.", stellte ich fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Tristan seufzte.

„Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue.", versuchte er sich herauszureden. Ich hob abwartend eine Augenbraue in die Höhe.

„Aber das hier ist ein sicheres Schiff, würde mein Onkel jetzt sagen. Du hast eine lebhafte Fantasie.", schloss er nun und mein Mund klappte auf. Lebhafte Fantasie? Wollte er mich eigentlich verarschen?

„Willst du mich eigentlich verarschen? Lebhafte Fantasie? Ich habe mitbekommen, wie zwei Leute an Bord einen Diebstahl planen, einen sogar schon hinter sich gebracht haben und du denkst ich hätte eine lebhafte Fantasie?"

Ich war mehr als aufgewühlt.

„Ich habe es mit meinen eigenen Ohren gehört!", sagte ich nun um eine Oktave höher und Tristan lächelte aufmunternd.

„Es ist ganz klar, was hier vor sich geht, Solea", sagte er nun sanft und ich hob denn Blick. War es das? Ich bezweifelte seine Aussage.

„Du hast ein vorübergehendes Porzellansyndrom wegen dem Stress.", sagte Tristan stolz und ich verzog verwirrt das Gesicht? Porzellansyndrom? Was sollte das bitte heißen? Der Junge vor mir erklärte mit ruhiger Stimme.

„Du siehst und hörst Dinge, die nicht wirklich existieren. Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank. Das Porzellansyndrom.", schloss er und mein Mund klappte förmlich auf.

„Wie bitte?" Meine Stimme klang so langsam hysterisch und Tristan stand einfach vor mir und lachte herzhaft. Es war eine Sache zu sagen, dass er mir nicht glaubte, aber es war eine vollkommen andere Sache zu behaupten, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank.

„Das ist nicht weiter schlimm. Jeder, der nicht ausgeschlafen ist, sieht und hört manchmal Sachen, die gar nicht wirklich da sind.", sagte er schulterzuckend. Ich konnte nichts dafür, was als nächstes geschah. Meine Hand schloss sich wie automatisch zu einer Faust und schlug ihn auf den Oberarm. Zwar kurz, aber hoffentlich sehr schmerzvoll.

„Hey!" Tristan rieb sich den Arm mit einem schmerzverzehrten Gesicht.

„Du hast es verdient.", sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Tristan stöhnte und ich schob beleidigt meine Unterlippe nach vorne.

„Hör mal, Solea. Das war doch gar nicht böse gemeint.", versuchte er sich jetzt zu verteidigen, aber ich blickte nur stur geradeaus, während wir immer näher zu der Rezeption gelangten.

„Ich sage ja nur, dass, wenn sie unter Stress sind, Frauen-" Mein Blick schoss so schnell wieder zu Tristan, dass er abrupt mitten im Satz abbrach. Wenn Blicke töten könnten läge Tristan jetzt bereits unter der Erde.

Jetzt kam er mir auch noch mit Frauenvorurteilen! Es war unfassbar. Er war unfassbar. Ich schnaubte und bahnte mir einen Weg an einem komisch ausgestopften Papagei vorbei zu der Rezeption. Hinter der Rezeption stand, natürlich im Anzug und Krawatte, Mr. Henry mit einem breiten Lächeln und strahlte mich aus funkelnden Augen durch seine runden Brillengläser an.

Ich war zwar nur einmal an der Rezeption vorbeigekommen - und zwar an meinem Anreisetag, denn der Eingang befand sich unweigerlich neben der Rezeption - aber Mr. Henry schien mich aus irgendeinem Grund wiederzuerkennen.

„Solea Müller, richtig?", fragte er und ich hob verblüfft die Augenbrauen.

„Ja, stimmt.", sagte ich verdattert und starrte ihn einige Sekunden lang an. Er zwinkerte mir freundlich zu. Mr. Henry war wohl mindestens genauso alt wie das Schiff selbst.

Er sah so aus, als hätte er schon alle Generationen mit- und überlebt und als hätte er nie etwas anderes getan, als hinter der Rezeption zu stehen und den Gästen eine schöne Reise zu wünschen. Als ich mich bei ihm angemeldet hatte, hatte er mir sogar aufmunternd zugesprochen.

Anscheinend hatte ich verloren und vielleicht auch etwas verwirrt wegen der Begegnung mit Tristan ausgesehen. Jedenfalls schien mir, dass Mr. Henry damals sowie heute darauf bedacht war mich wieder zum Lächeln zu bringen.

„Und wie kann ich dir helfen?", fragte er nun weiter und ich schüttelte schnell den Kopf. Ich war ja gar nicht für mich da, sondern nur weil Tristan noch etwas klären musste. Seine Kommentare machten mich innerlich und äußerlich rasend, aber ich musste ihn dennoch davon überzeugen, dass das, was ich ihm erzählt hatte der Wahrheit entsprach und dass er sich an Bord besser vorsehen sollte. Wer wusste schon, was diese Ganoven als nächstes aushecken würden? Tristan tauchte im nächsten Moment hinter mir auf.

„Hey, Mr. Henry.", sagte er freundlich, doch ich konnte sehen, dass er sich immer noch den Arm hielt. Also echt, so fest hatte ich jetzt auch nicht zugeschlagen. Andererseits machte es mir trotz meiner Wut auf ihn ein schlechtes Gewissen. Ich biss mir auf die Lippe.

„Hallo Tristan. Was gibt's, mein Junge?"

Diese Art, wie Mr. Henry mit Tristan sprach und wie freundlich Tristan ihn anlächelte, während er sprach, zeigte mir sofort, dass die beiden vertraut miteinander waren. Es hatte schon fast etwas von einer Großvater-Enkel-Beziehung, die mich augenblicklich schmunzeln ließ.

„Erst einmal, haben Sie noch etwas Wundsalbe hier? Ich brauch etwas für meinen Arm.", sagte Tristan mit einem verschwörerischen Seitenblick zu mir. Ich schaute ihn meinerseits entgeistert an.

„Stell dich nicht so an. So fest habe ich dich gar nicht geschlagen.", rutschte es mir prompt heraus und Mr. Henry beobachtete uns interessiert.

„Du hast ihn geschlagen?", fragte er neugierig und ich wurde rot, nickte aber bestätigend. Er kicherte.

„Er hat es bestimmt verdient.", sagte er immer noch lachend und Tristans Mund klappte auf. Meine Miene erhellte sich.

„Allerdings!", sagte ich schnell, bevor Tristan etwas darauf erwidern konnte und er schnaubte aufgebracht.

„Verbünden Sie sich ja nicht mit ihr, Mr. Henry. Warum müssen Sie sich immer gegen mich wenden?", fragte er und der Rezeptionist zuckte mit den Schultern.

„Du hast es nicht anders verdient, Junge.", sagte er mit einem Fingerzeig in seine Richtung.

„So oft wie du uns damals hast auflaufen lassen. Das kannst du gar nicht wieder gut machen." Empört schaute Tristan ihn an.

„Die paar Streiche, die ich euch gespielt habe-"

„Ein paar Streiche!" Er lachte laut schallend.

„Ein paar Streiche wären noch akzeptabel gewesen.", unterbrach ihn Mr. Henry und ich verfolgte den Schlagabtausch interessiert.

„Die Streiche, die du uns immer gespielt hast, waren wirklich nicht sehr nett.", fuhr der alte Mann fort und ich zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Er hat Ihnen Streiche gespielt?", fragte ich und lachte leise. Mr. Henry nickte.

„Als er noch ein kleiner Junge war und nur zu Besuch, ja. Da hat er mich und das Personal ganz schön auf Trab gehalten.", erzählte der Mann und ich lachte bei dem Gedanken daran, wie eine Miniversion von Tristan kichernd durch die Gänge lief.

„Das war doch gar nicht so schlimm..." Tristan versuchte sich augenscheinlich zu verteidigen, aber Mr. Henry ließ nicht mit sich reden.

„Oh nein, mein Lieber. Mit mir kannst du in dieser Sache nicht mehr verhandeln.", meinte er und winkte mich näher zu sich. Ich rückte ein Stück näher an ihn heran, damit er mir ins Ohr flüstern konnte.

„Er war sogar schlimmer als die Gremperich-Kinder.", sagte er verschwörerisch, aber so laut, dass Tristan ihn ohne Probleme verstehen konnte.

„Das ist nun wirklich nicht wahr.", sprang er sofort darauf an und Mr. Henry lachte leise in sich hinein.

Meine Kinnlade klappe geschockt auf und meine Augen wurden groß wie Teller, als ich Tristan jetzt anstarrte. Schlimmer als die Gremperich-Kinder? Das war unvorstellbar!

„Ich glaube ich muss diese Freundschaft hier beenden.", sagte ich und Tristan schaute mich ungläubig an.

„Was? Nein! Mr. Henry lügt.", sagte er und sein Blick glitt zwischen dem alten Mann und mir hin und her.

„Mr. Henry sagen Sie ihr, dass ich nie so schlimm war!", verlangte er schon fast bettelnd und ich musste kichern. Er verhielt sich gerade eins zu eins wie ein Kind, das nicht akzeptieren wollte, dass es jetzt Zeit war einen Mittagsschlaf zu halten. Meiner Meinung nach war das sowieso unfair. Als Kind musste man einen Mittagsschlaf machen und als Erwachsener durfte man es nicht mehr. Ich konnte mein jüngeres Ich jetzt, da ich älter war nicht verstehen, wieso es die tägliche Mittagsschlafpause immer so abgestritten hatte. Ich war ein dummes Kind gewesen, aber mit dem Alter wurde man ja bekanntlich immer schlauer.

Mr. Henry lachte noch einmal herzlich, bevor er Tristan auf die Schulter klopfte und mich aus freundlichen Augen angrinste.

„Er war wirklich nicht so schlimm wie die drei Jungs.", sagte er nun und Tristan nickte zufrieden. Mr. Henry hob drohend den Zeigefinger.

„Aber du musst zugeben, dass du kein kleiner Engel warst, wie du es vielleicht gerne erzählst.", sagte er und Tristan wurde leicht rot. Er senkte den Kopf.

„Das machen doch alle Kinder.", sagte er kleinlaut.

„Wenn du die Sache mit dem Verstecken meinst dann ja, aber die Nudeln überall an der Küchendecke zu verteilen gehört eindeutig nicht dazu.", sagte der Rezeptionist und sein schallendes Gelächter füllte das leere Foyer, bis auf einmal ein komisches Quietschen als Antwort ertönte.

Ich schaute mich suchend danach um, fand jedoch nichts. Mr. Henry und Tristan schienen es jedenfalls nicht gehört zu haben oder ignorierten es bewusst. Ich runzelte die Stirn. Wurde ich jetzt etwa tatsächlich verrückt wie Tristan glaubte? Ich brauchte dringend etwas Schlaf. Mit einem Kopfschütteln wandte ich mich wieder dem Gespräch vor mir zu.

„Mein Vater hat mich doch dafür bestraft.", bemerkte Tristan in dem Moment und Mr. Henry schüttelte den Kopf.

„Es hätte noch viel mehr gebraucht als einfacher Hausarrest. Man hätte dir am besten einen Maulkorb verpasst.", schlug er vor und ich lachte.

Es war unglaublich, wie ungezwungen die beiden miteinander umgingen.

„Und Handschellen hätte man dir am besten auch gegeben. Nur zu unserem eigenen Wohlergehen." Wenn ich mir ihn jetzt so ansah, konnte ich gar nicht glauben, dass er als Kind so schrecklich gewesen sein sollte. So schrecklich, dass Mr. Henry schon Vergleiche zu den Gremperich Kindern zog. Ich schüttelte mich.

Dann musste er wohl tatsächlich schlimm gewesen sein. Es erklärte außerdem, warum er so gut über die Ecken und Kanten des Schiffes Bescheid wusste, als die drei Geschwister weggelaufen waren. Er kannte immerhin die besten Verstecke an Bord.

Tristan schüttelte betreten den Kopf. Einen flüchtigen Augenblick lang konnte man meinen, dass ihm sein früheres Verhalten wahrlich leidtat.

„Lassen wir das Thema meiner nicht ganz so einfachen Kindheit hinter uns und widmen wir uns den wichtigen Dingen." Es war ein lahmer Versuch die Aufmerksamkeit von sich zu lenken, aber zu meinem großen Bedauern funktionierte es einwandfrei. Mr. Henry nickte.

„Du brauchst die Liste mit den Allergien?" Tristan bestätigte dies brummend.

„Sie haben es erfasst." Mr. Henry nickte kurz und ging mir schnellen Schritten in den Hinterraum. Für einen so alten Mann war er noch schnell in Fahrt. Es dauerte nicht einmal einen Wimpernschlag, als er wieder vor uns stand. Einen Stapel mit Listen in den Händen.

„Was ist das?", fragte ich neugierig und Tristan seufze erneut.

„Das sind die Listen der Allergien und Unverträglichkeiten der Passagiere. Ein Gast hat sich beschwert, weil er die Hälfte des Buffets heute Morgen nicht anrühren durfte, weil irgendeine gesättigte Fettsäure darin vorhanden war. Aber natürlich hat nicht der Koch, sondern der Kellner, also ich, alles abbekommen." Er rollte mit den Augen.

„Der hat mich auch dazu angestiftet die neuen Listen zu holen." Ich runzelte die Stirn.

„Sollten die Gäste nicht zu Beginn eine Liste ausfüllen mit Unverträglichkeiten oder Allergien?" Tristans Mundwinkel hoben sich triumphierend.

„Exakt. Aber das hat der Herr anscheinend vergessen. Er hat uns Kellnern die Hölle heiß gemacht."

Hölle."

Der Laut schallte unvermittelt durch den Raum und ich schaute mich schreckhaft um. Wo kam das Geräusch denn so plötzlich her? Die Stimme ließen gleich mehrere Schauer über meinen Rücken laufen. Ich schüttelte den Kopf. Tristan hatte doch noch recht gehabt und ich hatte wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Er beobachtete mich neugierig und lachte leise.

„Jedenfalls liegt es jetzt an mir, dass der Mann heute Abend sein spezielles Essen geliefert bekommt, damit er hier nicht von den Knochen fällt.", sagte Tristan und der Rezeptionist lachte.

„Der Gast aus der Präsidentensuite, richtig?", zog er fragend die Augenbrauen in die Höhe und Tristan nickte stumm. Mr. Henry lachte weiter, als hätte er einen guten Witz gemacht.

„Der fällt nun wirklich nicht von den Knochen. Dazu bedarf es erst einmal einer großen Hungersnot.", erklärte er lachend und wir fielen in sein ansteckendes Lachen mit ein. Tristan nahm die Listen von Mr. Henry entgegen und ich warf einen Blick darauf.

Der Name des Gastes kam mir nicht im Entferntesten bekannt vor, also musste ich nicht damit rechnen, ihm später irgendwann auf dem Gang zu begegnen. Der Mann hörte sich jedenfalls nicht sehr freundlich an.

„War das dann alles oder hat doch noch etwas hierhin geführt?", fragte Mr. Henry an Tristan gewandt und er wollte schon mit dem Kopf schütteln, als sein Blick auf mich fiel.

„Ja, da wäre tatsächlich noch etwas.", sagte er grinsend mit einem flüchtigen Seitenblick auf mich und ich zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter.

„Mr. Henry, hat bei Ihnen irgendjemand einen Ring als verloren gemeldet?", stellte er seine Frage und ich zog scharf die Luft ein. Meine Hand glitt wie von selbst zu dem kleinen Ring in meiner Tasche. Mein Blick lag abwartend auf dem etwas verwirrten Rezeptionist und er schüttelte den Kopf.

„Nein, nicht das ich wüsste. Warum fragst du?" Sein Blick lag neugierig auf Tristan und auch ich betrachtete ihn aufmerksam. Sein ständiges Grinsen war unerträglich.

„Ach, einfach nur so. Das Gerede des Personals. Sie wissen schon." Mr. Henry seufzte.

„Du weißt doch, dass man dem Flurfunk nicht vertrauen kann.", sagte er kopfschüttelnd und Tristan nickte ergeben.

„Ja, ich weiß. Es hat mich nur gewundert.", sagte er und Mr. Henry schnalzte mit der Zunge.

„Na dann. Denkt immer daran. Der Flurfunk ist nichts weiter als die Gerüchteküche des Personals, wenn es auf dem Schiff einmal nichts zu tun gibt. Das Gerede ist mehr falsch als richtig. Den Gerüchten kann man meistens nicht trauen.", sagte Mr. Henry noch einmal sanft an uns beide gerichtet und warf einen Blick auf seine Uhr.

„Jetzt wird es aber Zeit. Eure Schichten müssten gleich wieder anfangen." Er lächelte uns noch einmal aus seinen runden Brillengläsern aufmunternd an, bevor er sich ebenfalls wieder seiner Arbeit zuwandte.

„Kommt mich bald wieder besuchen.", rief der alte Mann uns hinterher und wir nickten.

„Bis bald." Ich winkte über meine Schuler hinweg und er zwinkerte mir ein letztes Mal gutherzig zu. Tristan zog mich an meinem Ärmel durch die Halle.

„Siehst du ich habe es dir ja gesagt. Kein Diebstahl hier auf diesem Schiff.", raunte Tristan stolz und ich blickte ihn von der Seite her misstrauisch an. Wollte er mir nicht glauben oder dachte er tatsächlich, dass an Bord alles in Ordnung war?

„Das beweist gar nichts. Der Frau kann es auch einfach noch nicht aufgefallen sein.", sagte ich schulterzuckend und Tristan runzelte nachdenklich die Stirn.

„Woher willst du wissen, dass der Ring von einer Frau stammt? Es könnte auch einfach ein Erbstück sein oder ein alter Verlobungsring." Ich schüttelte bestimmt den Kopf.

„Nein, der Ring ist so klein, der könnte nicht einmal mir passen.", sagte ich und Tristan blieb abrupt stehen. Misstrauisch verengte er die Augen.

„Woher weißt du so gut darüber Bescheid?", fragte er mich neugierig und ich schluckte schwer, als seine durchdringenden Augen auf mir lagen, als mir mein Fehler siedend heiß einfiel.

Ich hatte ihm gar nicht erzählt, dass ich den Ring gerade in diesem Moment in meiner Tasche fest umklammert hielt. Als er meinen reumütigen Blick sah, schob er mich an den Rand der Empfangshalle in eine kleine Nische, dorthin wo uns niemand, nicht einmal Mr. Henry, aus weiter Ferne beobachten konnte. Tristan beugte sich zu mir herunter.

„Woher weißt du das alles?", fragte er leise, aber nachdrücklich. Mein Mund klappte auf.

„Also glaubst du mir doch.", sagte ich verblüfft und Tristan richtete sich prompt zu seiner vollständigen Größe auf.

„Das habe ich nicht gesagt.", sagte er schnell und ich schüttelte leicht den Kopf. Das brauchte er auch gar nicht. Sein Gesichtsausdruck sagte mir bereits, dass er mir glaubte, beziehungsweise, dass er es nicht für unmöglich hielt.

„Du lenkst vom Thema ab. Also woher weißt du das alles?", fragte er nun etwas lauter und ich bedeutete ihm seine Stimme zu senken.

„Ist ja schon gut.", flüsterte ich und raufte mir die Haare. Mit einer schnellen Bewegung fischte ich den Ring aus meiner Hosentasche und hielt ihn Tristan vor die Nase. Seine Augen wurden groß, als er den kleinen silbernen Ring in meinen Händen sah.

„Was zum-" Sein Mund klappte auf und sein Blick glitt von mir zu dem Ring und wieder zurück.

„Du hast ihn die ganze Zeit bei dir gehabt?", fragte er fassungslos und ich nickte zögerlich.

„Ich konnte ihn ja schlecht im Flur liegen lassen, wo ihn jeder gefunden hätte. Wahrscheinlich sogar die Diebe selbst.", erklärte ich ihm und Tristan nahm den Ring vorsichtig aus meinen Händen.

Langsam drehte er den Ring in jedem erdenklichen Winkel und betrachtete ihn eingehend.

„E...", flüsterte er leise und ich musste schmunzeln, dass auch er die Inschrift im Inneren gefunden hatte.

„Wer soll das sein?" Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich konnte von dort, wo ich stand nicht sehen, wer gesprochen hat und sie haben auch mit keinem Wort erwähnt, wem der Ring gehörte. Nur das es um viel Geld ging, das habe ich noch mitbekommen.", antwortete ich und Tristans Blick hob sich von dem Ring in seinen Händen.

„Wie viel Geld?", fragte er und seinem Gesichtsausdruck zu Urteilen war er sich nicht ganz sicher, ob er die Antwort überhaupt wissen wollte. Ich seufzte.

„Eine halbe Million.", sagte ich und Tristan wurde schlagartig blass um die Nase. Seine Augen blieben an dem kleinen unscheinbaren Schmuckstück hängen. Er schluckte schwer.

„Nimm du ihn wieder.", stotterte er und legte mir das kalte Stück Metall in die Hand. Seufzend versteckte ich es wieder in meiner Tasche.

„Und was machen wir jetzt?", fragte ich ihn, doch Tristan schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Sein Blick schweifte in die Ferne und ich musste ein paar Mal mit der Hand vor seinem Gesicht herumwedeln, bevor er wieder in die Gegenwart zurückkam.

„Was?", fragte er überrumpelt und ich lächelte sanft.

„Was sollen wir jetzt machen mit dem Ring?", fragte ich erneut und Tristan sah einen Moment vollkommen ratlos aus, dann erhob er die Stimme.

„Am besten, Mr. Henry-"

„Nein.", schnitt ich ihm das Wort ab.

„Das können wir nicht machen. So machen wir es den Dieben nur einfacher.", sagte ich, doch Tristan sah nicht überzeugt aus.

„Oder der wahre Besitzer meldet sich.", setzte er dagegen. Ich schüttelte weiter vehement den Kopf.

„Genauso gut könnten wir auch darauf warten, dass der wahre Besitzer einen Diebstahl meldet. Das wird früher oder später auch noch passieren.", sagte ich und Tristan zögerte. Er biss sich auf die Lippe. Dann seufzte er lautstark.

„Also gut. Du hast gewonnen.", gab er nach und ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich wusste, dass meine Idee gut war.

„Und wo willst du ihn verstecken?", fragte Tristan nun und ich zuckte kurz mit den Schultern.

„Irgendwo in meiner Kabine, denke ich." Er nickte immer noch etwas abwesend von der Entdeckung, dass ich nicht gelogen hatte und ich grinste breit. Da sollte er noch einmal sagen, ich litt unter dem Porzellansyndrom.

QUIETSCH."

Direkt neben mir erklang wieder ein kreischender Laut und ich sprang vor Schreck in die Höhe.

„Meine Güte!" Ich drehte mich zu dem Laut der Quelle, nur um die komisch ausgestopfte Papageifigur zu erblicken.

Nur, dass es sich dabei keineswegs um eine Figur handelte. Denn die Figur bewegte sich gerade ziemlich lebendig und knabberte darüber hinaus auch ziemlich gründlich an meinen Haaren. Ich stolperte einen Schritt zurück und prallte gegen Tristan, der mich belustigt an den Schultern festhielt, sodass ich nicht hinfiel. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Die Augen des Papageis lagen ebenfalls auf mir und er legte den Kopf schief. Sein Kopf und die Oberseiten seiner Flügel schimmerten bläulich, während das Gefieder an der Brust orange gefärbt war.

„Das ist doch nur Fridolin. Der tut nichts.", sagte er und ich beäugte die Kreatur vor mir eingehend. Der Papagei wippte mit dem Kopf auf und ab.

Fridolin, Fridolin ist hier.", pfiff er und sah dabei so glücklich aus, dass sich meine Mundwinkel wie von selbst in die Höhe zogen. Er hob seine Krallen in die Höhe und winkte wie zum Gruß. Und ich hatte gedacht, dass dieses süße Wesen nur eine ausgestopfte Puppe war.

„Der Kleine ist mindestens so alt wie das Schiff.", sagte Tristan liebevoll und strich dem Papagei über den Kopf. Dieser schmiegte sich sofort an seine Hand an.

Wie aus dem Nichts holte Tristan ein paar Körner aus seiner Tasche und reichte sie dem Tier. Er nickte wieder mit dem Kopf und Tristan wandte sich lächelnd zu mir.

„Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben.", sagte er dann. So fröhlich wie der Papagei in dem Moment auf und ab hüpfte konnte ich gar nicht glauben, dass er schon so alt sein sollte. Wie alt konnten Papageien überhaupt werden? Ich schüttelte meinen Kopf.

Ich ließ mich einfach zu schnell ablenken. Zögernd streckte ich die Hand nach dem Tier aus und stich ihm über die zarten und weichen Federn. Er ließ es ruhig über sich ergehen und schaute mich nur neugierig durch seine kleinen schwarzen Knopfaugen an.

Ich blickte zu Tristan, der seinerseits ebenfalls seine Finger über die zarten Federn strich.

„Was er wohl schon alles erlebt hat?", flüsterte ich eher zu mir als zu dem Jungen neben mir, aber er sah sich anscheinend dazu verpflichtet auf meine Frage einzugehen. Er lachte leise.

„Ich glaube nicht, dass du das alles wissen willst.", sagte er und ich runzelte meine Stirn.

„Das Schiff verbirgt mehr Geheimnisse als du dir vorstellen kannst.", zwinkerte er verschwörerisch und ich schob meine Lippen hervor.

„MYSTERY. Schon klar."

Es lag nun einmal in meiner Natur, dass ich mehr als nur neugierig war und bei Geheimnissen konnte ich gar nicht anders als gespannt aufzuhorchen. Einem guten Geheimnis konnte ich noch nie widerstehen.

„Los erzähl.", flüsterte ich und Tristan seufzte ergeben, als er meinen Gesichtsausdruck sah.

„Du kennst doch diese Geschichte mit dem Schmuggel, die vor langer Zeit hier aufgedeckt wurde, oder?", sagte er leise und ich nickte langsam.

Tristan fuhr fort.

„Egal wo man sucht. Man findet keine näheren Informationen über die Täter oder wer das alles angezettelt hat. Das Einzige was man in alten Berichten findet, ist, dass der Täter gefasst und bestraft wurde, mehr nicht."

Meine Augen weiteten sich verblüfft. Der Täter wurde nie namentlich genannt? Diese Information musste doch irgendwo hinterlegt sein.

„Mein Großvater ist schon tot, sonst hätte ich ihn fragen können, aber das geht nun leider nicht mehr.", sagte Tristan bedauernd und ich legte ihm meine Hand auf die Schulter. Mein Blick glitt Fridolin und mit einem Mal konnte ich sehen, mit was für schlauen Augen er mich musterte. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Wenn er das alles live miterlebt hatte, dann hatte er wahrlich schon viel gesehen. Er wippte erneut fröhlich mit dem Kopf.

„Und das waren sicher nicht alle Verbrechen, die hier an Bord stattgefunden haben. Nur darüber wurde nie auch nur ein Wort erzählt. Und man würde es auch in keinem Buch finden." Ich biss mir nachdenklich auf die Unterlippe, bis sich ein schwaches Grinsen auf mein Gesicht schlich.

„Also doch nicht so ein ehrenwertes Schiff, was?" Tristan rang sich ebenfalls um ein Lächeln durch.

„Bei weitem nicht, das versucht mein Onkel nur immer allen einzureden.", sagte er verbittert und unsere Blicke glitten ein letztes Mal zu dem Papagei.

Alles gut, alles gut.", krächzte er und ich schmunzelte. Daran hatte ich gerade leider so meine Zweifel.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro